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Anmerkung der Autoren:
Die Namen der im Buch erwähnten Tauschpartner und Freunde wurden geändert, um deren Privatsphäre zu wahren.

ISBN 978-3-492-97757-9
August 2017
© Piper Verlag GmbH, München 2017
© Jessica Braun und Christoph Koch 2017.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Michael Gaeb.
Covergestaltung: Birgit Kohlhaas
Covermotiv: Joakim Lloyd Raboff/Plainpicture (vorne, rechts oben), Hausmann, Jose-Luis/Plainpicture (vorne, unten)
Fotos: Jessica Braun, Christoph Koch
Karte: Marlise Kunkel, München
Litho: Lorenz & Zeller, Inning a. A.
Datenkonvertierung: psb, Berlin

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Teil I
Wohnungs…was?

Einleitung

Nichts wie weg

Jessica | Perth, Australien, Dezember 2016

Da ist jemand im Haus. Bis vor einer Minute konnte ich es nicht erwarten, die Tür aufzuschließen. Mein Plan: duschen, die Strickjacke gegen ein T-Shirt tauschen und mich dann mit einem Glas Weißwein auf die Terrasse in die Sonne setzen. Richtig ankommen. Aber jetzt stehe ich mit dem Schlüssel in der einen und der Anleitung für die Alarmanlage in der anderen Hand vor der fremden Haustür und traue mich nicht rein.

»Was machen wir jetzt?«, raune ich Christoph zu.

Weder die achtzehn Stunden Ruckelflug nach Australien noch der wirr mit sich selbst redende Taxifahrer konnten meinen Mann aus der Ruhe bringen. Doch jetzt sieht auch er nervös aus. Wir hatten ein leeres Haus erwartet – schließlich sind wir für Haustausch- und nicht Hausteil-Ferien nach Perth gekommen. Aber durch das Fenster war deutlich die Silhouette eines Mannes zu sehen.

Der Besitzer kann es nicht sein: Mit dem haben wir gestern noch bei einem Berliner Eck-Italiener Ravioli gegessen. Einbrecher vielleicht? »Denkt immer daran, die Tür abzuschließen – auch wenn Ihr zu Hause seid«, hatte Alfie, Architekt im Ruhestand, uns gestern beim Espresso ermahnt. »Unser Viertel ist sehr nett. Aber das benachbarte zählt nicht zu den besten. Geht lieber auf Nummer sicher.«

Zum Abschied drückte mir seine Frau Victoria ihren Schlüssel in die Hand: »Habt eine schöne Zeit in unserem Haus!«

Müde und durchgeschüttelt wie ich nach der langen Reise bin, wünsche ich mir, ich hätte ihr den Schlüssel direkt zurückgegeben und die ganze Sache einfach abgesagt. Blöder Haustausch. Wieso können wir nicht einfach im Hotel wohnen wie andere Leute? Dann würde uns jetzt jemand mit einem freundlichen »Hallo!« den Koffer abnehmen und uns das Zimmer zeigen.

Ein Tausch macht die Ankunft jedes Mal zur Zitterpartie. Spätestens, wenn der Flieger landet, melden sich Zweifel: Kann das gut gehen? Könnte doch sein, dass der Schlüssel gar nicht zur Tür der angegebenen Unterkunft gehört und wir belämmert auf der Straße sitzen! Vielleicht ist die Wohnung der netten Familie mit dem goldigen Baby gar nicht so gemütlich, wie sie auf den Fotos im Internet aussah. Dann müssen wir die nächsten Wochen in einer Bruchbude verbringen. Vielleicht funktioniert der Code für die Alarmanlage nicht, und der Sicherheitsdienst nimmt uns fest! Liegen vor uns wunderbare Wochen, oder räumt ein hinterhältiges Rentnerpaar gerade unsere Wohnung in Berlin aus? Mit unserem Schlüssel, den wir ihm vertrauensselig überlassen haben! Wenn wir tauschen, wissen wir nie genau, was uns erwartet. Oder wie hier in Australien: wer.

Ich will eben das Ohr an die Tür drücken, um zu lauschen. Da geht diese von innen auf. Vor uns steht ein sehniger Mann mit schütterem Haar und Goldrandbrille. Kein Einbrecher: Er streckt uns die Hand entgegen.

»Ihr müsst Jessica und Christoph sein«, begrüßt er uns fröhlich auf Englisch. »Ich bin Bert. Willkommen!« Bevor wir Fragen stellen können, hat er sich bereits meinen Koffer geschnappt. »Kommt rein. Ich zeige euch alles.«

Das Haus ist weitläufig und hell. Im Flur hängen Zeichnungen von Zügen. Vor dem Spiegel stehen zwei kleine Statuen in nordafrikanischer Tracht. Im Wohnzimmer liegen bestickte Kissen aus Chinaseide auf dem Sofa. Auch das antike Porzellan in der Vitrine sieht chinesisch aus. Alfie und Victoria reisen sichtbar gerne. Als wir sie in Berlin trafen, waren sie bereits seit mehreren Monaten unterwegs. Ihre nächsten Stationen: München, die Schweiz, dann Spanien und Portugal. Manchmal im Hotel, meist aber mittels Wohnungstausch. Auch in England haben sie einige Tage verbracht: im Haus von Bert und Ethel, unserem unerwarteten Begrüßungskomitee. In vier Stunden treten die beiden Briten ihren Rückflug nach London an. Dass wir sie antreffen, ist für einen Haustausch eher ungewöhnlich. Und, wie sich herausstellt, meine Schuld: Ich habe Victoria unsere Ankunftszeit in Perth gemailt – und bin dabei im Kalender verrutscht. Kein Problem für Bert und Ethel.

»Müssen wir uns eben für ein paar Stunden das Haus teilen«, sagt die zierliche Mittsechzigerin mit der dunklen Hornbrille. »Aber es ist ja wirklich groß genug.« Die beiden sind barfuß und braun gebrannt. In unserem neuen Domizil lässt es sich offensichtlich entspannt leben. »Soll ich euch einen Tee oder Kaffee machen, während ihr auspackt?«, fragt Ethel.

Fast wie bei Freunden, denke ich. Und verschwinde dankbar Richtung Dusche.

Haustauscher sind nette Menschen. Seit mehreren Jahren sind wir Teil dieser weltoffenen Community. Unsere Erfahrungen bisher: durchweg gut. Perth ist bereits unser siebter Haustausch. So weit weg wie jetzt waren wir allerdings noch nie. Bisher getauscht haben wir mit: Kopenhagen, Princeton, Barcelona, Oaxaca, Oakland und Paris. Mal für ein paar Tage, manchmal auch für mehrere Wochen. Dank des Haustauschs war jeder dieser Aufenthalte besonders. Das liegt schon allein an der Art, wie man reist. Fremden die eigene Wohnung zum Tausch anzubieten, ist eine großzügige Einladung: Mach dich in meinem Leben breit. Schlaf in meinem Bett. Leg die Füße auf meinen Couchtisch. Check deine E-Mails an meinem Computer (aber benutz bitte Untersetzer, wenn du deine Tasse auf den Schreibtisch stellst!). Geh in mein Lieblingsrestaurant. Lerne meine Nachbarn kennen, vielleicht sogar meine Freunde. Fühl dich in meinem Heim zu Hause.

Wir sind dieser Einladung jetzt schon einige Male gefolgt. Trotzdem finde ich es immer noch erstaunlich, dass das Prinzip funktioniert. Dass Fremde, die sich nur über das Internet kennen, sich derart vertrauen. Denn letztlich genügen ein paar Sätze und Fotos in einem Onlineprofil, um einander nicht nur die Haustürschlüssel, sondern manchmal auch Oma oder Katze zu überlassen. Klingt verrückt. Macht für Haustauscher aber mehr Sinn als eine leer stehende Wohnung. Denn, wie der Schamane Oscar sagte, als wir in seiner Hütte in Mexiko beim Mezcal saßen: »Die Menschen sind viel besser, als wir denken.« Jeder Tausch führt mir das wieder vor Augen. Und auch das Zusammentreffen mit Oscar war nur eine von vielen glücklichen Begegnungen, zu denen es ohne die Wohnungstauscherei wohl nicht gekommen wäre.

Zu verdanken haben wir diese Erfahrungen zumindest ein Stück weit meiner Knauserigkeit. 2014 hatte ich mich gerade selbstständig gemacht. Hinter mir lagen vier Jahre in der 24/7-Mühle einer Online-Nachrichtenredaktion. Urlaub klang reizvoll – aber auch nach finanziellem Risiko.

»Was hältst du von Kalifornien?«, wollte Christoph wissen.

»Och, nö«, wich ich aus.

»Surfen in Portugal?«

»Wenn die Wellen zu hoch sind, sitze ich doch nur wieder wie dein Surf-Bunny am Strand.«

»Was ist mit Griechenland? Kreta war doch super!« War es. Aber selbst zwei Wochen Bed & Breakfast schienen mir zu teuer. Christoph wartete auf eine Antwort.

»Ich will erst mal nichts ausgeben«, rückte ich endlich mit der Sprache heraus.

»Ich lade dich ein«, sagte mein Mann.

»Auf gar keinen Fall.«

Ich dachte, damit wäre das Thema erledigt. Bis Christoph mich eines Abends in sein Arbeitszimmer rief: »Schau mal, ich habe uns bei einer Plattform für Wohnungstausch angemeldet«, sagte er und zeigte auf den Rechner. »Wenn wir mit jemandem tauschen, sparen wir uns das Geld für die Unterkunft.«

Drei Tage später kamen die ersten Tauschangebote: ein langes Wochenende in Palaiseau, Frankreich; eine Woche Bologna, Italien; andalusischer Sommer in Granada. Wow! Lauter tolle Orte – und die Unterkunft umsonst. Die Nachricht von Ella aus Kopenhagen gefiel uns besonders: »Lust, Kopenhagen kennenzulernen?«, schrieb sie. »Wir wohnen sehr zentral und können unser Viertel wärmstens empfehlen. Hättet Ihr Zeit, im Frühling zu tauschen? Wir würden gerne irgendwann im April mit unseren beiden (ruhigen) Kindern nach Berlin fahren. Wir haben schon mehrere Home Exchanges hinter uns und würden auf euer Zuhause gut aufpassen.«

»Was meinst du?«, fragte Christoph. »Ostern in Kopenhagen? Wenn uns das Tauschen gar nicht behagt, lasse ich die Probemitgliedschaft danach auslaufen.«

Wir sagten zu. Die Tage in Ellas Wohnung waren toll. Auch, dass sie unterdessen bei uns wohnte, machte uns weniger aus als gedacht.

Einige Wochen darauf bot uns ein Paar aus Princeton im US-Bundesstaat New Jersey an, den Sommer dort zu verbringen. Wir überlegten nicht lange. So begannen unsere Tauschabenteuer, die uns hoffentlich noch in viele Länder führen werden. Mittlerweile sind wir sogar bei zwei Plattformen angemeldet. So haben wir mehr Auswahl. Das Tauschfieber hat uns gepackt.

Eigentlich seltsam, dass Christoph und ich das Tauschen nicht schon früher für uns entdeckt haben: Wir waren beide schon immer gern unterwegs. Die Neugier auf die Welt ist einer der Gründe, warum wir uns für den Journalismus entschieden haben. Und auf einer Reise haben wir uns auch kennengelernt. 2007 – die Medienkrise hatte gerade Fahrt aufgenommen – sollte die Zeitschrift, für die ich enorm gern arbeitete, eingestellt werden. Für mich und viele meiner Hamburger Kollegen bedeutete das die Kündigung. Als Abschiedsgeschenk schickte mich die Chefredakteurin ein letztes Mal auf Recherchereise: mit dem Segelboot entlang der schottischen Inneren Hebriden. Von der Insel Skye sollte es zur Insel Islay gehen – mit Stopps an einigen der besten Whiskydestillerien. Eine Traumreise.

Als ich auf Skye ankam, lag die Edda Frandsen, unser Boot, vor der Kulisse schneebedeckter Berge im Sonnenlicht. Außer Glöckchengeklingel und Schafsblöken war nichts zu hören. Es roch nach Heu, Honig, Moor und Salz. Krass – das ist ja hier wie in einem Diana-Gabaldon-Roman, dachte ich. Die Edda und ich: Das war Liebe auf den ersten Blick. Auf den anderen Journalisten, der mit an Bord war, reagierte ich dagegen erst mal mürrisch: Ständig schnorrte er meine für die Woche auf See streng rationierten Zigaretten. Dabei stellte sich jedoch heraus, dass wir einiges gemeinsam hatten. Die Schuhe (schwarze Chuck Taylor All Stars), die Alben auf dem iPod (Arctic Monkeys, The Shins, Stars, Modest Mouse), null Segelerfahrung und den Vorsatz, viel Whisky zu trinken. Wie sich herausstellte, hatten wir sogar gemeinsame Freunde in der Heimat! Mit seinen tätowierten, kräftigen Armen und seiner besonnenen Art war Christoph der perfekte Mitsegler. Mein Anfangsgrummeln verflog noch, bevor wir wirklich abgelegt hatten. Wir rempelten mit den Schotten beim Cèilidh auf der Tanzfläche herum. Ankerten in unbewohnten Buchten. Sangen laut die Shantys mit, die der Käpt’n abends unter dem Hauptmast auf seiner Quetschkommode spielte. Mit jedem Tag auf See sah Christoph bärtiger und verwegener aus. Meine letzte Zigarette teilten wie uns auf einer Sandbank sitzend. Die Abendsonne färbte die Wellen violett. Die Welt war sehr in Ordnung. Und ich verliebt.

Einen Reiseflirt in die heimische Realität zu retten, ist nicht einfach. Am besten, man hängt gleich die nächste Reise dran. Christoph besuchte mich in Hamburg. Ich ihn in Berlin. Dann buchten wir kurz entschlossen Flüge nach San Diego. Entlang der kalifornischen Küste wollten wir nach Norden fahren. Vier Wochen im Auto. Ohne uns richtig zu kennen. Wenn es dumm läuft, dachte ich, knallt einer von uns die Autotür zu und verschwindet irgendwo entlang des Highway 101 aus dem Leben des anderen. War aber nicht so. Weder eine Autopanne noch grindige Motelzimmer konnten an unserer guten Laune etwas ändern.

In Palm Springs zeigte ich Christoph die Villen von Frank Sinatra und Marilyn Monroe. Er brachte mir in Las Vegas das Craps-Spielen bei und feuerte mich mit den anderen Zockern an, wenn ich die Würfel über den Tisch pfefferte. Wir sausten in Disneyland mit den Matterhorn Bobsleds herum, bis uns schlecht war, bestaunten in Los Angeles die Filmpaläste aus den Zwanzigerjahren, spazierten in San Francisco über die Golden Gate Bridge, flogen sogar noch nach Seattle und wanderten durch den regennassen, stillen Olympic National Park. Ich dachte: Das ist die beste Reise meines Lebens! Da wusste ich ja noch nicht, wie gut uns zwei Rumtreibern das Um-die-Welt-Tauschen gefallen würde.

Das Tauschen funktioniert nicht für jeden gleich gut. In unserem Fall kommen mehrere Faktoren zusammen, die es uns leicht machen. Der wichtigste: Wir sind beide gesund und mit Anfang vierzig in einem Alter, in dem das Reisen noch keine Strapaze ist, sondern Spaß. Auch unsere Eltern – und in meinem Fall: auch meine Großeltern – sind noch fit. Die kommen gut ohne uns klar, und wir können eine Weile am anderen Ende der Welt sein, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Auch von Vorteil: Als Freiberufler können wir von überall arbeiten. Voraussetzung: Es gibt Strom und WLAN. Da wir keine Kinder haben, sind wir auch nicht an Schulferien gebunden. Und wir können uns für so ziemlich jede Ecke der Welt begeistern.

Die Langstreckenwanderin Christine Thürmer hat einmal zu mir gesagt: »Wenn es mir an einem Ort nicht gefällt, liegt es meist daran, dass ich nicht lange genug dort war.« Eine Erfahrung, die ich teile. Wer im Urlaub seine Liste mit »111 Orten, die man mal gesehen haben muss« abarbeiten will, wird mit Haustausch nicht glücklich. Angebote kommen von überall – aber nicht unbedingt von dort, wo man schon immer mal hinwollte. Oakland? Oaxaca? New Jersey? Alles nicht auf meiner Bucket List. Heute denke ich: ganz schön kurzsichtig. Dass solche Nicht-Urlaubsorte oft die besseren Reiseziele sind, haben wir erst durch das Tauschen begriffen. Sommer im englischen Wycombe? Weihnachten in Turin? Wir lassen es drauf ankommen. Das alles macht uns maximal flexibel.

Was auch hilft: Wir wohnen seit rund zehn Jahren in Berlin, und das gerne – aber hängen nicht wahnsinnig an der Stadt. Viele meiner Freunde haben in der Hauptstadt studiert. Sich von Ost nach West durch die Clubs gefeiert. Die Stadt als Abenteuerspielplatz genutzt, bis sie sich ernsthaft in sie verliebten. Berlin ist für sie voller Erinnerungen. Für mich ist es vor allem die Stadt, in der unsere Freunde wohnen. Doch in den letzten Jahren fingen diese langsam an wegzuziehen. Manche in andere Städte, manche raus aufs Land. Wir merkten: Je mehr von ihnen Berlin verlassen, desto weniger hält uns dort. Reisen wiederum ist eine der Sachen, die Christoph und mich verbinden. Die uns als Paar ausmachen. Wenn uns zwei Australier den Schlüssel für ihr Haus am anderen Ende der Welt überlassen, wenn wir ausprobieren können, wie es sich in Barcelona oder Paris lebt – warum also nicht?

Wer will zu uns?

Warum es bequemer ist, sich finden zu lassen, als selbst zu suchen

Christoph | Perth, Australien, Dezember 2016

Kurz nachdem ich als Kind irgendwann verstanden hatte, dass die Erde eine Kugel ist, fragte ich meine Eltern, wo ich wohl rauskäme, wenn ich mich einmal durchbuddeln würde. Eine Frage, die vermutlich alle Kinder in diesem Moment stellen. »In Australien«, sagten meine Eltern damals. Ich weiß ehrlich gesagt bis heute nicht, ob das wirklich stimmt. Oder ob man ein Stück weit neben Australien im Indischen Ozean oder der Tasmanischen See rauskäme. Und von einer großen Welle Meerwasser wieder durch den ganzen Tunnel zurück nach Deutschland gespült würde.

Statt zu buddeln, sind Jessica und ich vor vier Tagen ins Flugzeug gestiegen. Erschien uns bequemer. Wobei Bequemlichkeit relativ wird, wenn man insgesamt siebzehn Stunden in einem engen Economy-Sitz verbringt. Ich hatte aber einen reizenden älteren Herrn aus London neben mir. Leslie. Er ist 76 und Gitarrist in einer Hobby-Rock-’n’-Roll-Band.

»Wir spielen Chuck Berry, Little Richard, solche Sachen«, sagte er mir, während das Flugzeug zur Startbahn rollte. Und fügte mit gewissem Stolz hinzu: »Ich bin Leadgitarrist und Sänger.«

Seine Band in London gibt es seit 1965, nicht immer in exakt derselben Besetzung, »some people come, some people go«. Nach Australien ist er ohne die Band geflogen, Musik machen will er hier aber trotzdem. Mit seinen Cousins, die in Australien leben. Sechs Wochen lang gehen sie hier zusammen auf Jamsessions und spielen. Leider keine öffentlichen Konzerte. Das ist schade. Ich hätte Leslie zu gerne auf einer Bühne stehen sehen. Er war schon ein wenig wacklig auf den Beinen – aber ich bin mir sicher, dass es ihn auf einen Schlag um dreißig Jahre verjüngt, wenn er seine Gitarre in die Hand nimmt und die ersten Akkorde von »Johnny B. Goode« anstimmt. Der Flug von London nach Perth war für ihn der weiteste, den er bisher angetreten ist. Genau genommen war es das erste Mal überhaupt, dass er England verlassen hat. Toller Typ. Wir halfen ihm noch, bei der automatischen Einreisekontrolle seinen Pass am Automaten zu scannen (»Verrücktes Ding!«, sagte Leslie), dann verabschiedeten wir uns.

Jetzt sitze ich auf der Terrasse unseres Tauschhauses. Als wir Alfie und Victoria vor unserer Abreise in Berlin trafen, nannten sie diesen Teil des Hauses, der halb im Freien liegt, halb überdacht ist und sogar über eine kleine Küchenzeile und einen Weber-Grill verfügt, ihren »Inside-outside-Bereich«. Keine Ahnung, ob das ein offizieller Begriff ist, aber er trifft es ganz gut. Über unseren Vorort spannt sich ein makellos blauer Himmel, und ich kann den Rosmarinstrauch riechen, der zwei Meter neben mir wächst und ungefähr so groß ist wie ein Kleinwagen.

Bevor wir abgeflogen sind, habe ich mit meinem Vater telefoniert, der mich gefragt hat, wie wir all diese tollen Orte finden, an die wir uns regelmäßig wegtauschen. Das Lustige ist: Wir finden sie gar nicht – sie finden uns. Man kann natürlich auf den Onlineplattformen auch sehr gezielt nach Wunschorten und -terminen suchen. Man kann aber auch einfach die eigene Wohnung oder das eigene Haus inserieren und warten, was so an Tauschangeboten reinflattert. Wir machen meistens Letzteres und sind damit bisher sehr gut gefahren. Aus den verschiedenen Angeboten auszuwählen, die uns erreichen, macht riesigen Spaß und hat uns schon so manchen kalten Herbst- oder Winterabend versüßt. Bisher hatten wir mit dieser Reisewundertüte großes Glück. Klar, nach Paris oder Barcelona wären wir sicherlich auch so mal gereist. Aber einige Orte wären uns bestimmt entgangen – und gerade die waren jedes Mal großartig. Der einzige Nachteil dieser Methode ist, dass es uns oft das Herz bricht, wenn wir einen Großteil der Anfragen absagen müssen. Denn – und ich hoffe, das klingt jetzt nicht angeberisch – es sind einfach zu viele. Nicht alle sind verlockend, aber doch sehr viele. Mehr, als wir tatsächlich wahrnehmen können.

Weil wir offen für alle möglichen Ziele sind, müssen wir uns kaum mit dem Verfassen von Anfragen herumschlagen. Obwohl selbst zu suchen natürlich auch funktioniert und keine immense Anstrengung ist. Die gängigen Haustausch-Plattformen verfügen über eine komfortable Suchfunktion, bei der man den Ort angeben kann, an den man will, sowie verschiedene Parameter wie Zeitraum oder wie viele Personen in dem Tauschdomizil Platz finden sollen. Man kann nach Wohnungen mit Balkon filtern oder nach Häusern mit Terrasse. Kann festlegen, dass ein Kamin vorhanden oder ein Strand in der Nähe sein soll. Und kann natürlich gezielt nach Leuten suchen, die mit dem eigenen Wohnort oder Heimatland tauschen wollen.

Klar, je spezifischer die eigene Suche und je höher die Ansprüche, desto kleiner wird die Ergebnisliste, welche die Plattform ausspuckt. Ein Beispiel: Auf HomeExchange, einer der größeren Pattformen, finde ich, während ich das hier schreibe, ziemlich genau tausend Tauschangebote aus Barcelona und der unmittelbaren Umgebung. Wenn ich Platz für eine vierköpfige Familie brauche, bleiben noch 860. Mit zwei getrennten Badezimmern noch 660. 590 davon haben einen Geschirrspüler, 370 auch noch eine Klimaanlage. Wenn ich dann auch noch einen Kamin und einen Pool möchte, bleiben nur noch neunzehn übrig. Wenn ich ausschließlich am Osterwochenende reisen möchte – man ahnt es schon –, dann wird es mit Barcelona vermutlich nichts werden. Aber andersherum kann man es ja auch sehen: tausend Möglichkeiten allein in Barcelona – wenn es also nicht unbedingt Kamin, Pool und Klimaanlage sein müssen, dann wird sich schon was finden.

Selbstverständlich kann man bei der eigenen Suche auch gezielt nach Leuten fahnden, die mit der Stadt tauschen wollen, in der man selbst lebt. Damit anzufangen, kann sich lohnen, aber Suchende müssen sich keinesfalls darauf beschränken. Denn viele machen es so wie wir: haben keine »Wunschziele« angegeben, sondern sind für alles offen. Die verpasst man also, wenn man nur nach Leuten sucht, die explizit die Stadt, in der man selbst wohnt, als Wunschziel angegeben haben.

Auf die eigene Stadt kommt es natürlich auch an, wenn es darum geht, wie viele Angebote man so pro Woche bekommt. »Klar, ihr habt es mit Berlin ja einfach«, hatte mein Vater, der in einer bayerischen Kreisstadt lebt, mir am Telefon gesagt. Und er hat recht, natürlich ist Berlin ein dankbarer Standort. Die Stadt hat derzeit international einen guten Ruf. Sie gilt als lebendig, kulturell interessant und ist, verglichen mit anderen Metropolen, noch relativ preiswert. Aber auch wenn man in einer anderen Stadt wohnt, lässt es sich gut tauschen.

Ich schaue gerade mal nach. Tatsächlich: In Flensburg habe ich eine Familie gefunden, die schon sechsmal getauscht hat – unter anderem einmal mit den USA und einmal mit Kanada. In Essen finde ich jemanden, der viermal getauscht hat, unter anderem mit Südafrika. Es muss nicht immer das ach so angesagte Berlin sein. Zumal nicht alle Tauschgesuche mit Urlaubswünschen zusammenhängen. Oft sind es auch berufliche Gründe, die Leute in die eigene Stadt führen. Unser Tausch mit Oakland kam dadurch zustande, dass unser Tauschpartner, ein Professor von der Universität Berkeley, für ein dreimonatiges Forschungsprojekt nach Deutschland eingeladen wurde. Andere Leute haben vielleicht Verwandtschaft in einer bestimmten Region Deutschlands, die sie besuchen wollen. Es gibt neben den klassischen Urlaubskriterien eben noch andere Gründe, die den Tausch für andere interessant machen können.

Wir haben das erst im Lauf der Zeit gelernt: Während die eigene Stadt für einen selbst alltäglich, normal, vielleicht sogar langweilig ist, geht für die Tauschpartner selbst von den banalsten Dingen eine Magie aus. Den Rosmarinbusch, von dem ich anfangs geschwärmt habe, nehmen unsere australischen Tauschpartner vermutlich gar nicht mehr wahr, wenn sie auf der Terrasse sitzen. Wir dagegen fotografieren hier jeden Jacaranda-Baum. Die Einheimischen schauen uns dabei manchmal ein wenig schief an. Die Dinger blühen schließlich jedes Jahr. Aber wir zücken unsere Telefone und machen begeistert Bilder von lilafarbenen Bäumen. Es ist ein bisschen wie mit den Japanern – oder neuerdings Chinesen –, die busweise in deutschen Fußgängerzonen abgeladen werden und dort von der Drogerie bis zur Parkbank alles fotografieren, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Toll, so ein fremdes Land!

Zwei andere Dinge, nach denen mein Vater mich bei unserem Abschiedstelefonat vor meiner Abreise gefragt hatte: ob man als Haustauscher Englisch können müsse; und ob es ausschließlich in der Ferienzeit Tauschangebote gebe. Was die Englischkenntnisse betrifft: Wenn man Spanisch kann und mit Spanien tauschen will, so habe ich ihm erklärt, kommt man auch ohne Englisch klar. Aber es ist schon die Lingua franca der Tauschgemeinde, und die allermeisten Anfragen werden auf Englisch gestellt. Und bezüglich der Ferienzeit? Ein bisschen habe ich ihn inzwischen im Verdacht, dass er selbst mit dem Tauschen liebäugelt – als Rentner will er aber nicht unbedingt in den Ferien verreisen, wenn alle unterwegs sind. Aber das Gute ist: Haustausch funktioniert 365 Tage im Jahr. Es tummeln sich zwar viele Familien mit Schulkindern auf den diversen Tauschplattformen, die an die Ferien gebunden sind; und in der Hochsaison gibt es deswegen auch tendenziell etwas mehr Angebote. Aber auch Menschen im Ruhestand tauschen sehr oft – und die sind zeitlich wiederum meist sehr flexibel.

Einen Zeitraum zu finden, in dem beide Tauschpartner gleichzeitig verreisen können, ist manchmal trotzdem kompliziert. Die Ferienzeiten einzelner Länder variieren schließlich – und nicht alle Orte sind das ganze Jahr über attraktive Reiseziele. Die Lösung heißt »asynchroner Tausch« (oder »nonsimultaneous exchange«). Das heißt, wir sind nicht zur selben Zeit in der Wohnung der anderen wie diese in unserer. Stattdessen tauschen wir versetzt. Das klappt natürlich besonders gut, wenn eine der Parteien über eine Ferienwohnung oder ein Ferienhaus verfügt, das nicht dauerhaft bewohnt wird. Davon finden sich auch jede Menge in den Tauschbörsen – und man kann gezielt danach suchen. Aber wenn man so wie wir keinen Zweitwohnsitz hat, erfordert so ein asynchroner Tausch relativ viel Koordination und Geduld.

Die Königsdisziplin der Home-Exchange-Community ist wahrscheinlich der Dreieckstausch. Dass ich hier im sonnigen Australien sitzen und schreiben kann, haben wir einem solchen Dreier zu verdanken. Denn unsere Tauschpartner Alfie und Victoria sind momentan gar nicht in unserer Wohnung in Berlin. Sie reisen stattdessen quer durch Europa. Unter anderem fahren sie dabei mit dem legendären Schweizer Glacier Express – denn Alfie ist enthusiastischer Zugfan, wie ungefähr 200 Bücher und ebenso viele DVDs hier im Haus bezeugen. Im Flur hängt sogar eine Schweizer Bahnhofsuhr an der Wand und diverse Eisenbahnposter und Zuglaufschilder. Anstelle der Australier wird eine italienische Familie den Jahreswechsel in unserer Wohnung verbringen. Und wenn die Australier im kommenden August drei Wochen in Berlin sind (dass sie auf den Berliner Winter nicht so erpicht waren, wundert mich nicht), verziehen wir uns so lange nach Turin. Die italienische Familie ist dann im klassischen Ferragosto-Sommerurlaub. Der Ringtausch klingt rückblickend gar nicht so kompliziert. Ihn einzufädeln hat aber eine ganze Weile gedauert. Eine Hotelbuchung geht da sicherlich schneller.

Aber vielleicht müssen es für den Anfang auch nicht unbedingt solche fortgeschrittenen Konstruktionen sein. Ein Simultantausch über ein langes Wochenende reicht vollkommen, um einen Eindruck davon zu bekommen, ob einem das Prinzip Haustausch gefällt. Und ob man genügend gute Tauschangebote bekommt, sieht man innerhalb der ersten paar Wochen. Den Mitgliedsbeitrag für eine der Plattformen hat man mit einer Nacht, die man nicht im Hotel verbringt, bereits wieder drin.

Tausch dich um die Welt

Was Wohnungstausch vom Hotelurlaub unterscheidet

Christoph | Perth, Australien, Dezember 2016

Auf das Tauschen hat mich mein Journalistenkollege Peter gebracht. Der hatte die Vorteile des Tauschens schon eine ganze Weile vor mir entdeckt – kurz nachdem er Vater geworden war. In seinem Blog beschrieb er die Reisen mit seiner Frau Okka und ihrer Tochter nach Paris und New York. Dort wohnten die drei offenbar in den tollsten Apartments. Und das völlig umsonst. Fünf oder sechs Jahre ist das inzwischen bestimmt schon her.

Mir war Haustausch damals nur vage vertraut. Ich hatte davon gehört, aber keinerlei klare Vorstellung. Was Peter schrieb, klang jedoch traumhaft. Also schickte ich ihm eine E-Mail mit einer Reihe Fragen. Er antwortete schnell und ehrlich: »Es ist unfassbar billig und verrückt komfortabel.« Er schrieb, dass sie sich die wochenlangen Aufenthalte in Paris und New York nie im Leben würden leisten können, wenn sie einen Hotelaufenthalt inklusive Kinderzimmer bezahlen müssten. Von den mitzuschleppenden Spielsachen ganz zu schweigen. Das haben wir seitdem auch von anderen tauschenden Familien immer wieder gehört: Während Babybetten in den meisten Hotels noch vorhanden sind, ist bei weiterem Kinderzubehör relativ schnell Schluss. Das ist ein weiterer unschlagbarer Vorteil des Tauschens: Vieles, was man braucht, ist bereits vorhanden. Hat die andere Familie Kinder im ungefähr gleichen Alter, steht da bereits die Wickelkommode, jede Menge Spielzeug für Kleinkinder oder bei größeren das Fahrrad. Nichts davon muss man durch Abflughallen oder Bahnhöfe schleppen, nichts davon vor Ort kaufen.

Wir haben keine Kinder. Wickelkommode und Spielzeug sind deshalb nicht so wichtig. Aber wir wissen eine voll ausgestattete Wohnung oder ein geräumiges Haus natürlich genauso zu schätzen wie eine verreisende Familie. Freuen uns, dass wir uns ausbreiten und manchmal auch aus dem Weg gehen können, wenn einer mal eine schlechte halbe Stunde hat. Versuchen Sie das mal in einem Sechzehn-Quadratmeter-Hotelzimmer.

Dazu kommt, dass Hotels häufig dort stehen, wo »man gewesen sein muss« – aber eben nicht unbedingt dort, wo man sein will. Was ich meine: Sie stehen dicht an dicht rund um touristische Sehenswürdigkeiten, aber oft nicht dort, wo es sich angenehm lebt. In New York konzentrieren sich die Hotels zum Beispiel am Times Square. Natürlich ist dieser ein spektakulärer Anblick, wenn man ihn das erste Mal sieht. Wenn abends der ganze Himmel von Leuchtreklamen und Videobildschirmen erleuchtet wird. Aber will man dort leben? Will man jeden Tag das Geflacker vor Augen haben, wenn man vor die Tür tritt? Die Menschenmassen und hupenden Taxis? Das macht einen wahrscheinlich wahnsinnig. Nicht umsonst wohnen die New Yorker selbst – je nach Lebensstil und Einkommen – lieber in Brooklyn, im Greenwich Village oder in der Upper East Side. In vielen anderen Großstädten ist es ähnlich: Die meisten Hotels finden sich zwischen Bürogebäuden und Geschäften im Zentrum. Die Einheimischen leben woanders. »Man wohnt in einer Neighborhood, nicht dort, wo Hotels stehen«, schrieb mir damals auch Peter, als ich ihn fragte, was er am Wohnungstauschen am besten fände.

Nun sind einige Jahre vergangen, und ich habe das Konzept selbst ausprobiert und schätzen gelernt. Es gibt jedoch einen Moment, in dem ich das Wohnungstauschen regelmäßig verfluche: am letzten Tag vor der Abreise aus unserem jeweiligen Tauschdomizil. Die Höflichkeit gebietet es schließlich, alles wieder genauso zurückzulassen, wie wir es vorgefunden haben. Also putzen wir und schrubben wir. Saugen und feudeln. Versuchen uns zu erinnern, welchen Stuhl wir an einen anderen Ort gestellt haben und was sonst noch wieder an seinen angestammten Platz zurückmuss. In einem Hotel, denke ich mir dann jedes Mal ein bisschen sehnsüchtig, würde ich jetzt einfach die Zimmertür hinter mir zuziehen. Würde ein fröhliches Lied pfeifen, den Handtuchhaufen einfach Handtuchhaufen sein lassen und mir keine Gedanken über Zahnpastaspritzer auf dem Spiegel machen. Würde meinen Zimmerschlüssel an der Rezeption abgeben und wäre aller Sorgen ledig. Doch dann erinnere ich mich an die vorangegangenen Tage, Wochen oder gar Monate, die wir an unserem Tauschort verbracht haben. Und freue mich darüber, wie großartig es dort war. Und dann wird mir klar, wie viel wir verpasst hätten, hätten wir dieselbe Zeit in einem Hotelzimmer übernachtet.

Da ist zum einen der Platz: In den USA hatten wir jeweils ganze Häuser zu unserer Verfügung. In Mexiko immerhin das Gästehaus eines größeren Anwesens. Und in den europäischen Großstädten großzügige Apartments. Wir haben in der Regel eine Waschmaschine und eine Terrasse oder einen Balkon. Wir haben eine eigene Küche, in der wir uns etwas zu essen kochen können, anstatt andauernd in Restaurants gehen zu müssen. Nicht, dass wir etwas gegen Restaurants hätten, um Himmels willen. Aber zwei bis drei Restaurantbesuche pro Tag würde unser Geldbeutel nicht über längere Zeit mitmachen.

Bei längeren Aufenthalten arbeiten Jessica und ich außerdem meistens von unterwegs weiter. Auch während ich diese Zeilen schreibe, sind wir als Haustauscher weit weg von zu Hause – im australischen Perth. Unterwegs das tägliche Arbeitspensum zu schaffen, wäre in Hotels zwar möglich, aber um einiges mühsamer. Anstatt uns zu streiten, wer den winzigen Tisch im Hotelzimmer benutzen darf, sitzen wir hier in Australien mal auf der Terrasse, am großen Wohnzimmertisch oder in einem der beiden Arbeitszimmer und schreiben. In Kopenhagen konnten wir auf einem Dachbalkon arbeiten und dabei unser Viertel überblicken. Keine überlaufene Touristengegend, sondern ein gemütliches Wohnviertel mit Backsteinhäusern, Bäckereien und Spielplätzen. In Princeton nahm ich das Laptop ab und zu mit in die Hängematte im Garten. Okay, ich gebe zu: Die Arbeit wurde durch mehr als ein Nickerchen unterbrochen, und einmal wurde mir vom wilden Schaukeln schlecht. Aber unterm Strich waren die »Arbeitszimmer« auf unseren Reisen meist weitaus spektakulärer und schöner als der heimische Schreibtisch – und als viele Hotellobbys.

Natürlich sind die meisten Hotelzimmer eher als Basislager gedacht: als Schlafplatz und Möglichkeit, sich zwischendurch mal frisch zu machen, wenn man tagsüber durch die Stadt streunt. Wer jedoch auf Reisen auch mal einfach nur abhängen möchte, wer ein »home away from home« sucht, der fühlt sich im Ferienhaus oder einer Ferienwohnung wahrscheinlich wohler. Oder eben mit einem Haus- oder Wohnungstausch.

Und noch ein letzter Vorteil: Im Hotel ist man entweder von anderen anonymen Reisenden oder von professionell dauerfreundlichen Hotelangestellten umgeben. Geschäftsleute starren im Aufzug gelangweilt an einem vorbei, und der Zimmerservice klopft immer genau dann, wenn man gerade Sex hat oder Mittagsschlaf hält. Beim Tauschen hingegen hat man kein Servicepersonal, sondern Nachbarn. Man führt Gespräche über den Gartenzaun und feiert zusammen Straßenfeste. Doch dazu mehr in einem anderen Kapitel.