Cover
Katharina Juliana Cichosch
Frankfurter Straßennamen erzählen
Von Wolfsgang-, Wed und Woogstraße
Alle Rechte vorbehalten • Societäts-Verlag
© 2012 Frankfurter Societäts-Medien GmbH
Satz: Nicole Ehrlich, Societäts-Verlag
Umschlaggestaltung: Nicole Ehrlich, Societäts-Verlag
Covermotiv: © fotolia: Klaus Eppele
eBook: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt
ISBN 978-3-942921-92-3

Inhaltsverzeichnis

Affentorplatz
Am Bier
Am Faulbrunnen
Am Lohr, Lohrgasse & Am Lohrberg
An den Riederhöfen
An der Welle
Batterie
Barodapfad
Bornheimer Fünffingerplätzchen
Chattenweg
Eiserne Hand
Freßgass’
Galluswarte, Gallusanlage & Im Galluspark
Glauburgstraße und Günthersburgallee
Großer Hirschgraben
Gutleuthofweg
Hinter dem Sausee & Am Sausee
Hülya-Platz
Im Trutz Frankfurt
Katzenpforte
Kegelbahn
Klappergasse & Klapperfeldstraße
Lange Meile
Lange Schirn
Liebfrauenberg
Mainkurstraße
Nach dem Brand & Brand
Neuer Börneplatz
Nonnenpfad
Quäkerplatz
Roßmarkt
Sandweg
Seedamm & Seegewann
Seilerbahn & Seilerstraße
Speckweg & Speckgasse
Wed
Wolfsgangstraße
Woogstraße
Zeil
Zur Frankenfurt
Wer benennt Frankfurter Straßen?
Nur der Name erinnert noch an die Römer
Namensnester im Frankfurter Straßennetz
Straßennamen aus Feld und Flur
(Wilde) Tiere im Frankfurter Stadtplan
Umbenennung von Straßennamen während des Nationalsozialismus
Wer für die Namen Pate stand
Mundart und Straßennamen in Frankfurt
Literaturhinweise
Die Autorin
Exotische Tiere, lokaler Ursprung
Affentorplatz
An die Vorstellung wilder Bären oder streunender Wölfe im historischen Frankfurt kann man sich schnell gewöhnen. Und auch Straßennamen wie Hinter den Sauseen kann man sich noch problemlos aus der heimischen Flora und Fauna herleiten. Aber Affen, mitten in Sachsenhausen? Diese Vorstellung will dann doch nicht so recht ins Bild der schmucken Fachwerkhäuser passen, kennt man es doch sonst eher aus den Städten und Plätzen Ostasiens, wo Makaken und andere Kleinaffen fast schon als ganz normale Straßenbewohner gelten (sich aber, so viel sei gesagt, leider nicht immer entsprechend zivilisiert verhalten). Denkbar wäre zum Beispiel eine Widmung an den Frankfurter Stadtzoo – doch auch die hätte hier zumindest Keinen örtlichen Bezug, schließlich befindet sich Sachsenhausen dribbdebach und der Tiergarten mit seinen Affengehegen geradewegs auf der anderen Mainseite. Was hat es also auf sich mit diesem Straßennamen?
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Der Affentorplatz: Namenspate für die lokale Gastronomie
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Tatsächlich dürfte auch der Affentorplatz, wie so viele Namen, dem gemeinen Lokalkolorit geschuldet sein. Schließlich wird im Hessischen gern mal die ein oder andere Silbe verschluckt oder abgekürzt. Und so könnte der heutige Affentorplatz tatsächlich auf das benachbarte Aschaffenburg zurückgehen: als sprachliches Relikt des historischen Stadttores, einst Aschaffenburger Tor oder Aschaffenburgtor, welches im Wandel der Zeit irgendwann zum A’ffentor abgekürzt wurde.
Dabei bietet der Affentorplatz durchaus noch weitere Deutungsmöglichkeiten: Anderen Experten nach könnte das Wort Affen(tor) geradewegs auf den städtischen Nachbarn Offenbach hindeuten. Auch in diesem Fall hätten wir es mit einem schönen Beispiel manchmal durchaus irreführender Frankfurter Mundart zu tun. Wieder andere Quellen verweisen auf das gleichnamige Haus „Zum Affen“, welches dem Affentor erst zu seinem eigentlichen Namen verholfen haben soll.
Natur statt Kneipe
Am Bier
S ist so schön hier am Bier ...“ – auf diesen Straßenzug ließe sich bestimmt das ein oder andere feuchtfröhliche Lied anstimmen! Schließlich ist es Am Bier besonders idyllisch. Was auch der Straßenname bestätigt: Denn während er Unkundigen an einen nur allzu platt gewählten Namen für ein rustikales Ausflugslokal erinnert, ist der Name tatsächlich wieder einmal der Geografie geschuldet. Waldund Flurnamen gibt es viele in Frankfurt, etliche davon haben den umliegenden Straßenzügen ihren ganz spezifischen Namen geliehen. Im Falle des Waldstückchens, welches nun zufällig einmal auf die eigentümliche Bezeichnung „Bier“ hört, geht sich dies einmal besonders originell aus. Dass hinter dem Namen pure Idylle steckt, verraten auch die Immobilienanzeigen einschlägiger Anbieter. Das zugehörige Wohngebiet gilt als gute Adresse mit direktem Zugang zu Natur und Spazierwegen. Ganz in der Nähe fließt der Erlenbach durchs Bier, und als ausgewiesenes Vogelschutzgebiet kann man hier mit ein wenig Glück und Geduld auch seltenere Federtiere beobachten. Dafür allerdings muss man auf Trinklieder schon einmal verzichten – schließlich sind einige der hier heimischen Vögel äußerst scheue Bewohner. Bei starken Regenfällen übrigens sollte man nicht die Straße Am Bier, wohl aber die umliegende Landschaft lieber meiden: Der Erlenbach kann bei entsprechendem Hochstand potenziell gefährlich werden.
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Schöne Aussichten Am Bier
Thermalbad Sossenheim
Am Faulbrunnen
Die schönsten Geschichten schreibt manchmal eben nicht das Leben, sondern unsere eigene Vorstellungskraft. Oder wie sonst sollte man die Idee bezeichnen, dem westlichen Stadtteil Sossenheim einfach ein „Bad“ voranzustellen und es somit zu einem echten Kurort zu machen? Mit Besucherströmen, die Jahr für Jahr zur sagenumwobenen Quelle mit ihrem wohltuenden Heilwasser pilgern; mit prächtig florierendem Einzelhandel und schicken Boutiquen bekannter Modedesigner; gar mit feudaler Bäderarchitektur und einem Kurmittelhaus, in dem emsige Damen Terminwünsche für Moorpackungen und Massagen entgegennehmen?
Klingt alles wie ein schönes Hirngespinst? Ist es ja auch. Die Voraussetzungen für ein Bad Sossenheim mit eigener Thermalquelle aber standen nicht einmal so schlecht, wie man gemeinhin annehmen dürfte. Einen wichtigen Hinweis hierfür liefert uns der nicht unbedingt klangvolle Straßenname Am Faulbrunnen. Der Straßenzug befindet sich rund um den gleichnamigen Brunnen, der seinen Namen wiederum vom faulig riechenden Wasser erhielt, welches hier noch heute in dünnem Strahl aus gusseisernen Hähnen an die Oberfläche sprudelt. Seinen üblen Geruch verdankt das Wasser dem relativ hohen Schwefelgehalt, der einst als vielversprechender Hinweis für eine kommerzielle Nutzung als Heilquelle gesehen wurde.
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Vielleicht erinnert sich der ein oder andere alteingesessene Sossenheimer zumindest an Erzählungen aus jener Zeit, in der viele Bewohner von einer Zukunft als Thermalund Kurort träumten. 1925 nämlich sprudelte das Wasser immer schwächer aus dem dorfbekannten Faulbrunnen.
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Eine Bohrung sollte dem Versiegen entgegenwirken – und gleichzeitig den Grundstein legen für eine Nutzung im größeren Stil. Mit einer professionellen Nutzung des viel besprochenen Quellwassers, so die Hoffnung, könnte Sossenheim an den Trend des gerade aufkommenden Bädertourismus anknüpfen. Diese Hoffnung wurde jedoch schon bald darauf enttäuscht: Tatsächlich deutete der faulige Geruch auf einen hohen Schwefelgehalt hin. Dieser war jedoch längst nicht so hoch, um den Anforderungen für echtes Heilund Thermalwasser zu genügen. Mit diesem Fazit endete der kleine Traum von einem großen Bad Sossenheim schon relativ bald, nachdem er begonnen hatte.
Doch wer jetzt wehmütig wird ob der einstigen Entwicklungsmöglichkeiten des seit 1928 eingemeindeten Frankfurter Stadtteils, dem sei an dieser Stelle auch Tröstliches gesagt: Mit einem feudalen Bad Sossenheim wären uns künstlerische Highlights wie die feinsinnigen Comics „Last Exit Sossenheim“ des Frankfurter Zeichners und Satirikers Chlodwig Poth über seine geschätzte Heimat vielleicht für immer vergönnt geblieben. Und auch sonst gibt es keinen Grund zur Traurigkeit, schließlich sprudelt das Potenzial des „fauligen Brunnens“ noch heute dicht unter der Oberfläche. Vielleicht versöhnt ja auch ein kleiner Ausflug zu diesem Straßennamen mit dem zugehörigen Brunnen: Denn auch, wenn das Wasser vielleicht keine Thermalbad-Qualitäten aufweist – sein hoher Schwefelgehalt erinnert zumindest im Geruch an die typische Luft eines guten Kurorts mit unterirdischen Heilquellen.
Von Wald und Weinreben
Am Lohr, Lohrgasse & Am Lohrberg
Mit gerade einmal 185 Metern hätte der Lohrberg in, sagen wir einmal Österreich, keine großen Chancen. Hier würde er bestenfalls als niedlicher Hügel neben einer Reihe imposanter Dreitausender durchgehen. Im vergleichsweise eher flachen Frankfurt aber ist der Lohrberg ein allseits geschätzter Hausberg, der insbesondere im Sommer zahlreiche Besucher und Einwohner auf seine Wiesen lockt und mit einem fantastischen Ausblick über die Frankfurter Skyline belohnt.
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Neben Apfelwiesen und Wäldern ist der Lohrberg für ein ganz besonderes Aushängeschild bekannt: Den eigenen Weinberg, der Jahr für Jahr rund 10.000 Flaschen feinen Riesling hervorbringt. Der offizielle Eintrag in die sogenannte Weinrolle, das bundesweite Register für Weinberge, erfolgte im Jahr 1971. Seitdem gilt der Lohrberger Hang nicht nur als kleinste und zudem östlichste Anlage der Anbauregion, sondern zudem auch als einziger Weinberg im gesamten Stadtgebiet.
Gerade dieser Hang gibt Aufschluss darüber, wieso der Lohrberg überhaupt Lohrberg heißt – und mit ihm die umliegenden Straßen beispielsweise Am Lohr, Am Pfingstlohr oder Lohrgasse benannt wurden. Denn der „Lohr“ ist der alt überlieferte Flurname für die Gegend rund um den heutigen Frankfurter Hausberg.
Auch wenn die Bedeutung für den historischen Namen nicht vollständig geklärt ist, so gibt es doch Vermutungen, dass hiermit etwa das althochdeutsche Wort für leer oder kahl gemeint sein könnte. Eine andere Deutung lässt auf eine ehemalige Weidefläche schließen. Für welche Variante man sich auch entscheidet, eines ist sicher: Bäume oder gar Wälder hat es hier in grauer Vorzeit vermutlich nicht gegeben. Genau dieser Umstand dürfte schließlich dazu geführt haben, dass der Berg schon im Mittelalter als ideale Anbaufläche erkannt und entsprechend genutzt werden konnte – und dass wir heute köstlichen Riesling vom Lohrberger Hang genießen dürfen. Denn wo kein Wald ist, da müssen auch keine Bäume gefällt werden. Beste Voraussetzungen also für den Weinanbau und somit für einen gut gereiften, edlen Tropfen vom Lohrberger Hang!
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Nicht an allen Stellen kahl: der Lohrberg
Viel mehr als nur ein Gutshof
An den Riederhöfen
Manche Straßen kommen mit größter Bescheidenheit daher – zum Beispiel jener rechte Winkel, der scheinbar unauffällig von der Hanauer Landstraße abknickt und sich An den Riederhöfen nennt. So vermutet man hier denn auch eher einen Industriehof, allenfalls noch den Verweis auf einen ehemaligen Gutshof, der sich hier in unmittelbarer Nähe zum Main befunden haben könnte. Doch auch wenn es sich bei den Namenspaten tatsächlich ursprünglich um bewirtschaftete Bauernhöfe gehandelt hat, so waren diese doch alles andere als gewöhnlich. Schließlich bildeten die Riederhöfe einst einen strategisch wichtigen Stützpunkt für die Wehrhaftigkeit der Stadt. Ihren Anfang nahmen sie jedoch als ganz normale, bewirtschaftete Höfe, die im Laufe der Jahrhunderte von den Staufen bis zu den Patriziern immer wieder ihren Besitzer wechselten. Im 12. Jahrhundert schließlich erkannte man die strategisch günstige Position der Riederhöfe und baute sie kurzerhand zu Wehranlagen aus. Im Gegensatz zum weniger bedeutsamen kleinen Riederhof verfügte der Große Hof dabei über einen eigenen Wartturm, der einen guten Rundumblick über die Gegend rund um die heutige Hanauer Landstraße bot.
Bemerkenswert übrigens, dass die Riederhöfe dem Wandel der Jahrhunderte stets standhielten: Das Herrenhaus des Großen Riederhofs, noch im romanischen Stil erbaut, wurde erst nach einem Luftangriff während des Zweiten Weltkriegs vollständig abgerissen.
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Neben den Straßennamen, darunter auch die benachbarte Riederhofstraße, erinnert heute nur noch eine gotische Torruine an die einst so bedeutsame Wehranlage. Die Ortsbezeichnung Rieder übrigens hat es im heutigen Frankfurter Stadtplan bereits zu einiger Prominenz gebracht – mit der Siedlung rund um den Riederwald sowie den zugehörigen Straßen, Plätzen und U-Bahn-Stationen. Das erstmals von den Römern verwendete Wort Ried bezeichnet dabei nichts anderes als einen sumpfigen, morastigen Untergrund, der hier wie an so vielen Stellen das Frankfurter Stadtbild bestimmte.
Architektonische Berühmtheit
An der Welle
Man der Welle