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Ella Berthoud und Susan Elderkin empfahlen sich bereits beim Literaturstudium in Cambridge gegenseitig Romane. Ella widmete sich anschließend der Kunst, Susan dem Schreiben. Seit 2008 bieten sie an der Londoner School of Life Bibliotherapie-Sitzungen an und schrieben daraufhin Die Romantherapie, die 2013 erschien. Zwischen vier Kindern, zwei Ehemännern, einigen Katzen, Hunden, Mäusen und Schildkröten verfassten sie nun Die Romantherapie für Kinder.

Traudl Bünger ist Programmredakteurin der lit.COLOGNE, Literaturkritikerin und Autorin. Ihr literarisches Debüt Lieblingskinder erschien 2012, und 2013 folgte Die Romantherapie. Ihr aktuelles Lieblingskinderbuch, von ihren Zwillingen gleichermaßen geliebt, ist Mia schläft woanders von Pija Lindenbaum (illustriert von Kerstin Behnken).

 

 

Ella Berthoud & Susan Elderkin
mit Traudl Bünger

Die
Romantherapie
für Kinder

233 Bücher, die Kinder glücklich,
gesund und schlau machen

Übersetzung aus dem Englischen
von Katja Bendels
und Kirsten Riesselmann

Insel Verlag

 

 

eBook Insel Verlag Berlin 2017

Der vorliegende Text folgt der deutschen Erstausgabe, 2017.

© der deutschen Ausgabe Insel Verlag Berlin 2017

© Ella Berthoud and Susan Elderkin, 2016

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

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Umschlaggestaltung: hißmann, heilmann, hamburg

eISBN 978-3-458-75179-3

www.suhrkamp.de

Für unsere eigenen, wenn auch merkwürdigen,
so doch wundervollen Geschöpfe:
Morgan, Calypso, Harper, Kirin

INHALT

 

Einleitung

 

Zum Gebrauch dieses Buches

 

Lebenslagen und Leiden von A bis Z

 

Verzeichnis der Lebenslagen und Leiden

 

Verzeichnis der Leseleiden

 

Verzeichnis der »Zehn besten Bücher«

 

Verzeichnis der Bücher

 

Quellennachweise der direkten Zitate

 

Dank

 

Bildnachweis

EINLEITUNG

 

Zwischen »Es war einmal« und »glücklich bis ans Ende ihrer Tage« liegt ein Land, in dem wir alle schon waren. Ein Land, in dem merkwürdige und wundervolle Dinge passieren.

Manchmal sind das Dinge, die wir normalerweise nicht machen – auf dem Rücken eines Drachen reiten oder die Goldene Eintrittskarte zur Schokoladenfabrik finden. Oft sind es auch Dinge, die wir zwar gern mal machen würden, die zu machen wir uns aber entweder nicht trauen oder für die wir viel zu vernünftig sind – von zu Hause weglaufen zum Beispiel. Und manchmal sind es Dinge, die zu erleben wir uns überhaupt nicht wünschen, von denen wir aber trotzdem gern wüssten, wie es wäre, wenn sie uns doch zustoßen würden – zum Waisenkind werden, auf einer einsamen Insel stranden, von einem Dachs aufgezogen oder tragischerweise in einen Felsen verwandelt werden. Wenn wir dann mit neuem, weltläufigem Blick zurückkehren und uns den Staub vom Hut klopfen, wissen nur wir allein, was wir erlebt, erfahren und ausgehalten haben. Und dass wir noch etwas entdeckt haben: Egal, was gerade in unserem wirklichen Leben geschieht und wie es uns damit geht, jemand anderem ist es schon mal ganz genauso gegangen. Wir sind nicht allein, immerhin.

Als wir in unserem ersten Buch, Die Romantherapie, die These aufgestellt haben, dass es helfen, ja sogar therapeutisch heilsam sein kann, das richtige Buch zum richtigen Zeitpunkt zu lesen, war diese Idee noch überraschend neu. Dass Kinderbücher für Kinder genau dasselbe tun können, wird nun niemanden mehr überraschen. Eltern, Patinnen, Großeltern und netten Onkeln – um mit Bibliothekarinnen, Deutschlehrerinnen und Buchhändlern, die natürlich allesamt nichts anderes sind als verkappte Bibliotherapeuten, gar nicht erst anzufangen –, ihnen allen ist schon seit langem klar, dass es für Kinder und Jugendliche in einem schwierigen Augenblick oft nichts Besseres gibt als eine Geschichte, völlig unerheblich, ob sie in der Schule gemobbt werden, zum ersten Mal verliebt sind oder das liebste Kuscheltier verschollen ist. Die besten Kinderbücher stellen sich den großen Themen und Gefühlen mit einer angstfreien Freude, sind dabei aber immer auch gleichermaßen verlässlich spannend und beruhigend.[1] Kein randalierendes Kleinkind ist nach der Lektüre von Wo die wilden Kerle wohnen noch so von der Rolle wie davor. Und kein präpubertäres Mädchen fühlt sich nach Charlottes Traum mit seinen Fragen noch so allein.

In diesem Buch finden Sie die besten Kinder- und Jugendbücher, die Sie den Kindern in Ihrem Leben schenken oder vorlesen können – egal, ob diese drei Jahre alt sind oder schon dreizehn, ob sie Bücherwürmer sind oder ob sie Büchern eher aus dem Weg gehen, ob sie schlecht stillsitzen können, lieber mehr Spielzeug hätten, Nissen in den Haaren oder Albträume haben oder ob sie unbedingt selbständiger sein wollen. Für viele gehört ein Lieblingsbuch aus Kindertagen zu den wertvollsten Besitztümern – und es darf auch nicht einfach irgendeine Ausgabe sein, sondern nur exakt das Exemplar, das ihnen schon damals gehört hat, das mit Wachskreide verunstaltet ist und bei dem die Aufklappteile längst abgerissen sind. Für Susan ist es ein Exemplar von Go, Dog. Go![2] von P. ‌D. Eastman mit seinem endlosen Hundekatalog: mit kleinen Hunden, großen Hunden, einfarbigen Hunden und Hunden mit geflecktem Fell, Hunden, die in offenen Cabrios fahren oder in dem größten Bett schlafen, das man sich nur vorstellen kann, um dann frühmorgens gleich nach dem Aufwachen hinaus in kunterbunte Farben und gleißendes Licht zu springen. Mit jedem Mal, in dem es gelesen oder richtiger: eingehend betrachtet wird – denn in diesem Buch geht es vor allem um die Bilddetails –, kann man wieder neue versteckte Witze mit dem Autor teilen: Da ist dieser eine Hund, dessen Augen mitten in der Nacht weit geöffnet sind, oder der, der bei Tagesanbruch noch immer döst. Für Ella ist es Tarzan bei den Affen von Edgar Rice Burroughs – das erste von vierundzwanzig Tarzan-Abenteuern, die sie eins nach dem anderen verschlungen hat und deren vergilbte Seiten überquellen vom Kreischen und Rufen des Dschungels. Auf den Seitenrändern ihres Exemplars finden sich ihre eigenen, ab und an den Text übermalenden bunten Versuche von geschmeidigen Schlangen, farbenfroh beflügelten Papageien und von Ast zu Ast springenden Affen. In diesen Büchern scheint wie in mächtigen Zeitkapseln nicht nur das zu stecken, was wir einmal waren, sondern auch das, was eines Tages zu sein wir uns damals erträumten.

An welchen Kindheitsbüchern unsere eigenen Kinder festhalten werden, lässt sich nur mutmaßen – aber es werden sicherlich welche sein, die man anfassen kann, die dinghaft sind. Tablets sind großartig darin, ein Buch für den Moment hell aufstrahlen zu lassen. Weil es aber zusätzlich zum Sehsinn auch noch den Tast- und den Geruchssinn anspricht, kann man sich in einem Buch aus Papier doch sehr viel besser verlieren.[3]

Und in solchen Momenten werden wir an einen anderen Ort versetzt. In solchen Augenblicken reisen wir in jenes Land.

Wenn Sie dann bequem sitzen, können wir anfangen.

ZUM GEBRAUCH DIESES BUCHES

 

Dieses Buch ist für Erwachsene, die in der aufregenden Situation sind, für Kinder oder Jugendliche Bücher aussuchen zu dürfen – also für Eltern, Erzieher und Erzieherinnen, Großeltern, Freunde, Lehrerinnen, Bibliothekare oder weit weg lebende Tanten, die aus der Ferne eine kleine Liebesbezeigung (oder auch eine mahnende Fabel) schicken wollen.

Es ist wie ein medizinisches Nachschlagewerk aufgebaut. Man blättere zum jeweiligen »Leiden« – sei es Langeweile, Pubertät oder Museumsbesuche; sie nicht mögen –, und schon stößt man auf einen Therapievorschlag in Form von ein oder zwei Büchern.

Da sich Lesekompetenz und -verhalten bei jedem Kind unterschiedlich entwickeln, haben wir unsere ›Therapien‹ nach Kategorien geordnet und nicht nach Alter. Wir arbeiten mit den Abkürzungen B für Bilderbuch, A für Leseanfänger, J für Junge Leser und T für Teenagerliteratur. Sie können also ein Buch auf dem für ein bestimmtes Kind passenden Niveau finden, indem Sie einfach nach den betreffenden Initialen suchen.

Auch wenn jede Abkürzung mehr oder weniger mit einer bestimmten Altersgruppe übereinstimmt (vgl. nachfolgende Tabelle), empfehlen wir trotzdem, sich frei zwischen den Kategorien zu bewegen. Manche Kinder lesen schon mit sechs richtige Bücher mit mehreren Kapiteln, viele lassen sich aber auch, obwohl sie schon selbst lesen gelernt haben, noch sehr gern ihr Lieblingsbilderbuch vorlesen. Auf schwierige Themen wird in unseren Beschreibungen der Bücher regelmäßig hingewiesen. Manche Leiden – zum Beispiel Aufmunterung, Ungezogenheit und Widerspenstigkeit – umfassen sämtliche Altersstufen, weswegen wir Heilendes aus allen Kategorien anbieten. Andere Leiden wiederum sind altersspezifischer – zum Beispiel Akne, Lieblingsspielzeug; es verlieren oder Erster Kuss – und benötigen entsprechend nur aus einer Kategorie einen Therapievorschlag. Manchmal sind wir auch kategorieübergreifend vorgegangen: Ein vielsagendes Bilderbuch kann genau das richtige Mittel sein, um an einen schwer zu erreichenden Jugendlichen heranzukommen; und natürlich wollen umfangreichere Kinderbücher, diese goldenen Fundgruben, genauso gern laut vorgelesen als auch still allein gelesen werden, was sie überaus geeignet macht als gemeinsame Gute-Nacht-Geschichten.

Unsere Heilmittel und Therapievorschläge umfassen bekannte und weniger bekannte, klassische und zeitgenössische Geschichten, geschrieben von Autorinnen und Autoren von fern und nah, Bücher, die Teil einer größeren Serie sind (wo notwendig, nennen wir die jeweilige Serie in Klammern), und die, die ganz für sich stehen. Aber immer gehören sie der erzählenden Literatur an.[4] Manchmal treten sie als Listen auf – zum Beispiel als Die zehn besten Hörbücher für lange Autofahrten oder Die zehn besten Gute-Nacht-Geschichten für die Kleinsten (ein Verzeichnis sämtlicher Listen finden Sie auf S. 354). Wir haben auch Vorschläge für den Umgang mit geläufigen Leseleiden wie Lesen, nur widerwillig oder Verfilmung; sie vor dem Buch sehen wollen (das Verzeichnis der Leseleiden finden Sie auf S. 353). Und weil viele Kindheitsleiden für den begleitenden Erwachsenen genauso herausfordernd sein können wie für das Kind selbst, haben wir zusätzlich noch ein paar Hilfen für Erwachsene hinzugefügt. Diese Hilfen kommen ebenfalls in Gestalt von Kinderbüchern daher – schließlich ist dies hier ein Buch über Geschichten für Kinder, und ein gutes Buch ist und bleibt ein gutes Buch, völlig unerheblich, für wen es geschrieben wurde.[5]

ALTER

SYMBOL

BESCHREIBUNG

bis 6

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Bilderbücher. Bilderbücher führen Kinder, die noch nicht des Lesens mächtig sind, an das Konzept »Buch« heran, weil sie Geschichten erzählen, die sämtliche Sinne ansprechen. Bleiben Sie ihnen ruhig eine Zeit lang treu: Viele Bilderbücher bringen großartige Erstleser und -leserinnen hervor, und die besten unter ihnen sind so vielschichtig, dass sie auch nach dem sechsten Geburtstag noch jahrelang interessant sind.

5-8

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Leseanfänger. Mit ihrer großen Schrift, ihrer einfachen Sprache und ihren Illustrationen zielen diese Bücher auf Leseanfänger und -anfängerinnen ab.

8-12

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Junge Leser. Bücher für junge Leserinnen und Leser gibt es in einer Bandbreite von »relativ einfach« bis »ziemlich anspruchsvoll«. Man schenke sie einem Kind, das sie allein für sich verschlingt, oder lese sie zusammen laut vor – je nachdem, wie lesekompetent Ihr Kind ist und ob Sie es ertragen, die Geschichte zu verpassen.

ab 12

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Teenagerliteratur. Diese florierende Sektion auf dem Kinderbuchmarkt thematisiert das, was Heranwachsende beschäftigt. Mit relativ komplexen, möglicherweise sogar schonungslosen Handlungsverläufen ist zu rechnen. Viele Jugendliche sind natürlich auch schon so weit, dass sie Erwachsenenliteratur lesen können; in diesem Fall verweisen Sie bitte auf unseren Begleitband Die Romantherapie.



[1] Natürlich gibt es in dieser Hinsicht auch markante Ausnahmen, Märchen von dunkelster Anmutung, die ihren Beitrag dazu leisten, dass Psychiater weiter gut im Geschäft sind. Etwa Hilaire Bellocs Klein-Kinder-Bewahr-Anstalt. 15 erbauliche Geschichten zur Warnung vor den schlimmen Folgen jugendlichen Überschwangs und Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter.

[2] Leider wurde das Buch nie ins Deutsche übersetzt, eine Lücke, die unbedingt schnell geschlossen gehört.

[3] Sollten wir doch vereinzelt einmal ein E-Book empfehlen, dann gilt diese Empfehlung nur älteren Kindern. Empfohlen werden lediglich elektronische Bücher ohne Bilder, die nicht (mehr) lieferbar sind und auf die zu verzichten uns zu sehr geschmerzt hätte. (Ein Tipp für Verächter des Tablets: Meist sind solche Bücher noch gebraucht zu bekommen!)

[4] Nun ja, fast immer.

[5] Wie schon C. ‌S. Lewis sagte: »Eine Kindergeschichte, die nur Kindern gefällt, ist nicht im Entferntesten eine gute Kindergeschichte.«

Lebenslagen und Leiden von A bis Z

 

 

Geschichten sind gleichermaßen Unterhaltung und Bildung. Sie helfen uns, das Leben zu genießen – und es auszuhalten. Nach Nahrung, Obdach und menschlicher Gesellschaft sind sie das, was wir in dieser Welt am dringendsten brauchen.

Philip Pullman