Cover
Udo Scheu
Lupenrein
Ein Frankfurt-Krimi
Alle Rechte vorbehalten • Societäts-Verlag
© 2011 Frankfurter Societäts-Medien GmbH
Satz: Nicole Proba, Societäts-Verlag
Umschlagabbildungen: © fotolia: DayWalker, Zolthar, Gregor Buir
Umschlaggestaltung: Nicole Proba, Societäts-Verlag
eBook: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza
ISBN 978–3–942921–17–6
Die Personen dieses Romans hat der Autor ins Leben gerufen, die Handlungsabläufe hat er frei erfunden. Jegliche Übereinstimmung mit der Lebenswirklichkeit wäre rein zufällig.
Es ist nur allzu wahr, dass der Großteil der Menschen sich gleicht, wenn auch nicht in den Begabungen, so doch wenigstens in den Untugenden.
(Voltaire – Friedrich der Große, Briefwechsel, Haffmans Verlag, 1992. Schreiben von Voltaire an Friedrich vom 21. November 1770)
Stuck around St. Petersburg when I saw it was a time for a change.
Killed the Tzar and his ministers; Anastasia screamed in vain.
(The Rolling Stones, Mick Jagger and Keith Richards, Sympathy for the devil, Copyright 1968 ABKCO Music, Inc.)

Prolog

„Schlafe, mein Kindchen, schlaf ein …“
Die in einen langen dunklen Mantel gekleidete Frau brach ihren krächzenden leisen Gesang abrupt ab. Sie schüttelte sich, beugte den Rücken nach vorn und setzte sich gekrümmt auf die Parkbank. Mit der einen Hand hielt sie den Mantelkragen eng an ihren Hals gepresst. Die andere Hand schaukelte den vor ihr stehenden Kinderwagen, dessen verblichene Stoffbespannung noch Reste der zarten Rosafärbung aufwies. Im Takt ihrer Handbewegung nickte sie kaum merklich mit dem Kopf.
Das Gesicht der Frau folgte dem Rhythmus des übrigen Körpers nicht. Es schien leblos. Auffällig starr blickten die Augen zu Boden, wie in ein Nichts. Sie vermittelten eine beängstigende Leblosigkeit.
Plötzlich schaute sie auf. Ihr Gesicht nahm einen verklärten Ausdruck an. Sie lächelte und klatschte in die Hände. Ihr Blick heftete sich auf den geschwungenen Giebel des wenige Meter entfernt liegenden herrschaftlichen Altbaus der Villa Manskopf. Er wanderte weiter nach vorn zu dem stehenden Wasser eines liebevoll angelegten kleinen Teichs und verharrte dann auf dem hellen Putz des dahinter gelegenen Zweckbaus. Die leeren Pupillen der Frau verrieten, dass sie gar nicht wahrnahm, was sie fixierte.
Von der Treppe des Neubaus aus beobachteten zwei Männer in weißen Kitteln das Geschehen. Sie verhielten sich völlig ungezwungen. Mit lockeren Schritten bewegten sie sich in Richtung der Parkanlage.
Langsam näherten sich die beiden Pfleger auf einem der Parkwege der fröstelnden Frau, die soeben unvermittelt in den Kinderwagen schaute und dabei unaufhörlich winkte. Sie mussten keine Sorge haben, dass ihr Gespräch von ihr mitgehört würde. Dazu war die Entfernung zu der Parkbank noch zu groß. Außerdem blies von dem gegenüber gelegenen Oberforsthaus ein kräftiger Wind herüber, der die Wortfetzen nach hinten in Richtung Flughafenstraße davontrug.
Der ältere der beiden Weißkittel mit dunkelbrauner Elvis-Frisur stieß seinem Kollegen leicht mit dem Ellbogen in die Seite und machte eine Kopfbewegung zu der Parkbank hin. „Da vorne. Das ist sie. Frau Gabriele Engler. Sie sah einmal sehr gut aus.“ Er fuhr sich mit dem Zeigefinger leicht über seinen kurz getrimmten Schnauzer und lachte auf. „Du verstehst, was ich meine, Jürgen? Du heißt doch Jürgen, oder? Ich habe alte Fotos von ihr gesehen, die sie auf ihrem Zimmer liegen hat. Super sieht sie darauf aus. Die hätte ich gern mal vernascht. Früher natürlich.“ Mit einem kräftigen Schnalzen der Zunge unterstrich er seine Bemerkung. Sein erhobener Zeigefinger vertrug sich nicht mit der Gleichgültigkeit seiner Stimmlage. „Sie ist noch gar nicht so furchtbar lange hier. Am Anfang sah sie längst nicht so schlimm aus wie heute. Sie hat sich in der kurzen Zeit wahnsinnig verändert. Jetzt wirkt sie viel älter. Ihr Gesicht ist maskenhaft starr, als hätte sie die Parkinson-Krankheit. Die Wangenknochen treten stark hervor. Sie wirkt so unnahbar, so seltsam unerreichbar.“
Sein Kollege blieb stehen, schaute ihn an und zuckte mit den Schultern. „Das ist jedenfalls nicht meine Kragenweite. Schon von der ganzen Haltung her nicht. Übrigens stimmt es. Ich heiße Jürgen. Steht ja auf dem Namensschild an meinem Kittel.“ Sein Finger tippte auf das Plastikschild. Dann sah er wieder auf. „Und du bist der Andreas.“ Er griff sich mit der Hand in den Nacken und straffte das rote Gummi um seinen blonden Pferdeschwanz. „Erzähl mal. Wieso wird denn um die Madame da drüben so viel Aufhebens gemacht? Ich bin zwar erst den dritten Tag hier. Trotzdem habe ich schon gemerkt, dass die Tussi hier aus dem Raster fällt. Jedenfalls reden alle viel von ihr. Warum eigentlich? Ist sie so reich oder etwas Besonderes? Hochadel oder so?“
„Weder noch. Als du dich hierher beworben hast, wusstest du doch, dass du in einem Zentrum für körperlich Schwerstbehinderte arbeiten wirst. Frau Engler hat aber kein körperliches Problem. Bei ihr ist der Fall anders. Sie tickt nicht richtig. Kapierst du?“ Er tippte sich an die Stirn. „Sie hat sie nicht alle, wie man so sagt.“
Der junge Mann trat von einem Fuß auf den anderen und zog sich den Kittel enger um den Körper. „Na und? Wo ist der Unterschied? Einige hier können nicht laufen, und sie hat halt nichts im Hirn. Weshalb ist das ein Thema? Und was ist eigentlich mit dem Baby? Wohnt das ebenfalls hier im Heim? Wer ist denn sein Vater? Es muss ja wohl einen dazu geben, oder?“
„Alles der Reihe nach. Warte, bis du alles gehört und gesehen hast. Pass auf! Ich erzähle dir, was ich weiß. Danach stelle ich dich ihr vor.“ Er macht eine Kunstpause. „Weshalb sie eines Tages ausgerechnet zu uns kam, kann ich dir nicht sagen. Eigentlich haben wir hier keine geistig Behinderten und sind nicht darauf eingerichtet. Du verstehst? Vielleicht hat sie Beziehungen. Egal! Das muss uns nicht stören. Aber ... es gibt ein Geheimnis um sie.“ Hörbar sog er die Luft ein. Seine buschigen Augenbrauen erreichten dabei fast den Haaransatz mit der Tolle. Er setzte eine Miene von höchster Wichtigkeit auf.
„Mach es nicht so spannend. Leg endlich los!“, sagte Jürgen.
„So viel kann ich dir verraten. Als sie hier einzog, brachte sie nichts mit außer einem Samowar. Das sind diese Dinger, mit denen die Russen ihren Tee zubereiten. Sie streichelt ihn manchmal und hütet ihn wie einen Augapfel. Vor ihrer Aufnahme hier bei uns soll sie völlig normal gewesen sein. Ganz plötzlich hat sie sich an nichts mehr erinnert. Sie hat praktisch ihr Leben vergessen. Nicht einmal ihren Namen wusste sie noch.“
Der Blonde runzelte die Stirn. „Wodurch ist sie denn so anders geworden? Hat sie irgendeine spezielle Krankheit?“
Andreas schnellte mit einem Ruck die Elvis-Tolle nach hinten. Er streckte eine erhobene Hand aus, als wollte er sich gegen Zudringlichkeiten wehren. „Das weiß ich nicht. Den Auslöser für ihren Gedächtnisverlust kennt niemand. Es ist ein Geheimnis, haben die Typen gesagt. Niemand weiß etwas darüber. Ich glaube, nicht einmal unser Chef.“
„Welche Typen? Waren das Besucher von ihr?“
Der Elvis-Verschnitt winkte ab. „Blödsinn! Sie kriegt keinen Besuch. Als einzige Patientin in unserem Haus.“
„Woher nimmst du deine Weisheiten?“
„Von den Leuten, die sie damals brachten. Von wem sonst? Wer die waren, weiß ich nicht. Sie haben sich mir nicht vorgestellt und kamen nie wieder hierher.“
Jürgen trat vor Andreas und richtete erneut seinen Pferdeschwanz. „Du hast mir noch nicht erzählt, was mit dem Vater ihres Kindes los ist. Wo lebt der? Kommt er Frau Engler und sein Kind auch nicht besuchen?“
Andreas hob die Schultern. „Wenn ich das alles wüsste. Keiner kennt ihn. Er war nie hier. Post bekommt sie auch keine von ihm.“
„Und das Kind? Ist es vielleicht so krank oder so entstellt, dass sie davon einen Schock bekommen hat?“
Der falsche Elvis schüttelte den Kopf und forderte mit einer Handbewegung zum Weitergehen auf. „Ohne Worte! Schau dir selbst an, wie die Dinge liegen.“
Die beiden Pfleger näherten sich der Parkbank. In diesem Moment beugte sich Gabriele Engler über den Kinderwagen und versteckte rasch einen Zeitungsausschnitt in einem Seitenfach. Anschließend griff sie unter den Baldachin. Ihre Hand machte Streichelbewegungen. Andreas zog Jürgen am Ärmel des Kittels ganz nahe vor die Bank. „Guten Tag, Frau Engler! Darf ich Ihnen unseren neuen Mitarbeiter vorstellen? Das ist der Jürgen. Sie dürfen ihn ebenfalls beim Vornamen rufen.“
Ein breites Lächeln des jüngeren Pflegers unterstrich sein Einverständnis. Jürgen streckte Frau Engler seine rechte Hand entgegen. Er betrachtete ihr auffallend schönes Gesicht, das von einer dunkelbraunen Kurzhaarfrisur umrahmt wurde, die feine Nase und die dunkelroten vollen Lippen. Einige Kummerfalten auf der Stirn und um die Mundwinkel schienen neu zu sein und passten so gar nicht zu den ansonsten ebenen Gesichtszügen. An ihren großen hellblauen Augen blieb sein forschender Blick länger haften. Auch sie waren wunderschön. Trotzdem irritierte ihn etwas. Es lag nicht an der rötlichen Narbe, die bis zur linken Augenbraue reichte. Er musste einen Moment überlegen, bis es ihm klar wurde.
Diese Augen strahlten nicht. Sie hatten allen Glanz verloren.
Trotzdem zog ihn irgendetwas an Gabriele Engler magisch an und machte ihm zugleich Angst. Da stand so ein merkwürdiger Widerspruch in ihren Gesichtszügen. Einerseits eine greifbare Verletzlichkeit, dann aber wieder eine fast erotische Ausstrahlung. Etwas Eroberndes, das seine Begehrlichkeit weckte.
Für einen Augenblick beneidete Jürgen den ihm unbekannten Mann, der Gabriele Engler hatte so nahe sein dürfen, dass aus der Beziehung ein Kind hervorgegangen war. Gleichzeitig konnte er jedoch die Bemerkung seines Kollegen nachvollziehen, der vorhin mehr oder weniger von einem abgeblätterten Charme gesprochen hatte. Die Spuren ihres Lebens hatten Gabriele Engler viel früher gezeichnet, als es von ihrem Lebensalter her zu erwarten gewesen wäre.
Plötzlich wurde Jürgens Interesse durch eine Körperbewegung von Frau Engler gestört. Gabriele Engler richtete sich auf, schaute an den beiden Männern vorbei und blieb reglos auf der Bank sitzen. Ihr zitternder Blick verlor sich irgendwo in der Ferne.
Mit einer vorsichtigen Drehbewegung wandte sich Jürgen dem Kinderwagen zu. „Darf ich mir das Kleine mal ansehen?“
Als Frau Engler nicht reagierte, schaute er hinein. Im gleichen Augenblick gefror sein Lächeln. Sein Gesichtsausdruck wies Ratlosigkeit und Erschütterung zugleich auf.
Der Kinderwagen war leer.
So leer wie Gabriele Englers Augen.

1. Kapitel

Der Mann schaute sich nach allen Seiten um. Sein Blickfeld war durch die Sturmhaube über seinem Gesicht stark eingeschränkt. Er drückte sich in den Schatten vor dem mächtigen Eckhaus. Die halbhohen Sandsteinsäulen in geringer Entfernung von der Eingangstür gaben ihm zusätzlichen Sichtschutz. Zudem bewahrten ihn die sternenlose Nacht und seine matte schwarze Bekleidung davor, entdeckt zu werden.
Für wenige Sekunden schloss er die Augen und atmete tief durch. Das gleichförmige Geräusch der rollenden Wellen auf dem Main beruhigte ihn. Dafür hatte offenbar der erhebliche Tiefgang von zwei Schleppern gesorgt, deren Wasserverdrängung das rhythmische Klatschen gegen die Ufermauer verursachte. Oder gab es einen anderen Grund? Fuhren überhaupt zu dieser Zeit noch Schiffe? Er entschied sich, diesen Fragen nicht weiter nachzugehen.
Die Konzentration bei der heimlichen Annäherung an das Museum auf dem Schaumainkai hatte ihn angespannt. Ihm war entgegengekommen, dass die Straße zu dieser späten Zeit unbelebt war. Die angrenzenden Wohngebiete Sachsenhausens lagen einige Schritte weiter weg.
Er bückte sich nach einer Segeltuchtasche, die geöffnet vor ihm auf dem Boden lag. Ohne jede zusätzliche Lichtquelle fanden seine Finger das Werkzeug.
Mit einer geübten Bewegung setzte er das Stemmeisen zwischen der Eingangstür und ihrem Rahmen an. Obwohl er etwas Kraft aufwenden musste, verursachte er keinen Laut.
Der Mann lauschte, als wartete er auf etwas. Dann zog er den Türgriff an sich heran. Es lag nicht an der Außentemperatur, dass er schwitzte. Mit einem unterdrückten Grunzen presste er sich gegen die Tür.
Sie gab nach. Er ließ sie einen Spalt offen stehen. Sein Werkzeug legte er wieder zurück in die Tasche. Er nahm diese an sich und klemmte sie unter den Arm.
Ein weiteres Mal wanderte sein Blick zu den Nachbarhäusern. Alles blieb dunkel. Es hätte auch mit dem Teufel zugehen müssen, wenn sich zu dieser späten Stunde noch jemand in einem der Museen aufgehalten hätte. Aufgereiht wie an einer Perlenkette verjüngten sich die prachtvollen Gebäude entlang des Mainufers und verloren sich im Nichts.
Wie eine Katze schob sich der Mann durch die Eingangstür in das Haus. Die Tür lehnte er von innen an.
Um ihn herum war es stockdunkel. Trotzdem wagte er es noch nicht, seine Mini-Taschenlampe anzuschalten. Er verharrte, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Mit den Händen tastete er sich zügig an der Wand entlang. Ein Beobachter hätte keinen Zweifel gehabt, dass der Mann die Aufteilung der Räume des Hauses kannte. Seine Bewegungen zeigten, dass er sogar mit den Abmessungen vertraut war.
Nach wenigen Metern glitt er nach rechts in einen größeren Raum. Durch die bodentiefen Fenster fiel eben noch so viel schwaches Licht von außen hinein, dass die Konturen der Inneneinrichtung zu erahnen waren.
Als der Mann die jeweils an beiden Seiten der Fensterflügel herunterhängenden Zugleinen betätigte, schlossen sich die schweren Lodenvorhänge und dichteten die Fensterscheiben weitgehend ab. Ihm fiel an der Führungsschiene des äußeren Fensters ein Defekt auf, der dort ein nahtloses Zusammengehen der Vorhänge verhinderte. Mehrmals zerrte er noch an der Zugleine, ohne das Problem beheben zu können. Er quittierte es mit einem Schulterzucken. Es gab eben Dinge, die selbst der höchsten Perfektion bei der Vorbereitung widerstanden. Vorsorglich würde er darauf achten, die Deckenlampe so bald wie möglich wieder auszuschalten.
Erst jetzt knipste er seine Taschenlampe an und nahm die Sturmhaube ab. Der schmale Lichtkegel wanderte zu einer flachen Deckenleuchte und anschließend zu dem zugehörigen Wandschalter. Nachdem er ihn betätigt hatte, verbreitete sich ein schummriges Licht. Er holte ein Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der schwache Lichtschein würde kaum wahrnehmbar nach draußen fallen.
Mit ein paar Schritten war er bei einem Wandregal. Dort betrachtete er das in mehreren Etagen ausgelegte Informationsmaterial. Er sichtete in schneller Abfolge einige Exemplare.
Die längste Zeit hielt er sich mit den Fotos auf. Seine Suche schien erfolgreich verlaufen zu sein. Er brach sie ab. Einige aussortierte Exemplare legte er obenauf.
Danach wandte er sich einem kleinen Nebenraum zu, dessen Tür offen stand. Durch eine schmale Öffnung in der Wand schob sich das Objektiv eines Filmvorführgeräts.
Gegenüber hing im Nachbarraum eine große weiße Leinwand von der Decke herab. Seitlich davon prangte eines der Werbeplakate mit dem Leitmotiv des Themas der Woche. Es zeigte das Foto eines Mannes mit langem schwarzem Bart im Kreise seiner Familie. Die Bekleidung der Personen wirkte antiquiert. Die Fotoaufnahme war verblichen und vergilbt. Sie erinnerte an die Anfänge der Fotografie.
Der Mann schaltete das Vorführgerät ein. Ein flimmernder Lichtstrahl verbreitete sich auf der Leinwand in dem Vorführraum nebenan. Er betätigte die Funktionstasten, ohne lange zu suchen.
Die ersten schwarz-weißen Bildsequenzen erschienen auf der Leinwand. Als er die abgehackten Bewegungen der gezeigten Personen sah, musste er lachen. Es handelte sich unverkennbar um sehr alte Aufnahmen.
Die Personen in dem Film stimmten mit der auf dem Werbeplakat abgebildeten Familie überein.
Er spulte den Film im Schnelllauf weiter. Als die Motive, die er suchte, auftauchten, drückte er die Stopptaste. Dann huschte er zurück in den Vorführraum.
Der kleine Saal war teilweise wie ein Kino bestuhlt. Von einer der Wandseiten verlief ein halbkreisförmiges Podest in das Zimmer hinein. Drei Treppenstufen führten zu dieser Bühne hinauf.
Mit einem ansatzlosen Sprung nahm der Mann die Treppe. Er arrangierte auf der Mitte des Podests einen Tisch und stellte einen hölzernen Stuhl dahinter. Anschließend holte er seine Segeltuchtasche. Seine Hand glitt hinein. Zuerst zog er ein goldenes Osterei hervor, das zahlreiche Verzierungen aus bunten Steinen aufwies. Sie waren mit Gold- und Silberdrähten befestigt. Vorsichtig legte er es wieder zurück. Im Anschluss daran ertastete seine Hand einen Hammer und eine Schachtel mit langen Nägeln.
Danach öffnete er den Reißverschluss zum Vorderfach der Tasche. Mit einer behutsamen Handbewegung fuhr er hinein.
Er grunzte. Sie war da. Die Pistole fühlte sich kalt an. Er empfand ihre Temperatur als angenehm. Das würde jedenfalls ihrer Funktionsfähigkeit nicht entgegenstehen.
Seiner Erinnerung nach hatte die Waffe ihm noch nie das Gefühl von Wärme vermittelt. Er entsicherte sie und steckte sie griffbereit ein.
Noch einmal spielte er sein Vorhaben in Gedanken durch. Sein prüfender Blick ging in die Runde. Er war sicher, an alles gedacht zu haben.
Mit einiger Mühe zog er den Ärmel seines eng anliegenden schwarzen Trikots zurück. Seine Armbanduhr verriet ihm, dass er die Vorbereitungen innerhalb der geplanten Zeit abgeschlossen hatte.
Nun blieben ihm noch fünfzehn Minuten, sein Äußeres so zu verändern, wie es sein Besucher erwarten würde. Schließlich durfte er bei seinem Vorhaben kein Misstrauen erwecken.
Als er fertig war, drehte er den Dimmer für die Raumbeleuchtung auf die minimale Stufe. Sie ließ nicht viel mehr als schemenhafte Wahrnehmungen zu. Angesichts der Legende, die er aufgetischt hatte, würde dies nicht auffallen.
Er bewegte sich zurück zur Eingangstür. Sein Gast konnte kommen. Er würde einen anderen Vorschuss erhalten, als er erhoffte.

2. Kapitel

Als Dennis Hauschild mit gemessenen Schritten das in der Schönen Aussicht am nördlichen Mainufer gelegene neue Literaturhaus über die Außentreppe verließ und auf die Ignatz-Bubis-Brücke zuging, war der Abend schon fortgeschritten. Auf der Mitte der Brücke drehte er sich noch einmal um und sah, wie gerade die Außenbeleuchtung an dem Gebäude erlosch. Sofort wurde die eben noch strahlend weiße Fassade von dem Dunkel der Nacht verschluckt. Er mochte diesen Bau, dessen neoklassizistisches Portal Urlaubserinnerungen in ihm wachrief. Deshalb war er heute auch wieder dort gewesen, um sich eine Autorenlesung anzuhören. Die Präsentation war nicht allzu überzeugend ausgefallen, aber die anschließenden Gespräche mit einigen Besuchern bei dem einen oder anderen Gläschen Wein hatten ihn entschädigt. Dabei war er nach seinem Verständnis anständig genug gewesen, sich mit seiner Kritik zurückzuhalten. Als studierter Kunsthistoriker fühlte er sich auf dem Gebiet der anspruchsvollen Literatur nicht ausreichend kompetent. Hinzu kam, dass er gegenwärtig mangels einer adäquaten Anstellung sein Geld mehr schlecht als recht mit Sensationsjournalismus als freier Mitarbeiter bei einer Boulevard-Zeitung verdiente.
Ein Anflug von Müdigkeit ließ ihn lauthals gähnen. Peinlich berührt schaute er sich um. Erleichtert stellte er fest, dass er alleine auf der Brücke war. Mit beiden Händen hielt er sich am Brückengeländer fest und schaute auf das monoton gegen den Brückenpfeiler schlagende Wasser. Langsam ließ er seinen Blick mit der Strömung des Flusses zu den hell beleuchteten Türmen der Großbanken jenseits vom Eisernen Steg wandern.
Hauschild seufzte. Ohne Zweifel wurden dort gerade wieder Szenarien durchgespielt, die Stoff für mehrere brisante und damit für ihn einträgliche Presseberichte abgeben würden. Realistisch gesehen gab es für ihn nicht den Hauch einer Chance, an irgendeine einschlägige Information zu kommen. Wenn nur die Eintönigkeit des Abends von irgendeinem vergleichbaren Ereignis durchbrochen würde, das ihm eine Geschichte liefern und damit ein paar Scheine in sein angespanntes Portemonnaie spülen würde.
Irgendwann wollte er zurück in seinen erlernten Beruf. So viel stand für ihn fest. Davon versprach er sich die Sicherung seiner Existenz. Endlich ein festes Gehalt einplanen können. Dann könnte er auch an eigene Kinder denken. Vorher nicht! Wenn nur die Lage am Arbeitsmarkt eine hoffnungsvollere Entwicklung erwarten ließe. Die vor nicht allzu langer Zeit erfolgte Hochzeit mit seiner Frau Susanne hatte schwere Spuren in seiner Brieftasche hinterlassen. Die Einrichtung einer neuen Wohnung im Herzen von Sachsenhausen, ein kleines Zweitauto und die aufwändige Hochzeitsfeier hatten Löcher in seine Kasse gerissen. Seine Frau hatte sich mangels Ersparnissen nicht viel an den Kosten beteiligen können.
Als Hauschild seinen Nachhauseweg in Richtung Museumsufer fortsetzte, wusste er noch nicht, dass sich sein heimlich gehegter Wunsch nach einer satten Sensationsreportage in Kürze erfüllen und er in wenigen Minuten dem zynischen Versuch gegenüberstehen würde, ein Mordopfer als Kunstwerk zu präsentieren.
Kurz vor dem Filmmuseum hielt er inne. Irgendetwas Unbestimmbares hinderte ihn weiterzugehen. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass der Fetzen Helligkeit in der Fensterscheibe neben dem Eingang des Gebäudes nicht durch die Spiegelung einer äußeren Lichtquelle hervorgerufen wurde. Der kaum wahrnehmbare, diffuse Schein verlor sich nach wenigen Sekunden wieder im Innern des Raumes. Hauschild starrte gebannt die nun wieder ins Dunkle gehüllte Scheibe an. Nach nicht einmal einer halben Minute gewahrte er dasselbe Schauspiel. Erneut huschte offenbar ein Lichtkegel durch das Zimmer und traf für einen winzigen Moment so auf das Fenster, dass ein hauchdünner Strahl nach außen gelangte.
Hauschild stand wie angewurzelt da. Krampfhaft dachte er darüber nach, ob er näher auf das wieder ins Dunkel getauchte Haus zugehen sollte. Er war unentschlossen.
Auf einmal überschlugen sich die Ereignisse. Hauschild war außerstande, die Flut seiner Wahrnehmungen in eine Reihenfolge zu bringen. Ein markerschütternder Schrei zerriss die Stille der Nacht. Er ging mit einigen dumpfen Geräuschen einher, als wäre gerade jemand dabei, einige schwere Holzklötze zu spalten. Die infernalische Geräuschkulisse wurde noch durch einen Laut ergänzt, der Hauschild an das Entkorken einer Sektflasche erinnerte. Oder hatte er diesen dumpfen Ton zuerst vernommen? Alles war so schnell gegangen.
Hauschild fröstelte. Er gestand sich ein, dass er Angst hatte. Es war die Furcht vor etwas Unbekanntem. Seine Phantasie reichte nicht hin, sich auszumalen, was in diesem Museum gerade vorging.
Unvermittelt lächelte er vor sich hin. Was war er doch für ein Angsthase! Und das nannte sich Sensationsreporter. Einer wie er, der zusammenschrak, wenn nur ein paar schaurige Geräusche auf ihn einströmten. Er reckte sich zu seiner vollen Größe auf, strich sich mit einer Hand über seine kurz geschnittenen dunkelblonden Haare und stellte fest, dass seine Therapie zur Bekämpfung seiner Ängstlichkeit nicht funktionierte. Es führte kein Weg daran vorbei, dass seine Hand unkontrollierbar zitterte. Regelmäßige Besuche im Fitnessstudio und diverse Tätowierungen auf den muskulösen Armen und dem gesamten stämmigen Oberkörper hatten zu seinem Bedauern bislang nicht dazu beigetragen, einen Helden aus ihm zu machen.
Er atmete mehrmals tief durch. Es half nicht. Noch immer klopfte sein Herz so stark, dass er den Widerhall an seinen pochenden Schläfen und am Klopfen in den Ohren bemerkte. Er presste seine verschwitzten Handflächen zusammen und schimpfte sich einen Jammerlappen.
Plötzlich kam ihm eine Idee, die sich beruhigend auf sein Nervenkostüm auswirkte. Natürlich! Der Bau da drüben war schließlich das Filmmuseum. Es konnte nur so sein, dass dort ein Film lief. Das erklärte sowohl den Lärm als auch die gelegentlichen Beleuchtungsfetzen. Mochte es für eine Vorführung auch schon ungewöhnlich spät sein. Vielleicht war es irgendein Themenabend mit Überlängen. Wahrscheinlich gab das Plakat, das am Eingang angebracht war, darüber näheren Aufschluss.
Er überquerte den Schaumainkai und näherte sich dem Gebäude. Ein anderer Gedanke schoss ihm durch den Kopf und ließ ihn mitten auf der Straße verharren. Wieso war es auf einmal mit der Geräuschkulisse vorbei? Warum gab es keinen einzigen Lichtstrahl mehr? Weshalb wurde die Raumbeleuchtung nicht eingeschaltet, wenn jetzt die Vorführung beendet sein sollte?
Hauschild kam nicht mehr dazu, Antworten auf seine Fragen zu finden. Plötzlich flog mit einem Ruck die Eingangstür auf. Seine Augen wurden vom Strahl einer Taschenlampe getroffen. Er war sofort geblendet und konnte deshalb das weitere Geschehen nicht beobachten. Auch seinem Drang, wegzulaufen und sich damit aus der Gefahr zu begeben, konnte er nicht folgen. Mit beiden Händen rieb er sich die Augen, weil er glaubte, dadurch wieder sehen zu können. Enttäuscht registrierte er, dass sich sein Sehvermögen nicht besserte. Er zwinkerte mehrfach und formte die Augen zu Sehschlitzen.
Da traf ihn von der Seite ein harter, kräftiger Schlag in die Magengrube. Hauschild ging stöhnend zu Boden und spürte einen stechenden Schmerz, der ihm das Atmen erschwerte. Der Stoß zwang ihn, nach Luft zu schnappen. Gleichzeitig meinte er, mit jedem Atemzug einen Messerstich in die Brust zu erhalten.
Vorsichtig stemmte er sich vom Boden ab und zog seine Knie nach vorn. Als er sich gänzlich aufrichten wollte, drehte er sich instinktiv zum Main hin. In der spärlichen Beleuchtung der Straßenlampen sah er in einigen Metern Entfernung dort gerade noch einen Mann nach unten zum Fluss gehen. Der Mann war zu weit weg, als dass Hauschild ihn noch hätte genauer erkennen können. Auch die Farbe seiner Kleidung hatte die Nacht schon verschluckt. Es war lediglich eine Auffälligkeit, die er sich einprägte. Das Licht von oben reflektierte auf einer hellhäutigen Glatze. Dann war der Schemen verschwunden.
Hauschild überlegte, was zu tun sei. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Das mochte eine Folge des Schlages in den Bauch sein. Er meinte, auf einem Karussell zu sitzen, das sich in rasender Geschwindigkeit drehte. Seinem Gefühl nach klopfte jemand mit einem harten Gegenstand rhythmisch gegen seine Schläfen. Das monotone Pochen verursachte ihm Übelkeit. Er wünschte sich, sofort etwas dagegen tun zu können, doch ihm fehlte jede Phantasie für eine geeignete Behandlung. Jedenfalls würde er seinen Zustand zu Hause mit einer Kopfschmerztablette bekämpfen. Für den Augenblick galt es, sich zusammenzureißen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hielt er den Schlüssel für eine ungewöhnliche Story in den Händen. Er war nur noch unschlüssig, wie er diese Erkenntnis konkret umsetzen sollte.
Sollte er die Gelegenheit nutzen und durch die offen stehende Eingangstür in das Filmmuseum gehen? Vielleicht bot sich ihm dort der Stoff für eine aufsehenerregende Reportage. Zudem führte er eine kleine Digitalkamera mit sich. Für alle Fälle. Andererseits war er sich darüber im Klaren, dass er mit dieser Vorgehensweise etwas Unerlaubtes tun würde. Außerdem war nicht gesagt, dass er in dem Gebäude nicht noch weitere Personen antreffen würde. Eine solche Begegnung könnte für ihn gefährlich sein.
Als Alternative bot sich nur an, die Polizei anzurufen. Mit der Folge, dass seine Story vielleicht nur noch mit gefilterten Informationen aus deren Hand geschrieben werden könnte. Das erschien ihm längst nicht so verlockend.
Seine Neugier und der Hunger nach einer Sensationsgeschichte kämpften mit seiner Angst. Er schaute sich um, ob ihn jemand beobachtete. Nichts! Alles blieb still. Im Schatten, den die spärliche Straßenbeleuchtung hinterließ, schlich er sich an den Eingang des Gebäudes heran. Die Tür war aufgebrochen und nur angelehnt. Er schlüpfte in das Haus. Die Innenräume lagen vollständig im Dunkeln. Hauschild wagte nicht, das Licht einzuschalten. Er benötigte eine Weile, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann tastete er sich zum Vorführsaal heran. Mit dem Rücken glitt er an der Wand bis zur Fensterseite entlang. Er fühlte die herabhängenden Vorhänge und schlug sie vorsichtig zurück. Etwas Außenlicht der Laternen drang nun in den Raum.
Jetzt drehte sich Hauschild um. Er zuckte zurück. Der Anblick des gegenüberliegenden Podests überstieg alle seine Vorstellungen. Was sich ihm hier bot, war ein inszeniertes, nicht mehr steigerungsfähiges Grauen. Obwohl er aufgrund der schwachen Beleuchtung nur Umrisse von Konturen und ein schemenhaftes Arrangement erkennen konnte, gefror ihm das Blut. Er bekam einen heftigen Schweißausbruch und zitterte am ganzen Körper. Endlich gelang es ihm, seine kleine Digitalkamera aus der Hosentasche zu ziehen. Er musste sie fest umklammern, damit sie ihm nicht aus der Hand fiel. Mehrmals redete er sich zu, jetzt so kurz vor dem Ziel nicht aufzugeben. Dann gelang es ihm schließlich, eine Aufnahme zu machen. Aus Sorge, er könnte das Bild wegen seiner zitternden Finger verwackelt haben, drückte er noch mehrmals nacheinander auf den Auslöser. Sofort verbarg er die Kamera wieder in der Tasche und stürzte Hals über Kopf ins Freie.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite blieb er stehen. Sein Atem ging stoßweise. Er rief sich zur Ruhe. Nach einigen kontrollierten Atemzügen gelang es ihm, seine Gedanken zu ordnen und das weitere Vorgehen zu überdenken. Was sollte er tun? Weglaufen und die Fotos sichern?
Wie so häufig, wenn er nicht mehr weiter wusste, entschied er sich, seine Frau um Rat zu fragen. Er zückte das Mobiltelefon und erreichte sie. Sie legte ihm dringend nahe, die Polizei zu verständigen, bevor er vielleicht selbst in Verdacht gerate. Schließlich wisse man nie, welche Spuren und Beobachtungen es gebe. Hauschild versprach es und kündigte an, in Kürze zu Hause zu sein. Erst jetzt fiel ihm auf, dass seine Frau nur geflüs­tert hatte. Er beruhigte sich damit, dass er sie wohl in einer Besprechung gestört hatte. Immerhin arbeitete sie in letzter Zeit abends sehr lange.
Nach kurzem Zögern griff er erneut zu seinem Handy und wählte die Nummer der Polizei. Schon nach dem zweiten Klingelton stand die Verbindung. Eine männliche Stimme meldete sich.
„Polizeipräsidium Frankfurt.“
Hauschild zögerte. Die Situation war für ihn neu. Er hatte vor dem Anruf nicht ausreichend über seine Wortwahl nachgedacht. Das lag wahrscheinlich an seinen Kopfschmerzen. Nun musste er aufpassen, dass er nicht alles verpatzte. „Mein Name ist Hauschild.“ Wieder wartete er kurz ab. Sollte er verraten, dass er Journalist war? Ohne einen Grund dafür nennen zu können, entschied er sich zunächst dagegen. Seine Wahrnehmungen vor dem Museum fasste er in einem einzigen Satz zusammen, weil er keinen Verdacht aufkommen lassen wollte, in dem Gebäude gewesen zu sein. Er beschloss, vor allem zu erzählen, was ihm passiert war. „Ich bin gerade am Mainufer überfallen worden, etwa in der Höhe des Eisernen Stegs.“
Der Beamte unterbrach ihn. „Einen Moment. Ich verbinde Sie weiter.“
Eine Melodie wurde eingespielt, die Hauschild bekannt vorkam. Es war ein klassisches Thema. Ein knappes Rauschen in der Leitung folgte. „Köhler vom K 11. Sie wünschen?“
Während des Wartens hatte Hauschild sich dazu durchgerungen, seine Interessen deutlich ins Gespräch zu bringen. „Hier ist etwas Mysteriöses passiert. Ich bin Journalist und war auf dem Nachhauseweg.“
„Stopp. Sagen Sie mir zuerst, wie Sie heißen, wo genau Sie sich aufhalten und was Ihnen zugestoßen ist. Mein Kollege, der uns verbunden hat, sprach von einem Überfall. Trifft das zu?“
„Schon. Von größerer Bedeutung dürfte jedoch sein, was zuvor geschehen ist. Das kann ich aber nicht sicher sagen, weil ich das Ganze nur von draußen miterlebt habe und nicht von Anfang an dabei war.“
„Noch einmal kurz der Reihe nach. Sonst können wir uns nicht schnell genug um die Sache kümmern.“
„Gut! Hauschild ist mein Name, Dennis Hauschild. Da ist noch ein kleines Problem, das ich gerne vorab ansprechen möchte. Ich bin nämlich Journalist.“
„Wo ist das Problem? Herr Hauschild, ich muss Sie jetzt auffordern, mir unverzüglich die Ernsthaftigkeit Ihres Anrufs deutlich zu machen. Sie blockieren sonst die Leitung für andere wichtige Angelegenheiten.“
„Ich verstehe Sie und werde mich bemühen, mich kurz zu fassen. Würden Sie mir gestatten, mit dabei zu sein? Bitte haben Sie Verständnis für mein Anliegen. Ich verdiene mein Geld damit, über solche Vorfälle zu berichten.“
„Wir werden uns schon verständigen und Ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten entgegenkommen. Jetzt aber Butter bei die Fische!“
Hauschild gewann aufgrund der Tonlage Köhlers den Eindruck, dass es unklug von ihm gewesen wäre, konkretere Zugeständnisse einzufordern. „Ich stehe vor dem Filmmuseum am Main. Als ich in die Nähe kam, habe ich einen markerschütternden Schrei und ungewöhnliche Geräusche wie von rhythmischen Schlägen gehört. Außerdem einen dumpfen Knall. Wie ein explodierender Pfropf. Zuerst dachte ich, es handele sich um die Tonkulisse zu einer Filmvorführung. Dann stürzte ein Mann aus dem Gebäude und rannte an mir vorbei. Dabei versetzte er mir einen Faustschlag, dass ich zu Boden ging.“
„Danke, das genügt. Wir kommen. Es wird nicht lange dauern. Wir melden uns, sobald wir da sind.“
„Sie finden mich auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wo die Bäume stehen. Außer mir hält sich jedenfalls zur Zeit niemand in der Nähe auf.“
Nachdem Hauschild das Gespräch beendet hatte, schaute er sich nach allen Seiten um. Dann holte er seine Kamera hervor und sah sich die vor wenigen Minuten gemachten Aufnahmen auf dem Display an.
Wieder musste er gegen das Zittern seiner Hände ankämpfen. Etwas derart Entsetzliches hatte er noch nie gesehen. Er musste mehrmals schlucken, weil es ihn würgte.
Als ihm bewusst wurde, welchen Wert die Fotos für ihn hatten, hängte er sich die Kamera um den Hals. Sie sollte ihm keinesfalls durch eine unbedachte Bewegung verloren gehen. Diese Bilder konnten für ihn den beruflichen Durchbruch bedeuten.
Der aufkommende frische Wind erzeugte in den Kronen der Platanen am Mainufer ein monotones Rauschen. Mit einem unerklärlichen Angstgefühl drehte sich Hauschild um. Nichts! Es waren nur seine Nerven.
Mit festem Griff umklammerte er seine Kamera. Ein Lächeln umspielte seine Lippen.

3. Kapitel

Die Vielzahl der in buntem Schaumgummi verpackten Mikrofone, die den Politikern auf dem Podium im Bürgerhaus des Frankfurter Stadtteils Bornheim entgegengestreckt wurde, glich einem bunten Blumenstrauß. Der Andrang an Reportern hätte nicht größer sein können, wenn die Fußballmannschaft der Frankfurter Eintracht an diesem Tag ihre zweite Deutsche Meisterschaft errungen hätte. Unzählige Arme wurden in die Luft gehalten und bemühten sich gleichzeitig, die Konkurrenz auf Distanz zu halten. Jeder Sender, ob öffentlich-rechtlich oder privat, gierte nach einem Statement. In ersten Ansätzen versuchten einige Medienvertreter des Fernsehens, mit Handkameras über die seitlichen Treppen nach oben zu den fünf Menschen zu gelangen, die hinter ihren Namensschildern, von der eigenen Bedeutung sichtlich beeindruckt, ihren Platz behielten. Alle Reporter gestikulierten wild durcheinander und richteten trotz unvorstellbarer Lautstärke unverständliche Fragen in Richtung der Bühne. Die Geräuschkulisse war mit dem Geschäftsgebaren der Händler an der Frankfurter Börse vergleichbar. Ein unbeteiligter Beobachter wäre jede Wette eingegangen, dass dieses Chaos nur noch durch ein unvorhersehbares und unbeherrschbares Geschehen von der Dimension eines Urknalls aufgelöst werden könnte.
Die Podiumsdiskussion im Bürgerhaus anlässlich der bevorstehenden Landtagswahl mit den innenpolitischen Sprechern der im Hessischen Landtag vertretenen Parteien ging an diesem Abend nach fast zwei Stunden Dauer zu Ende. Es hatte zahlreiche Fragen aus dem Publikum gegeben, die erwartungsgemäß durch unangebracht lange und nicht immer sachbezogene Stellungnahmen der Politiker zerredet worden waren. Insbesondere die mehrfach artikulierten Sorgen über ausreichendes Personal bei der Polizei, genügend Polizeireviere im Stadtgebiet und die angemessene Bekämpfung von Kriminalität in tatsächlichen oder empfundenen Problemzonen hatten eher diplomatische Antworten nach sich gezogen. Dementsprechend verließen die Zuhörer den voll besetzten Versammlungsraum überwiegend unzufrieden.
Die Moderatorin des Abends, Martina Jänicke, eine populäre Journalistin des Hessischen Rundfunks, gab sich angesichts der zahllosen auf das Podium gerichteten Kameras ihrer Kollegen Mühe, die ihr ins hübsche Gesicht geschriebenen Zeichen der Anstrengung zu verbergen. Die Pflicht, für zeitlich annähernd ausgewogene Beiträge zu sorgen, hatte sie offensichtlich Kraft gekostet. Nachdem die Volksvertreter ihre Statements in der Schlussrunde noch einmal viel zu lange für Hinweise zur Schulpolitik und zum Flughafenausbau genutzt hatten, zuckte sie resignierend mit den Schultern und betrachtete erleichtert das abwandernde Publikum.
Einige Köpfe der Reporter gingen zwischen dem Podium und dem Saal hin und her. Es war ihnen anzusehen, dass sie gerne außer dem einen oder anderen politischen Statement noch ein paar Kommentare der Bürger eingefangen hätten.
Holger Christmann, der Vertreter der Bürgerlichen Partei, erfasste zuerst die sich bietende Gelegenheit für einen weiteren wirkungsvollen Auftritt. Spontan erhob er sich und ging auf die Medienvertreter zu. Diese stürzten ihm dankbar entgegen. Allen voran das Team des Hessischen Rundfunks. „Herr Christmann, Sie waren lange Zeit als Abgeordneter für Ihre Partei im Wirtschaftsausschuss und galten als Lobbyist. Seit kurzer Zeit sind Sie innenpolitischer Sprecher und werden bei einem Wahlsieg als künftiger Innenminister gehandelt. Das wirft Fragen auf. Frankfurt gilt als die Hauptstadt des Verbrechens. Bitte sagen Sie unseren Zuschauern, mit welchem polizeilichen Konzept Sie für den Fall der Regierungsübernahme die Angst der Frankfurter Bürgerinnen und Bürger zerstreuen wollen.“
Christmanns ausgeprägte Stirnfalte wie auch seine eingekerbten Mundwinkel glätteten sich geringfügig. Sein generell eher misstrauischer Gesichtsausdruck nahm die Schmeichelei auf und zeigte sich entspannt. „Zunächst stelle ich fest, dass es keinen Grund zur Sorge gibt. Frankfurt ist nicht krimineller als andere Großstädte in unserem Land. Wenn Sie überlegen, dass sich durch den Zustrom von Reisenden auf dem Flughafen die Bevölkerungszahl der Stadt tagtäglich verdoppelt, sind wir nach der Kriminalstatistik eher unauffällig.“
„Heißt das, Sie wollen es bei der bisherigen Sicherheitspolitik belassen?“
Mit einer ausholenden Handbewegung kündigte Christmann seine bevorstehende Antwort an. Er öffnete und schloss mehrfach den Mund, so als würde er kauen. „Sehen Sie, Sicherheitspolitik muss sich an den bestehenden finanziellen und damit auch personellen Möglichkeiten orientieren. Natürlich wird meine Partei grundsätzliche Änderungen durchsetzen, um die verheerenden Fehler der alten Regierung zu beheben. Wir werden die Polizei von Grund auf neu organisieren und damit auf bestehende Schwachstellen reagieren. Diese Änderungen werden unmittelbar bei den Bürgern ankommen.“
„Könnten Sie uns ein Beispiel geben?“
„Das Wesentliche habe ich schon in der heutigen Podiumsdiskussion dargelegt. Wir werden die Ebenen überprüfen und den hierarchischen Wasserkopf abschaffen. Dadurch setzen wir Personal für die Straße frei.“
Der Reporter hörte nicht mehr zu. „Vielen Dank, Herr Christmann.“ Abwesend schaute er zu seinem Kameramann. „Haben wir das im Kasten? Ich möchte nachher noch einen Kommentar aufsprechen, sonst versteht ja niemand, worum es geht.“
Auf dem Podium bedankten sich zwischenzeitlich die übrigen Politiker, ohne Ausnahme allesamt Männer, bei Martina Jänicke formvollendet für die faire Gesprächsleitung. Auch sie suchten die Gelegenheit, sich medienwirksam in Szene zu setzen.
Nachdem die Journalisten die Technik eingepackt und den Saal verlassen hatten, standen die Vertreter der politischen Parteien mit Martina Jänicke noch eine Weile beisammen und tranken ein Glas Wein. Christmann gesellte sich wieder hinzu. Unter sich traten alle jetzt eher wie die Mitglieder eines harmoniebetonten Gesangvereins auf. Die politischen Gegner, die sich eben noch in Anwesenheit der Gäste mit massiven Vorwürfen bekriegt hatten, waren nicht mehr wiederzuerkennen.
Holger Christmann verließ die Runde zuerst. Er verabschiedete sich von der Moderatorin Martina Jänicke und seinen Kollegen mit warmherzigem Händedruck und wohlwollendem Schulterklopfen. Mit sportlichem Elan, der seine fünfundfünfzig Lebensjahre vergessen lassen sollte, sprang er die Treppenstufen vom ersten Stock ins Erdgeschoss hinunter. Die Veranstaltung und den anschließenden Medienauftritt verbuchte er als persönlichen Erfolg. Er war sicher, in etlichen Fragen gepunktet zu haben. Zugleich verfinsterte sich sein Gesicht, weil ihm vor Augen trat, dass das schwerste Problem noch zu lösen war, nämlich die gegenwärtige finanzielle Situation. Seine Partei benötigte dringend noch Wahlkampfmittel, um den Wahlerfolg sicherzustellen. Es galt, Strategien zu entwickeln. Von seinem persönlichen Erfolg bei der Lösung dieser Aufgabe würde sein nächster Karrieresprung abhängen. Seit langem zermarterte er sich das Gehirn, aber der Durchbruch war noch nicht gelungen.
Am Treppenaufgang zog er sein Handy aus der Hemdtasche und wählte die Nummer seines Freundes Robert Metzger, des Vorsitzenden seiner Partei und deren Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten. Eine kernige dunkle Stimme meldete sich. „Ja bitte?“
„Hallo, Robert, bist du das? Ich bin fertig. Die Veranstaltung in Bornheim ist gerade zu Ende gegangen. Ein Erfolg. Du hattest gemeint, dass du heute ebenfalls in Frankfurt sein würdest. Bist du noch hier?“
„Ich sitze hier mit einigen Freunden in der Europäischen Zentralbank. Wir sind mit unseren Themen so gut wie durch. Deshalb sollten wir uns unbedingt heute noch treffen. Von mir aus ist das kein Problem. Ich könnte hier in zehn Minuten aufbrechen.“
„Hervorragend! Wo wollen wir hingehen? Hast du einen Vorschlag?“
„Ich bin jetzt hungrig. Was hältst du davon, wenn wir uns für das Restaurant da Claudio in Eckenheim entscheiden? Dort könnten wir ungestört reden.“
„Einverstanden. Ich werde da sein.“
Christmann beendete das Gespräch. Da im Vorraum noch ein paar Menschen herumstanden und sich unterhielten, hatte er laut sprechen müssen. Er ignorierte, dass er dabei angegafft worden war.
Gedankenverloren machte er sich auf den Weg in die abgedunkelte Tiefgarage. Ein Gefühl des Unbehagens beschlich ihn. Die zahlreichen plumpen Säulen, von denen die erdrückend niedrige Decke getragen wurde, warfen in dem diffusen Licht seltsame Schatten. Sie schienen sich je nach Standort, den Christmann ansteuerte, zu bewegen. Es mochte an dem bunten Farbanstrich liegen, dass ein merkwürdiges Flimmern über die Betonstützen huschte. Christmann starrte in das Halbdunkel. Er meinte, irgendwo in dieser Finsternis ein lauerndes Augenpaar ausgemacht zu haben, das auf ihn gerichtet war. Angst kam in ihm auf. Seine Schritte verlangsamten sich. Er tastete sich an sein Fahrzeug heran und entriegelte mit einem Druck auf den Schlüssel die Türen. Dabei flammte zugleich das Abblendlicht auf. Christmann stürzte in sein Auto, betätigte sofort die Innenverriegelung und ließ den Motor an. Sein suchender Blick glitt zu der Säulengruppe, hinter der er den vermeintlichen Beobachter vermutete.
Das Augenpaar war verschwunden.
Er steuerte den Wagen so aus der Parkwanne, dass die Vorderlampen den anvisierten Bereich der Tiefgarage nahezu vollständig ausleuchteten. Nur die von den Betonsäulen abgeschirmten Flächen lagen noch im Dunkeln.
Nichts! Kein Mensch war zu sehen.
Christmann überlegte, ob er bei eingeschalteter Fahrzeugbeleuchtung noch einmal aussteigen und die abgedunkelten Flächen einsehen sollte. Sein Gefühl sprach dagegen. Die Situation war ihm nicht geheuer.
Er gab Vollgas und raste auf die Ausfahrt zu. Unbehelligt verließ er die Tiefgarage und fuhr Richtung Innenstadt.
Als er in Gedanken verloren eine hohe Bordsteinkante überfuhr, zuckte er erschrocken zusammen. Es gelang ihm jedoch, sofort wieder die Kontrolle über sein Fahrzeug zu gewinnen.
„Gut gegangen“, murmelte er vor sich hin.
Auf der Eckenheimer Landstraße fand er in Höhe des Marbachwegs auf Anhieb einen Parkplatz. Nach wenigen Schritten betrat er das italienische Restaurant da Claudio in der Zum-Jungen-Straße. Der Inhaber, ein graumelierter kleiner Mann, kam herbeigeeilt. Er hakte sich bei ihm unter und begleitete ihn zu einem etwas abgeschirmten Tisch. Dort überließ er ihn Robert Metzger, der ihn schon erwartet hatte.
Metzger begrüßte Christmann im Sitzen. Er musterte ihn von Kopf bis Fuß mit seinen bernsteinfarbenen Augen, deren Pupillen merkwürdig elliptisch geformt waren. Metzger glättete mit der flachen Hand den korrekt gescheitelten Schnitt seiner graumelierten Haare, bevor er Christmann ein dünnes Lächeln schenkte. „Du hattest vorhin kurz gesagt, dass bei dir alles heute Abend gut gelaufen sei. Erzähle.“
Christmanns Mundwinkel zeigten trotz seiner positiven Botschaft unverändert nach unten, was seine gebogene Nase noch länger erscheinen ließ. Die großspurige Geste passte irgendwie nicht zu seinem Gesichtsausdruck. „Kein Problem. Wir haben am besten ausgesehen. Das liegt daran, dass wir Antworten auf die Nöte der Bürger haben.“
Der geschlossene Mund von Metzger zog sich in die Breite. Er zog mehrmals die Lippen zwischen seine Zähne und glich damit einem Fisch, der sich am bemoosten Glas eines Aquariums zu schaffen macht. Diese Eigenheit hatte ihm im Kreise politischer Gegner den Spitznamen Fischmaul eingetragen. „Lass uns erst einmal eine Kleinigkeit essen, bevor wir weiterreden.“
Die beiden Männer warfen einen kurzen Blick auf die Karte, was den abseits lauernden Wirt zu höchster Aufmerksamkeit anspornte. Als er davon ausgehen konnte, dass die Wahl getroffen war, eilte er herbei. Er machte noch ein paar Empfehlungen und nahm unter mehrfachen Verbeugungen die Bestellung entgegen.
Metzger dankte ihm mit einem jovialen Kopfnicken, bevor er sich Christmann zuwandte. „Wir müssen endlich raus aus der Rolle der Opposition. Unser Problem ist und bleibt das Geld. Die Prognosen sehen zwar gut aus. Wir liegen aber nur knapp vorn und sind noch nicht auf der sicheren Seite. Das kann in den nächsten Tagen alles noch kippen. Wir müssten noch einmal kräftig zulegen. Unsere Strategen meinen, dass wir es schaffen, wenn wir flächendeckend präsent sind. Es hängt nicht an unseren Themen. Die sind gut. Wir müssen nur noch stärker rüberkommen.“
Christmann bewegte seinen grob erscheinenden kräftigen Körper in halbkreisförmigen Bewegungen auf dem Stuhl hin und her, so als bereitete ihm das Sitzen Mühe oder sogar Schmerzen. Seine Miene blieb missmutig. „Wir drehen uns im Kreis. Wolltest du mich deshalb noch heute Abend treffen, um mir das zu sagen? Unsere Geldsorgen sind mir seit langer Zeit geläufig. Wir reden fast nur noch davon. Ich kann es nicht ändern. Mir fehlt an der Ecke jede Phantasie.“
„Aber mir nicht. Schau, du willst doch etwas werden, wenn wir gewinnen. Ein Ministerposten, das ist es doch, was dir in der Nase sticht. Daraus kann etwas werden. Immerhin bist du unser innenpolitischer Sprecher. Allerdings gibt es noch den einen oder anderen Parteifreund, der sich als politisches Schwergewicht sieht und sich aufgrund älterer Rechte und Verdienste in der Hackordnung vor dir einordnet. Wie du weißt, muss ich den Landesvorstand und anschließend den Landesparteitag beteiligen. Ich darf sie nicht nur als Marionetten behandeln. Zumindest darf ich sie nicht merken lassen, dass ich das tue. Das ist alles nicht so einfach und erfordert viel Fingerspitzengefühl, Diplomatie und Zugeständnisse.“ Er betrachtete seine Hände. „Du müsstest einen Knaller präsentieren, der dir einen unanfechtbaren Vorsprung verschafft. Die Lösung sehe ich nur auf der Geldschiene. Wenn du das hinbekommst, bist du nicht mehr zu übergehen.“
„Das mag alles richtig sein, Robert. Ich zerbreche mir schon fortwährend den Kopf. Leider fällt mir nichts Hilfreiches ein.“
„Wie steht es denn mit deinen Beziehungen nach Osteuropa? Meines Wissens hast du doch noch den Managerposten für die deutsche Tochtergesellschaft dieser russischen Handelsfirma, deren Name mir entfallen ist. Ist dort nichts zu holen?“
„Du meinst die Kaviar- und Krim-Sekt GmbH. Klar bin ich für die Russen noch aktiv. Das bringt mir immer wieder viel Kritik aus Polen und dem Baltikum ein. Es erhält mir aber sehr gute Kontakte zum Kreml.“
„Die müssten doch viel Geld haben und an einer Expansion ihrer Geschäfte interessiert sein. Wie man weiß, steht unsere Partei für diese Ziele ein.“
„Das mag alles sein, hilft uns aber nicht weiter. Ich habe die Konzernbosse schon mehrmals angebaggert und mit diesem Thema konfrontiert. Sie haben abgewinkt. Von unserem Wahlsieg versprechen sie sich keinen wirtschaftlichen Mehrwert.“