Einleitung

»Papaaaaaaaaa!« Alessio kommt auf mich zugerannt, und ich bin total happy, dass ich ihn endlich wieder in die Arme schließen kann. Seit drei Wochen habe ich ihn schon nicht mehr gesehen. Drei Wochen! So lange waren wir noch nie getrennt und müssen es hoffentlich auch so bald nicht mehr sein. Der Kleine vergräbt sein Gesicht in meinem Hals und klammert sich, so fest er kann, an meine Schulter. Seine kleinen Hände sind echt ganz schön kräftig. Es tut fast weh. Aber das ist mir jetzt egal. Ich freue mich einfach nur, ihn wiederzusehen. Ich hatte echt Panik, dass er mich ein bisschen vergessen hat oder dass er denkt, ich habe ihn im Stich gelassen. Aber jetzt, wo ich ihn endlich wiederhabe, geht es mir wieder gut.

Als ich in Afrika war, habe ich jeden Tag an Alessio gedacht. Klar war ich durch die vielen Leute, das fremde Land und vor allem das sauheiße Wetter abgelenkt, aber zwischendurch dachte ich mir immer wieder: Hab ich das richtig gemacht? Sollte ich hier sein? Oder hab ich meinen kleinen Kämpfer im Stich gelassen? Es ist schon krass, wie sehr man merkt, dass man ein Kind vermisst, wenn man richtig weit weg ist und weiß, dass man erst in vielen Tagen wiederkommt und das Kind wiedersieht. Je länger ich weg war, umso mehr Angst hatte ich auch. Ich hatte Angst davor, dass Alessio mich vielleicht vergessen haben könnte. Oder dass er mir böse sein könnte, weil ich ihn so lange nicht geknuddelt habe. Wenn ich das jetzt so schreibe, klingt das fast ein bisschen albern und übertrieben. Aber damals in Afrika habe ich genau so empfunden.

Als ich bei Global Gladiators ausgeschieden war (Natürlich ein Skandal! Ich hätte gewinnen müssen! Kleiner Scherz), da musste ich noch zwei lange Tage im Hotel warten, bis endlich mein Flug zurück nach Deutschland ging. Klar, es gab massig Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben. Das war auch an sich wunderschön dort in Afrika. Aber ganz ehrlich, ich hatte einfach keine Lust mehr. Es war mir egal, ob es in Deutschland geregnet hat oder kalt war. Ich wollte nur zurück zu meinem Kleinen. Sogar im Flugzeug war ich noch ganz hibbelig. Ich hatte Sarah dann von unterwegs schon eine Nachricht geschrieben, dass ich ihn so schnell wie möglich nach der Landung sehen möchte.

Ich bin dann auch tatsächlich direkt vom Flughafen zu meinem Alessio gefahren. O Mann, ich war lange nicht mehr so aufgeregt wie in dem Moment, als ich dort geklingelt habe. Was, wenn er mir wirklich böse ist? Oder sich hinter Mama versteckt, weil er mich nicht erkennt? Oje, das wäre echt hart für mich gewesen. Aber schon als ich den Kleinen durch den Türspalt sah, wusste ich, dass alles gut ist. Er kam sofort angerannt und sprang mir mit einem lauten »Papaaa!« in die Arme. Ganz so, als sei nix gewesen und ich wäre nur einen Tag und nicht ganze drei Wochen weg gewesen. Dieses Wiedersehen mit meinem Sohn war wirklich einer der schönsten Momente, an die ich mich mit ihm erinnern kann.

Drei Wochen sind wirklich lang für einen Menschen, der kaum zwei Jahre alt ist. Es ist mir nicht leichtgefallen, den Auftrag für Global Gladiators anzunehmen. Ihr erinnert euch? Diese verrückte Show in Afrika auf ProSieben. Das lag vor allem daran, dass ich eben diese ganzen drei Wochen wirklich komplett weg sein sollte. Weg aus Deutschland und weg von dem ganzen Medienrummel um mich und Sarah, ja. Aber eben auch weg von Alessio. Der Kleine ist mein Ein und Alles. Er bedeutet mir so viel mehr als meine Karriere, das Geld und der ganze Fame. Er ist viel wichtiger als der Zoff mit Sarah oder die ganzen Gerüchte um uns. Ich wünschte mir, ihr alle da draußen – ob ihr nun Fans seid oder mich aus irgendeinem Grund nicht leiden könnt –, ihr alle könntet verstehen, warum ich das alles mache und was mir wirklich wichtig ist.

Aber wie kann ich euch das nur richtig erklären? Ihr kennt mich alle immer nur aus kurzen Interviews, aus Zusammenschnitten und irgendwelchen Quotes. Das, was in den bunten Überschriften der Magazine steht, stimmt nur zur Hälfte, wenn überhaupt. Selbst das, was ich in den Facebook-Videos sage, ist nur eine kurze Momentaufnahme. Für mehr fehlte mir bisher die Zeit und auch der Mut. Wer will sich schon ein Video von mir reinziehen, in dem ich stundenlang nur über mich selbst quatsche? Aber vielleicht ist es ja eine gute Idee, wenn ihr das alles mal in einem Buch lesen könnt, oder? Also habe ich mich hingesetzt und alles aufgeschrieben, was mir wichtig ist. Und dabei habe ich gemerkt, dass es vor allem um Alessio geht. Er ist der Mittelpunkt meines Lebens, und nur für ihn mache ich das alles. Was ich mit ihm erlebe, sind die wirklich wichtigen Momente. Als ich für Global Gladiators aus einem fliegenden Hubschrauber gesprungen bin, war das aufregend und cool. Aber Alessios erste Schritte und sein erstes Wort, das sind die Sachen, die in meinem Kopf und in meinem Herzen die wichtigsten Plätze einnehmen. Also lade ich euch ein, mich durch dieses Buch zu begleiten, in dem es um mich als Papa und um Alessio als meinen Sohn geht. Vielleicht versteht ihr dann ein wenig besser, wie euer Pietro tickt und dass es mir wahrscheinlich nicht anders geht als anderen Vätern, die ihre Kinder über alles lieben.

Als ich damals, im Juni 2015, Papa geworden bin, hat sich alles für mich verändert. Plötzlich ging es nicht mehr nur um mich, sondern da war jemand, der wichtiger war als ich selbst. Die Verantwortung, die man für ein Kind trägt, war für mich persönlich die größte Umstellung. Klar ist man auch ein klein bisschen für seinen Partner mitverantwortlich, aber das ist ja ein erwachsener Mensch, der für sich selber sorgt und eigene Entscheidungen trifft. So ein kleines Baby aber, das ist komplett davon abhängig, ob du ein guter Papa oder eine gute Mama bist oder nicht. Das Krasse dabei ist, dass du am Anfang gar nicht weißt, was richtig und was falsch ist. Du bist plötzlich Papa und hast Verantwortung, aber du bist genauso planlos wie vorher, als du noch keiner warst. Ich werde euch in diesem Buch eine Menge Situationen schildern, an denen ihr sehen könnt, dass ich weder der perfekte Superpapa noch der totale Experte für Kinderfragen bin. Ich war und bin einfach ein normaler Typ, der gelernt hat, was es heißt, Papa zu sein. Ich finde, es kommt auch gar nicht darauf an, perfekt zu sein. Es ist viel wichtiger, man selbst zu bleiben und sein Kind einfach von Herzen lieb zu haben. Der Rest findet sich dann von allein.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum ich dieses Buch geschrieben habe. Wie ihr wisst, teile ich ja viel von mir und meinem Alltag schon auf Facebook und Instagram. Ich habe also kein Problem damit, mein Leben offen zu zeigen und meinen Fans etwas von mir mit auf den Weg zu geben. Dabei geht es mir aber nicht darum, immer der Oberchecker zu sein, der alles weiß und immer recht hat. Ich sage und tue die Dinge einfach so, wie ich sie fühle, und so, wie ich denke, dass es richtig ist. Wer eine andere Meinung hat, bitte schön. Ich bin der Letzte, der was dagegen hat. Was ich aber überhaupt nicht leiden kann, sind Männer, die sich von ihrer Frau oder Freundin trennen und dann einfach abhauen, ohne sich um ihr Kind zu kümmern. Diese Leute finde ich echt armselig. Egal, wie weh es tut, und egal, was passiert ist: Das Kind kann nichts dafür und darf nicht darunter leiden.

Mit diesem Buch möchte ich einfach mal zeigen, wie es für mich ist und wie ich es gemeinsam mit Alessios Mama gelöst habe. Es geht mir nicht darum, jemandem zu beweisen, was ich für ein toller Papa bin. Das muss ich nur einer Person beweisen, und zwar Alessio. Sonst niemandem. Aber ich möchte schon auch zeigen, dass es einfach schön ist und wichtig, als Papa für sein Kind da zu sein. Auch wenn man nicht mehr unter einem Dach wohnt. Ich möchte zeigen, dass ich das Papasein liebe.

So, jetzt aber genug mit den tiefgründigen Worten. Dieses Buch soll vor allem Spaß machen. Ihr werdet sehen, wie witzig und verrückt das Leben mit so einem kleinen Wirbelwind sein kann. Wann immer Alessio bei mir ist, gibt es richtig Action. Ich bin hundertprozentig für ihn da, und jede Stunde mit ihm ist so aufregend und schön, dass ich meine Arbeit dann eigentlich immer gern links liegen lasse.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!

Euer Pie

Cover

Impressum

Pietro Lombardi
Heldenpapa im Krümelchaos
Mein neues Leben
eISBN: 978-3-95910-145-5

Eden Books
Ein Verlag der Edel Germany GmbH
Copyright © 2018 Edel Germany GmbH, Neumühlen 17, 22763 Hamburg
www.edenbooks.de | www.facebook.com/EdenBooksBerlin | www.edel.com
1. Auflage 2018

Einige der Personen im Text sind aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes anonymisiert.

Projektkoordination: Svenja Monert
Lektorat: Rotkel Textwerkstatt
Covergestaltung: Christina Hucke
Coverfoto: © Sebastian Knoth Fotografie
Illustrationen © Shutterstock/Alexander_P
E-Book-Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin| www.datagrafix.com

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Für Alessio

Immer wieder werde ich gefragt, ob Alessio eigentlich geplant war. Die meisten Leute glauben ja, dass es bei sehr jungen Eltern wie uns ein Unfall gewesen sein muss. Aber das stimmt absolut nicht. Alessio war ein richtig echtes Wunschkind. Trotzdem kam die Nachricht, dass ich Papa werde, dann doch überraschend. Klingt komisch, war aber so. Denn erst hat es bei Sarah und mir nicht so geklappt. Wir haben zwar versucht, alles genau zu planen, aber die Natur lässt sich nicht so einfach überrumpeln. Viele Monate lang ist erst mal gar nichts passiert. Sarah hat sich damals sogar eine App geholt, die ihre fruchtbaren Tage angezeigt hat. Aber irgendwie wurde sie trotzdem nicht schwanger. Wir haben schon angefangen, uns echt Sorgen zu machen, ob vielleicht mit einem von uns etwas nicht stimmt, aber Sarahs Frauenärztin meinte, das ist alles nicht so wild. Bei manchen Paaren kann es eben länger dauern, das ist ganz normal, hat sie gesagt.

Wenn es nach uns gegangen wäre, dann wären wir gerne noch früher Eltern geworden, und dann wäre Alessio jetzt auch schon einige Monate älter. Eine ziemlich strange Vorstellung. Woran es lag, ob an mir oder an der Mama, das wissen wir nicht so genau, und das ist auch eigentlich egal. Vielleicht war es einfach auch nur der ganze Stress, der uns blockiert hat. In der Zeit lief es mit unserer Arbeit irre gut, und wir hatten ständig Auftritte. Das hat zwar Spaß gemacht und Geld gebracht, aber vielleicht fanden unsere Körper das ständige Reisen und die anstrengenden Auftritte nicht so toll. Wer weiß? Entscheidend ist wohl, dass wir mit der Sache schon fast abgeschlossen hatten und gar nicht mehr richtig daran geglaubt haben, dass es doch noch klappt mit der Schwangerschaft. Wie oft hatten wir gemeinsam gehofft oder zusammen auf den Schwangerschaftstest gestarrt, der am Ende dann negativ war? Es wollte einfach nicht klappen. Aber wie es manchmal so ist – wenn man gar nicht damit rechnet, passiert plötzlich doch noch was.

Ich erinnere mich noch sehr genau an den Tag, an dem ich erfahren hab, dass ich Papa werde, obwohl der Tag an sich nichts Besonderes war. Es war nur wenige Tage nach Sarahs Geburtstag. Ich saß ganz gemütlich auf dem Sofa und schaute mir ein Fußballspiel an. Ich glaube, es war sogar ein Spiel meines KSC, aber da bin ich mir nicht mehr ganz sicher. Sarah war oben und hat was für die Arbeit gemacht oder geputzt oder sich die Nägel angepinselt, keine Ahnung. Ein ganz normaler Tag eben. Jedenfalls brüllte sie irgendwann ganz laut meinen Namen, sodass ich richtig hochgeschreckt bin. Ich weiß noch, dass ich im ersten Augenblick ein bisschen genervt war – ich wollte ja nur in Ruhe weitergucken. Kommt euch vielleicht von euch und euern Partnern auch bekannt vor. Aber Sarahs Ruf klang richtig dringend und wichtig.

Also bin ich die Treppe hochgespurtet. »Was schreist du denn hier so rum?«

Sie grinste nur, und ich wusste erst nicht, was jetzt los ist. Vielleicht war ich an dem Tag auch so ganz typisch unaufmerksam, wie wir Männer gerne mal so sind. Dann sagte sie ohne viel Drumherumgerede: »Ich bin schwanger.« Und in dem Moment war das Spiel für mich auf einmal völlig unwichtig. Wir haben uns beide total gefreut und waren überglücklich. Genauso glücklich, wie wir beide heute sind, weil wir Alessio haben.

Ich weiß nicht genau, warum Sarah mir damals nicht vorher gesagt hat, dass sie jetzt den Test macht. Vielleicht wollte sie mir noch eine Enttäuschung ersparen oder hat selber nicht dran geglaubt, dass der Test diesmal anders ausfällt. Auf jeden Fall war es so für mich eine noch größere Überraschung. Bald würde ich Papa sein. Wie krass ist das denn!?

Ich habe ja gesagt, dass wir uns wahnsinnig über die Schwangerschaft gefreut haben. Das stimmt auch hundertprozentig so. Trotzdem kamen mir sehr bald ein paar Zweifel, jetzt wo es so konkret wurde. Da war jetzt nichts mehr dran zu rütteln. Ich war nicht mehr sicher, ob ich schon bereit war für ein Kind. Vielleicht war das Kind ja auch nicht bereit für mich. Ein Baby bedeutet viel Verantwortung. Man muss erwachsen und reif sein, um ein Kind gut versorgen zu können. Das ist keine Frage des Geldes. Ich fragte mich eher: Bin ich selbst denn schon erwachsen und reif? Ich meine, ihr kennt mich. Ich bin heute, mit 25, immer noch oft vergesslich und verplant, nehme manche Dinge nicht so ernst. Damals war das noch viel mehr der Fall. Ich war manchmal eher verantwortungslos – ich musste ja auch meistens nur an mich denken und, klar, auch an Sarah, aber die war ja immer auch sehr straight und selbstbestimmt. Ich dachte oft nur an mich und machte alles mehr oder weniger spontan und aus dem Bauch heraus. So ganz locker. Wie soll denn so jemand ein guter Papa sein? Aber ich kann euch sagen, es hat sich vieles in meinem Leben durch meinen Sohn geändert. Schon in der Schwangerschaft bin ich viel reifer und erwachsener geworden. Vor allem auch, weil ich es wollte und wichtig fand. Wenn jemand von außen versucht, dich zu ändern, dann klappt das nicht. Dann fühlt sich das wie Zwang an. Aber wenn du tief in dir drin merkst, dass du etwas ändern musst, weil du es willst, dann schaffst du das auch. Heute sage ich, dass ich durch Alessio ein echter Mann geworden bin. Ich bin sicher nicht perfekt. Ich bin immer noch sehr jung, mir fehlt vieles an Erfahrung und Wissen. Aber ich habe mein Leben heute sehr viel besser im Griff. Sarahs Schwangerschaft war der Anfang für diese Entwicklung. Und seit Alessio auf der Welt ist, übernehme ich auch die Verantwortung für ihn. Wenn ich vorher gewusst hätte, wie gut mir der Kleine tut, dann hätte ich ihn mir sicher noch viel stärker gewünscht.

Eine wirklich schwere Geburt

Die meisten von euch wissen wahrscheinlich schon, dass die Geburt von Alessio alles andere als einfach ablief. Wir haben ja damals diese Dokumentation gemacht, weil wir unsere Fans an der Schwangerschaft teilhaben lassen wollten. Vielleicht erinnert ihr euch, dass wir die Doku dann bei der Geburt abbrechen mussten, weil – und es fällt mir heute noch enorm schwer, das zu sagen –, weil wir nicht wussten, ob unser Sohn es überleben würde. Ich glaube, auch wegen dieser Komplikationen ist die Bindung zwischen Alessio und mir so groß und so intensiv. Sicher, jeder Vater fühlt sich mit seinem Sohn verbunden. Aber für mich persönlich haben diese schweren Stunden damals im Krankenhaus noch einmal mehr dafür gesorgt, dass Alessio seit mehr als zwei Jahren das mit Abstand Wichtigste in meinem Leben ist. Ich möchte deswegen auch dieses Buch nutzen, um euch diese besonderen Augenblicke näherzubringen. Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt über die Geburt und die folgenden Tage schreibe. Einige von euch werden dazu sicher wieder unnötige Kommentare machen. Aber es ist mir einfach wichtig, euch zu erzählen, wie krass diese intensiven Momente für mich waren, damit ihr versteht, warum Alessio für mich so wichtig ist.

Über die gesamte Schwangerschaft haben wir uns eigentlich kaum echte Sorgen um die Gesundheit des Babys gemacht. Vor allem habe ich mich einfach nur gefreut. Sarah war sicher das ein oder andere Mal besorgt, wenn er mal einen Tag nicht getreten hat oder so. Aber ich denke, das ist normal bei werdenden Müttern. Sie spüren das Baby ja viel direkter im eigenen Bauch. Als Mann sieht man ja nur ab und zu das Bild beim Ultraschall oder fühlt einen Fuß durch die Bauchdecke. Vielleicht war ich deshalb auch so sorglos und habe mir nicht viele Gedanken gemacht. Unsere damalige Frauenärztin hat auch nie etwas gesagt, was uns Sorgen bereitet hat. Und genau das nehme ich ihr bis heute noch ein wenig übel. Sie hätte nämlich vielleicht etwas sagen sollen. Sie hätte vielleicht etwas sehen müssen. Alessio hatte einen schlimmen Herzfehler. Okay, um fair zu bleiben, den Herzfehler hat man damals im Ultraschall so gut wie gar nicht erkennen können. Bis zur Geburt war es auch überhaupt nicht klar, dass unser Sohn überhaupt diese Probleme hat. Trotzdem gab es eine Ärztin, die etwas gesehen hat – aber es war eben nicht unsere normale Frauenärztin, sondern ausgerechnet die Ärztin, die uns für unsere Doku zur Schwangerschaft begleitet hat. Sie sagte bei einem Dreh, dass bei Alessio irgendetwas fehlen würde. Aber sie sei sich nicht sicher, und unsere normale Frauenärztin solle doch noch mal gucken. Bis heute sind wir uns nicht sicher, ob wir damals mehr hätten nachfragen sollen. Aber unsere private Frauenärztin sagte nichts weiter dazu, und deswegen machten wir uns auch keine Sorgen. Warum auch? Man vertraut ja seinen Ärzten, und es fühlte sich ja auch nichts falsch an. Leute, wenn ich so daran zurückdenke, wird mir wieder ganz mulmig. Was wäre denn gewesen, wenn bei der Geburt und den OPs was schiefgegangen wäre? Sarah und ich hätten uns vielleicht auf ewig Vorwürfe gemacht. Ich bin so unendlich froh, dass alles gut gegangen ist.

Die Geburt selber lief eigentlich noch relativ normal ab. Sarah war sehr stark und atmete und presste, bis unser Sohn dann endlich auf der Welt war. Doch der erlösende Schrei, auf den wir beide so sehnlichst gewartet hatten, kam nicht. Alessio atmete einfach nicht. Könnt ihr euch vorstellen, wie das für mich war? Nach neun Monaten kommt endlich dein Sohn auf die Welt, und dann atmet er nicht. Die Ärzte haben ihn sofort in einen Raum gebracht, der für solche Notfälle ausgestattet war. Als wir das Krankenhaus einige Zeit vorher besuchten, wurde uns dieser Raum schon einmal gezeigt. Die Hebamme sagte damals: »Das ist der Raum, in den Sie hoffentlich nie mehr reingehen müssen.« Und jetzt war ich in diesem Raum, und ich habe mich in meinem Leben nie schlechter gefühlt. Alessio hatte also doch einen Herzfehler. Diesen schlimmen Herzfehler. Es sah nicht gut aus. Es fühlte sich für mich an wie dunkle Wolken, die ständig über einem schweben. Man weiß nicht, was passieren wird. Man ist hilflos und kann nichts machen. Man ist traurig, wütend und verzweifelt zugleich. Sogar jetzt, wenn ich diese Zeilen schreibe, fühle ich mich wieder richtig schlecht, nur weil ich daran denke. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, wie es mir da in der Situation damals gegangen ist.

Alessio wurde in diesem schrecklichen Raum an Kabel und Maschinen angeschlossen, die mir unglaubliche Angst machten. Man sieht immer im Fernsehen diese schönen Geburten, wo das Baby dann schreit, und es wird der Mama auf den Arm gelegt, und alle lächeln und sind glücklich. Aber ich stand nur regungslos da und starrte auf das kleine Menschlein, das ohne diese ganzen Kabel nicht leben konnte. Sarah war damals noch zu schwach. Sie musste sich von der Geburt erholen und liegen bleiben. Das war extrem hart für sie und auch für mich, denn ich musste sie allein lassen, um bei Alessio sein zu können. Ich hatte ihr versprochen, sie nie allein zu lassen, aber jetzt musste es sein. Sarah sah das auch so und rief mir noch zu, ich soll zu unserem Sohn gehen. Ich musste in diesem Moment also für die beiden stark sein. Aber ich war es eigentlich gar nicht. Ich war schwach, hatte Angst und fühlte mich hilflos. Als die Ärzte an Alessio herumzogen und -drückten, versuchte ich instinktiv, ihn zu schützen, und sagte, sie sollen nicht so grob sein. Aber die Ärzte drängten mich zurück. Zu Recht. Jede Sekunde zählte. Mir blieb nichts anderes übrig, als den Ärzten zu vertrauen und für meinen Sohn zu beten.

Der Herzfehler, den Alessio hatte, gehört einerseits zu denen, die die wenigsten Komplikationen im Nachhinein hervorrufen. Andererseits ist aber auch die Art der Operation, die nötig ist, die komplizierteste und gefährlichste. Aber uns blieb keine Wahl. Er musste operiert werden. Nun stellt euch vor, da sitzt ein junger Mann Anfang zwanzig, völlig allein und voller Sorge um seinen Sohn, der nicht einmal ein paar Stunden alt ist. Ob dieser Mann sonst im Fernsehen ist, ob er singt oder Blödsinn macht, ist in dem Moment völlig egal. Er ist einfach nur ein großer Junge, der riesige Angst um sein Kind hat. Und dann kommt ein Arzt und hält ihm ein Stück Papier unter die Nase, in dem steht, dass sein Kind bei der anstehenden Operation sterben könnte. Und dieser junge Mann soll unterschreiben, dass er das verstanden hat und sich der Risiken bewusst ist. Ich weiß, dass die Ärzte sich damit absichern müssen. Aber wie krass ist bitte so eine Forderung in diesem Moment? Ich glaube, ich habe nie im Leben so gezittert bei meiner eigenen Unterschrift. Mein Kind hätte sterben können, und ich habe unterschrieben, dass ich das weiß. Unglaublich. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass niemals einer von euch in diese Situation kommt.

Als Alessio das erste Mal operiert wurde, blieben wir wie in Trance zurück. Wir saßen beide völlig geschockt und hilflos da und taten nichts als beten. Ich glaube, es ist egal, ob man an sich religiös ist oder nicht. Wenn dein eigenes neugeborenes Kind eine Not-OP durchmachen muss, dann betest du. Weil es das Einzige ist, was dir noch bleibt, um nicht völlig durchzudrehen. Erst am nächsten Tag durften wir wieder zu Alessio. Es war ein furchtbarer Anblick. Man sah ihn kaum noch durch all die Schläuche, an denen er hing. Die Ärzte sagten uns, dass die eigentliche Operation, mit der der Herzfehler behoben werden sollte, erst noch bevorsteht. So hatten wir kaum eine Woche Zeit mit unserem Sohn, dann nahm man ihn uns auch schon wieder weg. In diesen Tagen verbrachten wir jede freie Minute bei ihm. Es war die schwerste Woche meines Lebens, das könnt ihr mir glauben.

Wie ihr ja wisst, hat Alessio die Operationen am Ende gut überstanden und gilt heute als völlig gesund am Herzen. Er musste nach den OPs noch eine ganze Weile im Krankenhaus bleiben, und es gab noch ein paar kritische Momente zu überstehen. Zuerst lag er in einem künstlichen Koma, dann gab es immer wieder andere Probleme. Ich kann mich noch erinnern, dass wir einmal einen Anruf bekamen, bei dem uns gesagt wurde, dass es gerade nicht gut aussieht. Wenn man so etwas gesagt kriegt, wirft einen das von einem Moment auf den anderen völlig aus der Bahn. Was mich jedoch richtig fertiggemacht hat, war ein ganz bestimmter Morgen. Wir kamen wie jeden Tag ins Krankenhaus, um bei Alessio auf der Intensivstation zu sein. In der Hand hatte ich drei Kuscheltiere – eins für Alessio und zwei für die beiden anderen Kinder, die auch bei ihm im Zimmer lagen. Alle drei waren wegen Herzfehlern operiert worden. Wir und die Eltern der anderen beiden kannten uns zwar nicht, aber wenn man so etwas erlebt, schweißt einen das irgendwie zusammen. Jedenfalls brachten wir immer auch Geschenke für die anderen Kinder mit. An diesem einen Morgen kamen wir aber ins Zimmer und sahen nur Alessio. Die beiden anderen Bettchen waren leer. Wir fragten eine Schwester, wo denn die anderen beiden Babys seien. Sie sagte, dass beide in der letzten Nacht gestorben waren. Uns blieb die Luft weg. Wir wussten ja, in welcher gefährlichen Situation die Kinder in diesem Zimmer waren, aber bislang war ja im Grunde alles gut gegangen. Doch jetzt nicht mehr. Diese beiden kleinen Babys waren jetzt einfach nicht mehr da. Wir waren zwar unendlich dankbar, dass Alessio nach wie vor in seinem Bett lag und lebte, aber gleichzeitig waren wir auch unendlich traurig. Noch heute denke ich an die anderen beiden Babys und ihre Eltern. Man hat mir gesagt, ich könnte ja ein paar tröstende Worte für sie in dieses Buch schreiben. Aber es gibt nichts, was sie trösten könnte, also lasse ich es besser.