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Karrierestrategien auf den Punkt gebracht

Der Einzelkämpfer, der ausschließlich auf Leistung setzt, ist out. Vielmehr wird heute die Mehrzahl aller Aufstiegschancen über Netzwerke vergeben. Damit ist der Grad an beruflicher und gesellschaftlicher Integration zum Hauptfaktor für einen erfolgreichen Karriereverlauf geworden.

Ob am aktuellen Arbeitsplatz oder in der gesamten Branche, Angestellte müssen heute mehr auf sich aufmerksam machen, damit sie nicht übergangen werden, wenn interessante Positionen vergeben werden. Dies gelingt durch Networking. Die Chance, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort von der richtigen Person entdeckt zu werden, erhöht sich maßgeblich.

Mit diesem Buch können Sie sich ein solches Netzwerk aufbauen. Schritt für Schritt wird Ihnen aufgezeigt, wie Sie es bewerkstelligen können, bei Firmen und Entscheidungsträgern einen höheren Bekanntheitsgrad zu erreichen. In der Folge werden Sie mehr Insiderinformationen und attraktive Angebote erhalten. Damit können Sie dynamischen Zeiten nicht nur gelassener entgegentreten, sondern auch schneller Ihre individuellen Lebens- und Karriereziele erreichen.

Der Arbeitsmarktexperte und Jobcoach Dieter L. Schmich bringt berufliche Erfolgsstrategien auf den Punkt. Im Auftrag von Bildungseinrichtungen und Unternehmen ist er als Dozent und Trainer tätig. Zugleich bietet er Seminare und persönliche Beratungsgespräche rund um die Themen Bewerbung, Karriere und Work-Life-Balance an.

Dieter L. Schmich – Entdeckt werden statt bewerben – Sicherheit und Karriere durch Networking

Dieses Buch wird durch ein inhabergeführtes Kleinunternehmen verlegt. Es wird versichert, dass keine Beteiligungen durch internationale Investorengruppen, Großverlage oder sonstige Konzerne bestehen. Der Inhalt dieses Ratgebers folgt ausschließlich unabhängigen, freigeistigen sowie fachlich orientierten Gesichtspunkten.

Des Weiteren ist dieses Werk urheberrechtlich geschützt. Dadurch begründete Rechte, insbesondere der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Vervielfältigungen des Werkes oder von Teilen des Werkes sind auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie sind grundsätzlich vergütungspflichtig.

Umschlaggestaltung: dielus

ISBN 978-3-9815711-7-2

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über https://portal.d-nb.de.

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Inhaltsverzeichnis

Missverständnis Networking

Netzwerkphilosophie

1.1 Mathematische Grundlagen

1.2 Sicherheitsaspekt

1.3 Entwicklungsphasen

1.4 Organisation

Geduldsphase

2.1 Bestehende Kontakte

2.1.1 Soziales Umfeld

2.1.2 Berufliches Umfeld

2.1.3 Kategorisierung

2.2 Neue Kontakte

2.2.1 Empfehlungsnahme

2.2.2 Bei der Arbeit

2.2.3 Messebesuche

2.2.4 Fort- und Weiterbildungen

2.2.5 Externe Netzwerke

2.2.6 Testbewerbungen

2.2.7 Online-Netzwerke

2.3 Fazit

Pflegephase

3.1 Hilfe anbieten

3.2 Sich regelmäßig melden

3.3 Vier-Augen-Gespräche

3.4 Publizieren

3.5 Gastgeber sein

3.6 Fazit

Erntephase

4.1 Man braucht Sie

4.1.1 Berufliche Gründe

4.1.2 Private Gründe

4.2 Man mag Sie

4.2.1 Authentizität

4.2.2 Integrität

4.2.3 Führungsstärke

4.2.4 Erfolg

4.3 Zufälle

4.3.1 Engagement

4.3.2 Achtsamkeit

4.4 Fazit

Missverständnis Networking

Es geht in diesem Buch um die Schaffung von sozialen und beruflichen Netzwerken, auch Networking genannt. Der Inhalt basiert auf meinem früheren Werk „Sicherheit und Karriere durch Networking – Mit Soziabilität und Netzwerken soziale berufliche Verbündete schaffen“. Ich habe mich jedoch für eine Änderung des Titels entschieden. Dies hat zwei Ursachen. Erstens möchte ich damit dokumentieren, dass ich den Inhalt überarbeitet habe. Zweitens bin ich Empfehlungen zahlreicher Leserinnen und Leser nachgekommen.

Immer wieder sprachen mich Menschen an, dass Sie völlig überrascht waren, als sie das Buch zu Ende gelesen hatten. Erst zu diesem Zeitpunkt erkannten Sie, dass Networking etwas ganz anderes bedeutet, als Sie bisher vermuteten. Als sie schließlich meine Ratschläge in die Tat umsetzten, berichteten viele, dass sie damit auch sogenannte Zufallstreffer landen konnten. Sie trafen dann zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort auf den richtigen Entscheidungsträgern – sie wurden praktisch entdeckt. Es kamen berufliche Verbesserungen auf sie zu, die sie durch übliche Bewerbungsprozesse niemals hätten erreichen können.

In der Summe berichteten aber nahezu alle Leser davon, dass sie mit dem Begriff Networking im Vorfeld eher negative Assoziationen verbanden. Sie stellten sich dabei eine gewiefte und vielleicht auch eine etwas unehrliche Vorgehensweise vor, die dazu dient, egozentrisch eigene Vorteile zu generieren. Unter einem Menschen, der sich als Networker bezeichnet, sahen Sie eine Art Spezies vor ihrem geistigen Auge, der oberflächlich und durchtrieben andere Menschen für eigene Zwecke nutzt, sozusagen missbraucht. Was sich natürlich als grobe Fehleinschätzung herausstellte. Vielmehr offenbarte sich vielen, dass die Persönlichkeitsmerkmale eines typischen Networkers eher aus Soziabilität (Fähigkeit, soziale Bindungen einzugehen und zu pflegen) und sozialer Kompetenz bestehen. Er ist damit der typische Menschenfreund – also genau das Gegenteil eines Opportunisten.

Mir ist bis heute unerklärlich, warum der Begriff Networking bei manchen Menschen negativ besetzt ist. Bei einigen löst es sogar Ängste oder Aggressionen aus. Vielleicht klingt das Wort ein wenig zu kalt und zu technisch. Eventuell ist auch die bestehende Literatur über Networking verantwortlich, die in der Regel durch US-amerikanische Autoren geprägt ist. In diesem speziellen Fall stimme ich der allgemeinen Skepsis sogar zu, dass dasjenige Networking, wie es US-Amerikaner auslegen, für das Naturell von uns Europäern eher ungeeignet ist. Gemäß dem Motto „Hoppla, jetzt komme ich“ werden Sie hierzulande nicht viel erreichen können. Ganz im Gegenteil, in unserem Kulturkreis sind eher konservative, nachhaltige und vor allem behutsame Netzwerktechniken Erfolg versprechender.

Unabhängig davon, welche Vorstellungen Sie haben, möchte ich klarstellen, was Networking in letzter Konsequenz tatsächlich ist. Es ist etwas, was es schon immer gab und es auch in Zukunft weiterhin geben wird:

Networking ist das Gewinnen neuer Freunde und Bekannte.

Das bedeutet, mit Networking erweitern Sie ganz einfach Ihr privates und berufliches Umfeld. Und wer könnte schon darauf verzichten? Wer kann sich damit brüsten, zu viele Freunde zu haben? Sind Freunde nicht das wertvollste, was es im Leben gibt? Lohnt es sich nicht, sich mehr mit diesem Thema auseinanderzusetzen? Ich denke schon. Und die Anzahl von Menschen, die meine Meinung teilen, wächst von Tag zu Tag. Im Laufe dieses Buchs werden Sie erkennen, dass auch Sie einen triftigen Grund dazu haben.

Es sind jedoch noch weitere Missverständnisse aufzulösen: Das Gros der Bevölkerung ist der Ansicht, dass bei Networking die zahlreichen Online-Communities die Hauptrolle spielen würden. Auch dem ist leider nicht so. Facebook & Co. bieten zwar ungemein wertvolle Netzwerkinstrumente, sie sind aber nur Werkzeuge unter vielen und nicht das Networking selbst. Jeder, der sich mit der Gewinnung von neuen Bekannten, Verbündeten oder Freunden schon einmal beschäftigt hat, erkennt schnell, dass dies mit ein paar Klicks am PC und einigen virtuellen Kontakten im Internet sicher nicht möglich ist. Networking umfasst viel mehr.

In der Hauptsache geht es um die komplette Bandbreite des Sozialverhaltens des Homo sapiens. Dabei werden Sie immerfort mit einer bestimmten Fragestellung konfrontiert werden: „Wie können Sie es erreichen, dass andere tatsächlich aktiv auf Sie zukommen, wenn es etwas zu verteilen gibt.“

Die Beantwortung dieser Frage macht in letzter Konsequenz den Erfolg von Networking aus. Ein paar Kontakte machen, das ist schnell erledigt. Jedoch zu realisieren, dass diese auch tatsächlich an Sie denken, wenn es um berufliche Vorteile geht, das ist die Hürde, die Sie zu überwinden haben.

Darum geht es in diesem Buch in der Hauptsache. Selbstverständlich zeige ich Ihnen auch auf, wie Sie Online-Netzwerke einsetzen können und welche Zwischenschritte erforderlich sind, bevor überhaupt ein Netzwerk entstehen kann. In der Hauptsache wird es aber um die Antworten gehen, wann und warum andere Menschen beginnen, Sie zu fördern.

Obwohl das Ganze ein weites Feld ist, wage ich es auch diesmal wieder, diesen vielschichtigen und vor allem komplexen Stoff leserfreundlich auf den Punkt zu bringen.

Dieter L. Schmich

Netzwerkphilosophie

Ich mache tagtäglich die Erfahrung, dass Menschen ihre Wünsche nicht ausreichend kommunizieren.

Wenn niemand von Ihren Wünschen erfährt, kann es auch niemanden geben, der diese erfüllt.

Vielleicht liegt es auch daran, dass wir alle einen Hang dazu haben, ständig so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Wir suggerieren der Umwelt, wir wären wunschlos glücklich, schließlich möchten wir uns erfolgreich in der Öffentlichkeit präsentieren. Da passt die Kommunikation von Träumen nicht ins Bild. Kurzum: Jeder kennt das Gefühl unerfüllter Bedürfnisse, aber niemand spricht darüber.

Diese Situation können Sie mit Networking abstellen. Stehen Ihnen mehr Bekannte oder Freunde zur Verfügung, gibt es mehr Leute, denen Sie Ihr Anliegen mitteilen können. Wissen mehr von Ihren Bedürfnissen, steigen die Chancen, dass jemand darunter ist, der genau das bietet, was Sie im Vorfeld gesucht haben, maßgeblich. Je größer Ihr Netzwerk ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit auf einen Volltreffer.

Soziale und berufliche Netzwerke sollen dabei helfen, eigene berufliche und private Wünsche zu erfüllen.

Welche Wünsche Sie im Speziellen durch Networking erfüllt wissen möchten, bleibt Ihnen überlassen. Wichtig ist nur eines: Sie sollten beginnen, Ihre Bedürfnisse in die Welt zu tragen. Irgendwo wird es jemanden geben, der sie erfüllen kann. Zumindest kann er maßgeblich dazu beitragen.

Wahrscheinlich werden Sie einwenden, dass Sie doch nicht jedem x-beliebigen Menschen Ihre Wünsche mitteilen können. Damit haben Sie auch recht. Dies ist nur dann möglich, wenn Ihr Gegenüber vertrauenswürdig ist, schließlich geben Sie unter Umständen einiges von sich preis. Ich kann Sie aber beruhigen: Mit diesem Buch werde ich Ihnen Wege aufzeigen, wie Sie auch Vertraute entstehen lassen können.

Bevor Sie mit dem Netzwerkaufbau starten können, sollten Sie sich also erst einmal klar darüber werden, was Sie wollen. Sie sollten Ihre Wünsche konkretisieren. Es wäre sehr bedauerlich, wenn Sie mit den richtigen Leuten in Kontakt kämen, aber sich nicht erklären könnten.

Tragen Sie nun Ihre Ziele in die folgende Tabelle ein. Was versprechen Sie sich von einem funktionierenden Netzwerk? Sie können dabei auch Prioritäten setzen:

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Sicher wird es auch Leserinnen und Leser geben, die durchaus Wahlfreiheit haben. Das heißt, sie könnten sich schon jetzt so manchen privaten und beruflichen Wunsch erfüllen. Aber dennoch sind sie sich unsicher, was sie tatsächlich wollen. Sie spüren zwar eine allgemeine Unzufriedenheit, können sich aber nicht entscheiden, wohin die Reise letztendlich gehen soll. Andere wiederum müssen feste Gegebenheiten in ihrem Alltag akzeptieren, die die Umsetzung bestimmter Ziele scheinbar unmöglich macht.

Insgesamt sind solche diffusen Ausgangssituationen nicht gerade ideal, aber auch nicht weiter tragisch. In diesen Fällen benötigt man einfach Ideen. Oft ist man in der persönlichen Situation so verstrickt, dass man in eigener Sache sozusagen betriebsblind ist. Man dreht sich förmlich im Kreis. Die Lösung liegt dann in der Außenwelt. Denn in dieser speziellen Ausgangssituation haben Sie ganz einfach Menschen zu suchen, die Ihnen andere Sichtweisen und neue Meinungen bieten.

Netzwerke können auch als ideale Inspirationsquelle dienen.

Je mehr Sie mit Personen in Kontakt kommen, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihnen die Idee schlechthin präsentiert wird. Im Übrigen können Sie dabei einen hochinteressanten mathematischen Effekt nutzen – dazu jetzt mehr.

1.1 Mathematische Grundlagen

Das Networking ist einem mathematischen Aspekt unterworfen – dem „Kleinen-Welt-Phänomen“. Dieser sozialpsychologische Begriff wurde im Jahr 1967 von Stanley Milgram geprägt. Dieses Phänomen beschreibt den hohen Grad abkürzender Wege aufgrund persönlicher Beziehungen in einer modernen Gesellschaft. Stanley berechnete, dass jeder Mensch auf der Erde mit jedem anderen über eine überraschend kurze Kette von Bekanntschaftsbeziehungen vernetzt ist. Er fand heraus, dass jeder mit jedem über sechs bis sieben Ecken verbunden ist. Dies belegen auch aktuelle Studien. Was bedeutet dies konkret?

Mal angenommen, Sie möchten irgendjemandem auf der Welt eine Information zukommen lassen. Dann wäre es ausreichend, wenn Sie in Ihrem nächsten Umfeld wahllos nur einigen wenigen x-beliebigen Menschen diese Nachricht übermitteln. Vorausgesetzt, diese Personen würden das Gleiche tun, so würde Ihre Nachricht schon nach sechs bis sieben Stationen Ihre Zielperson automatisch erreichen. Das heißt, Sie hätten Ihren Bekannten nicht direkt angesprochen, sondern Ihre Informationen diffus in die Welt geschickt, und dennoch wären diese bei ihm angekommen.

Networking basiert demnach erst einmal auf reiner Mathematik. In einem Netzwerk verbreiten sich Daten nicht mit einer linear, sondern mit einer exponentiell ansteigenden Rate. Der Verbreitungsgrad von Informationen potenziert sich – es tritt der sogenannte „virale Effekt“ ein.

Was mit dem Begriff „exponentiell“ gemeint ist, zeigt anschaulich das berühmte persische Märchen, in dem Reiskörner auf ein Schachbrett gelegt werden sollen. Beginnt man im ersten Schachfeld mit einem einzigen Korn und verdoppelt danach die Anzahl von Feld zu Feld, so würden schon im achtzehnten Feld 32.768 Reiskörner liegen. Schließlich wäre auf dem 64. Feld die unglaubliche Zahl von 9.223.372.036.854.775.808 erreicht (9.223.372 Billionen Reiskörner)!

Auch wenn wir es mit einem rein theoretischen Ansatz zu tun haben, können die mathematischen Gesetzmäßigkeiten nicht wegdiskutiert werden. Damit können Sie sich mit einem funktionierenden Netzwerk im Prinzip in der ganzen Welt bekannt machen, und dies in einer Art und Weise, die Ihresgleichen sucht.

Aber auch der Umkehrschluss gilt: Sie können nicht nur etwas verbreiten, sondern auch empfangen. Benötigen Sie wichtige Informationen, so ist dies in gleicher Weise machbar.

Mit Netzwerken können Sie mit einem minimalen Aufwand mit einer maximalen Anzahl von Menschen in Kontakt treten.

Wenn Sie in einem hohen Maße Informationen erhalten oder welche verbreiten können, liegt es in der Natur der Sache, dass Sie dabei auch auf solche Personen stoßen werden, die imstande sind, Ihnen unter die Arme zu greifen. Sie erhöhen sozusagen Ihre Chancen exorbitant, entdeckt zu werden.

1.2 Sicherheitsaspekt

Grundsätzlich kann durch gute Beziehungen der berufliche Erfolg initiiert und beschleunigt werden. Insbesondere Spitzenpositionen oder außergewöhnliche Karriereverläufe werden in der Regel nicht durch gängige Bewerbungsbemühungen realisiert. Man ist darauf angewiesen, von maßgeblichen Entscheidungsträgern gefördert oder entdeckt zu werden. Ohne Mentoren ist das Überschreiten eines bestimmten beruflichen Levels nicht möglich. Sind solche Traumkarrieren das Ziel, kommt man nicht umhin, entsprechende berufliche Netzwerke zur Verfügung zu haben. Das ist nichts Neues. Dies war schon immer so, und in Zukunft wird sich daran auch nichts ändern.

In der Vergangenheit blieb es somit der persönlichen Entscheidung eines jeden überlassen, ob er sich dem Networking zuwenden wollte oder nicht. War jemand beispielsweise nicht außergewöhnlich erfolgsorientiert, konnten ihm gute Beziehungen mehr oder weniger egal sein. Das Berufsleben verlief dennoch zufriedenstellend.

Trotzdem ist Networking zu einem Massenphänomen geworden. Die Ursache für diesen Trend liegt nicht darin, dass jetzt jedermann karriereorientiert geworden ist, sondern weil heute in persönlichen Kontakten andere Vorteile gesehen werden. In Zeiten von Unsicherheit und Veränderung haben viele Menschen wieder das Bedürfnis, sich mit anderen zusammenzuschließen. Sie versprechen sich davon mehr Sicherheit und Planbarkeit für ihr Leben.

Damit erfüllen heute Beziehungsgeflechte ganz andere Funktionen, als noch vor Jahren. Während früher die Karriere im Vordergrund stand, ist es heute der Sicherheitsaspekt. Networking kann infolgedessen zwei grundsätzliche Funktionen erfüllen:

1. Existenzsicherung

2. Karrieresicherung

Existenzsicherung

Netzwerke sind die Nachfolgemodelle der früheren Großfamilie. Noch vor hundert Jahren war es in der westlichen Welt üblich, dass Paare fünf bis zehn Kinder zeugten. Setzt man voraus, dass drei Generationen immer gleichzeitig am Leben sind, entstehen praktisch drei Netzwerkebenen, in denen sich die Anzahl der Familienmitglieder exponentiell erhöht. Dieser mathematische Effekt wurde mit jeder Heirat weiter verstärkt – Netzwerke vernetzten sich mit Netzwerken. Schnell entstand eine gewaltige Anzahl von verbundenen Personen. Wurden Familienfeste gefeiert, konnte die Einladungsliste schnell eine großzügige dreistellige Zahl erreichen. Und dies ausschließlich nur mit Verwandten.

Sie können ja mal selbst hochrechnen. Nehmen Sie einfach an, dass damals durchschnittlich nur fünf Kinder je Familie heirateten und wieder die gleiche Zahl an Nachkommen zeugten. Dann standen jedem Einzelnen schon allein vierzig Cousins und Cousinen zur Verfügung. Ganz zu schweigen von der gewaltigen Anzahl von Nichten, Neffen, Großcousinen, Großcousins, Tanten und Onkel, Großtanten, Großonkel. Falls der Fall eingetreten ist, dass sogar vier Generationen gleichzeitig am Leben waren (Urverwandte = vier Netzwerkebenen), dann wird das Ganze schon zu einer kleinen mathematischen Herausforderung. Man kommt auf eine geradezu unglaublich große Anzahl an Verwandten.

Auch dann, wenn durch Familienstreit der Netzwerkeffekt reduziert wurde, so stand doch jedem Mitglied einer Großfamilie sozusagen automatisch, allein durch die Geburt bedingt, eine großzügige Mindestmenge von Verbündeten zur Verfügung. Ob bei Altersschwäche, Krankheit, Vermögensverlust oder Naturkatastrophen, man konnte in der Not auf genügend Personen zurückgreifen. Gleichzeitig war die individuelle Belastung eines jeden Familienangehörigen gering, schließlich konnte vieles auf mehrere Schultern aufgeteilt werden.

Aber auch ohne existenzielle Sorgen war vor hundert Jahren die gewaltige Anzahl von Verwandten von großem Vorteil. Wollte man beispielsweise ein Haus kaufen, musste jeder nur einen kleinen Teil beisteuern. Dennoch kam eine beachtliche Summe zusammen.

Wurden hingegen berufliche Perspektiven gesucht, konnte man sicher sein, dass irgendeiner der zig Cousins an der richtigen Stelle saß. Der Begriff „Vetternwirtschaft“ stammt noch aus dieser Zeit. Eine Ära, in der Existenz sichernde Beziehungsgeflechte hauptsächlich aus Familienbanden bestanden.

Die Großfamilie ist nun seit vielen Jahrzehnten Vergangenheit. Die durchschnittliche Geburtenrate liegt derzeit bei ein bis zwei Kindern je Paar. Ein exponentiell ansteigender Netzwerkeffekt (siehe: Reiskörner auf dem Schachbrett) kann sich nicht mehr einstellen. Bei ein bis zwei Nachkommen je Generationsstufe ist dies schon allein aus mathematischen Gründen nicht mehr machbar. Damit kann das Lebenskonzept „Familie“ die Funktion eines Existenz sichernden Beziehungsgeflechts nicht mehr erfüllen. Ein ausreichender gesellschaftlicher Integrationsgrad, allein durch Verwandte, ist damit nicht mehr möglich. Ebenso funktioniert das Prinzip nicht mehr, notwendige Hilfestellung auf viele Schultern verteilen zu können. Aufgrund der zu geringen Anzahl von Angehörigen wäre die Unterstützungsbelastung für einzelne Hilfeleistenden viel zu hoch.

Historisch gesehen hätte die Gesellschaft die verloren gegangene Großfamilie durch ein größeres privates Umfeld kompensieren müssen. Dazu gab es aber keine Veranlassung – mittlerweile war nämlich der Wohlfahrtsstaat geboren.

Seit den 1960er-Jahren stiegen die Gehälter permanent, und die monatlichen Einnahmen waren durch langfristige Beschäftigungsverhältnisse gesichert. Bei Arbeitslosigkeit oder Krankheit sprangen gesetzliche Sozialversicherungen ein. Zudem regelten funktionierende Rentensysteme die Zeit nach dem Berufsleben. Es gab für alles und jeden mehr oder weniger eine Grundversorgung. Zudem entwickelte sich eine Erbengeneration. Nicht selbst erarbeitetes Vermögen trug weiter dazu bei, die Existenz abzusichern.

Alles in allem war zumindest für das nackte Überleben gesorgt. Den Wegfall der Großfamilie durch mehr Freunde und Bekannte zu kompensieren, war damit nicht mehr notwendig. Mittlerweile übernahm der Staat, Sozialversicherungskassen sowie die Gehalt zahlenden Arbeitgeber die Grundversorgung eines jeden Einzelnen. So weit, so gut.

Diese (durchaus positive) Entwicklung in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts führte aber auch dazu, dass sich soziale Bindungen unter der Bevölkerung lockerten. Individualisierungsprozesse traten nun mehr in den Vordergrund. Jedermann konnte frei und selbstbezogen leben, ohne dabei Gefahr zu laufen, in eine Existenz bedrohende Notlage zu geraten. Die Fähigkeit, soziale Bindungen einzugehen und zu pflegen, musste nicht mehr gelebt werden – es gab dazu keine existenzielle Notwendigkeit. Die grundsätzlichen Regeln für soziale Beziehungsgeflechte gerieten in Vergessenheit. Es entstand eine Gesellschaft, die in der Mehrheit sozialisierende Kommunikationsformen und Verhaltensweisen nicht mehr anwandte.

Ein Nebeneffekt des Wohlfahrtsstaats war infolgedessen die Geburt des Egozentrikers. Diese Randerscheinung des wirtschaftlichen Aufschwungs hatte ihren Zenit in den 1990er-Jahren erreicht (Gordon Gekko im Film Wall Street: „Wenn Du einen Freund suchst, kauf Dir einen Hund.“). Grundsätzliche Werte des sozialen Miteinanders waren plötzlich out. Der Einzelkämpfer wurde modern. Die anfänglich durchaus sinnvollen Individualisierungsprozesse innerhalb der Bevölkerung verkümmerten zu einsamen Egotrips. Einpersonenhaushalte, allein erziehende Mütter und Väter, einzeln ausführbare Trendsportarten, wie Joggen, Fitnesstraining, Inlineskating etc. sind das Resultat dieses fortgeschrittenen Vereinzelungstrends. Das Ganze wurde durch das Aufkommen des Internets weiter beschleunigt. Der PC, das Smartphone oder das Tablet mutierte für viele Menschen zum alleinigen Freund.

Diese beschriebene soziologische Veränderung der Beziehungsstrukturen innerhalb Wohlfahrtsgesellschaften wäre im Prinzip nicht weiter tragisch, denn schließlich kann jeder selbst entscheiden, welche Lebensform er wünscht. Dabei gibt es aber einen kleinen Haken zu beachten – die Zeiten haben sich mittlerweile gewandelt.

Pünktlich zum Millennium startete weltweit ein gewaltiger Umbruchprozess, der bis heute anhält. Die Welt veränderte sich ab jetzt in einem immer schnelleren Tempo: Der Euro wurde eingeführt (2001), Kriege wurden wieder gesellschaftsfähig, es gab die schwerste Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg (2002–2004), die Finanzkrise nahm ihren Anfang (Lehmann-Brothers-Pleite, 2008) und Wetterextreme waren im Vormarsch (2x Jahrhunderthochwasser in Mitteleuropa). Zudem versanken Entwicklungs- und Schwellenländer im gesellschaftlichen Chaos, Flüchtlingsströme erreichten Rekordstände und dem Terrorismus wurde Tür und Tor geöffnet. Mit Beginn des neuen Jahrtausends ist die Welt aus den Fugen geraten.

Im Ergebnis verschwand die Sicherheit für jedermann. Kein Land der Erde ist so liquide, um die aufgezählten Herausforderungen bewältigen zu können. Der einzelne Staat als Schutz gebender Ersatz für die Großfamilie ist an seine Leistungsgrenze angelangt.

Diese Problematik wird sich durch den demografischen Wandel weiter verschärfen. In wenigen Jahren wird das Gros der Gesellschaft aus Rentnern und Pensionären bestehen. Die Grundrechenarten eines jeden Taschenrechners reichen aus, um zu erkennen, dass in Zukunft eine Alters- und Krankenversorgung in ausreichendem Maße unmöglich sein wird.

Aber auch das Anhäufen von Vermögen ist keine Lösung mehr. Künftig werden wir uns wohl entscheiden müssen, ob wir entweder Staaten oder Banken Pleite gehen lassen wollen. Wir haben nur die Wahl zwischen Pest oder Cholera. In beiden Fällen ist sich jeder darüber bewusst, was mit Sparguthaben oder dem Wert von Immobilienbesitz passieren wird.

Zu allem Unglück werden noch gewaltigere Kosten als bisher durch Wetterextreme auf uns zukommen. Wird flächendeckend privates Hab und Gut durch Dauerregen, Hagelschlag, Überschwemmungen, Orkane etc. vernichtet, wird es keine ausreichenden staatlichen Entschädigungszahlungen mehr geben können. Dafür werden die benötigten Geldmengen zu gewaltig sein.

Kurzum: Es ist nicht mehr machbar, nach dem Staat zu rufen, wenn wir in Zukunft Unterstützung benötigen. Die öffentliche Hand als Sicherungsfunktion für ihre Bevölkerung ist hoffnungslos überfordert. Es wird in Zukunft wohl in unseren Händen liegen, ob wir uns selbst Sicherheit verschaffen können. Wenn es dann darauf ankommt, wird es entscheidend sein, wie viele Bekannte und Freunde wir haben, die bereit sind, uns unter die Arme zu greifen.

Im Prinzip haben wir den Wegfall der Großfamilie mit einem Zeitversatz von vielen Jahrzehnten nun nachträglich zu kompensieren. Es ist heute nachzuholen, was in den letzen Jahren versäumt wurde. An die Stelle Hunderter Familienangehöriger müssen nun neue zahlreiche Verbündete treten.

Netzwerke sind der Ersatz der ausgestorbenen Großfamilie und des Wegfalls eines Schutz gebenden Staates.

Da wir auch nicht mehr zig „Vettern“ an den „richtigen Stellen“ sitzen haben, muss auch im Berufsleben umgedacht werden.

Karrieresicherung

Das Arbeitsleben ist wechselhafter und schneller geworden. Die Ursachen sind hauptsächlich in den neuen globalisierten Marktbedingungen zu suchen:

In nahezu allen Branchen herrscht Verdrängungswettbewerb.

Fakt ist, insbesondere in Europa herrscht wahrscheinlich der intensivste Wettbewerb weltweit. Selbst nordamerikanische Geschäftsleute, die „freie Märkte“ gewohnt sind, geben sich oft erstaunt über die Härte des hiesigen Konkurrenzkampfs. Fachleute berichten, dass noch zu viele Marktteilnehmer vorhanden sind. Es gibt zu viele Automobilhersteller, zu viele Banken, zu viele Verlage, zu viele Supermarktketten usw. Selbst die Anzahl von Restaurants, Friseursalons, Boutiquen etc., die sich im Kampf um Kunden gegenseitig zerfleischen, ist noch zu hoch.

Infolgedessen befinden wir uns in einer Phase der Marktbereinigung. Unternehmen liefern sich gegenseitig so lange eine Preisschlacht, bis die ersten Bankrott machen oder von der Konkurrenz übernommen werden. Einige Firmen werden sich durchsetzen und wachsen, während andere vom Markt verschwinden. Die einen fusionieren, andere rationalisieren. Unternehmen werden verkauft oder gekauft. Alles in allem hat diese hohe Veränderungsdynamik logischerweise auch direkte Auswirkungen auf jeden einzelnen Arbeitsplatz.

Die Arbeitsplatzsicherheit ist so gering wie noch nie.