Ende des Narrenschiffs

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Hie endet sich / das Narrenschiff / So
zů nutz / heilsamer ler / ermanung / vnd
eruolgung / der wißheit / vernunfft /
vnd gůter sytten / Ouch zů verachtung /
vnd stroff der narrheyt / blintheit / Irrsal
/ vnd dorheit / aller stådt / vnd
geschlecht der menschen / mit besunderm
fliß / müg / vnd arbeit / gesamlet ist /
durch Sebastianum Brant / In beiden
rechten doctorem / Gedruckt zů Basel
vff die Vasenaht / die man der narren
kirchwich nennet / Im jor noch Christi
geburt Tusent vierhundert vier vnd
nüntzig

1.4.9.4.

Nüt on Vrsach

Zu Schyff Zu Schyff Bruder. Eß gat! es gat

Eine Vorrede zu dem Narrenschiff

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Zů nutz vnd heylsamer ler / vermanung
vnd ervolgung der wyßheit /
vernunfft vnd gůter sytten: Ouch zů
verachtung vnd straff der narheyt /
blintheyt yrrsal vnd dorheit / aller
ståt / vnd geschlecht der menschen: mit
besunderem flyß ernst vnd arbeyt / gesamlet
zů Basell: durch Sebastianum
Brant. in beyden rechten doctor.

Alle Lande sind jetzt voll heiliger Schrift
Und was der Seelen Heil betrifft:
Voll Bibeln, heiliger Väter Lehr
Und andrer ähnlicher Bücher mehr,
So viel, daß es mich wundert schon,
Weil niemand bessert sich davon.
Ja, Schrift und Lehre sind veracht't,
Es lebt die Welt in finstrer Nacht
Und tut in Sünden blind verharren;
Alle Gassen und Straßen sind voll Narren,
Die treiben Torheit an jedem Ort
Und wollen es doch nicht haben Wort.
Drum hab ich gedacht zu dieser Frist,
Wie ich der Narren Schiff' ausrüst:
Galeeren, Füst, Krack, Naue, Bark,
Kiel, Weidling, Hornach, Rennschiff stark,
Auch Schlitten, Karre, Schiebkarr, Wagen:
Denn ein Schiff könnt nicht alle tragen,
So groß ist jetzt der Narren Zahl;
Ein Teil sucht Fuhrwerk überall,
Der stiebt herbei gleichwie die Immen,
Versucht es, zu dem Schiff zu schwimmen:
Ein jeder will der erste sein;
Viel Narren und Toren kommen drein,
Deren Bildnis ich hier hab gemacht.
Wär jemand, der die Schrift veracht't,
Oder einer, der sie nicht könnt lesen,
Der sieht im Bilde wohl sein Wesen
Und schaut in diesem, wer er ist,
Wem gleich er sei, was ihm gebrist.
Den Narrenspiegel ich dies nenne,
In dem ein jeder Narr sich kenne;
Wer jeder sei, wird dem vertraut,
Der in den Narrenspiegel schaut.
Wer sich recht spiegelt, der lernt wohl,
Daß er nicht weise sich achten soll,
Nicht von sich halten, was nicht ist,
Denn niemand lebt, dem nichts gebrist,
Noch der behaupten darf fürwahr,
Daß er sei weise und kein Narr.
Denn wer sich selbst als Narr eracht't,
Der ist zum Weisen bald gemacht,
Wer aber stets will weise sein,
Ist fatuus, der Gevatter mein,
Der sich zu mir recht übel stellt,
Wenn er dies Büchlein nicht behält.
Hier wird an Narren nicht gespart,
Ein jeder findet seine Art,
Und auch, wozu er sei geboren,
Warum so viele sind der Toren;
Welch hohes Ansehn Weisheit fand,
Wie sorgenvoll der Narren Stand.
Hier findet man der Welten Lauf,
Drum ist dies Büchlein gut zum Kauf.
Zu Scherz und Ernst und allem Spiel
Trifft man hier Narren, wie man will,
Ein Weiser sieht, was ihm behagt,
Ein Narr gern von den Brüdern sagt.
Hier hat man Toren, arm und reich,
Schlim schlem, gleich findet gleich.
Ich schneidre Kappen manchem Mann,
Der meint, es gehe ihn nichts an,
Hätt ich mit Namen ihn genannt,
Spräch er, ich hätt ihn nicht erkannt.
Doch hoff ich, daß die Weisen alle
Drin finden werden, was gefalle,
Und sagen dann mit Wissenheit,
Daß ich gab recht und gut Bescheid.
Und da ich das von ihnen weiß,
Geb ich um Narren einen Schweiß;
Sie müssen hören Wahrheit alle,
Ob ihnen es auch nicht gefalle.
Wiewohl Terentius saget, daß
Wer Wahrheit ausspricht, erntet Haß;
Und wer sich lange schneuzen tut,
Der wirft zuletzt von sich das Blut;
Und wenn man coleram anregt,
So wird die Galle oft bewegt.
Darum beacht ich, was man spricht
Mit Worten hinterm Rücken, nicht,
Noch wenn man schmäht die gute Lehr:
Ich habe solcher Narren mehr,
Denen Weisheit nicht gefället wohl,
Von solchen ist dies Büchlein voll.
Doch bitt ich jeden, daß er mehr
Ansehn wolle Vernunft und Ehr
Als mich oder mein schwach Gedicht.
Ich hab fürwahr ohn Mühe nicht
So viele Narrn zu Hauf gebracht:
Gar oft hab ich gewacht die Nacht,
Die schliefen, deren ich gedacht,
Oder saßen vielleicht bei Spiel und Wein,
Wo sie wenig gedachten mein;
Ein Teil in Schlitten fuhr umher
Im Schnee, wo sie gefroren sehr;
Ein Teil trieb Kindereien just;
Die andern schätzten den Verlust,
Der sie desselben Tags betroffen,
Und welchen Gewinn sie könnten hoffen,
Oder wie sie morgen wollten lügen
Mit Geschwätz, verkaufen und manchen betrügen.
Um diesen nachzudenken allen,
Wie mir solch Art, Wort, Werk gefallen,
Hab ich, kein Wunder ists, gar oft
Gewacht, wann niemand es gehofft,
Damit man tadle nicht mein Werk,
In diesen Spiegel sollen schauen
Die Menschen alle, Männer, Frauen;
Die einen mit den andern ich mein':
Die Männer sind nicht Narrn allein,
Man findet auch Närrinnen viel,
Denen ich Kopftuch, Schleier und Will
Mit Narrenkappen hier bedecke.
Auch Mädchen haben Narrenröcke;
Sie wollen jetzt tragen offenbar,
Was sonst für Männer schändlich war:
Spitze Schuh' und ausgeschnittne Röcke,
Daß man den Milchmarkt nicht bedecke;
Sie wickeln viel Lappen in die Zöpfe
Und machen Hörner auf die Köpfe,
Als käm daher ein mächtger Stier;
Sie gehen umher wie die wilden Tier'.
Doch sollen ehrbare Frauen mir schenken
Verzeihung, denn ihrer will ich gedenken
Wie billig in keiner argen Art;
Den bösen aber sei nichts erspart,
Von denen man ein Teil hier find't,
Die auch im Narrenschiffe sind.
Darum mit Fleiß sich jeder suche,
Und findet er sich nicht im Buche,
So mag er sprechen, daß er sei
Der Kappe und des Kolbens frei.
Wer meint, daß ich ihn nicht berühre,
Geh zu den Weisen vor die Türe,
Gedulde sich, sei guter Dinge,
Bis ich 'ne Kappe von Frankfurt bringe!

1.
Im Narrentanz voran ich gehe,
Da ich viel Bücher um mich sehe,
Die ich nicht lese und verstehe.

Von unnützen Büchern

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Daß ich im Schiffe vornan sitz,
Das hat fürwahr besondern Witz;
Nicht ohne Ursache ist das:
Auf Bücher ich mich stets verlaß,
Von Büchern hab ich großen Hort,
Versteh ich selten auch ein Wort,
So halt ich sie doch hoch in Ehren:
Will ihnen gern die Fliegen wehren.
Wo man von Künsten reden tut,
Sprech ich: » Daheim hab ich sie gut!«
Denn es genügt schon meinem Sinn,
Wenn ich umringt von Büchern bin.
Von Ptolemäus wird erzählt,
Er hatte die Bücher der ganzen Welt
Und hielt das für den größten Schatz,
Doch manches füllte nur den Platz,
Er zog daraus sich keine Lehr.
Ich hab viel Bücher gleich wie er
Und lese doch nur wenig drin.
Zerbrechen sollt ich mir den Sinn,
Und mir mit Lernen machen Last?
Wer viel studiert, wird ein Phantast!
Ich gleiche sonst doch einem Herrn,
Kann zahlen einem, der für mich lern'!
Zwar hab ich einen groben Sinn,
Doch wenn ich bei Gelehrten bin,
So kann ich sprechen: »Ita! – So!«
Des deutschen Ordens bin ich froh,
Dieweil ich wenig kann Latein.
Ich weiß, daß vinum heißet »Wein«,
Gucklus ein Gauch,
Und daß ich heiß': » domine doctor
Die Ohren sind verborgen mir,
Sonst sah man bald des Müllers Tier.

2.
Wer sich auf Macht im Rate stützt
Und dem Wind folgt, der grade nützt,
Der stößt die Sau zum Kessel itzt.

Von guten Räten

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Viel sind, die trachten früh und spat,
Wie sie bald kommen in den Rat,
Die doch vom Rechte nichts verstehn
Und blindlings an den Wänden gehn.
Den guten Chusi man begrub,
Zum Rat man Achitophel hub.
Wer richten soll und raten schlecht,
Der rat und stimm allein nach Recht,
Auf daß er nicht ein Zaunpfahl bleibe,
Der nur die Sau zum Kessel treibe.
Fürwahr, sag ich, es hat nicht Fug:
Es ist mit Raten nicht genug,
Womit verkürzet wird das Rechte;
Das Bessere billig man bedächte
Und forschte nach, was man nicht weiß.
Denn wird verdreht des Rechts Geleis,
So stehst du wehrlos da vor Gott,
Und glaube mir, das ist kein Spott!
Wenn jeder wüßt, was folgt darnach,
War er im Urteil nicht so jach;
Denn mit dem Maß wird jedermann
Gemessen, wie er hat getan.
Wie du mich richtest und ich dich,
So wird Gott richten dich und mich.
Ein jeder wart' in seinem Grab
Des Urteils, das er selbst einst gab,
Und wer damit das Recht verletzt,
Dem ist auch schon die Frist gesetzt,
Wo er ein kräftig Urteil find't:
Es fällt der Stein ihm auf den Grind!
Wer hier nicht hält Gerechtigkeit,
Dem droht sie dort mit Härtigkeit:
Denn weder Weisheit, Einsicht, Rat,
Noch Macht vor Gott Bestehen hat.

3.
Wer setzt die Lust in zeitlich Gut,
Sucht darin Freud und guten Mut,
Der ist ein Narr mit Fleisch und Blut.

Von Habsucht

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Der ist ein Narr, wer sammelt Gut
Und hat nicht Freud noch frohen Mut
Und weiß nicht, wem er solches spart,
Wenn er zum finstern Keller fahrt.
Ein größrer Narr ist, wer vertut
Mit Üppigkeit und leichtem Mut
Das, was ihm Gott gab als das Seine,
Darin er Schaffner ist alleine,
Wovon er Rechnung geben muß,
Die mehr einst gilt als Hand und Fuß.
Ein Narr läßt seinen Freunden viel,
Die Seele er nicht versorgen will;
Er fürchtet Mangel in der Zeit
Und sorgt nicht für die Ewigkeit.
O armer Narr, wie bist du blind:
Die Räude scheust du – findst den Grind!

Ein andrer sündigem Gut nachrennt,
Wofür er in der Hölle brennt:
Das achten seine Erben klein,
Sie helfen nicht mit einem Stein,
Sie spendeten kaum ein einzig Pfund,
Und läg er tief im Höllengrund.
Gib, da du lebst, zu Gottes Ehr,
Nach deinem Tod wird ein andrer Herr.
Ein Weiser hat noch nie begehrt
Nach Reichtum hier auf dieser Erd,
Wohl aber, daß er selbst sich kenne:
Den Weisen mehr als reich du nenne!
Zuletzt geschah's, daß Crassus trank
Das Gold, wonach ihn dürstet' lang;
Doch Crates warf sein Geld ins Meer,
Das hindert' ihn beim Lernen sehr.
Wer sammelt, was vergänglich ist,
Begräbt seine Seele in Kot und Mist.

4.
Wer neue Moden bringt durchs Land,
Der gibt viel Ärgernis und Schand
Und hält den Narren bei der Hand.

Von neuen Moden

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Was vormals war ein schändlich Ding,
Das schätzt man schlicht jetzt und gering:
Sonst trug mit Ehren man den Bart,
Jetzt lernen Männer Weiberart
Und schmieren sich mit Affenschmalz
Und lassen am entblößten Hals
Viel Ring' und goldne Ketten sehn,
Als sollten sie vor Lienhart stehn.
Mit Schwefel und Harz pufft man das Haar
Und schlägt darein dann Eierklar,
Daß es im Schüsselkorb werd' kraus.
Der hängt den Kopf zum Fenster 'raus,
Der bleicht das Haar mit Sonn' und Feuer,
Darunter sind die Läus nicht teuer.
Die können es jetzt wohl aushalten,
Denn alle Kleider sind voll Falten:
Rock, Mantel, Hemd und Tuch dazu,
Pantoffeln, Stiefel, Hosen, Schuh',
Pelzkragen, Mäntel, Besatz daran:
Der Juden Brauch fängt wieder an.
Vor einer Mode die andre weicht,
Das zeigt, wie unser Sinn ist leicht
Und wandelbar zu aller Schande,
Und wieviel Neuerung ist im Lande,
Mit schändlich kurz geschnittnen Röcken,
Die kaum den Nabel mehr bedecken!
Pfui Schande deutscher Nation,
Daß man entblößt, der Zucht zum Hohn,
Und zeigt, was die Natur verhehlt!
Drum ist es leider schlecht bestellt
Und hat wohl bald noch schlimmern Stand.
Weh dem, der Ursach gibt zur Schand!
Weh dem, der solcher Schand nicht wehrt:
Ihm wird ein böser Lohn beschert!

5.
Schon steh ich an der Grube dicht,
Im Arsch das Schindermesser sticht,
Doch – meine Narrheit laß ich nicht!

Von alten Narren

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»Die Narrheit läßt mich nicht sein greis;
Ich bin sehr alt, doch ganz unweis,
Ein böses Kind von hundert Jahren,
Zeig dem die Schellen, der unerfahren,
Den Kindern geb ich Regiment
Und mach mir selbst ein Testament,
Das wird nach meinem Tod mir leid.
Mit schlechtem Beispiel und Bescheid
Treib ich, was meine Jugend lernte;
Daß meine Schlechtigkeit Ehre ernte,
Wünsch ich und rühm mich dreist der Schande,
Wie ich beschissen alle Lande
Und hab gemacht viel Wasser trübe;
Im Schlechten ich mich allzeit übe,
Es tut mir leid, daß ichs nicht mehr
Vollbringen kann so wie vorher.
Doch was ich jetzt nicht mehr kann treiben,
Soll meinem Heinz empfohlen bleiben;
Mein Sohn wird tun, was ich gespart,
Er schlägt mir nach wohl in der Art;
Es stehet ihm recht stattlich an,
Und lebt er, wird aus ihm ein Mann.
Er sei mein Sohn, muß man einst sagen;
Dem Schelme wird er Rechnung tragen
Und wird in keinem Ding sich sparen
Und in dem Narrenschiff auch fahren!
Es soll mich noch im Grab ergötzen,
Daß er mich wird so ganz ersetzen!« –
Nach solchem jetzt das Alter trachtet,
Die Weisheit es gar nicht mehr achtet.
Susannens Richter zeigten wohl,
Was man dem Alter zutraun soll:
Ein alter Narr der Seel nicht schont;
Der tut schwer recht, wers nicht gewohnt.

6.
Wer seinen Kindern übersieht
Mutwillen und sie nicht erzieht,
Dem selbst zuletzt viel Leid geschieht.

Von rechter Kinderlehre

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Der ist vor Narrheit wohl ganz blind,
Wer nicht drauf achtet, daß sein Kind
In guter Zucht man unterweist,
Und sich insonderheit befleißt,
Daß er sie irrgehn läßt ohn Strafe,
Wie ohne Hirten gehn die Schafe;
Der ihrem Übermut nicht wehrt
Und sie zu strafen nicht begehrt,
Dieweil er meint, sie sei'n zu jung,
Es hafte nicht Erinnerung
In ihrem Ohr, nicht Straf noch Lehre. –

O großer Tor, merk auf und höre:
Der Jugend ist nichts zu geringe,
Sie merket wohl auf alle Dinge.
Der neue Topf hält vom Gericht
Geschmack und Duft und läßt ihn nicht.
Ein junger Zweig sich dreht und schmiegt,
Doch wenn man einen alten biegt,
So kracht und bricht er bald entzwei.

Gerechte Straf bringt kein Geschrei,
Der Rute Zucht vertreibt ohn Schmerzen
Die Narrheit aus des Kindes Herzen.
Ohn Strafe selten man belehrt,
Das Übel wächst, dem man nicht wehrt.
Heli war brav und lebte rein,
Doch straft' er nicht die Kinder sein,
Drum straft' ihn Gott, daß er mit Klage
Samt ihnen starb an einem Tage.
Weil man der Kinder Zucht nicht will,
Drum trifft man Catilinen viel.
Es stände besser um manches Kind,
Gäb man ihm Lehrer wohlgesinnt,
Wie Phönix, den einst aufgesucht
Peleus zu des Achilles Zucht.
Philipp durchsuchte Griechenland,
Bis er dem Sohn den Meister fand:
Dem größten König in der Welt
Ward Aristoteles zugesellt,
Der hörte Plato manches Jahr,
Dem Sokrates einst Lehrer war.
Jedoch die Väter unsrer Zeit,
Die gehen blind vor Geiz so weit
Und nehmen solchen Lehrer schon,
Der ihnen zum Narren macht den Sohn
Und schickt ihn wieder heim nach Haus
Halb närrischer, als er kam daraus.
Drum ist zu wundern nichts daran,
Wenn närrische Kinder ein Narr gewann.
Der alte Crates sprach, wenn ihm
Es zuständ, wollt mit lauter Stimm'
Er schreien: Narren unbedacht!
Aufs Gütersammeln habt ihr acht
Und achtet nicht auf euer Kind,
Für das ihr doch auf Reichtum sinnt.
Aber euch wird zuletzt der Lohn,
Wenn in den Rat soll gehn der Sohn
Und dort auf Zucht und Ehren achten,
Dann wird nach solchem Ding er trachten,
Wie man's von Kind an ihn gelehrt;
Dann wird des Vaters Leid gemehrt,
Der sich verzehrt, weil er ohn Nutzen
Erzogen einen Winterbutzen.
Die einen gehn zu der Buben Rott'
Und lästern dort und schmähen Gott;
Die andern hängen sich an Säcke,
Die dritten verspielen Roß und Röcke;
Die vierten prassen Tag und Nacht.
Das wird aus solchen Kindern gemacht,
Die man nicht in der Jugend zieht,
Mit einem Lehrmeister wohl versieht.
Denn Anfang, Mittel, Schluß der Ehre
Entspringt allein aus guter Lehre.
Ein löblich Ding ist adlig sein,
Doch ist es fremd und ist nicht dein:
Es kommt von deinem Elternpaar;
Ein köstlich Ding ist Reichtum gar,
Aber er ist des Glücks Zufall,
Das auf und ab tanzt wie ein Ball;
Der Ruhm der Welt sich schön anläßt:
Doch schwankt er und ist voll Gebrest;
Ein schöner Leib steht hoch in Acht
Und währt doch kaum bis über Nacht;
So ist Gesundheit uns sehr lieb
Und stiehlt sich weg doch wie ein Dieb;
Der Stärke Größe, die man schätzt,
Schwindet vor Krankheit und Alter zuletzt:
Darum ist nichts unsterblich mehr
Und unvergänglich, als gute Lehr.
Gorgias fragte, ob glücklich wär
Zu preisen Persiens mächtiger Herr?
Sprach Sokrates: »Ich weiß noch nicht,
Ob er gelernt der Tugend Pflicht!«
Als wollt er sagen, daß Macht und Gold
Ohne Tugendlehre nichts gelten sollt.

7.
Wer zwischen Stein und Stein sich legt
Und viel Leut auf der Zunge trägt,
Den Trübsal bald und Schaden schlägt.

Von Zwietrachtstiftern

Inhaltsverzeichnis

Gar mancher hat viel Freude dran,
Daß er verwirren jedermann
Und bürsten kann dies Haar auf das,
Daraus dann Feindschaft wächst und Haß.
Mit Afterrede und Lügen groß
Gibt er gar manchem einen Stoß,
Den der erst lang nachher empfindet,
Wenn aus der Freundschaft Haß sich zündet;
Und daß ers wohl besiegeln möge,
Lugt er, wieviel er noch zulege,
Und will es nur beichtweise sagen,
Um nicht Verweis davonzutragen;
Ja, unter der Rose – beteuert er –
Es dir ans Herz geleget wär,
Und meint, damit gefall er wohl.
Die Welt ist solcher Zwietracht voll,
Daß man einen auf der Zunge tragen
Kann weiter als im Hängewagen.
Wie Chore tat und Absalon,
Die wünschten Anhang sich und Kron'
Und holten sich nur Schimpf und Schande.
Ein Alchymus in jedem Lande
Die Freunde entzweit, mit Lügen umringt
Und die Finger zwischen die Angeln bringt;
Die werden oft geklemmt davon,
Wie dem, der wollt empfangen Lohn,
Dieweil er Saul erschlagen hätt,
Und denen, so schlugen Isboseth.
Wie der auch zwischen Mühlsteinen liegt,
Der stets an Zwietracht sich vergnügt.
Man sieht ihm an den Gebärden an,
Welch Worte das sind und welch ein Mann:
Verbirgt man den Narren hinter der Tür,
Er streckt die Ohren doch herfür.

8.
Wer nicht kann sprechen ja und nein
Und pflegen Rat um groß und klein,
Der trag den Schaden ganz allein.

Gutem Rat nicht folgen

Inhaltsverzeichnis

Der ist ein Narr, der weis will sein
Und hält nicht Glimpf noch Maße ein,
Und wenn er Weisheit pflegen will,
So ist ein Gauch sein Federspiel,
Viel sind mit Worten weis und klug
Und ziehen doch den Narrenpflug.
Das macht, weil sie zu jeder Zeit
Für klug sich halten und gescheit,
Und achten nicht auf fremden Rat,
Bis ihnen sich das Unglück naht.
Tobias stets den Sohn belehrt,
Daß er an weisen Rat sich kehrt;
Man riet der Hausfrau Lots wohl gut,
Doch voll Verachtung war ihr Mut,
Drum ward von Gott sie heimgesucht
Und ward zur Säule auf der Flucht.
Rehabeam nicht folgen wollte
Den alten Weisen, wie er sollte;
Den Narren folgt' er, da verlor
Er Stämme zehn und blieb ein Tor.
Hätt Nebukadnezar auf Daniel gehört,
Er wäre nicht in ein Tier verkehrt;
Und Makkabäus, der stärkste Mann,
Der großer Taten Ruhm gewann,
Hätt Jorams Rat er zu Herzen genommen,
Er wäre nicht ums Leben gekommen.
Wer allzeit folgt seinem eignen Haupt
Und gutem Rat nicht folgt und glaubt,
Der lässet Glück und Heil beiseit
Und will verderben vor der Zeit!
Drum Freundes Rat niemand veracht',
Wo Räte viel – dort Glück und Macht.
Achitophel sich selbst getötet hat,
Weil Saul nicht folgte seinem Rat.

9.
Wer schlecht an Sitte und Gebärde
Und guckt, wo er zum Narren werde,
Der schleift die Kappe an der Erde.

Von schlechten Sitten

Inhaltsverzeichnis

Viel gehn in Schauben stolz daher
Und werfen den Kopf bald hin, bald her,
Dann hin zu Tal, dann auf zu Berg,
Dann hinter sich, dann überzwerch,
Bald gehn sie rasch, dann sehr gemach;
Das zeigt als Zeichen und Ursach,
Daß sie leichtfertig von Gemüte,
Wovor man sich gar billig hüte.
Wer klug nach guter Sitte späht,
Dem auch sein Wesen wohl ansteht,
Und was er auch beginnt und tut,
Das dünket jeden Weisen gut.
Die echte Weisheit fängt an mit Scham,
Ist züchtig, still und friedesam,
Es ist bei ihr dem Guten wohl,
Drum füllt sie Gott der Gnaden voll.
Viel besser hat man gute Gebärde,
Denn allen Reichtum auf der Erde,
Weil aus den Sitten man bald entnimmt,
Wie einer im Herzen ist gestimmt.
Gar mancher der Sitten wenig schont,
Das macht, sie sind ihm ungewohnt,
Er ist erzogen nicht dazu,
Drum hat er Sitten wie eine Kuh.
Die beste Zierde, der höchste Nam',
Sind gute Sitten, Zucht und Scham.
Noah wohl guter Sitten pflag,
Doch schlug ihm Ham, sein Sohn, nicht nach.
Wer einen weisen Sohn gebärt,
Den man Vernunft, Sitt', Weisheit lehrt,
Der danke Gott doch früh und spat,
Der ihn mit Gnade versehen hat.
In des Vaters Nase biß Albin,
Weil der ihn nicht besser ließ erziehn.

10.
Wer Gewalt und Unrecht einem Mann
Antut, der Leid ihm nie getan,
Da stoßen sich zehn andre dran.

Von wahrer Freundschaft

Inhaltsverzeichnis

Der ist ein Narr mit töricht Blut,
Der einem Menschen Unrecht tut,
Weil er dadurch gar manchem dräut,
Der sich dann seines Unglücks freut.
Wer seinem Freunde Böses tut,
Der all sein Hoffen, Vertrauen und Mut
Allein gesetzet hat auf ihn,
Der ist ein Narr und ohne Sinn. –

Es gibt nicht mehr ein Freundespaar,
Wie Jonathan und David war,
Patroklus und Achill dabei,
Orest und Pylades, die zwei,
Wie Demades und Pythias gar
Oder der Schildknecht Saulis war,
Wie Scipio, Laelius, die beiden.
Wo Geld gebricht, muß Freundschaft scheiden;
Die Nächstenliebe so weit nicht geht,
Wie im Gesetz geschrieben steht:
Der Eigennutz vertreibt das Recht,
Die Freundschaft, Liebe, Sippschaft, Geschlecht;
Es lebt jetzt keiner Moses gleich,
An Nächstenliebe wie dieser reich,
Oder wie Nehemias
Und mit ihm der fromme Tobias.

Wem nicht Gemeinnutz so viel wert
Wie Eigennutz, den er begehrt,
Den halt ich für einen närrischen Gauch:
Denn was gemeinsam, ist eigen auch.
Doch Kain lebt jetzt in jedem Stand,
Dem leid ist, wenn Glück Abel fand.
Es gehen Freunde in der Not
Wohl vierundzwanzig auf ein Lot,
Und die am besten wollen sein,
Gehn sieben auf ein Quentelein.

11.
Wer jedem Narren glauben will,
Da man doch hört von Schrift so viel,
Der schickt sich wohl ins Narrenspiel.

Verachtung der Heiligen Schrift

Inhaltsverzeichnis

Der ist ein Narr, der nicht der Schrift
Will glauben, die das Heil betrifft,
Und meint, daß er zu Recht so lebe,
Als ob's nicht Gott noch Hölle gebe,
Verachtend Predigt sowie Lehre,
Als ob er gar nicht säh noch höre. –

Stünd einer von den Toten auf,
Man liefe hundert Meilen drauf,
Damit man hörte neue Märe,
Welch Wesen in der Hölle wäre;
Ob viele Leut dort führen ein,
Ob man auch zapfte neuen Wein
Und ander ähnlich Affenspiel.
Nun hat man doch der Schrift so viel
Vom Alten und vom Neuen Bund,
Kein ander Zeugnis zu der Stund
Braucht man, noch Kapell und Klausen
Des Sackpfeifers von Nickelshausen.
Denn Gott spricht nach der Wahrheit sein:
»Wer hier gesündigt, hat dort Pein,
Und wer sich hier zur Weisheit kehrt,
Der wird in Ewigkeit geehrt.«
Gott gab, das leidet Zweifel nicht,
Gehör dem Ohr, dem Auge Licht;
Drum ist erblindet und ertaubt,
Der nicht hört Weisheit und ihr glaubt
Und lauscht auf neue Mär und Sage.
Ich fürcht, es kommen bald die Tage,
Daß man mehr neuer Mär werd inne,
Als uns gefall und sei nach Sinne.
Jeremias schrie und hat gelehrt
Und ward von niemand doch gehört,
Desgleichen andre Weise mehr,
Drum kam viel Plage hinterher.

12.
Wer nicht erst gürtet vor dem Reiten,
Nicht weise Vorsicht übt beizeiten,
Des spottet man, fällt er zur Seiten.

Von unbesonnenen Narren

Inhaltsverzeichnis

Der ist mit Narrheit wohl geeint,
Wer spricht: »Das hätt ich nicht gemeint!«
Denn wer bedenkt all Ding beizeiten,
Der sattelt wohl, eh er will reiten.
Wer sich bedenkt erst nach der Tat,
Des Überlegung kommt meist zu spat;
Wer in der Tat sich raten kann,
Muß sein ein wohlerfahrner Mann,
Oder es haben's ihn Frauen gelehrt,
Die solchen Rats sind hochgeehrt.
Hätt Adam zuvor bedacht sich baß,
Bevor er von dem Apfel aß,
Er wär nicht um den kleinen Biß
Gestoßen aus dem Paradies.
Hätt Jonathas sich recht bedacht,
Er hätt die Gaben wohl veracht't,
Die Tryphon ihm in Falschheit bot
Und ihn darnach erschlug zu Tod.
Guten Anschlag wußte alle Zeit
Der Kaiser Julius in dem Streit,
Doch, als er hatte Fried und Glück,
Versäumte er ein kleines Stück,
Daß er den Brief nicht las zur Hand,
Den man zur Warnung ihm gesandt.
Nikanor überschlug gering,
Verkaufte das Wildbret, eh ers fing,
Drum ging sein Anschlag fehl genug:
Zung, Hand und Haupt man ab ihm schlug.

Ein weiser Plan allzeit gut paßt,
Wohl dem, der ihn beizeiten faßt.
Gar mancher eilt und kommt zu spät,
Der stößt sich bald, der zu rasch geht.
Asahel, einst als schnell bekannt,
Sank hin, durchbohrt von Abners Hand.

13.
An meinem Seile ich nach mir zieh
Viel Affen, Esel und Narrenvieh:
Ich täusche, trüge, verführe sie.

Von Buhlschaft

Inhaltsverzeichnis

Ich, Venus mit dem strohernen Steiß,
Bin nicht die letzte des Narrenbreis;
Ich locke zu mir der Narren viel
Und mach zum Gauche, wen ich will,
Meine Kunden niemand nennet all.
Wer je gehört von Circes Stall,
Kalypso, der Sirenen Joch,
Bedenk, welch Macht ich habe noch.
Wer meint, daß klug und schlau er sei,
Den tauch ich tief in Narrenbrei,
Und wer einmal von mir wird wund,
Den macht kein kräftig Kraut gesund.

Drum hab ich einen Sohn, der blind:
Kein Buhler sieht, was er beginnt;
Mein Sohn ein Kind ist, nicht ein Mann:
Und kindisch ist der Buhler Plan;
Sie kennen Worte von Gewicht
Gleich einem kleinen Kinde nicht;
Mein Sohn ist nackt, das zeiget an,
Daß Buhlschaft niemand verbergen kann;
Böse Lieb entfliegt, nicht lang sie steht,
Daher mein Sohn geflügelt geht.
Buhlschaft ist leicht zu aller Frist,
Nichts weniger stet auf Erden ist;
Cupido trägt den Bogen bloß,
An jeder Seit' einen Köcher groß,
In einem hat er Hakenpfeile,
Damit trifft er viel Narrn in Eile,
Die sind scharf, hakig, gülden, spitz,
Und wen sie treffen, verliert den Witz
Und tanzt darnach am Narrenholze;
Im andern Köcher die Vogelbolze
Sind stumpf, nicht leicht, beschwert mit Blei,
Macht einer wund, so scheuchen zwei.
Wen traf Cupidos sichre Hand,
Den setzt sein Bruder Amor in Brand,
Daß er nicht löschen kann die Flamm',
Die Dido einst das Leben nahm,















































Alter



einem



Die