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WARUM VERHALTEN SO SPANNEND IST

HEIKE

Seit ich mich erinnern kann, habe ich mit Hunden gelebt. Von frühester Kindheit an waren es Dackel: Mogelpackungen auf vier kurzen Beinen, denn sie beherbergen so viel mehr Persönlichkeit, Mut, Selbstbewusstsein, Zuneigung und Vielseitigkeit, als ihr kleiner Körper es vermuten lässt. Allesamt beste Lehrmeister, wenn es um Hundeverhalten geht. Ich war gerade Teenager, als meine Eltern mit der Hundezucht begannen. Und so hatte ich das große Privileg, Dackelbabys beim Aufwachsen zu begleiten. Hautnah zu erleben, wie Welpen sich von Woche zu Woche entwickeln und zu ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten heranwachsen, wie die erwachsenen Hunde mit ihnen und untereinander umgehen, zählt sicher zu den schönsten und lehrreichsten Momenten meiner Jugend. Dazu hatte ich immer einen eigenen Dackel, der mich aussuchte und mir mit seinem unerschütterlichen Vertrauen das größte Geschenk machte.

Meine Begeisterung für Vierbeiner, deren Persönlichkeit ebenso stattlich ist wie ihr Selbstbewusstsein, blieb. Nur die Hunde wurden etwas größer: Im Lauf der Jahre waren es drei Afghanische Windhunde, ein Greyhound und ein Whippet, die wir im Alter von zwei bis neun Jahren „gebraucht“ übernommen haben, entweder durch Vermittlung des Züchters oder über den Tierschutz. Jetzt leben Zwergdackel Paul, der als Welpe aus der Zucht meiner Eltern zu uns kam, und Whippethündin Mina bei uns.

Durch sie alle habe ich einen reichen Erfahrungsschatz, wenn es um Hunde geht. Dieser wurde und wird weiterhin ergänzt durch Begegnungen bei der Zucht, der Arbeit in Hundevereinen, auf Hundeausstellungen, beim Hineinschnuppern in die Jagdausbildung, im Tierschutz und natürlich bei meiner Arbeit als Autorin und Fotografin mit den verschiedensten Vierbeinern sowie deren Menschen mit unterschiedlichsten Erwartungen, Umgangsformen, Ausbildungsmethoden und Lebensmodellen. Von allen diesen Hunden habe ich so viel gelernt.

Und immer wenn die Selbstüberschätzung mich eingenommen hat und ich dachte, nach all den Erfahrungen, Büchern, Workshops, Seminaren und Vorträgen alles über Hunde zu wissen, hat unser neues vierbeiniges Familienmitglied mich eines Besseren belehrt und auf eine unerwartete Weise gefordert. So bin ich immer wieder angehalten, mich und mein Handeln zu hinterfragen.

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© Stefan Röger

Heike Schmidt-Röger mit Afghane Radsha und Dackel Paul.

SUSANNE

Hunde waren schon immer meine große Leidenschaft. Als Kind führte ich die Hunde der Nachbarschaft aus, seit 20 Jahren halte ich selbst Hunde und seit mehr als zehn Jahren arbeite ich als Hundetrainerin.

Mein erster Hund war Retrievermix Joschi, von Welpe an stets unerschütterlich an meiner Seite. Als Podencohündin Lena, später Puriah und Whippet Kate bei mir einzogen, die ganz anders waren als Joschi, wuchs mein Interesse an Hundeverhalten. Ich besuchte viele Seminare und machte mich schlau. Heute leben bei mir Labrador Retriever Jette und die Magyar-Agar-Hündinnen Hanni und Malu.

Die meisten meiner Hunde habe ich aus dem Tierschutz. Beruflich wie privat liebe ich es, die Entwicklung von Tierschutzhunden zu beobachten. Ohne Muße, Geduld und sich etwas zu trauen geht dabei gar nichts. Denn man muss es wagen, die Entwicklung eines Hundes zuzulassen und trotzdem dann auszubremsen, wenn sich unerwünschtes Verhalten zeigt. Diese Gratwanderung finde ich ungemein spannend. Schafft der Mensch es, Mut und Unterstützung an den richtigen Stellen zu geben, ist er die große Stütze des Hundes und für einen unsicheren Hund der Fels in der Brandung, den er braucht, um Selbstvertrauen zu bekommen und ein umweltsicherer Hund zu werden. Wer das schafft, kann ganz viel Entwicklung erleben und sich daran erfreuen. So eine Entwicklung als Hundetrainerin zu begleiten oder auch bei meinen eigenen Hunden zu erfahren, ist für mich immer wieder das Allerschönste!

Wenn Hund und Mensch zusammenwachsen und die Beziehung von Mensch und Hund an Qualität gewinnt, kann Vertrauen wachsen und es können Fortschritte entstehen. Natürlich muss der Mensch manchmal über seinen Schatten springen und etwas zulassen, das ihm vielleicht Angst macht. Doch dafür bin dann ich ja da: Um zu unterstützen, immer wieder zu zeigen, wie gut der Hund ist, und allen Beteiligten den Rücken zu stärken!

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© Heike Schmidt -Röger

Susanne Blank mit Whippetdame Kate und Podencohündin Puriah.

NACH UNSEREN ERFAHRUNGEN

Jeder Hund ist einmalig, mögen sich zwei Hunde einer Rasse auch äußerlich gleichen wie ein Ei dem anderen. All das, was einem Hund von seinen Eltern mit auf den Weg gegeben wurde, seine ganz persönlichen Erfahrungen, seine Beziehungen und sein Charakter machen ihn zu einem einzigartigen Wesen. Dazu haben Hunde auch eine Sonderstellung in ihrer Verbindung zum Menschen, denn kein anderes Tier versteht uns so gut wie ein Hund oder hat ein Sozialverhalten, das besser zu uns passt.

Diese Einmaligkeit und Nähe sind es, die uns so an Hunden begeistern. Einen Hund kennenzulernen, ihn in das eigene Leben zu integrieren, anzuleiten und schließlich sein Vertrauen zu erfahren, all das erfüllt uns. Nicht immer läuft das Zusammenleben reibungslos, doch im täglichen Miteinander gibt es immer wieder Momente des Lachens, des Staunens und der puren Freude. Noch schöner aber sind die Vertrautheit und das gegenseitige Annehmen. Das ist nur möglich, wenn die Individualität des Hundes erkannt und respektiert sowie sein Verhalten so weit wie nötig gelenkt wird. Dazu ist es wichtig, sein Verhalten einschätzen zu können und zu versuchen, hundgerecht darauf zu reagieren. Wer denkt, nach ein oder zwei Hunden an seiner Seite alles über sie zu wissen, irrt sich gewaltig. Denn es bleibt immer spannend und es passiert so viel, direkt vor Ihrer Nase. Schauen Sie einfach öfter mal hin, was Ihr Hund macht. Es lohnt sich!

Das komplexe Hundeverhalten in diesem Buch komplett abzuhandeln, wäre ein unerreichbares Unterfangen. Uns war es wichtig, dass Sie Ihren Hund besser verstehen, und hoffen, dass Ihnen das mit den Tests und den vielen Beispielen aus dem Alltag gelingt. Dazu haben wir neben etwas Theorie Punkte aus der Praxis gesucht, die unserer Erfahrung nach relevant bzw. brauchbar sind. Vielleicht haben Sie andere Schwerpunkte, doch wir hoffen, dass Sie nützliche Infos genau für Ihren Fall ableiten können.

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© Heike Schmidt -Röger

Die junge Windhündin Malu – ein Magyar Agar – schleicht sich für eine spielerische Attacke an.

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© Heike Schmidt -Röger

Die ältere Hanni nimmt das Spielangebot gerne an und los geht die wilde Hatz quer durch den Obstgarten.

DAS GROSSE VERHALTENSPUZZLE
Wieso macht er das?

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© Heike Schmidt -Röger

PUZZLE ZUSAMMENSETZEN

Schaut Ihr Hund Sie immer so charmant an, weil dieser Blick typisch für seine Rasse ist, weil er ein optimistischer und geselliger Typ ist oder weil er gelernt hat, dass Sie dann großzügiger Leckerchen geben?

„Warum zeigt mein Hund dieses Verhalten?“ ist eine der spannendsten Fragen im Zusammenleben von Mensch und Hund. Manchmal ist sie ganz leicht zu beantworten, manchmal gar nicht, und oft können nur Vermutungen angestellt werden. Denn mögliche Gründe gibt es viele, z. B. Genetik, Erfahrungen, Umwelt, Persönlichkeit und Gesundheit. Wie viel Einfluss ein Faktor auf die Verhaltenspalette eines Hundes hat, ist unterschiedlich und kann bei einem Hund sogar je nach Situation variieren.

WAS IST VERHALTEN?

Weit gefasst könnte gesagt werden: „Alles ist Verhalten.“ Oder im Umkehrschluss der bekannte Satz: „Es gibt nicht Nichtverhalten.“ Jedes Geschehen, das von außen betrachtet an Ihrem Hund wahrgenommen werden kann und der Veränderung unterliegt, ist Verhalten. Es kann genauso aktiv wie passiv sein: Ob Ihr Hund döst, frisst, bellt, sich kratzt, knurrt, buddelt, mit Artgenossen spielt oder zu Hause jammert, er jagt, sich abwendet oder nach vorne geht – in all diesen Beispielen „verhält“ er sich. Manches Verhalten ist genetisch festgelegt, anderes wird im Lauf des Lebens entwickelt (erworben). Mit dem von Hunden gezeigten Verhalten eng verknüpft können Empfindungen sein, gute Beispiele dafür sind der in die Glieder fahrende Schreck, die Schockstarre oder die Freudensprünge.

Begrüßt Ihr Hund Sie überschwänglich, wenn Sie nach Hause kommen, wackelt dann seine Rute samt ganzem Hinterteil und gibt er sich jede Mühe, sie herrlich schmatzend abzuschlabbern?

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© Heike Schmidt -Röger

Die Entstehung von Verhalten ist komplex.

Wenn ja, können Sie dann hautnah ein Verhalten erleben, das Hunde schon von ihren wölfischen Vorfahren mit auf den Weg bekommen haben, dessen Ursprung in der Beziehung Welpe – Hundemutter liegt und das dann seinen Weg in das Sozialverhalten auch der erwachsenen Tiere gefunden hat. Und um dieses Verhalten zeigen zu können, sind im Körper Ihres Hundes komplexe Vorgänge abgelaufen. Daran beteiligt waren in einem ganz speziellen Zusammenspiel des optimalen Zeitpunkts, des passenden Ablaufs und der richtigen Aktivität und Dosierung u. a. Sinne, Nervensystem, Drüsen, Hormone, Organe und Muskeln. Das klingt alles furchtbar kompliziert. Doch bevor wir uns der Praxis widmen, möchten wir noch einen kleinen Einblick in die Theorie geben. Denn dann lässt sich viel leichter verstehen, wie Ihr Hund tickt und was das für Sie bedeutet.

DIE ROLLE DER GENE

Die Gene bestimmen zum gewissen Teil das äußere Erscheinungsbild eines Hundes, z. B. seine Größe, sein Fell und seine Farbe, ob er Schlapp- oder Stehohren hat, seine Rute geringelt oder gerade ist. Die Erbanlagen bilden aber auch die Basis seines Verhaltens, was die Weichen für seine Entwicklung stellt.

Das Vorstehen des Pointers, das Bellen vom Spitz, das Fixieren (Anstarren) des Border Collies, das territoriale Verhalten des Pyrenäen Berghundes oder das Draufgängerische des Jack Russell Terriers sind nur einige Beispiele der rassetypischen Eigenschaften, die auf einen Jahrtausende dauernden Selektionsprozess zurückzuführen sind. All diese Eigenschaften waren vom Menschen gewünscht, wurden durch die Zucht verstärkt und sind genetisch mitbestimmt.

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© Heike Schmidt -Röger

Das Hüten liegt dem Border Collie in den Genen. Darauf baut das Training mit dem Schäfer bzw. Ausbilder auf.

Hunde müssen dieses Verhalten nicht lernen, sie können es einfach. Genetisch veranlagtes Verhalten abzugewöhnen, ist mit tiergerechten Mitteln unmöglich. Denn verschwinden wird es nicht. Die Aufgabe des Menschen ist es vielmehr, den Hund so anzuleiten und zu führen, dass es dadurch nicht zu Konflikten im Alltag kommt und ihm die Möglichkeit zu bieten, seine Veranlagung durch einen sicher gesteckten Rahmen und gegebenenfalls Alternativbeschäftigungen ausleben zu können. Genetisch beeinflusstes Verhalten soll nicht eliminiert, sondern es muss gemanagt werden. Dazu gibt es auch immer individuelle Eigenschaften, die genetisch mit veranlagt sind oder wobei die genetische Veranlagung den ersten Baustein für dieses Verhalten liefert, z. B. ob ein Hundewelpe eher der aktive oder der zurückhaltende Typ ist.

EPIGENETIK

Ging man früher zumeist davon aus, dass der Einfluss der Gene auf ein Lebewesen unveränderbar ist, wissen wir es heute besser. Denn auch äußere Einflüsse wie Umwelt, Ernährung und Lebensweise können sich auf das Ablesen der Geninformation auswirken, diese an- und abschalten bzw. ihren Aktivitätsgrad ändern. Das kann sich jeweils positiv oder negativ für den Betroffenen auswirken. Manche Veränderungen können sogar in die nächste Generation weitergeben werden. Obwohl die eigentliche Information des Gens unverändert bleibt, ist die Aussage nun eine ganz andere.

ERWORBENES VERHALTEN

Wie ein Kuchen, der erst durch das Rezept, die Zutaten und die Zubereitung gelingt, komplettieren die Erfahrungen das Verhaltenspuzzle. Denn jede Erfahrung, jedes Erlebnis und fast jede Einwirkung bringt einen Welpen etwas weiter auf dem Weg zu dem Hund, der er schließlich einmal sein wird. Ein Raufbold muss keiner bleiben, ein Angsthase kann Mut hinzugewinnen und ein selbstständiger Hund kann lernen, sich mehr an seinen Menschen zu orientieren. Und weder Rang, Status noch Position in der Gemeinschaft sind von Geburt an festgelegt – jeder Hund muss seine Rolle erst noch finden und ausfüllen. Egal, was die Gene mitbringen, die auf den Hund einwirkenden Einflüsse können sein Verhalten negativ oder positiv verändern oder einfach in eine andere Richtung lenken. Und dieser Prozess dauert lebenslang, wenn auch je nach Lebensphase die Einflüsse größere oder geringere Auswirkungen haben. Hier einige Gründe:

VORGEBURTLICH

Die Beeinflussung beginnt schon im Mutterleib. Eine trächtige Hündin, die gesund und von ihrem Wesen her ausgeglichen ist, sich in einem stabilen Umfeld aufhält, gut ernährt sowie liebevoll und hundgerecht umsorgt wird, kann ihren Kindern ein optimales Gerüst für eine stabile Psyche und Gesundheit mitgeben. Doch ist sie hingegen beispielsweise ein unsicherer oder gar ängstlicher Hund oder erlebt sie während der Trächtigkeit anhaltenden Stress oder ein Trauma, kann sich das negativ auf ihren Nachwuchs auswirken. Der hat später dann möglicherweise eine geringere Stresstoleranz, vermehrte Unsicherheit oder Angst, ein geschwächtes Immunsystem etc.

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© Heike Schmidt -Röger

Schon im Bauch der Mutter nehmen die Welpen viel wahr.

STRESS

Kurzzeitige, vom Hund bewältigbare Aufregung wirkt durchaus belebend, leistungsfördernd, lernfördernd und ist in geringen Dosen sogar wichtig für die Entwicklung eines gesunden Immunsystems und einer guten Stressbewältigung. Hingegen hat anhaltender Stress zahlreiche negative Auswirkungen auf Körper und Psyche. Dies kann sich sogar auf die Umsetzung der Erbinformation auswirken. Anhaltender oder sehr heftiger Stress kann dazu führen, dass Erbinformationen anders ausgelesen, Krankheiten begünstigt und Lernprozesse blockiert werden sowie die Fähigkeit zur weiteren Stressbewältigung negativ beeinflusst wird. Schädlicher Stress kann z. B. durch psychische Belastungen wie einen unberechenbaren Sozialpartner oder Isolation, psychische oder physische Überforderung oder Unterforderung und auch z. B. durch Krankheiten, Lärm, Umweltgifte und mangelhafte oder unregelmäßige Ernährung entstehen.

LERNEN

Lernen ist viel mehr als Sitz und Platz in der Hundeschule, denn ein Hund lernt immer. Jede Begegnung, jedes Erlebnis und jede Umgebung führt dazu, dass sich in seinem Gehirn neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen bilden, vorhandene stärker werden oder sich anders strukturieren. Ein Hund lernt so z. B., was sich für ihn lohnt oder gut anfühlt, mit welchen Strategien er Erfolg hat und wo er besser Vorsicht walten lassen sollte. Er lernt durch Beobachtung, verknüpft verschiedene Ereignisse miteinander, testet Grenzen aus und kann durch neue Erfahrungen lernen, anders zu reagieren. Wie stark eine solche Verbindung zwischen zwei Nervenzellen ausgeprägt ist, entscheidet darüber, wie zuverlässig die Information abrufbar ist.

Wird eine Erfahrung von starken Emotionen begleitet, kann manchmal schon ein Ereignis der Auslöser für ein künftiges Verhalten sein, langweilige Routineaufgaben brauchen hingegen viele Wiederholungen, bis die entsprechende Nervenverbindung stark genug und ein erlerntes Verhalten dauerhaft etabliert ist.

Lernen ist flexibel: Verbindungen und deren Verhaltensweisen können neu gebildet werden, brach liegende abgebaut und bereits etablierte Verhaltensmuster können durch neue Erfahrungen umgeschrieben werden, so werden z. B. Ängste aufgebaut oder überwunden.

Verknüpfungen

Stellt ein Hund einen Zusammenhang z. B. zwischen zwei Reizen, Objekten, Ereignissen bzw. Orten her, verknüpft er beides miteinander. Das passiert ständig, z. B. hat Dackel Paul verknüpft, dass es raus geht, wenn Frauchen ihre Gummistiefel anzieht und Labrador Jette hat verknüpft, dass es abends auf dem Kissen noch einen Gute-Nacht-Keks gibt.

Verknüpfungen werden im Training ganz gezielt eingesetzt, indem geübt wird, dass der Hund ein Signal mit einer erwünschten Handlung verbindet, z. B.

das Wort „Platz“ damit, sich hinzulegen;

den erhobenen Zeigefinder damit, sich hinzusetzen;

den Pfiff mit der Hundepfeife damit, heranzukommen.

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© Heike Schmidt -Röger

Durch Lernen passt sich das Verhalten an. Dieser Beagle hat gelernt, dass die Hühner keine Beute sind.

Bis trainierte Verknüpfungen zuverlässig funktionieren, braucht es meist viele Wiederholungen. Jedoch kann sich ein sehr eindrückliches Ereignis und die damit einhergehende Verknüpfung auch ohne Wiederholung regelrecht einbrennen und das weitere Verhalten beeinflussen.

Susanne: „So hat vor einigen Jahren meine Podenco-Hündin Puriah ein ihr unvergessliches Spektakel am Himmel erlebt. Während eines Grillabends mit Freunden im Hof lief sie ganz unbedarft durch die Tür nach draußen, als am Himmel einige bengalische Feuer in der Dämmerung aufstiegen! Der Abend war für sie gelaufen, sie war nicht mehr nach draußen zu bewegen und hat zitternd im Hundekorb gelegen. Puriah war immer schon eine sehr sensible Hündin, sie hat den Rest ihres Lebens immer zuerst sorgenvoll zum Himmel geschaut, wenn sie aus der Tür ging, auch sonst wurden alle fliegenden Objekte von ihr ängstlich beäugt.“

Üben Sie mit Ihrem Hund, sollten Sie in den jeweils ersten Trainingseinheiten darauf achten, dass es möglichst wenig Ablenkung gibt. Das macht es dem Hund leichter, sich zu konzentrieren. Durch die passenden Rahmenbedingungen wird aber auch der Weg bereitet für die gewünschte Verknüpfung. Ist die Grundverknüpfung vorhanden, muss diese jedoch durch das Üben an verschiedenen Orten, unter verschiedenen Bedingungen und in unterschiedlichen Situationen gefestigt werden. Ansonsten gibt es z. B. den „Hundeplatz-Effekt“: Weil die Gehorsamsübungen mit einem Hund immer nur auf dem Hundeplatz stattgefunden haben, lassen sie sich auch nur da abrufen. Oder einfacher: Außerhalb des Hundeplatzes gehorcht er nicht. Es wurde versäumt, das Verhalten durch Variationen im Übungsablauf zu festigen.

Welpe

Wächst ein Welpe in einer abwechslungsreichen Umgebung heran, die ihn fordert, aber nicht überfordert, kann er sein ganzes Hundeleben lang offen und flexibel mit neuen Erfahrungen und Reizen umgehen – er hat gelernt, zu lernen. Hingegen kann ein isoliert aufgezogener Hund meist viel schlechter auf Veränderungen oder Neuerungen in seinem Leben reagieren und er ist schnell überfordert.

Unabhängig davon hat jeder Hund sein ganz individuelles Lerntempo – der eine ist ganz fix und kapiert ganz schnell, der andere braucht etwas länger, um neue Erfahrungen einzuschätzen, neue Sachverhalte zu begreifen und/oder sich an neue oder geänderte Umstände anzupassen. Ein Hund – natürlich auch ein Welpe – lernt immer am besten, wenn er das in seinem ganz persönlichen Tempo tun kann.

Im Alltag oder beim Training ohne „Laborbedingungen“ gibt es viele Faktoren, die sich auf eine Verknüpfung auswirken können. Ob und wie ein Hund etwas verknüpft, lässt sich daher nicht immer vorhersagen. Beispiel:

Ein Hund berührt beim Spaziergang einen Strom führenden Weidezaun: Er schreit panisch auf, bestenfalls rennt er Schutz suchend zu seinem Menschen, im schlechtesten Fall rennt er kopflos davon. Nun gibt es mehrere Möglichkeiten, womit er den Schmerz verknüpft hat, z. B.

mit dem Zaun selbst,

mit den Kühen auf der Weide,

mit dem Heißluftballon über ihm am Himmel,

mit dem ebenfalls auf dem Feldweg gehenden Herrn oder dessen Spazierstock,

mit der zeitgleich zu hörenden Autohupe,

mit gar nichts.

Und so gibt es mehrere Möglichkeiten, wie er sich künftig bei einer Begegnung mit dem vermeintlichen Schmerzverursacher verhält: Meidet er Zäune oder Kühe? Wird er panisch bei Heißluftballons oder Autohupen? Ist er unsicher, wenn er auf ältere Herren trifft? Zeigt er Furcht vor Stöcken? Oder hat das Ereignis gar keinen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen: Hat halt wehgetan, war nur halb so schlimm und ist schon längst vergessen? Alles ist möglich, nichts muss passieren.

Verstärkung

Hunde lernen eigentlich ständig: manchmal durch Beobachtung und Nachahmung, dann durch Verknüpfung unterschiedlicher Handlungen, das Ausschlussprinzip und Versuch und Irrtum. Dabei richten sie ihr Verhalten auch an den Reaktionen ihres Umfeldes aus. Folgt auf das Verhalten Ihres Hundes eine für ihn positive Erfahrung, wird er dieses Verhalten wahrscheinlich häufiger zeigen, um das zu wiederholen. Dieses Prinzip der positiven Verstärkung nutzen Sie, wenn Sie Ihren Hund belohnen. Folgt jedoch eine negative Erfahrung, wird der Hund dieses Verhalten vermutlich nicht mehr oder seltener zeigen.

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© Annika Ridder

Wie ein Hund etwas verknüpft, ist kaum vorherzusehen.

Nutzen Sie jede Möglichkeit, um Ihren Hund für ein erwünschtes Verhalten zu belohnen oder zu loben. Zeigen Sie ihm, dass Sie sich wirklich freuen und begeistert sind, wenn er etwas richtig gut gemacht hat. Belohnungen sind besonders beim Einüben neuer Signale sehr hilfreich. In der Anfangsphase wird das gewünschte Verhalten jedes Mal belohnt. Später reicht es oft aus, die korrekte Ausführung gerade einfacher Übungen verbal mit einem Lob zu bestätigen. Bestätigung ist immer wichtig und gute Leistung sollte niemals selbstverständlich sein.

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© Heike Schmidt -Röger

Zeigt der Hund das gewünschte Verhalten …

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© Heike Schmidt -Röger

… gibt es zur Verstärkung des Verhaltens eine Belohnung.

Für manche Hunde ist ein Spiel die größte Belohnung und sie freuen sich, wenn sie für gute Leistung ihr Lieblingsspielzeug bekommen. Dieses sollte dem Hund nur dann gegeben werden und ihm ansonsten nicht zur Verfügung stehen. Auch Streicheleinheiten können eine Belohnung sein, etwa ein sanftes Kraulen unter dem Kinn. 

EINFLÜSSE AUF DAS VERHALTEN

Um das Verhalten eines Hundes verstehen zu können, darf es nie isoliert betrachtet werden, sondern es müssen auch die darauf wirkenden Einflüsse einbezogen werden, z. B.

DER/DIE ANDERE

Begegnet ein Hund einem Menschen oder Artgenossen, wirkt es sich natürlich auf sein Verhalten aus, wie sein Gegenüber auftritt. Wahrt das Gegenüber die Regeln der höflichen Annäherung, schafft es eine entspannte Stimmung, drängt es sich auf oder ist es sogar bedrohlich? Ein Hund kann den emotionalen Zustand, wie Angst oder Aggression seines Gegenübers, anhand dessen Ausdrucksverhaltens und dessen Geruchs erfassen. Genetische Grundausstattung, Persönlichkeit und Erfahrungen bestimmen dann, wie tolerant der Hund gegenüber dem anderen sein kann. Wird er schon von einer freundlichen Annäherung verunsichert oder kann er sogar bei einem übergriffigen Gegenüber gelassen bleiben?

BEZIEHUNGEN

Die Emotionen des Hundehalters wirken sich unmittelbar auf den Hund aus. Besteht eine gute Beziehung oder gar Bindung zwischen Mensch und Hund, spiegelt der Hund die Emotionen seines Menschen, das wird als Stimmungsübertragung bezeichnet. Freude, Trauer, Angst, Aggression, ein seinem Menschen eng verbundener Hund nimmt das auf. Ist der Mensch bei einer Begegnung mit einem anderen Hund gelassen, zeigt sich auch der Hund entspannter. Ist der Mensch hingegen nervös, spiegelt sich das beim Hund mit Unsicherheit wider, kann aber auch dazu führen, dass der Hund jetzt Schutzverhalten zeigt und Frauchen oder Herrchen abschirmt. Findet der Hundehalter eine andere Person unsympathisch, kann das so weit gehen, dass der Hund bei Begegnungen droht, um Distanz einzufordern.

Stimmungsübertragung zeigt sich auch beim Training: Üben Sie möglichst nicht mit Ihrem Hund, wenn Sie genervt sind, unter Druck stehen oder Zeitnot haben. Denn dann gelingt das Training nicht! Der Hund wird auch ganz schnell nervös, kann sich nicht konzentrieren und macht Fehler. Der Mensch wird sauer – ein Teufelskreis beginnt. Deswegen: Üben Sie lieber, wenn Sie Zeit und Muße haben.

Stabile, gute Beziehungen geben dem Hund Sicherheit und helfen ihm, mit seinem Menschen an seiner Seite auch schwierige Momente gelassener zu bestehen. Füllt der Mensch jedoch die Rolle des Familienoberhaupts nicht aus und nötigt durch Unterlassung den Hund, selbst aktiv zu werden und die Führung zu übernehmen, sind viele Vierbeiner schnell überfordert, ziehen sich zurück oder fallen durch Aggressivität auf.

Auch zwischen Hunden spielt die Beziehung eine entscheidende Rolle im Miteinander. Wie viel darf ein Hund sich beim Artgenossen trauen? Wer gibt grundsätzlich oder im Moment die Regeln vor? Dominanz ist keine Eigenschaft, sondern eine Beziehung zwischen zweien. Die Dominanz des einen ist nur möglich, weil sie vom anderen anerkannt wird. Und nicht, weil einer bestimmt, dominant zu sein. Beziehungen entscheiden über den Zugang zu Privilegien: Wer höhergestellt ist, hat u. a. mehr davon und kann entscheiden, welche er dem anderen zugesteht.

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© Heike Schmidt -Röger

Beziehungen haben großen Einfluss auf das Verhalten des Hundes und können z. B. Ruhe und Sicherheit geben.

UMWELT

Temperatur, Witterung, Geräuschkulisse, Gerüche, optische Reize und noch viel mehr beeinflussen das Verhalten eines Hundes:

Kaja, die kleine Rauhaardackeldame, vergisst alles um sich herum, wenn sie eine Wildfährte in die Nase bekommt.