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Vor dem Moabiter Kriminalgericht staute sich eine tausendköpfige Menschenmenge. Durch die Zeitungen war bekanntgegeben, daß die Schwurgerichtsverhandlung gegen Alfred Maaß heute stattfinden werde. Und während ihn einige Blätter auch jetzt noch als den mutmaßlichen Mörder bezeichneten, waren andere unter Vorantritt der »Berliner Nachrichten« von dieser Ansicht längst zurückgekommen.

Das Publikum nahm infolgedessen gegen die Richter Partei, und ein großes Aufgebot von Schutzleuten hatte zu tun, um die lärmende und unwillige Menge in Schach zu halten. Die Zugänge zum Gerichtsgebäude waren durch Doppelposten gesperrt; da der große Schwurgerichtssaal von Zuschauern überfüllt und der Aufenthalt auf den Korridoren heute für niemand gestattet war, so stand die Menge draußen auf dem Platz, wo der eherne Löwe der Gerechtigkeit die Schlange der Niedertracht und des Verbrechens durch Prankenhiebe tötet.

Drinnen in dem riesigen Saal, durch dessen hohe Buntglasfenster das Licht fast: kirchenhaft in den ernsten Raum fällt, war man schon am Ende der Zeugenvernehmung, die mit den Aussagen der Sachverständigen bereits drei Verhandlungstage ausfüllte.

Der Vorsitzende, ein älterer Herr mit gemessenen Bewegungen und jener Ruhe in Ton und Gebärde, die nur das Ergebnis einer langen, wohlerwogenen Lebens- und Amtsführung sein konnte, hatte eben den Untersuchungsrichter Dr. Birckner als Zeugen aufgerufen.

»Sie sollen uns einmal mitteilen, Herr Amtsgerichtsrat,« sagte er, nachdem dem Zeugen der Eid abgenommen war, »welchen Eindruck Sie von dem Angeklagten gehabt haben!«

Der Untersuchungsrichter kniff die Augen zusammen, warf einen raschen Blick zu dem Angeklagten hinüber, der sitzend, nur mit Kopf und Schultern über die Schranke der Anklagebank hinwegsah, dann meinte er:

»Der Angeklagte war fortwährend widerspenstig und frech! ... Ich habe mehreremal zu Disziplinarstrafen meine Zuflucht nehmen müssen!«

Der Verhandlungsführer sah den Zeugen mit vollem Blick an; in seinem ernsten, regelmäßigen Gesicht, das ein starker, grauer Kinnbart abschloß, las man nicht, was er dachte. Dann meinte er verbindlich:

»Ich nehme an, daß Sie, Herr Amtsgerichtsrat, dabei die Tatsache in Rechnung gezogen haben, daß ein eventuell Unschuldiger auf die Dauer gereizt und nervös wird durch die fortgesetzten Verhöre, die ja natürlich notwendig sind!«

»Ich halte und hielt Maaß nicht für unschuldig!« erwiderte Dr. Birckner schnell, »außerdem können wir Richter uns doch nicht zum Spielball der Launen eines jeden Angeklagten machen ... und das Wenigste, was man verlangen kann, ist doch, daß die Ehrfurcht vor dem Gericht gewahrt bleibt!«

Der Vorsitzende blickte einen Augenblick in seine Akten, dann sagte er:

»Gewiß ... natürlich ... übrigens sagen Sie, Herr Amtsgerichtsrat, ist es Ihnen in Ihrer richterlichen Tätigkeit schon vorgekommen, daß Sie jemanden von vornherein für unschuldig hielten?«

Ganz perplex und offenbar nicht wissend, wo hinaus der Vorsitzende mit dieser Frage wollte, entgegnete er:

»Nein ... das heißt, ich verstehe nicht, in welchem Zusammenhange diese Frage mit meiner Zeugenaussage stehen soll?«

»Der Zusammenhang der Fragen ist wohl eine Sache, die dem Ermessen der Prozeßleitung anheimgegeben werden muß,« meinte der Vorsitzende leicht verweisend, »indessen das bleibt sich gleich ...« Er warf einen Blick zu dem Angeklagten hinüber, der mit glanzlosen Augen vor sich hin sah, und fügte hinzu: »Der Angeklagte behauptet nun, daß Sie, Herr Untersuchungsrichter, ihm von vornherein mit einer so starken Animosität entgegengekommen seien, daß er, der sich ja für unschuldig ausgibt, dadurch in einen hohen Grad von Erregung versetzt worden wäre und daß daher seine Renitenz stamme ... ich erwähne das besonders, weil Maaß des ferneren behauptet, durch diesen aufgeregten Ton, der über der ganzen Voruntersuchung gewaltet habe, seien die Protokolle anders zustande gekommen, als seine Aussagen gelautet hätten.«

»Na, er hat sie doch unterschrieben!« warf der Untersuchungsrichter ein.

»Ja, allerdings! ... Maaß« – der Vorsitzende wandte sich an den Angeklagten, »Maaß, stehen Sie mal auf und äußern Sie sich zu diesem Punkte.«

Alfred Maaß stand auf, sah eine ganze Weile den Untersuchungsrichter an, dann den Arm nach ihm ausstreckend, sagte er, während sich seine Züge verzerrten:

»Das ist 'n ganz gemeiner Schuft!«

Der Vorsitzende schlug mit der Faust auf den Tisch.

»Maaß,« rief er, und seine Stimme klang wie Eisen, »Sie haben sich hier jeder beleidigenden Äußerung zu enthalten, sonst lasse ich Sie überhaupt nicht mehr reden!«

Maaß zuckte die Achseln und setzte sich.

»Wir stehen hier nicht auf dem Standpunkt, Sie von vornherein für schuldig zu erachten,« setzte der Verhandlungsleiter dann ruhiger hinzu, »das Gericht hat die Aufgabe, die Wahrheit zu ermitteln und Recht zu sprechen ... Das ist unsere heilige Pflicht, und Sie können sich darauf verlassen, daß wir ernst und schwer mit uns zu Rate gehen, ehe wir über einen Menschen den Stab brechen ... Herr Zeuge!« – Dr. Birckner stand noch immer vor dem Richtertisch – »ich danke vorläufig.«

Es kamen nun die Schriftsachverständigen noch einmal zur Vernehmung. Da sie sich, es waren ihrer drei, noch immer nicht hatten einigen können über ihr Gutachten, so wurden sie noch einmal vernommen. Aber auch das half nicht. Der eine war überzeugt, das Brieffragment sei von Maaß geschrieben, der zweite hielt es nur für möglich, und der dritte hielt es nicht gänzlich ausgeschlossen. Dieser, ein früherer Postrat, bekundete aber, daß er gerade jetzt mit der Ausarbeitung eines neuen Systems beschäftigt wäre, nach dessen Fertigstellung die Entscheidung für ihn geradezu ein Kinderspiel sein würde!

Die Aussagen der übrigen Sachverständigen lauteten durchweg sehr ungünstig für Alfred Maaß. Während sie noch einmal vernommen wurden, kursierte auf der Geschworenenbank eine Photographie der Ermordeten, die den zarten Körper der armen Trude mit der Stichwunde im Rücken zeigte. Man las die Bewegung auf den Gesichtern der Geschworenen, die sämtlich den besitzenden Ständen anzugehören schienen, und diese Bewegung weissagte Maaß nichts Gutes.

Als Zeuge war auch der Polizeileutnant Runkel erschienen, in blitzender Uniform, der mit liebenswürdiger Stimme und einiger Melodramatik die Eindrücke schilderte, die jene Mordnacht in ihm hinterlassen hatte. Was er sagte, klang gut und nahm die Geschworenen noch mehr gegen den Mörder ein.

Die Sache stand offenbar schlecht für Alfred Maaß, als sich jetzt der Oberstaatsanwalt Dr. Mauernbrecher selbst erhob und sich zum Plädoyer anschickte.

Er war ein großer kräftiger Herr mit fettem Gesicht und einem hellblonden Henriquatre. Über der Hakennase trug er einen goldenen Kneifer. Er sprach lange und mit Emphase.

Zuerst verbreitete er sich über die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft in diesem Prozeß, wobei er es nicht unterließ, der Presse für ihre Haltung in der Mordsache ganz energisch sein Mißfallen auszusprechen. »Die Staatsanwaltschaft«, sagte er, »ist keineswegs dazu da, anständige, brave Menschen ins Unglück zu bringen. Im Gegenteil! Sie tut alles, um Anklagen zu vermeiden! Sie prüft und sichtet und prüft abermals, und erst wenn die Gerechtigkeit es gebieterisch fordert, erhebt sie die Anklage gegen jemand! ... Hier aber hat die Gerechtigkeit es gefordert! Denn um es kurz und ein für allemal zu sagen: Maaß ist der Mörder!«

Von der Anklagebank erscholl ein heiseres Auflachen. Aber Dr. Mauernbrecher ließ sich dadurch nicht stören.

»Was verlangt man denn von einer Anklage? ... Daß sie durch hinreichendes Beweismaterial gestützt werde! ... Nun, lassen Sie mich den Berg von Beweisen vor Ihnen auftürmen, von denen jeder für die Schuld des Maaß Zeugnis ablegt! ... Vor allen Dingen, ist Maaß ein Mensch, von dem man sich einer solchen Tat versehen kann oder nicht? Ich glaube, darauf kann man nur mit einem kurzen, klaren ›Ja‹ antworten! Denn er hat diese Frau lieb gehabt, wie er selbst zugibt, war wütend, wie sie ein anderer ihm wegschnappte, und hat diesen Verlust – das bestreitet er gar nicht – nie verschmerzen können ... Ich meine also, liier kommt das ›cherchez la femme!‹ (wörtlich: Suchet die Frau!) der Franzosen in einer Weise zum Ausdruck wie selten!«

Dr. Mauernbrecher sah einen Augenblick auf seine Ausdehnungen, dann flogen seine grauen, kurzsichtigen Augen mit den blitzenden Kneifergläsern auf dem Umweg über den Zuschauerraum, wo er viele Herren und Damen aus seinen Kreisen bemerkte, wieder hin zum Richtertisch.

Er nahm nun die Beweise für Maaßens Schuld der Reihe nach vor. Zuerst das Blut am Rande seiner einen Manschette, für das Maaß nur die fadenscheinige Erklärung gehabt hatte, die Nase hätte ihm geblutet, eine Erklärung, mit der selbst der dümmste Raubmörder heute schon nicht mehr käme! ... Ferner kämen die Stofffäserchen, die man unter dem Fingernagel der Toten entdeckt habe, in Betracht. Diese Fasern beständen, wie der Sachverständige, Herr Professor Wunderlich, in so ausgezeichnet klarer und lichtvoller Weise ausgeführt hätte, aus reiner Wolle, und Wollfäserchen dieser Art fänden sich auch in Maaß' Anzug. Die Farbe dieser Fasern sei zwar nicht genau zu bestimmen gewesen, trotz aller physikalischen und chemischen Experimente und Analysen, aber die Annahme, daß sie auch in der Farbe identisch mit der des Anzuges von Maaß wären, sei jedenfalls nicht widerlegt. Die Tinte, die Maaß zu dem Brief benutzt habe, auf den er, der Staatsanwalt, gleich noch zu sprechen kommen wolle, wäre Eisengallustinte, dieselbe, die sich in Maaßens Behausung tatsächlich vorgefunden habe! ... Und nun der Brief! Dieser Brief spräche ganze Bände für die Schuld des Angeklagten! Da sind drei Schreibsachverständige, ernste, wissenschaftlich gebildete Männer, von denen jeder ein anderes System als Schriftexperte befolgt, und die trotzdem zu demselben Schluß kamen: Maaß kann den Brief geschrieben haben, er hat ihn geschrieben! ...

Der Herr Oberstaatsanwalt hatte sich bei diesen Worten mit auf das Pult gestützten Händen weit vorgebeugt und wiegte einen Moment leicht seinen gewichtigen Oberkörper. Dann fuhr er fort:

»Nun wird natürlich der gewissenhafte Richter fragen, oder Sie, meine Herren Geschworenen, legen sich diese Frage vor: Ist denn Maaß zur Zeit, als der Mord nachweislich begangen wurde, an jenem Freitag, nachmittag zwischen zwei und fünf Uhr – ist Maaß denn damals dort in der Gegend gewesen? ... Ja, sehen Sie, darauf ist Maaß sehr lange die Antwort schuldig geblieben! In seinem Bureau war er an dem Nachmittag nicht mehr – er sagt, weil er sich mit dem Gatten der Ermordeten – der übrigens seiner Vorladung als Zeuge nicht gefolgt ist und den dafür eine empfindliche Strafe treffen wird! –, weil er sich mit Marquardt gezankt hat ... Wo ist er denn aber nun in der Zeit gewesen? ... Spazieren gegangen, sagt er! Und wir mußten's glauben. Bis eines schönen Tages der Zeuge, den Sie vorhin hier selber gehört haben, Herr Schuhmachermeister Hendler, gekommen ist und gesagt hat, er hätte Maaß in der Koloniestraße um drei Uhr gesehen, selber gesehen! Ja, meine Herren Geschworenen, da brach der Angeklagte zusammen, als er das hörte, da sank er ohnmächtig nieder unter der Last seiner großen Schuld! ...«

Herr Dr. Mauernbrecher sah bei diesen Worten in den Zuschauerraum, den eben eine Freundin seiner Gattin betreten hatte, eine sehr schöne Frau, die ihm zulächelte.

Er schloß die Augen einen Moment und neigte sein Haupt wie in tiefer Bewegung, um mit leiser Stimme fortzufahren:

»Maaß ist bisher unbestraft, das ist richtig! Aber es ist uns, die wir jahraus, jahrein abzuurteilen haben über alle möglichen Malfaiteurs und Verbrechen, es ist uns, wie gesagt, gar nichts so Wunderbares, wenn sich's plötzlich herausstellt, daß dieser oder jener noch nie vorbestrafte Mensch sich als ein ganz gemeingefährlicher Gauner und Lump entpuppt! ... Und das ist Maaß, jawohl, das ist er! ... Das hat er während der ganzen Vorverhandlung durch sein freches und reueloses Betragen bewiesen! ...«

Bei diesen Worten des Oberstaatsanwalts war Alfred Maaß aufgesprungen, und in wütender Empörung, die geballten Fäuste zur Decke erhoben, mit bebenden Lippen schrie er:

»Ich? Ich? ... Ich bin gemein? – Ich ein Lump? ... Weil ich nicht eingestehen will, was ich nicht gemacht habe, weil ich nicht ...«

»Schweigen Sie,« unterbrach ihn der Präsident, »schweigen Sie, Maaß! ...«

Aber Maaß schwieg nicht. Die Tränen strömten ihm über das graublasse, verfallene Gesicht, dessen hektische Flecken wie Feuer brannten.

»Ich habe nichts zu bereuen, denn ich habe nichts Schlechtes getan! ... Und das wissen die da auch recht gut! ... Aber weil sie den wirklichen Mörder nich kriegen, und weil sich die Polizei jedesmal blamiert, darum muß einer dran glauben, und das bin ich! Das bin ich! ... Ich hab's aber nich getan, nein, nein, nein.«

Schluchzend sank der Angeklagte auf die Bank nieder.

Der Oberstaatsanwalt fixierte ihn scharf, dann sagte er:

»Diese ganze Szene, die uns der Angeklagte hier vorspielt, ist der beste Beweis für das, was ich vorhin gesagt habe: Maaß ist ein Mensch, der noch nicht einmal Reue empfindet über seine schwere Tat. Und ich behaupte daher: Maaß hat den Mord begangen, und richte deshalb an die Herren Geschworenen die Bitte, den Angeklagten im vollen Umfange des vorbedachten und überlegten Mordes schuldig zu sprechen!«

Ehe er sich setzte, sah sich Dr. Mauernbrecher um, als erwarte er den Beifall des Parketts und der Galerie, hinter deren hoher Eisenbalustrade sich das halbe Kriminalgericht, Anwälte, Richter, Referendare, Staatsanwälte und selbst hohe Verwaltungsbeamte drängten.

Wie Mitleid ging es über das Gesicht des Vorsitzenden, als er danach den Angeklagten fragte, ob er auf das Plädoyer des Herrn Oberstaatsanwalts etwas zu erwidern hätte.

Aber Maaß lag mit dem Gesicht auf den Händen, die die Holzbarriere umklammert hielten, und weinte.

Nun sprach der Verteidiger.

Ein schmaler, in mittleren Jahren stehender Herr mit sehr wenig Haar und tadellosem Schnurrbart. Er sprach glatt und flüssig, aber es gelang ihm offenbar nicht, die gegen seinen Klienten vorhandenen Vorurteile zu zerstreuen. Er schien das auch selber zu fühlen, denn er kürzte seine Ausführungen am Schluß sehr ab und sagte, er bäte um Freisprechung seines Klienten. Sollten die Geschworenen aber doch zu einem »Schuldig« kommen, so könne doch von einem überlegten Mord hier gar keine Rede sein! Etwas anderes wie ein Totschlag käme gar nicht in Frage, und er empfehle deshalb seinen Klienten nochmals der Milde des hohen Gerichtshofes.

Darauf replizierte der Oberstaatsanwalt einiges, wobei man deutlich sehen konnte, wie die Gesichter der Geschworenen, die bei der Rede des Verteidigers starr und verschlossen geblieben waren, sich aufhellten und Zustimmung ausdrückten.

Und nun gestattete der Vorsitzende dem Angeklagten das letzte Wort.

Maaß erhob sich. Über sein noch von Tränen nasses Gesicht ging ein eigenes leuchten. Er sagte:

»Es ist mir ganz gleichgültig, was mit mir wird. Ich hänge so nicht am Leben. Aber es soll nicht heißen, daß ich ein Mörder bin. Wenn Sie mich schuldig sprechen, begehen Sie einen Justizmord ... Ich bin unschuldig!«

Damit setzte er sich und sah den Vorsitzenden an, der, in seine Akten blickend, kaum merklich mit dem Kopfe nickte.

Nun gab dieser den Geschworenen die Rechtsbelehrung und klärte sie auf über die Art, wie sie die Schuldfragen eventuell zu formulieren hätten und welche rechtlichen Konsequenzen ihre Beantwortung für den Angeklagten hätte.

Dann zogen sich die Geschworenen zurück, auch die Richter entfernten sich aus dem Saal.

Aber es dauerte keine halbe Stunde, da war das Gericht wieder vollzählig beieinander.

Und es erhob sich der Obmann der Geschworenen und verlas die aufgestellten Schuldfragen. Es waren drei.

Er begann:

»Ist Maaß schuldig, die Frau Trude Marquardt, geborene Kaiser, vorsätzlich und mit Überlegung ...«

»Ach, verzeihen Sie«, unterbrach ihn der Präsident, und sich an den Gerichtsdiener wendend, sagte er: »Was ist denn das da draußen für ein furchtbarer Lärm? Sehen Sie mal zu, Bote!«

Aber der Beamte hatte die Tür des großen Saales noch nicht erreicht, da wurde diese weit aufgerissen, und von mehreren Schutzleuten gefolgt, stieß ein totblasser Mann mit zerrissenen Kleidern und blutendem Gesicht, der keinen Hut auf dem schwarzen, wirren Haar hatte und einen Revolver in der linken Hand trug, einen anderen vor sich her in den Saal.

Bis vor den Richtertisch stieß Heinz Marquardt den Zuhälter, und da sagte er, mit dem Revolver auf ihn deutend:

»Das ist der Mörder meines Weibes! ... Der da,« er zeigte auf Maaß, »der ist unschuldig.«

In dem Saal wird es so still, daß man das Summen einer Fliege an den hohen Fenstern hört.

Endlich fragte der Vorsitzende einen der Schutzleute:

»Wie kamen denn diese Leute ins Gerichtsgebäude?«

»Sie kamen mit der Droschke an, und der Kutscher sagte, das war 'n Kriminalbeamter, der einen ganz schweren Verbrecher gefangen hätte.«

»Hat sich der Herr Ihnen gegenüber auch als Kriminalbeamter ausgegeben?«

»Nein, Herr Präsident, ich dachte aber, weil doch schon das Urteil gefällt wurde ...«

Da erhob sich der Oberstaatsanwalt.

»Jedenfalls hat sich der Beamte einer schweren Verletzung seiner Dienstpflichten schuldig gemacht, indem er diese Menschen hier hereinließ.«

Der Vorsitzende erhob sich nun von seinem Sessel.

»Das zu entscheiden, Herr Oberstaatsanwalt, wollen Sie gefälligst mir überlassen! Solange ich hier den Vorsitz führe, unterliegt die Exekutivgewalt in diesem Saale mir!«

Und sich an den Schutzmann wendend, sagte er:

»Ich danke, daß Sie Ihre Pflicht getan haben! ... Wir sind dadurch vielleicht davor bewahrt geblieben, einen Unschuldigen zu verurteilen! ... Und Sie frage ich! ...«

Der Präsident sah ernst auf den Menschen nieder, dessen Schulter Heinz Marquardt noch immer gepackt hält:

»Sind Sie der Mörder jener unglücklichen Frau? ... Ich weiß wohl, daß mir ein juristisches Recht zu dieser Frage an Sie nicht zusteht, aber der Augenblick gibt mir das Recht! Ich frage Sie noch einmal: Haben Sie die arme Frau ermordet?«

Durch die Totenstille, in der das Publikum und die Richter selbst den Atem anhielten, klang dumpf und traurig ein »Ja«.

Der Präsident erhob sich zu seiner Höhe.

»Dann stelle ich hierdurch selbst den Antrag, der hohe Gerichtshof möge beschließen, den Angeklagten Maaß als unverdächtig aus der Haft zu entlassen, diesen Mann hingegen, als den wahrscheinlichen Mörder, festzunehmen.«

Da erhob sich ein Beifallssturm ohnegleichen. Das Publikum sprang auf die Stühle, schwenkte mit Händen und Tüchern, und nicht eher legte sich der Tumult, der sich wie ein Lauffeuer durch die Korridore bis hinaus auf die Straße fortpflanzte, als bis der Präsident selbst gebieterisch Ruhe forderte.

Das Gericht beschloß, Maaß sofort freizulassen.

Als man die Anklagebank öffnete, eilte Maaß auf Heinz Marquardt zu; sie umarmten sich lange, und dann verließen sie mit einem Dankesgruß an den Präsidenten, ohne jemanden aus dem Publikum, dessen Menge sich zur Gasse für die beiden öffnete, zu sehen, still den Gerichtssaal. –

Wie sie aber vor der nachdrängenden Menge aus dem Portal des Kriminalgebäudes auf die Straße traten, wie die nach Tausenden zählende Menge es inne wurde, wer da oben heraustrat, da erhob sich ein nicht endenwollender Jubel, da feierte die Gerechtigkeit in diesen beiden Männern einen glänzenden Triumph. Hundert Hände streckten sich ihnen zugleich entgegen, und als sie eine Droschke nahmen, flogen Blumen in den Wagen, aus dem der Gerettete und sein Retter Dankesgrüße winkten ...

Der Rächer

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Der Regulator schlug gerade sechs, als Heinz Marquardt erwachte. Es war noch stockfinster, aber er war, wie stets, wenn er die Augen aufschlug, sofort vollständig munter und sprang auch gleich aus dem Bett.

»Trude,« sagte er, »es ist sechs.«

Sie antwortete nicht und drehte sich im Halbschlaf auf die andere Seite.

Nun zündete er das Licht an und ging an die Waschtoilette, wo er sofort unter vielem Prusten und Plantschen seine Toilette begann. Das alles ging schnell und mit der raschen Beweglichkeit eines Menschen vonstatten, dem seine Nerven keine Schwierigkeiten bereiten und der zu jeder Zeit seine Gedanken und Kräfte beieinander hat.

Als er sich gewaschen hatte, ging er wieder an das Bett seiner Frau und fing, auf der Bettkante sitzend, an, schmeichelnd in sie hineinzureden.

Der gelbe Schein des Lichtes tanzte flackernd und tiefe Schatten werfend über die Kissen, und in der spärlichen Beleuchtung war eigentlich nur das reiche hellblonde Haar, ein kleines rosiges Ohr und ein Stück des weißen Halses von der jungen Frau zu erkennen.

»Willst du denn gar nicht aufstehen, Trude?« Er versuchte, ihr ins Gesicht zu blasen, das sie im Bett vergrub.

»Nicht doch! Ich bin ja noch so müde ... laß mich ...«

Aber er gab nicht nach.

»Also ich muß mir allein meinen Kaffee kochen?«

Dabei kitzelte er sie leise.

»Steh doch auf, Trude ... Ich muß dir auch noch was erzählen!«

Jetzt war sie auf einmal munter.

»Was denn?« fragte sie neugierig und hob ihren hübschen Kopf.

Er legte seinen Arm um ihren Hals und küßte sie:

»Dummchen! ... Gar nichts ... ich wollte bloß mal sehen, ob du wirklich noch schläfst.«

»Du! ...« Sie faßt das eine Ende seines langen schwarzen Schnurrbarts und zog ihn ein bißchen:

»Nun schlaf ich gerade noch!« und rasch drehte sie sich nach der Seite, wo das Licht stand, und zog das Deckbett bis übers Kinn hinauf. Aber nun störte sie die zuckende Flamme des Lichtes, sie blinzelte, und wie er das sah, meinte er etwas ernster:

»Es ist wirklich nicht hübsch von dir, wenn du mich allein Kaffee trinken läßt!«

Da wandte sie den Kopf, schlang ihre schönen weißen Arme, von denen die Ärmel des Nachthemdes herabglitten, um seinen Nacken und flüsterte leise, zärtliche Worte in sein Ohr.

Er faßte mit seinen beiden Händen über die Schultern, machte sich sanft los und sagte:

»Du weißt doch, Herzblatt, daß ich heute sehr viel zu tun habe, da will ich möglichst schon um halb acht Uhr im Büro sein ... die andern ärgern sich zwar darüber, aber wenn einer sich was abwimmeln kann, dann tut er's ... und ich bin nicht so, ich arbeite eben, wenn Arbeit da ist ...« Und schon stand er wieder vorm Spiegel, knöpfte seinen Kragen um und band sorgfältig die kleine schwarze Schleife. Während er dann sein Haar mit großer Akkuratesse scheitelte und bürstete und dabei den neuesten Walzer pfiff, war seine Frau leise aufgestanden und hatte, ohne daß er darauf aufmerksam wurde, ihren Schlafrock übergeworfen.

Nun bemerkte er sie und lachte. Sie aber ging schnell in ihrer leichten huschenden Weise in die Küche hinaus, und als er wenige Minuten später nachkam, hatte sie schon den Gaskocher, auf dem das Wasser stand, angezündet und war gerade dabei, den Kaffee zu mahlen.

»Siehst du,« lachte er, »es geht alles, wenn man nur will!«

Wirklich stand, als er fertig angezogen war, der Kaffee auf dem Tisch. Die junge Frau schenkte ihrem Manne ein, strich eine Buttersemmel und quälte ihn, da Heinz wie gewöhnlich nichts essen wollte, doch wenigstens ein halbes Brötchen zu nehmen.

Er aß schließlich, aber sie hatten während des Frühstücks soviel miteinander zu plaudern und zu lachen, daß er plötzlich auf die Uhr sehend rasch aufstand und sagte:

»Ich muß fort, Kind ... Wenn ich nur die Bahn um 45 noch kriege ...«

Sie holte ihm geschwind seinen Spazierstock, denn er wußte nie, wo er ihn am Abend hingestellt hatte, und begleitete ihn mit der Lampe bis zur Entreetür.

»Aber du hast ja das Halstuch nicht um, Heinz! Es ist doch draußen so kalt, du mußt dich ja erkälten.«

»Ich habe wirklich keine Zeit mehr, Trude!«

»Damit du mir nachher krank wirst! ...«

Und es blieb ihm nichts übrig, er mußte warten, bis sie das weißseidene Cachenez herbeigeholt und um den Hals gelegt hatte.

Dabei sah er, wie ihre großen dunkelgrauen Augen in Liebe auf ihn gerichtet waren. Ihre Lippen, deren feuchtes Rot scharf gegen den weißen Teint absetzte, waren nie fest geschlossen, und der Reiz dieser weichen, nachgiebigen Züge bestand zum großen Teil in einer gewissen Lässigkeit, die sich auch in ihrer ganzen schlanken Gestalt ausdrückte. Sie sah noch gar nicht wie eine Frau aus, und trotzdem er es eilig hatte und sein Kopf sich bereits mit der Arbeit beschäftigte, die seiner im Büro harrte, erinnerte er sich jetzt doch plötzlich und wie im Fluge in jene Zeit, da er und Trude noch nicht verlobt miteinander waren und er selbst eigentlich nie daran gedacht hatte, die Trude Kaiser zu seiner Frau zu machen.

Mit einem langen, langen Kuß nahmen sie Abschied voneinander, und sie stand, die Lampe über das Treppengeländer haltend, so lange an ihrem Platz, bis sie unten das Haustor gehen hörte.

Dann kam es auf dem dunklen Treppenflur plötzlich wie Furcht und Erschrecken über sie, und sie eilte so schnell hinein, daß sie sich ein wenig an der Tür die Schulter stieß ...

Als Heinz Marquardt die bei der Potsdamer Bahn belegenen Büros der Güterexpedition erreicht hatte, war noch niemand anwesend.

Um acht Uhr kamen seine Kollegen. Einige grüßten ihn freundlich, die anderen, meist nicht allzu gewissenhafte Arbeiter, gingen mit scheelen Blicken und mokantem Lächeln an ihm vorüber. Er kümmerte sich absolut nicht darum und sagte in genau derselben gleichgültigen Weise »guten Tag«, wie er ihm geboten wurde.

Punkt neun Uhr trat der Betriebsdirektor ins Büro.

Herr Weckerlin, der, die breite Brust vordrängend und die Hüften zurückschiebend, auf seinen kleinen und elegant beschuhten Füßen ein wenig knickebeinig einherstolzierte, sagte mit leicht näselnder Stimme:

»Na, schon tüchtig gearbeitet? ... Hm? ... Liebe das, wenn ich Eifer sehe bei meinen Beamten ... Mir nichts unangenehmer, als wenn man so gewissermaßen mit der Uhr in der Hand arbeitet, hab's mir seinerzeit auch nicht so leicht werden lassen! ... Nur immer flott! Immer flott! ...«

Mit diesem seinen Lieblingswort berührte er ganz leicht, eigentlich nur symbolisch, die Schultern des jungen Angestellten und verließ das Büro, in dem die Kopie aller Beamten sich tief über ihre Arbeit beugten.

Aber kaum war er hinaus, so fuhren sie mit einer Wuptizität ohnegleichen in die Höhe, und in das Lachen und Plaudern, das nun wieder begann, mischten sich spitze Redensarten, die Heinz Marquardt galten. Solange sein Name dabei nicht genannt wurde, überhörte Heinz das absichtlich. Als ihn aber jemand gar zu direkt anzapfte mit den Worten:

»Man sollte solchen Streber überhaupt nicht im Büro dulden!« da richtete er sich mit einem Male kerzengerade empor und sagte, den Sprecher, einen Bürogehilfen namens Maaß, mit seinen großen schwarzen, eng beieinander stehenden Augen anstarrend:

»Soll das etwa auf mich Bezug haben?«

Der andere, ein kleiner, schmächtiger Mensch mit rotem Haar und einem Gesicht voller Pockennarben, entgegnete mit impertinentem Achselzucken:

»Wem die Jacke paßt, der zieht sie sich an!«

Heinz Marquardt wandte sich an den Bürovorsteher.

»Herr Hintzefuß, da muß ich mich bei Ihnen über Herrn Maaß beschweren.«

Max Hintzefuß war ein außerordentlich tüchtiger Arbeiter. Aber auch nur dieser Eigenschaft hatte er es zu danken, daß er noch immer im Dienst war. Als sogenannter Quartalssäufer hatte er zu wiederholten Malen Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben, die um so größer war, als gerade sein Posten die höchste Zuverlässigkeit voraussetzte.

Der Bürovorsteher stand auf, ging zu dem kleinen Schreiber hin und sprach einige Worte mit ihm.

Der Rothaarige schien erst etwas zu zögern, bequemte sich dann aber, an Heinz Marquardt heranzutreten und sich mit ein paar nichtssagenden Worten zu entschuldigen.

Und Heinz, dem daran lag, nicht als Störenfried zu gelten, streckte ihm sofort die Hand entgegen zur Versöhnung.

Diesem kleinen Menschen war er sowieso eine Art von Revanche schuldig. Durch ihn hatte er seine Trude kennengelernt. Es war da nämlich so ein kleiner Beamtenverein, dem er selbst zwar nicht angehörte, zu dessen Festlichkeiten er jedoch durch Maaß mehrfach geladen war. Und einst bei einem Maskenball war der Kollege in Begleitung von Trude Kaiser erschienen, die er offenbar selber anhimmelte. Heinz Marquardt fiel die in diesem Kreise seltene Erscheinung des jungen Mädchens sofort auf. Sie hatte wenig von der spießbürgerlichen Gescheiteltheit der anderen jungen Mädchen, welche dort tanzten. Ein freierer, fast künstlerischer Hauch umwebte ihre schlanke Gestalt, und schon die einfache und nur durch ihren wirklichen Geschmack auffallende Kleidung ließ sie aus dem Kreise der übrigen hervortreten.

Kaum daß sie ihm vorgestellt war, hatte er ihren Kavalier, eben jenen rothaarigen Bürogehilfen, um die Erlaubnis gebeten, mit ihr tanzen zu dürfen. Dieser hatte mit einer etwas süßsauren Miene seine Einwilligung gegeben, und Heinz Marquardt benutzte die Erlaubnis zu einem einmaligen Tanze ohne weiteres für den ganzen Abend. Als ihn dann Trude bei der Damenwahl holte, legte er sich gar keine Schranken mehr auf und führte sie auch nicht wieder zu ihrem Herrn zurück. Mit diesem hatte er kurz darauf eine sehr energische Aussprache, bei der sich Maaß nur schwer auf sein älteres Anrecht berufen konnte, denn auch er war heute zum ersten Male mit Trude, die die Tochter seiner Logiswirtin war, ausgegangen, und das junge Mädchen, dessen Entscheidung man zum Schluß anrief, weigerte sich entschieden, ihm irgendwelche Ansprüche auf ihre Person einzuräumen.

Aber das Mädchen hatte seitdem merkwürdigerweise einen entschiedenen Widerwillen gefaßt gegen den jungen Menschen, dessen Begleitung sie damals angenommen und dem sie das Glück ihrer Liebe zu danken hatte.

An all das mußte Heinz Marquardt denken, als er jetzt, selbst bei der Versöhnung, die Augen des Kollegen voll heimlichen Grolls auf sich gerichtet sah.

Der Vormittag verging unter drängender Arbeit. Da mit der sogenannten englischen Tischzeit gearbeitet wurde, so frühstückten die Angestellten der Büros für gewöhnlich gegen ein Uhr, falls nicht allzu drängende Beschäftigung zwang, auch diese Pause aufzugeben. Heute war der Hauptstoß des Güterverkehrs bewältigt, und in solchen Fällen gab der unermüdliche Hintzefuß selbst das Zeichen zu einer gemütlichen Erholungspause. Und jetzt, wo der Erste eben gewesen war, verschwand der größte Teil der Beamten, um in dieser oder jener Gastwirtschaft ein Eisbein oder ein Stückchen warmen Braten zu verzehren.

Heinz Marquardt lockte etwas anderes hinüber in die kleine Restauration. Kaum hatte er sich ein Glas Bier bestellt, so begab er sich auch schon ans Telephon, um fünf Minuten lang mit seiner Liebsten zu schwatzen.

Das Telephon lag auf dem Korridor, man konnte dort ganz vertraulich plaudern. Und das benutzte dieser lange, schwarzhaarige Mensch mit einer Naivität und Zärtlichkeit, die ihm niemand zugetraut hätte; derselbe Heinz Marquardt, dessen Rücksichtslosigkeit die meisten Frauen empfinden mußten, die ihn geliebt hatten.

»Bist du da, Liebling?« fragte er, nachdem die Verbindung hergestellt war.

Und ihre weiche, wie von einem seidenen Schleier umhüllte Stimme erwiderte:

»Ja, mein Heinz! Wie geht es dir? Hast du viel zu tun?« ... Dann eine kleine Pause mit einem durch das Telephon hörbaren Seufzer. »Ach, wenn es doch erst Abend wäre!«

Er drückte einen Kuß auf die Membrane und sagte:

»Liebchen!«

Und plötzlich fiel es ihm ein:

»Aber es ist ja heute mein Skatabend! ...«

Sie ließ einige Augenblicke vergehen, ehe sie antwortete:

»Mußt du denn dahin gehen?!«

»Aber Trude! ... Sollen sie mich denn ganz und gar für'n Pantoffelhelden ausschreien ... Du weißt doch, das ist mein einziges Vergnügen! – Und wenn ich gewinne, gehen wir auch nächsten Sonntag ins Apollo!«

»Dann bin ich also wieder heute den ganzen Abend allein, du alter Bösewicht, du!«

»Ach, Trude, laß doch, ich komme auch früh nach Hause! – Du bleibst doch so lange auf, ja?!«

Sie erwiderte nichts, und er setzte rasch hinzu:

»Und sieh dich ja vor, mein Herz ... und lege auch bestimmt die Sicherheitskette vor! ... Du kannst lieber aufstehen und mir nachher aufmachen!«

Sie neckte ihn:

»Wenn du nicht kommst, dann lege ich auch die Sicherheitskette nicht vor!«

»Du, dann bin ich böse!«

Sie hörte durch das Telephon, wie er mit seinem Fuß die dicht an seiner Seite befindliche Tür aufstieß. Gleich darauf sagte er:

»Die anderen sind schon alle fort, eben geht Maaß ... und ein Gesicht macht der! ... geradezu unheimlich! ... Adieu, mein Herz, leb recht wohl und denk an mich!«

»Du an mich auch!«

»Ja, wenn ich nur nicht so viel zu arbeiten hätte! – Adieu, adieu! – Und du, hör' mal! – Trude! – Daß du mir ja nicht die Tür aufläßt, wenn du runter gehst und was einholst! ...«

Sie schwieg.

»Du hast es doch nicht etwa schon getan, Trude?«

»Ach, Heinz, vorhin, nur'n Augenblick, nur'n Augenblick, wie ich Butter holte unten aus'm Buttergeschäft ...«

»Aber du sollst doch vorsichtig sein, Geliebte! ... Ich sage es dir tausendmal! ... Nicht wahr, du tust es nicht wieder, du machst die Tür zu?! ...«

»Ja, ja, ich verspreche es dir! ... Also um halb elf, nicht wahr?«

»Na, schön, adieu, mein Liebling, adieu!«

»Adieu, Heinz!«

Dann ging er fort mit einem heißen Gefühl in der Brust und voller Sehnsucht nach seinem Weibe.

Als er ins Büro kam, waren die übrigen Beamten schon alle anwesend.

»Wo ist denn Maaß?« fragte Heinz den alten Stegemann, der Bürodiener und am längsten von allen im Dienst war.

»Hat sich krank gemeldet,« erwiderte der Alte, skeptisch seinen kahlen Kopf schüttelnd, »dabei hat a ausjesehn, als wollt er eenen erschlagen!« ...

Wenn so viel zu tun war wie heute, verging Heinz Marquardt die Zeit immer wie im Fluge. Ehe er sich's versah, wies der Zeiger der großen Bürouhr auf fünf, und schon standen die meisten der Herren auf, zogen ihre Schreibärmel herunter und begaben sich in die Ecke, wo die Waschtoilette stand, um in einer unglaublich kurzen Zeit mit Stock und Hut noch einmal an ihrem Platz zu erscheinen, die Pulte abzuschließen und in fluchtähnlicher Eile das Büro zu verlassen.

Die Laternen schimmerten rötlich in der kalten Luft, und am Himmel, der schwarzblau und wolkenlos war, standen mit ihrem glimmenden Leuchten einzelne Sterne.

In der Flottwellstraße, die vom Lärm der Eisenbahnzüge und dem Gerassel der Wagen erfüllt war, drängten sich heimkehrende Arbeiter, Geschäftsangestellte, die zur Post und mancherlei Besorgung liefen.

In dem kleinen Lokal in der Steglitzer Straße, wo Marquardt und seine Bekannten an jedem Freitag abend zusammentrafen, war er bei seinem Eintreten der einzige Gast.

Der Kellner, der ihn gut kannte, behandelte ihn mit der Vertraulichkeit, wie solche Leute sie stets zeigen Gästen gegenüber, die nicht viel verzehren.

Heinz Marquardt nahm die wohlgemeinten Erkundigungen des Ganymeds mit Humor auf, dann holte er sich eine Zeitung und erwartete bei einem Glase Bier die Bekannten, die bald darauf eintrafen.

Die Skatpartie verlief wie immer, angeregt und heiter, und die drei anderen Herren waren nur deswegen ungehalten, weil sich der junge Beamte schon vor zehn Uhr, trotz ihrer Einreden und Bitten, er möchte doch noch bleiben, entfernte.

Noch in der Tür winkte er ihnen ein lachendes Lebewohl zu und ging, ohne sich durch ihre etwas anzüglichen Bemerkungen im mindesten verletzt zu fühlen, durch die fast ausgestorbene Gegend schnell nach der nächsten Haltestelle seiner Elektrischen.

Von der Ecke, wo er herunterstieg, hatte er noch gut fünf Minuten bis zu seinem Hause. Die rannte er fast.

Vor dem Tor der sehr ausgedehnten Mietskaserne trieben sich wie gewöhnlich einige Frauenzimmer mit ihren Begleitern umher. Furcht kannte Heinz Marquardt nicht. Und so wollte er, ohne sich im geringsten um diese unheimlichen Gestalten zu kümmern, eben aufschließen, als eine von den Mädchen sagte:

»'s ist offen ... Lassen Sie bitte auf!«

Er ging hinein und schloß dessenungeachtet zweimal hinter sich ab.

Drinnen riß er ein Streichhölzchen an, weil es ihm schon zu wiederholten Malen passiert war, daß er auf Betrunkene getreten hatte, und ging schnell über den Hof in den Seitenflügel hinein und erstieg, immer drei Stufen auf einmal nehmend, die vier Treppen.

Oben kam er mit dem Öffnen der Tür nicht gleich zurecht. Es hatten sich offenbar ein paar Krümel oder etwas Wolle in der Tasche in die Höhlung des Drückers hineingesetzt, und da er sicher war, daß die Trude noch auf ihn wartete, klingelte er. Aber sie kam nicht.

»Nun ist sie doch eingeschlafen«, dachte er und bemühte sich, mit einem Streichhölzchen den Schlüssel auszubohren.

Endlich! Er schloß auf. – Die Sicherheitskette hatte sie doch nicht vorgelegt! ...

Wie stets ging er in seiner Wohnung, wo er ja genau Bescheid wußte, zuerst in die Küche, um dort ein kleines Lämpchen anzustecken.

Dabei stolperte er über einen auf dem Boden liegenden Gegenstand und stieß sich, lang hinfallend, das Knie.

Wie Ameisen in einem Haufen, in den plötzlich der Stock eines Wanderers hineinfährt, stürzten seine Gedanken von allen Seiten zusammen ... Wie kam der umgefallene Stuhl hierher? – Wer hatte ihn umgeworfen? War Trude nicht mehr in der Küche gewesen? Hatte sie's nicht gesehen? ... Das war doch sonst ihre Sache nicht!

Und plötzlich schrie er laut in die Dunkelheit hinein: »Trude, Trude!«

Nichts antwortete ihm.

Durch den düsteren Hof der Mietskaserne, in deren Fenster noch hier und da Licht schimmerte, hallten furchtbare Schreie:

»Zu Hilfe! Hilfe! Mörder! Mörder! Hilfe ... Hilfähh!«

Und dann ein krachendes Poltern die Treppe herab und immer wieder das markerschütternde Gebrüll eines Menschen, der mitten ins Leben hineingetroffen ist.

Die Bewohner, schon im Begriff, zu Bett zu gehen, stürzten aus ihren Wohnungen auf den dunklen Flur, Lampen in der Hand, in Nachtkleidern; aber der, der da so gräßlich schrie, war längst vorbei an ihnen, über den Hof gestürzt, dessen Mauern noch bebten von der Wucht seiner Hilferufe. Und nun riß er an der Haustür, die er selbst vorher verschlossen hatte, und wußte nicht, daß man aufschließen mußte, um hinauszukommen.

Endlich wurde von draußen geöffnet. Ein Wächter stand vor ihm; er stieß den Mann fast über den Haufen und schrie, vorwärts stürzend:

»Meine Frau! ... Meine Trude!! ... Um Gottes willen, Hilfe! ... Hilfe ... meine arme Trude! ...«

Sein Schreien wurde zum Schluchzen, und plötzlich, wie er zwanzig Schritte in die Nacht hineingerannt war, kehrte er wieder zurück nach dem Haustor, wo sich jetzt plötzlich allerlei Menschen sammelten, aus der Nacht herkommend, neugierig und von Grauen geschüttelt beim Anblick dieses vor Verzweiflung heulenden Mannes.

Eines der Mädchen, die da standen, die ihr trauriges Gewerbe festhielt nachts auf der Straße – eines von diesen armseligen Geschöpfen kam an den in seinem irren Schmerz hin und her laufenden Mann heran und sagte, selber weinend:

»Was ist denn, Herr Marquardt? ... Ich wohne ja da oben, und ich kenn' se doch auch, Ihre Frau! ...«

Heinz Marquardt hatte nie acht gegeben, wer in seiner Nähe wohnte; jetzt sah er das Mädchen an, als könne von ihr das Heil kommen, als könne sie ihm helfen, sein Liebstes, das er da oben tot, ermordet gefunden hatte, wieder zu erwecken.

»Einen Arzt!« stieß er hervor, »einen Arzt!« und rannte davon wie gehetzt, und hinter ihm das Mädchen, rufend:

»In der Koloniestraße, da wohnt einer, bei den geht meine Wirtin immer!«

»Wo denn? Wo denn?« ächzte er.

Nun führte sie ihn, beide im Laufschritt, atemlos, keuchend, er ganz seinem Schmerze hingegeben und sie vor Mitleid mit ihm schluchzend.

Es dauerte lange, bis der Arzt herunterkam.

Wie er aber hörte, was geschehen war, da ließ er sich selber erst nicht lange nötigen zum Laufen.

Durch die menschenleeren, schlecht beleuchteten Straßen stürmten sie alle drei dahin, als hinge von ihrer Eile jetzt noch Leben und Sterben ab.

Wie sie die schmalen, steilen Treppen hinaufkamen, stand alles voller Leute. Bis an die Wohnungstür, die Heinz Marquardt hinter sich offen gelassen hatte. Und alle diese Menschen, in deren Gesichtern sich Neugier und Entsetzen stritten, traten schweigend zurück, als jetzt der Mann der Ärmsten, die da oben ermordet lag, an ihnen vorüber wollte. In die Wohnung hinein hatte sich niemand getraut.

Man sah durch die offene Tür den Korridor erhellt von der kleinen Küchenlampe, die am Nagel hing, und die Augen der draußen Stehenden suchten fieberhaft nach dem Opfer.

Unten auf der Treppe wurden schwere Schritte hörbar, und gleichzeitig wurden Befehle laut, wer hier nichts zu suchen hätte, solle Treppe und Haus verlassen.

Die Polizei kam. Ein Leutnant und mehrere Schutzleute.

Der Arzt war um die Ermordete beschäftigt. Aber all seine Kunst blieb vergeblich. Die arme Trude hatte nur zwei Stiche mit einem scharfen Instrument, wahrscheinlich einem Dolch oder Stilett, von hinten empfangen. Aber offenbar war schon der zweite Stoß des Mörders überflüssig gewesen. Der Tod hatte sie vollständig unvorbereitet überrascht.

Im Wohnzimmer war der Mord passiert. Dort mußte das arme Wesen, nachdem es den ersten Stich bekommen, der beide Herzklappen durchschnitten hatte, zusammengebrochen sein und den Veloursteppich, dessen ursprünglich helle Farbe jetzt ganz dunkel war, mit seinem Blute durchtränkt haben.

Der Arzt erklärte es für ganz unmöglich, daß die Ermordete danach noch einen einzigen Schritt gemacht haben könnte.

Er selbst hatte sie auf dem Bette liegend gefunden, und es war nicht aus Heinz Marquardt herauszubringen, ob er die Tote dorthin gelegt hatte.

Der Polizeileutnant, ein noch junger Mann, dem es schwer wurde, seine tiefe Ergriffenheit zu verbergen, schüttelte, mit dem Arzte redend, den Kopf.

»Das ist kaum zu glauben, Herr Doktor! – Denn selbst wenn man glauben wollte, der arme Kerl hätte soviel Geistesgegenwart in diesem fürchterlichen Augenblick noch besessen, so ist doch gar nicht anzunehmen, daß in der kurzen Zeit – denn es kann ja kaum eine halbe Stunde her sein, daß er sie gefunden hat – der Körper schon so erstarrt sein sollte.«

Der Arzt mußte dem beipflichten. Und daß er selbst nicht auf diesen Gedanken gekommen war, daran war wohl auch nur die Erschütterung schuld, die er selbst empfunden hatte beim Anblick dieses liebreizenden Geschöpfes, das eine Bubenhand niedergestreckt hatte. Es war jetzt auch die Stubenlampe angezündet worden, und das Schlafzimmerchen, in dem alles bis auf das eine zerworfene Bett so leuchtend ordentlich und nett war, glänzte von einer milden Helligkeit.

In den Kissen, die überall große dunkle Flecke zeigten, lag die Tote wie aufgebahrt. Sie trug noch immer das Morgenkleid, dessen Knöpfe am Hals aufgerissen waren. Und dieser Hals, dieser zarte, weiße Mädchenhals wies, als man die Lampe näher heranbrachte, deutlich die grausamen Fingermale des Mörders auf. Aber das Gesicht war nicht entstellt. Nur das Lächeln, die stille Liebenswürdigkeit war fortgewischt aus dem Antlitz des jungen Weibes, dessen blondes Haupt von einer starren Feierlichkeit umflossen war. Die schwachroten Lippen waren geschlossen, und die blauen Augen, deren Lider noch ein wenig offen standen, widerstrebten dem Fingerdruck des Arztes, als er sie schließen wollte.

Neben dem Bett war Heinz Marquardt auf einen Stuhl niedergesunken. Er hatte die schlaff herniederhängende rechte Hand der Toten in die seine genommen und streichelte mit der anderen die blutlosen Finger. Dabei liefen ihm die Tränen immerfort über die Wangen, aber er sagte nichts. Als der Arzt mit seinen Bemühungen aufhörte, hatte er diesen groß und fragend angesehen und aus den stummen, von Mitleid erfüllten Zügen des Mediziners ohne eine Frage sein jammervolles Schicksal gelesen.

Der Polizeileutnant war an ihn herangetreten mit der Absicht, ihm wenigstens ein Wort des Trostes zu geben. Aber vor den dunklen eng beieinander stehenden Augen, die Heinz Marquardt voll zu ihm aufschlug, vor dem unsäglich gramvollen Ausdruck dieses von brennenden Schmerzen verstörten Gesichtes verstummte der Beamte.

»Sie können doch hier nicht bleiben?« sagte er endlich.

Der Gatte der Ermordeten hörte gar nicht darauf.

»Die Fundstelle muß auch möglichst unberührt erhalten werden!« meinte der Polizeileutnant wieder.

»Das hier ist meine«, sagte Heinz Marquardt mit einem Unheil verkündenden Blick, und der Polizeileutnant wagte dem nichts entgegenzusetzen.

Inzwischen war nach dem Präsidium telephoniert worden, und eine ganze Anzahl von Kriminalbeamten hatte sich eingefunden. Der Chef selbst, Herr von Rhode, war erschienen und betrat soeben in Begleitung der Kommissare Hartmuth und Bendemann das Zimmer.

Der Polizeileutnant erstattete leise seinen Rapport und wies dann auf den noch immer neben seinem toten Weibe sitzenden Heinz Marquardt.

»Wir können ihn doch hier nicht lassen, Herr Geheimrat?«

»Natürlich nicht! ... Muß irgendwo im Hause 'n Unterkommen suchen, damit wir 'n morgen früh gleich wieder bei der Hand haben.«

»Er wird Schwierigkeiten machen«, erwiderte der Polizeileutnant flüsternd.

»Was heißt denn das?« ... Herr von Rhode sprach noch leiser mit seinem Untergebenen, und dann meinte er vernehmlicher: »Ich wer' mal mit dem Mann reden!«

»Herr ...,« er wandte sich an den Polizeileutnant, »wie heißt er?«

»Marquardt«, erwiderte dieser dienstbeflissen.

»Also, Herr Marquardt, äh, hm! ... es ist ja außerordentlich bedauerlich, und äh! wir verkennen keinen Augenblick den traurigen Ernst Ihrer Lage, aber, sagen Sie mal, können Sie uns denn nicht vielleicht 'n Anhaltepunkt geben? ... Ich meine natürlich nicht, daß sie uns was Positives sagen sollen über den Fall – Keine Ahnung ... Davon werden Sie ja ebensowenig wissen wie wir, aber sagen Sie mal, Herr Marquardt, hat denn Ihre Frau nicht ... äh, na ich meine, hat sie denn nicht so Bekanntschaften gehabt ... Bekannte, die, hm ... na, äh, was sollen wir uns da lange fürchten vor dem Wort, hier is ja nich der Augenblick, wo man sich gegenseitig Mätzchen vormacht, seien wir mal ganz ehrlich und aufrichtig, sind Sie der Treue Ihrer Frau immer ganz sicher gewesen? ... Ich höre nämlich, daß Sie Beamtet sind an der Staatseisenbahn, und da sind Sie ja natürlich den Tag über von Hause abwesend. Sagen Sie mal, Herr Marquardt, woher stammt denn Ihre Frau eigentlich?«

Heinz Marquardt hatte den hohen Beamten bis jetzt ohne ein Wort der Erwiderung immer nur schweigend angesehen. Aber in seinen Augen lag etwas, was den jungen Polizeileutnant bewegte, sich dicht neben seinen Vorgesetzten hinzustellen. Und plötzlich richtete sich der Büroschreiber mit einem Ruck straff empor. Und seinen blassen, von so unendlichem Weh zerwühlten Kopf dem Herrn entgegenstreckend, schrie er:

»Sind Sie verrückt, Sie? ... Meine Frau? ... Meine Frau? Einen Geliebten?! ... Ach!« ... Er brach mit einem Ruck in sich zusammen und griff taumelnd mit seinen beiden Händen nach dem Bettpfosten.

»Niemand auf der Welt hat sie so lieb gehabt als mich! Niemand! Den möchte ich sehen, der das sagen könnte.« Er erregte sich wieder. »Und ich sage Ihnen, Herr, sagen Sie das nicht noch einmal! Ich weiß nicht, wer Sie sind, und das ist mir auch ganz gleichgültig; aber ich schlage jeden zu Boden, der über meine arme geliebte Trude noch ein solches Wort sagt!«

Der Herr Geheimrat schien etwas erschrocken, und er war wohl nicht recht einig mit sich, ob er das, was ihm da eben so unverhohlen gesagt worden war, als Beleidigung auffassen oder ob er es dem schwergeprüften Manne zugute halten sollte. Dann entschied er sich für das letztere, wandte sich mit einem Achselzucken ab und ging zu den beiden Kommissaren, von denen der eine die Küchenlampe in der Hand hielt, und die jetzt mit Späherblicken die einzelnen Räume des Tatortes musterten, um vielleicht doch irgendeinen Anhaltepunkt zur Auffindung des Täters zu gewinnen.

Der Arzt war, sobald er erkannt hatte, daß hier seine Hilfe zu spät kam, gegangen. Auch der Polizeileutnant verließ das Zimmer aus irgendeinem Grunde.

Da schlüpfte ein Mädchen in die Tür. Dasselbe Mädchen, das Heinz Marquardt vorhin den Weg zum Arzt gewiesen hatte. Ein noch junges Geschöpf von kleiner, sehr voller Figur und mit einer schwarzen Mähne, die ihr wie ein Helm in die Stirne hineinwuchs. Darunter leuchteten ein paar blanke Augen, aber den Mund des trotz Puder und Schminke noch frischen Gesichtes entstellte eine schreckliche Narbe.

Heinz Marquardt erkannte sie kaum wieder.