Frau von Saverne

(1817)

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Der amerikanische Krieg hatte England gedemütigt und den Ruhm der französischen Waffen hergestellt, ganz Frankreich jubelte und besang die Weisheit seines Königs Ludwig des Sechzehnten. Weil das weibliche Geschlecht dort etwas mehr als in andern Ländern an den öffentlichen Angelegenheiten teilnahm, so wurde auch manche Frau von der Begeisterung für den König ergriffen, nur hielt sich diese mehr an die Gestalt und Person als an die Weisheit, die nur eine allegorische Figur sein kann. Es war nichts Seltenes in Frankreich, des Königs Brustbild, mit Blumen geschmückt, wie einen Hausgott in den Schlafzimmern reicher Frauen zu finden, wo sonst nur Haubenstöcke und Modepuppen gesehen wurden. Allmählich war dieser Enthusiasmus, wie alles in der unruhigen, tadelsüchtigen Hauptstadt verschwunden; der König wurde um schlechtes Wetter, verdorbenes Mittagessen und langweilige Liebhaber verlästert, erst schwanden die Blumen, dann wurden die Brustbilder als Haubenstöcke gebraucht, bald erschienen Karikaturen, während entferntere Provinzen noch in Ehrfurcht und Bewunderung zu dem fernen Könige verharrten. Niemand war so eifrig in ihrer Verehrung wie Frau von Saverne, die reiche Witwe eines päpstlichen Beamten zu Avignon. Als eine geborne Französin – sie war Tochter des reichen Seidenfabrikanten Lonny in Lyon – hatte sie das Recht, in dem Könige den Landesvater zu ehren; sein Brustbild war ihr höchster Schatz, zum Ärger des Beichtvaters, der lieber das Bild ihres Schutzpatrons an die Stelle gesetzt hätte. Sie vergaß alle Freunde und Verehrer bei dem Wunsche, in Paris die Strahlen der königlichen Huld in der Nähe mitzugenießen. Vergebens suchte ihr Beichtvater diesen Entschluß zu hindern, er sprach zu ihr von der Neigung seines damals abwesenden Bruders, des päpstlichen Hauptmanns, aber Frau von Saverne wollte wenigstens einmal den König sehen, sie glaubte sonst nicht ruhig leben zu können und meinte, der Wunsch sei so unschuldig, so natürlich, und wenn sich andre Frauen der Gegend nach Paris begäben, um dort ungezwungen mit Liebhabern zu schwärmen, so sei es wohl ihr vergönnt, der reinsten Schwärmerei etwas zu erlauben, welche die Anhänglichkeit an den Vater ihres Vaterlandes erzeugt habe. Der Beichtvater aber blieb dabei: kein Mensch müsse in guter Absicht nach Paris gehen, sonst werde er betrogen; habe einer etwas Böses vor, nun, so fände er da seinen Spielraum.