26. Kapitel
Lauf von der Ascensions-Insel an der Insel Fernando de Noronha vorüber nach den Azoren – Aufenthalt zu Fayal – Rückkehr nach England

Inhaltsverzeichnis


Nachdem wir die Insel Ascension verlassen hatten, liefen wir so weit nach Westen, daß wir am 9. Juni nachmittags die Insel Fernando de Noronha unweit der brasilianischen Küste zu Gesicht bekamen. Kapitän Cook richtete seinen Lauf dorthin, um die astronomische Länge dieser Insel, die noch ungenau war, zu bestimmen. Wir näherten uns ihr von der Ostseite, liefen um die Ratteninsel und erblickten die Bahia de Remedios, die durch fünf Kastelle geschützt wird. Die Insel war mit Waldungen bedeckt, und einige Berge hatten das Ansehen, als ob sie vulkanisch wären. Die fünf Festungen ließen ihre Flaggen wehen, und von einer wurde eine Kanone abgefeuert. Wir zeigten ebenfalls unsere Flagge und feuerten ein Stück unterm Winde ab.

Am 11. Juni passierten wir den Äquator zum zweitenmal, nachdem wir uns zwei Jahre und neun Monate auf der südlichen Halbkugel aufgehalten hatten. Die hier gewohnten Windstillen hielten vom 14. bis zum 18. an, worauf wir den Nord-Ost-Passat bekamen. Die Mannschaft hatte einige Haifische und ein Meerschwein gefangen und mit gutem Appetit verspeist. Fast die Hälfte einer Sammlung lebender Tiere, die mein Vater am Kap der Guten Hoffnung gekauft hatte, waren gestorben. Wollte er die übrigen am Leben erhalten, so mußte er sich jetzt in neue Kosten stürzen, um sie gegen die Matrosen zu schützen, die fast alle bisher gestorbenen heimtückisch umgebracht hatten.

Der Passatwind führte uns innerhalb zwölf Tagen über den heißen Erdgürtel hinaus und hielt hernach noch fünf Tage an. Am 4. Juli bekamen wir kurze Windstöße, dann zwei Tage lang eine völlige Windstille. Die Breite, wo diese Windstillen meist herrschen, nennen die Seeleute die Pferdebreiten, da sie den Pferden und anderem Vieh, das nach Amerika gebracht wird, sehr schädlich sind. Es gibt Fälle, in denen die Windstillen einen ganzen Monat angehalten haben.

Am 9. bekamen wir guten Wind, womit wir unseren Lauf nach den Azoren richteten. Am 13. nachmittags erblickten wir auch schon die Insel Fayal. Um sieben Uhr gelangten wir in die Bai, wo die Schiffe gewöhnlich ankern. Der portugiesische Oberpilot kam uns in einem Boot entgegen, um uns einen sicheren Platz im Hafen anzuweisen, wo bereits drei Schiffe vor Anker lagen. Nachdem wir den Anker hatten fallen lassen, wurde ein Offizier mit der gewöhnlichen Anfrage nach der Art der Begrüßung geschickt, nachdem er aber einige Stunden aufgehalten worden war, entließ man ihn mit der Antwort, daß das Kastell allemal zwei Kanonenschüsse weniger zurückgebe, als es bekommen hätte, weshalb wir es denn gar nicht begrüßten.

Gleich nach Mittag ging Kapitän Cook mit meinem Vater und mir unter dem südlichen Kastell ans Ufer. Wir hatten kaum den Fuß aufs Land gesetzt, da entdeckten wir schon, warum die Portugiesen nicht Schuß für Schuß auf unsere Salve antworten wollten. Die Kanonen lagen auf veralteten Lafetten, und da war es freilich nicht ratsam, sie der gewaltigen Erschütterung beim Abfeuern auszusetzen. Außerdem erklärte man uns, daß der jetzige ökonomische Minister in Portugal es für überflüssig halte, bei dergleichen Gelegenheiten Schießpulver zu verschwenden. Wir gingen durch einen Teil der Stadt, die aus einer Hauptstraße besteht, die von einigen Quergassen durchschnitten wird. Nachdem wir die Pfarrkirchen besucht hatten, die alle im gotischen Stil gebaut sind, wurden wir zum englischen Vizekonsul geführt, der uns sehr höflich empfing und den Herren Wales und Hodges, sowie meinem Vater und mir sein Haus während unseres Aufenthalts anbot. Hierauf führte er uns in die verschiedenen Klöster. Eins gehört den Franziskanern nebst verschiedenen Laien, die der hiesigen Jugend Unterricht in Beredsamkeit, Philosophie und Theologie geben. Ein anderes Kloster mit zwölf Karmelitern und ihren Laienbrüdern liegt auf einer Anhöhe. Das dritte gehört zwölf Kapuzinern und einigen Laien. Das vierte steht im besten Teil der Stadt und war bisher das Jesuitenkloster, allein es dient jetzt als Gerichtshof.

Wir besuchten darauf die beiden Nonnenklöster, wovon eins dem heiligen Johannes gewidmet ist und von einhundertfünfzig Nonnen vom Orden St. Clara und von ebenso vielen Mädchen bewohnt wird. Sie tragen einen langen Rock von dunkelbrauner Serge über einem anderen von weißem Kattun. Im zweiten Kloster wohnen achtzig bis neunzig Nonnen vom Orden der Nossa Senhora de Conceiçao mit ebenso vielen Aufwärterinnen. Sie tragen weiße Kleider und auf der Brust eine silberne Platte mit dem Bilde der heiligen Jungfrau.

Am folgenden Morgen besuchten wir die Offiziere der im Hafen liegenden französischen Fregatte, die im Hause einer englischen Witwe, Madame Milton, wohnten. Diese Frau brach gleich in Tränen aus, als sie hörte, daß wir um die Welt gesegelt seien, denn diese Reise erinnerte sie an den Verlust eines Sohnes, der mit Kapitän Furneaux gefahren und mit dem unglücklichen Rowe von den Neuseeländern den grausamsten Tod erlitten hatte. Madame Milton hatte nach reiflicher Erwägung der vielen Widerwärtigkeiten, die sie in ihrem Leben erfahren, den Entschluß gefaßt, ihrer Tochter Ruhe und Glückseligkeit zu sichern und sie in eins der hiesigen Klöster zu schicken, ohne dabei zu bedenken, daß im vierzehnten Jahre des Lebens die Welt solche Reize und Annehmlichkeiten hat, die freilich im fünfzigsten ihre anziehende Kraft verlieren. Einer unserer Offiziere nahm sich also ihrer an und suchte Madame Milton von ihrem Vorhaben abzubringen, indem er sie in den plumpsten Ausdrücken eines groben Seefahrers versicherte, daß sie, statt ein verdienstliches Werk zu tun, den ewigen Fluch Gottes auf sich ziehen würde. Die Leser mögen entscheiden, ob die Ermahnungen eines Seemanns überhaupt und in diesem Ton großen Eindruck machen konnten.

Wir machten hernach einen Spaziergang auf die Hügel um die Stadt. Sie waren stark bebaut und alle Felder mit Mauern umgeben. Die Bewohner bauen meist Weizen an, dazu etwas Gerste und Mais, der zwischen den Kastanienbäumen gesät wird, die das Land sehr verschönern. Um die Häuser fanden wir Felder mit Gurken, Kürbisseen und Melonen. Ihre Obstgärten enthalten Zitronen, Orangen, Pflaumen, Aprikosen, Feigen, Birnen und Apfelbäume. Sie pflanzen Kohl, ihre Möhren- und Rübenarten aus, weshalb sie jährlich frischen Samen aus Europa beziehen müssen. Die Regierung hat den Anbau von Kartoffeln befohlen, sie werden auch häufig gepflanzt, aber wohlfeil verkauft, weil das Volk sie nicht gern ißt. Große Zwiebeln und Knoblauch werden als die schmackhaftesten Gewächse in großer Menge gezogen, wie auch die Liebesäpfel (Tomaten) und Erdbeeren. Man findet auch einige Weingärten, allein es wird nur wenig und schlechter Wein davon gemacht.

Die Wege sind gut gebaut, aber die Karren machen einen unerträglichen Lärm, den man ihrer schlechten Konstruktion zuschreiben muß. Die Räder bestehen aus drei großen Stücken Holz, mit Eisen beschlagen und an einer starken Achse befestigt, die sich folglich mit den Rädern in einem runden Loche dreht, das sich unter dem Karren in einem dort befestigten Balken befindet. Die Kleidung der Männer besteht aus groben linnenen Hemden und Hosen mit blauen Jacken und Stiefeln. Die Frauen tragen einen kurzen Rock und Leibchen oder Jacken. Das Haar ist hinten in einen Knoten gebunden. Wenn sie zur Stadt gehen, legen sie einen Mantel um, der den Kopf bedeckt und nur eine kleine Öffnung für die Augen läßt.

Wir fanden sie alle entweder auf dem Felde oder im Hause bei der Arbeit, und nicht ein einziger müßiger Bettler war zu sehen. Wir gingen in einige Wäldchen und Gebüsche auf den Hügeln, wo wir unter hohen Espen viele wilde Myrthen und auch Myrica (Gagel) fanden. Stadt und Reede lagen zu unseren Füßen und die Insel Pico in einer Entfernung von zwei bis drei Seemeilen gerade gegenüber. Auf allen Seiten ließen sich unzählige Kanarienvögel, Drosseln und andere Singvögel hören, deren Konzert um so lieblicher klang, als es uns an europäische Szenen erinnerte, die wir so lange nicht gesehen hatten.

Die Hitze nötigte uns gegen Mittag, zur Stadt zurückzukehren. Die Gegend war mir jedoch zu reizend, als daß ich den ganzen Tag in der Stadt geblieben wäre. Ich unternahm also mit einigen Herren noch einen Spaziergang, und weil wir einen Bach oder ein Flüßchen zu sehen wünschten, nahmen wir einige kleine Burschen als Wegweiser mit. Wir wurden anfänglich ziemlich in unserer Erwartung betrogen, weil wir nur das breite, tiefe Bett eines Stromes erblickten, worin an einer Seite ein kleiner Bach zwischen den Klippen und Kieseln hinabrieselte. Auf Zureden der kleinen Burschen gingen wir aber hinunter und kamen bald an eine Quelle, wo mehrere Mädchen Wasser schöpften. Wir folgten nun dem Bett dieses Regenbaches, das, wie man uns versicherte, im Winter ganz mit Wasser gefüllt ist. Die Einwohner erwarteten eben jetzt den Regen und hatten daher viele Flachsbündel in das trockene Flußbett gelegt, um sie hier einweichen zu lassen. Unterwegs hielten wir bei einer Bauernhütte an, wo wir den gewöhnlichen Landwein probierten, der zwar etwas herbe, aber gesund und gut war. Der Regen, den die Leute erwartet hatten, fiel wirklich gleich nach unserer Rückkehr, und man sagte, er sei gerade zu dieser Jahreszeit unschätzbar, weil er die Trauben fülle, die sonst nicht größer als Johannisbeeren würden.

Am Sonntag begleiteten wir den Kapitän zu den Klöstern. Jedes hat eine eigene Kirche, wo wir gewöhnlich zwei einander gegenüberstehende Kanzeln gewahr wurden. Es ist hier zu gewissen Zeiten üblich, daß man dem Teufel gestattet, sich zu verteidigen. Er besteigt also die eine Kanzel, während er von der anderen herab verklagt und verdammt wird, denn man kann sich wohl vorstellen, daß der arme Teufel immer den kürzeren ziehen muß. Abends sahen wir eine große Prozession, bei der alle Priester der Stadt und die vornehmsten Einwohner in schwarzen Mänteln zugegen waren.

Am folgenden Morgen gingen wir nach den nordwärts liegenden Bergen. Wir konnten eine weite Ebene und jenseits derselben eine Reihe von Bergen überschauen, die den höchsten Teil der Insel ausmachen. Nach Aussage der Einwohner liegt oben auf einem Berge ein großes Tal, in dessen Mitte ein kreisförmiger See zu finden ist, auf dem sich unzählige wilde Enten aufhalten. Die Mulde, die wegen ihrer Figur la Caldeira, der Kessel, genannt wird, scheint der Krater eines erloschenen Vulkans zu sein, was um so wahrscheinlicher ist, weil auf den Azoren bekanntlich verschiedene Vulkane existiert haben. Auch Erdbeben sind nicht ungewöhnlich auf den Azoren, und drei Wochen vor unserer Ankunft hatte man auf Fayal noch drei Erdstöße erlebt.

Wir kamen in die Stadt zurück, und obgleich wir den heißen Erdgürtel verlassen hatten, war uns die Hitze doch recht beschwerlich. Am folgenden Tag nahmen wir Abschied von allen unseren Bekannten und fuhren zu Mittag mit dem Konsul und verschiedenen portugiesischen Herren ans Schiff. Der Nachmittag verstrich recht angenehm, da unsere Gäste ungezwungen und aufgeräumt waren. Abends gingen sie ans Land zurück, und um vier Uhr am folgenden Morgen lichteten wir die Anker und segelten mit günstigem Winde ab.

Wir fuhren an San George und Graciosa vorüber und erblickten Terceira gegen Mittag. Um drei Uhr nachmittags liefen wir an der nördlichen Küste hin, wo wir die reichsten Kornfelder und verschiedene mit Bäumen umgebene Dörfer sahen. Gegen Abend richteten wir unseren Lauf nach dem englischen Kanal. Am 29. Juli nachmittags entdeckten wir Start-Point und den Leuchtturm auf Eddystone, die Gegenden der englischen Küste, die wir zu Beginn der Reise zuletzt gesehen hatten. Am folgenden Morgen liefen wir bei den Nadelklippen (needles) vorbei, zwischen der Insel Wight und den fruchtbaren Ufern von Hampshire, bis wir kurz vor Mittag zu Spithead die Anker fallen ließen.

So vollendeten wir nach unzähligen Gefahren und Mühseligkeiten eine Reise, die drei Jahre und achtzehn Tage gedauert hatte. Wir hatten in diesem Zeitraum eine größere Anzahl Meilen zurückgelegt als je ein anderes Schiff vor uns, indem alle unsere Kurslinien zusammengerechnet mehr als dreimal den Umkreis der Erde ausmachten. Auch waren wir glücklich genug gewesen, nicht mehr als vier Mann zu verlieren, wovon drei zufälligerweise ums Leben gekommen und der vierte an einer Krankheit gestorben war, die ihn, wäre er in England geblieben, vermutlich weit eher ins Grab gebracht hätte.

Der Hauptzweck unserer Reise war erfüllt, wir hatten nämlich entschieden, daß in der südlichen Halbkugel innerhalb des gemäßigten Erdgürtels kein festes Land liege. Wir hatten sogar das Eismeer jenseits des antarktischen Zirkels durchsucht, ohne so beträchtliche Länder anzutreffen, wie man dort vermutet hatte. Zu gleicher Zeit hatten wir die für die Wissenschaft wichtige Entdeckung gemacht, daß die Natur mitten im großen Weltmeer Eisschollen bildet, die kein Salz enthalten, sondern alle Eigenschaften des reinen und gesunden Wassers haben. In anderen Jahreszeiten hatten wir das Stille Meer innerhalb der Wendezirkel befahren und dort den Erdbeschreibern neue Inseln, den Naturkundigen neue Pflanzen und Vögel und den Menschenfreunden insbesonders verschiedene unbekannte Abänderungen der menschlichen Natur aufgesucht. In einem Winkel der Erde hatten wir nicht ohne Mitleid die armseligen Wilden von Tierra del Fuego gesehen, halbverhungert, stumpf und gedankenlos, unfähig sich gegen die Rauheit der Witterung zu schützen und zur niedrigsten Stufe der menschlichen Natur bis an die Grenzen der unvernünftigen Tiere herabgewürdigt. In einer anderen Gegend hatten wir die glücklichen Völker der Sozietätsinseln gefunden, schön von Gestalt und in einem vortrefflichen Klima lebend, das alle ihre Wünsche und Bedürfnisse befriedigt. Ihnen waren schon die Vorteile des geselligen Lebens bekannt, bei ihnen fanden wir Menschenliebe und Freundschaft, ihnen war es aber auch zur Gewohnheit geworden, der Sinnlichkeit bis zur Ausschweifung Raum zu geben.

Durch die Betrachtung dieser verschiedenen Völker müssen jedem Unparteiischen die Vorteile und Wohltaten, die Sittlichkeit und Religion über unseren Weltteil verbreitet haben, immer deutlicher und einleuchtender werden. Übrigens ist wohl nichts augenscheinlicher und gewisser, als daß die Zusätze, die auf dieser Reise zum Ganzen der menschlichen Kenntnisse gemacht wurden, obschon nicht ganz unbeträchtlich, dennoch von geringem Wert sind, sobald wir sie mit dem vergleichen, was uns noch verborgen bleibt. Unzählig sind die unbekannten Gegenstände, die wir noch immer erreichen können. Jahrhunderte hindurch werden sie noch neue Aussichten eröffnen, wobei wir Gelegenheit finden werden, unsere Geisteskräfte in ihrer ganzen Größe und in ihrem herrlichsten Glänze anzuwenden.

Georg Forster

Entdeckungsreise nach Tahiti und in die Südsee

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
musaicumbooks@okpublishing.info
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1198-2

Inhaltsverzeichnis



Einleitung Entdeckungen im Südmeer und Vorbereitung auf die Reise
1. Kapitel Abreise – Fahrt von Plymouth nach Madeira – Beschreibung dieser Insel
2. Kapitel Reise von Madeira nach den Inseln des Grünen Vorgebirges und von da nach dem Vorgebirge der Guten Hoffnung
3. Kapitel Aufenthalt am Kap – Nachricht von der dortigen Kolonie
4. Kapitel Reise vom Kap nach dem antarktischen Zirkel – Erste Fahrt in höhere südliche Breiten – Ankunft an der Küste von Neuseeland
5. Kapitel Aufenthalt in der Dusky-Bai – Beschreibung derselben – Nachricht von unseren Verrichtungen
6. Kapitel Reise von Dusky-Bai nach Charlotten-Sund – Wiedervereinigung mit der »Adventure« – Verrichtungen daselbst
7. Kapitel Reise von Neuseeland nach Tahiti
8. Kapitel Aufenthalt im Hafen Oatipia-Bai auf der kleinen Halbinsel Tahiti – Ankern in der Matavai-Bai
9. Kapitel Aufenthalt in der Matavai-Bai
10. Kapitel Nachricht von unserem Aufenthaltauf den Gesellschafts-Inseln
11. Kapitel Reise von den Gesellschafts-Inseln nach den Freundschafts-Inseln und unser Aufenthalt daselbst
12. Kapitel Seefahrt von den Freundschafts-Inseln nach Neuseeland – Trennung von der »Adventure« – Zweiter Aufenthalt in Charlotten-Sund
13. Kapitel Zweite Fahrt in die südlichen Breiten – Von Neuseeland zur Osterinsel
14. Kapitel Nachricht von der Osterinsel und unserem Aufenthalt daselbst
15. Kapitel Reise von der Osterinsel nach den Marquesas – Aufenthalt im Hafen Madre de Dios auf der Insel Waitahu – Reise von da über die flachen Inseln nach Tahiti
16. Kapitel Nachricht vom zweiten Besuch auf der Insel Tahiti
17. Kapitel Zweiter Aufenthalt auf den Gesellschafts-Inseln
18. Kapitel Reise von den Gesellschafts-Inseln nach den Freundschaftlichen Inseln
19. Kapitel Nachricht von unserem Aufenthalt auf Mallikolo und Entdeckung der Neuen Hebriden
20. Kapitel Aufenthalt zu Tanna und Abreise von den Neuen Hebriden
21. Kapitel Entdeckung von Neukaledonien – Nachricht von unserem dortigen Aufenthalt – Fahrt längs der Küste bis zur Abreise – Entdeckung der Norfolk-Insel – Rückkehr nach Neuseeland
22. Kapitel Dritter und letzter Aufenthalt zu Königin-Charlotten-Sund in Neuseeland
23. Kapitel Die Fahrt von Neuseeland nach Tierra del Fuego – Aufenthalt in Christmas- oder Weihnachtshafen
24. Kapitel Aufenthalt an den Neujahrs-Eilanden – Entdeckung neuer Länder gen Süden – Rückkehr nach dem Kap der Guten Hoffnung
25. Kapitel Zweiter Aufenthalt am Kap der Guten Hoffnung – Lauf von dort nach St. Helena und Ascensions-Eiland
26. Kapitel Lauf von der Ascensions-Insel an der Insel Fernando de Noronha vorüber nach den Azoren – Aufenthalt zu Fayal – Rückkehr nach England

Einleitung
Entdeckungen im Südmeer und Vorbereitung auf die Reise

Inhaltsverzeichnis


Der Anteil der gelehrten Welt an den neuesten Entdeckungen im Südmeer hat auch die älteren, zum Teil schon vergessenen Reisen wieder in Erinnerung gebracht. Doch könnte es von Nutzen sein, daß ich die bisherigen Entdeckungsreisen erwähne, ehe ich die Beschreibung unserer eigenen beginne. Auch ist es der Mühe wert, daß ich von der Ausrüstung unserer Schiffe berichte, weil sie ungleich vollkommener war, als sie bei dergleichen Expeditionen bisher zu sein pflegte.

Zunächst muß ich jedoch die Benennung der Meere erklären, wie ich sie im folgenden Werke gebraucht habe: Das Meer zwischen Afrika und Australien haben wir den Südlichen Indischen Ozean genannt, und diese Benennung könnte vom Wendekreis des Steinbocks bis zum Polarkreis gelten. Das eigentliche Südmeer erstreckt sich von Australien bis Südamerika. Man pflegt ihm zwar in seinem ganzen Umfang den Namen des Pazifischen oder Stillen Ozeans beizulegen, allein diese Benennung kann nur innerhalb der Wendekreise gelten, da die See jenseits dieser Grenzen so stürmisch ist wie jede andere. Der Äquator teilt das Stille Meer in zwei fast gleiche Teile, in das nördliche und südliche. Was nördlich vom Wendekreis des Krebses liegt, hat bisher noch keinen eigenen Namen, was aber südlich vom Wendekreis des Steinbocks liegt, ist eigentlich das große Südmeer bis zum antarktischen Polarkreis.

Nachdem der Spanier Vasco Nuñez de Balboa im Jahre 1513 das Südmeer von den Gebirgen in Panama entdeckt und darin gebadet hatte, um es in Besitz zu nehmen, war Ferdinand Magellan, ein portugiesischer Edelmann, der erste, der es befuhr. Er verließ Sevilla im August 1519 und kam durch die nach ihm benannte Meerenge am 27. November 1520 ins große Südmeer. Von da segelte er nordwärts und richtete seinen Lauf nicht eher nach Westen, als bis er innerhalb des Wendekreises und nahe an den Äquator gekommen war. Nachdem er den Äquator passiert hatte, entdeckte er die Ladronen- oder Diebsinseln und die Philippinen, wo er ums Leben kam.

Cortez, der Eroberer Mexikos, schickte im Jahre 1536 seine Kapitäne Pedro Alvarado und Hernando Grijalva nach den Molukken. Sie befuhren das Stille Meer unweit des Äquators und entdeckten einige Inseln in der Nachbarschaft von Neu-Guinea. Im Jahre 1567 wurde Don Alvaro Mendana von Peru auf Entdeckungen ausgeschickt. Die Salomonsinseln wurden auf dieser Reise entdeckt. Im Jahre 1575 machte Mendana eine zweite Reise, von der aber nichts bekanntgeworden ist. Die dritte ging 1595 vor sich. Mendana durchkreuzte diesmal das Stille Meer ungefähr auf dem 10. Grad südlicher Breite. Zuerst fand er eine Gruppe von vier Inseln, die er Marquesas nannte, weiterhin einige kleine Eilande und endlich ganz im Westen die große Insel Santa Cruz, die Kapitän Carteret hernach wiedergefunden und Egmont genannt hat.

Pedro Fernandez de Quiros hatte Mendanas letzte Reise mitgemacht. Er wurde 1605 von Peru ausgeschickt, ein südliches festes Land zu entdecken, dessen Existenz er vermutlich selber behauptet hatte. Bisher hatte man sich nahe an den Äquator gehalten, er aber richtete seinen Kurs nach Süden und entdeckte einige Inseln auf dem 25. und 28. Breitengrad. Eine davon fand Kapitän Carteret kürzlich wieder und nannte sie Pitcairns Eiland. Die neunte Insel, die er entdeckte und Sagittaria nannte, ist unstreitig die von Wallis wiedergefundene Insel Tahiti. Von da ging er über die Linie nach Mexiko zurück. Sein Reisegefährte aber, Luis Vaez de Torres, entdeckte die Durchfahrt zwischen Neu-Guinea und Australien, die Kapitän Cook hernach Endeavour-Street nannte.

Cornelis Schouten und Jakob le Maire verließen Holland 1615 und waren die ersten, die durch le Maires Meerenge und um das Kap Hoorn schifften. Im Stillen Ozean machten sie keine wichtigen Entdeckungen, östlich von Tahiti einige kleine, niedrige Eilande und gegen Westen einige hohe Inseln.

Von Batavia wurde 1642 Abel Jansen Tasman ausgeschickt. Er reiste zunächst nach der Insel Mauritius und von dort gegen Süden bis zum 49. Breitengrad. Er segelte quer über den Indischen Ozean und entdeckte Van-Diemens-Land, also die südliche Spitze von Australien, einen beträchtlichen Teil von Neu-Seeland und einige Inseln nördlich von Neu-Seeland im Stillen Meer.

Einige Holländer schickten 1721 Jakob Roggeveen ins Südmeer. Er steuerte von Kap Hoorn aus nach Norden, bis er die Osterinsel entdeckte. Von dort ging er in den Wendezirkel, verlor auf einer niedrigen Insel unweit Tahiti eins seiner Schiffe und entdeckte einige unbeträchtliche Inseln zwischen dem 13. und 15. Breitengrad.

Duclot Guyot fand auf der Rückreise von Peru die Insel im südlichen Atlantik, die Anthon Rocheé 1675 entdeckt und Isle de Saint Pierre genannt hatte. Sie wurde auf unserer Reise Süd-Georgien getauft. Ihm folgten Kapitän Wallis und Kapitän Carteret, die in der Magellanischen Meerenge voneinander getrennt wurden. Wallis sah einige niedrige Eilande, die Quiros schon 1606 entdeckt hatte, und fand die Insel Tahiti. Carteret segelte mehr gegen Süden und fand des Quiros erste Insel Encarnacion und des Mendaña Santa Cruz.

Herr von Bougainville wurde vom französischen Hof im Jahre 1766 auf Entdeckungen ausgeschickt. Er fand einige aus Korallenklippen entstandene Eilande ostwärts von Tahiti und traf auf dieser Insel neun Monate nach Kapitän Wallis ein. Nachdem seine Leute sich einige Tage erfrischt hatten, segelte er weiter, entdeckte einige Eilande gegen Westen, sah des Quiros Tierra del Espiritu Santo und fand neue Länder um Neu-Guinea.

Im Jahre 1768 hielt die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften zu London bei Seiner Großbritannischen Majestät um die Ausrüstung eines Schiffes an, damit der bevorstehende Durchgang der Venus vor der Sonne gehörig beobachtet werden könne. Kapitän James Cook wurde zum Befehlshaber der zu diesem Zwecke erwählten Bark »Endeavour« ernannt und ihm neben Herrn Carl Green von der Königlichen Gesellschaft die Beobachtung des Durchgangs aufgetragen. Herr Joseph Banks, ein wohlhabender junger Mann, ging aus Liebe zur Naturgeschichte mit auf die Reise und unterhielt auf eigene Kosten einen Lehrling des berühmten Ritters von Linné, namens Solander, als seinen Gefährten. Der Durchgang der Venus wurde auf Tahiti beobachtet. Danach ging Kapitän Cook auf Entdeckungen aus. Er fand die Gesellschafts-Inseln und segelte von da bis zum 40. Grad südlicher Breite, wohin vor ihm noch kein Seefahrer im Südmeer gekommen war. Die völlige Entdeckung des von Tasman gesehenen Neuseeland, die gefährliche Fahrt an der noch unbekannten Ostküste von Australien und die wiedergefundene Durchfahrt des Torres zwischen Australien und Neuguinea waren die merkwürdigen Begebenheiten dieser Reise. Herr Banks fand zwischen zwölf- und fünfzehnhundert noch unbekannte Pflanzengattungen und eine beträchtliche Anzahl Vögel, Fische, Amphibien, Insekten und Würmer.

Im Jahre 1769 segelte Herr von Surville in Diensten der französischen Ostindischen Compagnie von Pondochery über die Philippinen nach Neuseeland. Er ankerte dort in der Doubtles-Bai und sah am 9. Dezember den Kapitän Cook auf der »Endeavour« vorübersegeln. Hernach stach er zwischen 30 und 40 Grad südlicher Breite quer über das Südmeer und kam zu Callao in Peru bei der Landung ums Leben. Im Jahre 1772 fand Kerguelen im Indischen Ozean fast auf gleichem Meridian mit der Insel Mauritius eine andere Insel, und als er im gleichen Jahre zum zweitenmal ausgeschickt wurde, kam er unverrichteterdinge zurück. Während Kerguelens erster Reise segelten Dufresnes Marion und Crozet vom Kap der Guten Hoffnung nach Van-Diemens-Land und Neuseeland und entdeckten südlich von Madagaskar einige öde Inseln. Die Neuseeländer brachten Marion ums Leben, worauf Crozet die Reise fortsetzte und nach Manila ging.

Vor Kapitän Cooks Rückkehr mit der »Endeavour« hatte man noch behauptet, daß sich das Festland im Südmeer bis zum 30. Breitengrad erstrecke, also unter einem günstigen Himmelsstrich gelegen und deshalb ein wichtiger Gegenstand der europäischen Politik sein müsse. Zwar hatte diese Meinung einen gefährlichen Stoß dadurch erhalten, daß er bis zum 40. Breitengrad gekommen war und kein Land gefunden hatte. Man ließ sich dadurch aber nicht irremachen. Das Festland, so hieß es, erstrecke sich vielleicht nur nicht an jenem Punkte so weit nach Norden; Kapitän Cook sei in eine große Meeresbucht geraten, oder falls man etwas zugeben müsse, so dürfe es nur um zehn Grad zurückverlegt werden. Überdies sei ja auch das Meer um den Südpol noch ganz unberührt geblieben und von keinem Schiff befahren worden. Um nun dem Streit ein Ende zu machen, ging unsere Reise auf Befehl Seiner Königlichen Großbritannischen Majestät vor sich. Kapitän Cook erhielt Befehl, die Sommermonate zu Entdeckungen gegen den Südpol hin anzuwenden, sobald aber die Jahreszeit kalt, stürmisch, neblig und unsicher würde, nach den Wendekreisen zurückzukehren und die Lage der bisher entdeckten Inseln vermittels unserer neuen astronomischen Instrumente genauer zu bestimmen. Fände er kein großes Festland, so sollte er so nahe am Südpol wie möglich ostwärts segeln, bis er die Erdkugel umrundet hätte.

Man hatte auf Byrons, Wallis und Carterets Reisen erfahren, daß die dazu gebrauchten Kriegsschiffe schlecht gewählt waren, hauptsächlich weil sie keinen ausreichenden Vorrat an Lebensmitteln und Gerätschaften mitnehmen konnten. Kapitän Cook suchte sich also schon für seine erste Reise eins von den Schiffen aus, die in England zum Transport von Steinkohle gebraucht werden. Ein Schiff, das zu Entdeckungsreisen tauglich sein soll, so sagte er, muß Lebensmittel und andere Vorräte für drei Jahre fassen können, aber weder sehr groß sein noch zu tief im Wasser gehen, damit es zur Not auch in den engsten und seichtesten Hafen einlaufen kann. Es darf nicht leicht auf dem Grunde sitzenbleiben, muß am Boden einen Stoß aushalten und leicht ans Ufer gelegt werden können, wenn eine Ausbesserung nötig sein sollte. In einem solchen Schiff kann ein tüchtiger Seemann sich überall hinwagen und jede Küste anlaufen. Von dieser Art waren nun auch die beiden Schiffe, mit denen wir die Reise um die Welt unternahmen, und ich bin überzeugt, daß sie zu einer so gefährlichen Reise auch die tauglichsten waren.

Das größere von 462 Tonnen mit 16 vierpfündigen Kanonen wurde die »Resolution« genannt und von Kapitän Cook kommandiert, das kleinere von 336 Tonnen, die »Adventure«, von Kapitän Tobias Furneaux. Ersteres hatte 112 Mann Besatzung, letzteres nur 81 Mann, die Sternkundigen, Naturforscher, Maler und ihre Bedienten abgerechnet. Verschiedene Offiziere, Unteroffiziere und Matrosen hatten schon eine Reise um die Welt mitgemacht und waren um so geschickter, abermals dazu gebraucht zu werden. Auf jedem Schiff befand sich ein Sternkundiger, den die »Kommission der Meereslänge« besoldete, auf dem größeren Schiff Herr Wilhelm Wales und auf der ›Adventure‹ Herr Wilhelm Bailey. Sie hatten alle nötigen astronomischen und nautischen Instrumente, besonders vier Längen-Uhren, drei von Arnold und eine von Kendall verfertigt. Auf der »Resolution« fuhr auch Herr Wilhelm Hodges mit, ein Landschaftsmaler, der nicht nur Ansichten von verschiedenen Gegenden, sondern auch, soweit seine Kenntnis der menschlichen Figur reichen wollte, die Einwohner gezeichnet hat.

Die Herren Banks und Solander, Kapitän Cooks Reisegefährten auf der ersten Reise, hatten sich vorgenommen, zum zweitenmal mit ihm zu gehen. Herr Banks hatte sich in große Kosten gesetzt und mit allen Notwendigkeiten versehen. Außer Solander sollten zwei junge Leute ihm bei botanischen und zoologischen Beschreibungen Hilfe leisten und drei andere die neuentdeckten Tiere und Pflanzen zeichnen. Sogar Zoffani, ein geschickter deutscher Maler, hatte versprochen, ihn zu begleiten. Herr Banks verlangte nun noch einige Änderungen auf dem Schiffe, um etwas mehr Bequemlichkeit auf der Reise zu haben. Der Minister für das Seewesen hatte jedoch kein Verständnis für diese Forderungen, die er einem so uneigennützigen Förderer der Wissenschaften wohl hätte zugestehen sollen. Nachdem Herr Banks lange genug vergebens auf günstigen Bescheid gewartet hatte, erklärte er endlich, zehn Tage vor der geplanten Abreise, daß er die Reise nicht antreten wolle. Darüber war der Minister recht aufgebracht, und er rächte sich mit der Erklärung, daß die Wissenschaft auch ohne Herrn Banks bereichert werden könne. Von der Summe, die das Parlament für die Reise ausgesetzt hatte, waren gerade noch 4000 Pfund Sterling übrig. Nichts konnte dem Minister erwünschter sein. Man forderte meinen Vater auf, als Naturforscher mit Kapitän Cook zu reisen, ließ ihn aber nichts von der Schikane merken, die diesen Ruf veranlaßt hatte. Das Parlament gestand ihm und mir die obengenannte Summe zu, und wir traten die Reise in der Hoffnung an, den Verlust, der der Wissenschaft durch Herrn Banks Weigerung entstanden war, wenigstens einigermaßen zu ersetzen.

In jedem Schiff wurden die Bestandteile eines kleinen Bootes von 20 Tonnen mitgenommen, das bei Gelegenheit zusammengesetzt werden konnte, falls die Schiffe verlorengingen oder wir etwas zu verschicken hätten. Sie wurden aber erst gebraucht, als wir gegen Ende der Reise Mangel an Brennholz litten. Mit Geräten zur Fischerei waren wir ebenfalls versehen, und um Lebensmittel von den Wilden erhandeln zu können, hatte man dem Kapitän allerlei grobe Tücher, Eisengerät und andere Waren mitgegeben. Auch wurden auf Befehl der Admiralität einige hundert vergoldete Schaumünzen mit dem Bild des Königs geprägt, um unter die Wilden ausgeteilt zu werden.

Die Gesundheit des Schiffsvolks ist bei langen Seereisen so wichtig, daß man zu ihrer Förderung und Erhaltung diesmal auf außerordentliche Mittel bedacht war. Hierzu hatte man verschiedene Lebensmittel ausfindig gemacht und vor allen Dingen unser deutsches Sauerkraut nebst eingekochter gallertiger Fleischbrühe in großer Menge an Bord geschafft. Wir hatten in der »Resolution« sechzig große Fässer Sauerkraut, die bei unserer Rückkehr am Kap der Guten Hoffnung gänzlich geleert wurden. Die vielen Veränderungen des Klimas hatten ihm nichts geschadet. Vierzehn Tage vor unserer Ankunft in England fanden wir die letzte Tonne, die man bis dahin übersehen hatte, und auch diese enthielt so frisches und schmackhaftes Sauerkraut, daß verschiedene portugiesische Herren, die auf der Reede von Fayal mit uns speisten, nicht nur mit großem Appetit davon aßen, sondern sich den Rest ausbaten, um ihre Freunde an Land damit bewirten zu können. Es wurde meist zweimal die Woche, auf See aber und in südlicheren Breiten auch öfter gereicht. Die Portion war je Kopf ein Pfund. Dem deutschen Leser die guten Eigenschaften dieses Gerichts darzulegen, wäre überflüssig, doch kann ich nicht umhin zu sagen, daß es vielleicht das beste Mittel gegen den Skorbut ist.

Die Tafeln oder Kuchen von eingekochter Fleischbrühe verdienen den nächsten Platz als bewährte gesunde Nahrungsmittel. Wir hatten davon an die 5000 Pfund. Wöchentlich kochte man dreimal Erbsen zu Mittag, und jedesmal wurden etwa zwei Lot solcher Fleischbrühe je Mann darin zerlassen. Unglücklicherweise waren unsere Erbsen sehr schlecht und blieben trotz allen Kochens hart und unverdaulich. Bisweilen wurde die Fleischbrühe auch zum Frühstück mit Weizengraupen oder Hafermehl verdickt zugerichtet. Einunddreißig Fässer mit eingekochter Würze (Maische) oder Bier, das bis zu einer sirupähnlichen Konsistenz eingekocht war, wurden ebenfalls mitgenommen, um durch Zusatz von Wasser ein gesundes Getränk zu erhalten. Allein im heißen Klima verloren wir diesen Vorrat, der in Gärung geriet und die Fässer sprengte.

Für die Kranken hatte man besonders vorgesorgt. Salup, aus der Wurzel einer Orchis (Zweiblatt) bereitet, wurde dem Wundarzt für die skorbutischen Kranken anvertraut. Robb, ein dick eingekochter Saft von Zitronen und Orangen, wurde als Arznei mitgegeben, da das Mittel aber sehr teuer war, wurde es in zu geringen Mengen gegeben und hatte keine vollständige Wirkung. Das schätzbarste Mittel gegen den Skorbut, das selbst den gefährlichsten Grad dieser Krankheit kuriert, ist die frische Infusion von Malz. Wir hatten dreißig Tonnen Malz an Bord, und sobald sich der Skorbut bemerken ließ, wurde täglich eine frische Infusion gemacht. Die wirklich Kranken mußten täglich drei Quart trinken. Bei geschwollenen Gliedern oder Beulen wurden die Treber mit dem besten Erfolg als warme Umschläge gebraucht.

Die Gesundheit unseres Schiffsvolkes wurde noch durch verschiedene andere Mäßnahmen gefördert. Die wichtigste war, daß man die Leute so viel Wasser trinken ließ, als sie nur mochten. Es wurde auch keine Gelegenheit versäumt, frisches Wasser zu füllen. Eine andere notwendige Vorsicht ist Reinlichkeit. Es wurde nicht nur scharf darauf gesehen, daß die Matrosen sich selbst und ihre Kleidung rein hielten, sondern auch die Küchengeräte wurden stets untersucht. Die Betten mußten bei trockenem Wetter tagsüber an Deck gebracht werden. Am wichtigsten aber war das Räuchern mit einer Mischung aus Schießpulver und Essig oder auch Wasser, und die fast wöchentlichen Feuer, die im Schlafraum des Schiffsvolks, in den Kajüten der Offiziere und selbst im unteren Raum, wohin die Pumpen reichten, angezündet wurden. Ungesunde, faule Ausdünstungen und Feuchtigkeiten wurden auf diese Weise zerteilt und unschädlich gemacht und die Luft gereinigt. Dazu kam noch die Einteilung der Mannschaft in drei, nicht wie sonst auf Kriegsschiffen üblich ist, in zwei Wachen. Dadurch waren die Leute dem Wetter weniger ausgesetzt und hatten Zeit, ihre Kleider notfalls zu trocknen. In kalten Gegenden wurden auch warme Kleidungsstücke ausgeteilt.

Erfahrene Ärzte, Seeleute und Menschenfreunde hatten diese Hilfsmittel vorgeschlagen. Der Wundarzt, mein Vater und einige andere Personen im Schiff rieten den fleißigen Gebrauch derselben unaufhörlich an, und die vortrefflichen Wirkungen zeigten sich bald so deutlich, daß man sie in der Folge für ganz unentbehrlich ansah. Unter göttlicher Führung blieben wir auf diese Art bei guter Gesundheit. Der Präsident der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften, Sir John Pringle, spricht davon ausführlich als erfahrener Arzt in seiner am 30. November 1776 gehaltenen Rede bei der Verleihung der Copleyschen Denkmünze an Kapitän Cook. Die Lobsprüche, die er unserem berühmten Seemann gibt, und die Denkmünze sind mehr als hinreichend, die Wichtigkeit der von Cook befolgten Gesundheitsregeln darzutun.