1. Einleitung

 

In Deutschland beschäftigen sich nur relativ wenige Privatanleger mit der Börse. Vielen ist die Beschäftigung mit der Materie „Finanzen“ zu trocken oder zu zeitintensiv. Dafür sind sie Weltmeister im Sparen, sei es mittels Sparbuch, Festgeld, Bausparkasse oder Lebensversicherung. Wer sich einmal die Mühe macht, die Rendite dieser Produkte zu überprüfen, wird feststellen, dass mit diesen Anlagen bei einer Bruttorendite von 3 Prozent nicht einmal die Kaufkraft des Geldes erhalten werden kann. Inflationsbereinigt und nach Abzug von Abgeltungssteuer und Bankgebühren bleibt ein negativer Realzins zurück. Damit lassen sich die häufigsten Sparziele wie Eigenheim, Ausbildung der Kinder, größere Konsumausgaben oder zusätzliche Altersvorsorge nicht realisieren, d.h. wer seine Ziele erreichen möchte, muss mehr Risiko wagen. Ein Engagement an der Börse ist nicht zu umgehen. Dazu muss der zukünftige Investor bereit sein. Er kann das Feld nicht seinem Bankberater überlassen, in der Hoffnung, dass dieser mit Fachkompetenz und Engagement das Beste für ihn herausholen wird. Seit dem Zusammenbruch der amerikanischen Bank Lehman Brothers mit hohen Verlusten vieler Anleger wird die Anlageberatung der Hausbank in Frage gestellt. Es stellte sich in vielen Tests heraus, dass Investoren von ihrer Hausbank keine unabhängige Anlageberatung erhalten. Bis heute werden zuvorderst eigene, häufig nicht zielgerichtete und weitgehend profitbezogene Produkte angepriesen. Um zu Verkaufsabschlüssen zentral vorgegebener Anlageprodukte zu gelangen, wird über Risiken des Produktes nicht aufgeklärt. Bei Fragen zu den Kosten wird nur auf das Kleingedruckte verwiesen. Leider habe auch ich früher alles, was falsch zu machen war, umgesetzt. Ich habe meinem Anlageberater blind vertraut, bin bei Höchstkursen in Aktien(fonds) eingestiegen. Fest glaubte ich an den Börsenguru Kostolany und ließ in den Crashphasen 2002 und 2008 mein Depot unberührt. Begriffe wie „Stop loss“ oder „200-Tagelinie“ waren mir nicht geläufig. Erst allmählich begriff ich den Finanzmarkt mit seinen Chancen und Tücken. Trotz der jetzt gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsmodalitäten mit Risikoeinstufung des Anlegers und Ausführung eines Beratungsprotokolls haben Tests ergeben, dass sich in der Praxis nicht viel verändert hat.

Notwendig ist daher eine bankenunabhängige Anlageberatung auf Honorarbasis. Ein zertifizierter Finanzberater, der nicht dem Verkaufsstress unterliegt, hätte eher die notwendige Zeit, sich auf seinen Kunden einzustellen, ihm zuzuhören, um auf seine Wünsche und Belange eingehen zu können. Da er nicht dem Zwang unterliegt, verkaufen zu müssen, könnte er auch seinen Kunden von Investments abraten, wenn es sinnvoller wäre, zunächst eventuelle Verschuldungen abzubauen. Ideal wäre die Realisierung eines Vorschlags von Volker Loomann, der als Finanzanalytiker in der FAZ vom 24.8.12 den Vorschlag eines „Finanzarztes“ unterbreitete. So wie es eine strenge Arbeitsteilung zwischen Arzt und Apotheker gibt, wäre auch eine solche zwischen Finanzberater und der Bank denkbar. Der Finanzberater als neutraler Experte, der kein Interesse an Provisionen hat und nur seinem Kunden verpflichtet ist, rezeptiert die für den Investor in Frage kommenden Finanzprodukte, und die Bank hat sich an das Rezept zu halten und darf nur in diesem vorgegebenen Rahmen Finanzprodukte verkaufen.

Bisher hat sich eine Anlageberatung auf Honorarbasis leider nicht durchgesetzt Bei Verbraucherzentralen ist der Aufbau einer unabhängigen Finanzberatung erst in Planung.

Daher war es mein Ziel, mit einem Leitfaden für den Vermögensaufbau denjenigen eine Hilfestellung zu geben, die sich in die Finanzmaterie einarbeiten wollen. Wer ein Depot anlegen möchte, um zumindest die Kaufkraft des Gelds zu erhalten, ein kurz- oder langfristiges Sparziel zu erreichen oder um Altersvorsorge zu betreiben, wird ein Depot anlegen müssen. Spätestens vor dem ersten Gespräch mit dem Bankberater sollte der zukünftige Investor sich mit dem Leitfaden  intensiv befasst haben, damit das Gespräch „auf Augenhöhe“ stattfinden kann.

Die im Text unterstrichenen Begriffe werden im Glossar näher erläutert.

 

2. Grundsätzliches zu einer Börsenanlage

 

Jeder Kapitalanleger möchte eine möglichst hohe Rendite mit dem geringsten Verlustrisiko und schneller Verfügbarkeit des eingesetzten Kapitals (Liquidität) erzielen (s. Abb. 1).

 

 

Abb. 1

 

Leider sind alle drei Ziele nicht gleichzeitig zu erreichen. Mit zunehmender Renditeerwartung steigt das Risiko, auch Verluste einzufahren. Dazu einige Beispiele:

 

Leiht ein Anleger einem Unternehmen befristet Kapital, um dafür Zinsen zu erhalten, dann geht er damit auch das Risiko ein, bei Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens das eingesetzte Kapital nicht zurück zubekommen. Das Ausfallrisiko ist bei guter Bonität äußerst gering, die Rendite dafür nicht üppig.

Mit dem Aktienkauf steigen die Renditeerwartungen. Dafür geht der Investor aber ein erhöhtes Risiko ein, durch Kursabstürze erhebliche Verluste zu erleiden.

Die höchsten Gewinne können Anleger mit Termingeschäften erzielen. Solche können aber auch mit einem Totalverlust einhergehen.

Diese einfachen Beispiele deuten die Wechselwirkung von Rendite und Risiko an.

 

Wie steht es mit der schnellen Verfügbarkeit des Geldes (Liquidität) und warum ist Liquidität heute so wichtig? Früher konnte der Investor sein angelegtes Depot zur Seite legen und den stetigen Wertzuwachs ruhig verfolgen. Heute im Zeichen der Globalisierung und der Vernetzung durch das Internet hat sich die Lage völlig verändert. Nachrichten, die die Börse beeinflussen wie z. B. der 11. September in den USA, Banken- und Staatspleiten, Katastrophen oder kriegerische Konflikte wandern blitzschnell um den Erdball. Darauf muss ein Anleger reagieren können, d.h. er muss das eingesetzte Kapital rasch wieder zur Verfügung haben, um Verluste zu vermeiden oder sich neu ergebende Chancen durch Umschichtung nutzen zu können.

 

Es gibt Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und Rohstoffe, die täglich an der Börse gehandelt werden. Sofortige Liquidität ist somit gegeben.

Bei Finanzanlagen mit Kündigungsfristen wie z.B. Festgeld ist die Verfügbarkeit nur eingeschränkt vorhanden.

Als Beispiel für fehlende Liquidität möchte ich Kapitalbeteiligungen an Private Equity, Joint Venture und geschlossenen Fonds erwähnen, wo es sehr schwer ist, vorzeitig aus der Beteiligung auszusteigen. Diese Anlagen werden auch nicht an der Börse gehandelt. Sie eignen sich nur für Großinvestoren wie Versicherungen, Pensionskassen und Stiftungen, nicht aber für den Kleinanleger.

 

Wer als Börseneinsteiger bereit ist, ein überschaubares Maß an Risiko einzugehen, um dadurch eine Rendite zu erwirtschaften, die über den Erhalt der Kaufkraft hinaus geht und dem gleichzeitig Liquidität wichtig ist, für den kommen nur Investitionen in Geldmarktfonds, Immobilien, Anleihen, Aktien und begrenzt in Rohstoffe in Frage. Auf diese Anlagen möchte ich im folgenden Kapitel näher eingehen.

 

2.1 Basiswissen zu Finanzinstrumenten

 

2.1.1 Investitionen in Geldmarktfonds

 

Es handelt sich um Investmentfonds, die ausschließlich in Geldmarkttitel mit einer Restlaufzeit von unter einem Jahr investieren. Die Rendite ist höher als die von Tagesgeldkonten. Sie weisen auf Grund der Kurzfristigkeit der Kontrakte ein sehr geringes Risiko auf. Bis zur Finanzkrise 2008 galten sie als äußerst stabil, dann gingen auch solche Fonds mit einer negativen Wertentwicklung einher. Da kaum ein Ausgabeaufschlag erhoben wird, lässt sich Geld dort „parken“, um es bei Bedarf rasch wieder zur Verfügung zu haben.

 

2.1.2 Investitionen in Anleihen

 

Anleihen sind Schuldverschreibungen von Staaten oder Unternehmen, denen der Anleger für einen jährlichen Zins Kapital befristet zur Verfügung stellt. Am Ende der Laufzeit erhält der Investor sein Geld zum Nennwert (100 %) zurück.

a)    Die Anleihe verfügt über einen festen Zinssatz, der in der Regel unverändert bleibt.

b)    Die Anleihe ist befristet und hat eine feste Laufzeit. Man unterscheidet kurze (2,5 bis 5 Jahre), mittelfristige (5,5 bis 10 Jahre) und langfristige (> 10 Jahre) Laufzeiten.

c)    Die Anleihe wird mit einem Emissionskurs an den Markt gebracht, der größer oder kleiner als der Nennwert sein kann.

Am Laufzeitende wird die Anleihe zum Nennwert (= 100%) getilgt. Liegt der Emissionskurs unter 100, so macht der Anleger am Laufzeitende einen Kursgewinn, da er den Nennwert zurückbekommt. Bei einem Emissionskurs über 100 ergeben sich bei Tilgung Kursverluste.

Dazu zwei Beispiele:

 

1.   Beispiel: Emissionskurs < 100

 

Die Anleihe hat einen Zinskupon von 5% vom Nennwert, eine Laufzeit von 10 Jahren, einen Emissionskurs von 98% vom Nennwert und einen Kapitaleinsatz von 10.000 Euro.

 

Renditeberechnung: