Inhaltsverzeichnis
Der Orient ist gross.
Der grosse Chalif
Die eitle Mutter
Die Drei!
Die verbotene Liebe
Thränen der Verzückung
Die Feueranbeter
Der Treubruch
Der Harmlose
Die Gemahlin!
Das Wiedersehen
Das falsche Spiel
Die Herren Söhne
Die Sklavin
Die Angst
Das Kind
Der Verrath
Das Entsetzliche
Die Raserei
Das wilde Thier
Blut! Blut!
Rache! Rache!
Nieder!
Die Einsamkeit
Der ewige Jammer

Der Orient ist gross.

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Und die Geister des Orients sind auch gross. Wenn's Neumond ist, versammeln sie sich auf dem Demawand und benehmen sich da sehr laut – sehr laut.

Die Dschinnen kreischen und quieken. Die Drachen fauchen und grunzen. Die Feeen zischen und quarren. Die Zwerge husten und prusten. Die bösen Gespenster braaschen und plärren. Die starken Narren prügeln sich. Und die grossen Götter schleudern mächtige Felsblöcke in die dunklen Thäler hinab, dass Alles kracht.

Auf dem Demawand heult's, brummt's, knistert's. Die harten Berge knarren, knacken, bersten.

Die Unsichtbaren jammern jubelnd, zerstampfen und zerscharren die Steine, sausen sich verschnaufend vorüber – und stöhnen wie aus weiter Ferne.

Alte Graubärte halten lange lange Reden.

Und dazwischen donnert's, dass das ganze Gebirge platzt. Gleich danach klingen von unten herauf helle feine Glocken – die guten Geister flüstern und singen dazu.

Und dann schreien plötzlich Alle durcheinander.

Wüster Lärm! Wüster Lärm!

Und mittendrinn in diesem grossen Wirrwarr sitzt der grosse Riese Raifu.

Raifu schweigt.

Wildzerzauste brandrothe Haare umflattern sein hässliches gelbes Gesicht.

Im schneeweissen Mantel, der tausend Farsangen lang ist und furchtbar breit, sitzt er da – wie ein weisser Riesengletscher.

Sein wilder rother Bart weht seitwärts tief in ein dunkles Thal hinab.

Und zwölf schwarzgekleidete Zaubrer umwandeln das Riesenhaupt in Augenhöhe.

Die Zwölf sehen so winzig klein aus – sie tragen schwere eiserne Zauberstäbe auf den breiten Schultern. Die Schwarzgekleideten schreiten durch die Luft in gleichmässigem Schritt; und wer am linken Ohre des Riesen vorbeikommt, der schreit da was hinein.

Und Jeder schreit dasselbe.

Jeder schreit:

»Herr, lass die Löwen hier!«

Doch des Riesen Stirn wird immer finstrer, mächtige Furchen graben sich hinein; und dabei verzerrt sich der untere Theil des Gesichtes, als wenn's lachen wollte.

Und grimmig grinsend spricht der grosse Riese:

»Nein! meine fünf Löwen sollen nun grade mitkommen. Meine fünf Löwen sind verbissene Kröten, aber sie können lachen; und mir thut es so wohl, wenn ich verbissene Kröten kräftig lachen höre. Es bleibt dabei: sie kommen mit!«

Nach diesen Worten erheben die fünf Löwen ein so fürchterliches Freudengebrüll, dass das ganze Himmelsgewölbe zittert – dass sogar die alten Sterne zu schwanken beginnen.

Die fünf Löwen sind natürlich keine gewöhnlichen Löwen; das Gewöhnliche liebt der Riese Raifu ganz und gar nicht. Die Fünf sind hellblaue Löwen – leuchtende Löwen!

Sie erleuchten den ganzen Demawand – wie lebendige Laternen.

Ihr Licht leuchtet wie das Geisterlicht des Blitzes – blitzblau!

Die Fünf sind auch Geister – Söhne des Geisterblitzes! Jeder von den Söhnen ist so gross wie vierzig dicke Elephanten zusammen.

Die Blitzblauen stehen auf fünf spitzen Bergkegeln und brüllen – und ihr Brüllen donnert – und dieser Donner ist ein Lachen – ein märchenhaftes Lachen der Tollheit. Und sie knallen dazu mit den Schwänzen.

Das andre Geistervolk des Demawands verstummt vor diesem grossen Gelächter und vor diesem grossen Geknall.

Die zwölf Zaubrer umwandeln nicht mehr des Riesen Haupt – sie sitzen jetzt in seinen flatternden brandrothen Locken und halten sich an einzelnen Haaren mit aller Kraft fest – denn einen Sturmwind haben die Kehlen der Löwen entfesselt; es rauscht in den Tannen, es knistert in Raifu's Haaren, rollende Steine poltern in die Thäler hinunter.

Die Löwen lachen und knallen, dass es weh thut! Ohrzerreissender Lärm!

Weltradau!

Selbst die wildesten Geister müssen verstummen vor dieser Löwenmusik.

Doch plötzlich lässt der Raifu seine Stimme hören, und die ist nun mächtiger als Alles.

»Schweigt, Bestien!« ruft der Riese.

Und die blitzblauen Löwen halten sofort das Maul. Der Sturmwind verhallt.

Raifu streichelt seinen Bart, dass der nicht mehr knistert. Es wird ganz still auf dem Demawand – es wird mäuschenstill.

Auch der Himmel wird still – die alten Sterne hören auf zu wackeln.

Die Leiber der Löwen leuchten geisterhaft durch die stille Nacht.

Und in diese stille Nacht murmelt Raifu leise seufzend:

»Ja wohl! Ich bin zu gross! Meine Grösse hat an Allem schuld. Ich darf mich garnicht wundern, dass ich nie ein Weib fand, das ich lieben konnte und das mich wiederlieben konnte. So grosse Weiber, wie ich sie brauche, giebt's ja garnicht. Der dümmste Zwerg findet seine Hexe, aber der arme Raifu findet keine Hexe – nicht einmal ein Weib. Das ist der Fluch der Grösse. Aechte Riesen sehnten sich wohl nach der Liebe zu allen Zeiten vergeblich. Aber die verfluchten Europäer – die sollen's büssen. Ich will ihnen ein Schauspiel aufführen, das ihnen die Liebe für ewig vergällen soll. Heda! Ist Alles fertig? Zaubrer, sagt mir: ist Alles fertig? Kann das Spiel beginnen? Sprecht zu mir!«

Und behende springen die Zaubrer aus den rothen Locken heraus und umwandeln wieder das Riesenhaupt wie vorhin – in Augenhöhe – in gleichmässigem Schritt.

Wieder umschreien sie das linke Riesenohr.

Und dann erhebt sich der grosse Raifu und steigt vom Berge herunter in Persien hinein.

Die Löwen springen in Riesensätzen voran, und das ganze Geistervolk des Demawands folgt im wilden Wirbel wie eine Windhose – wie eine Geisterhose.

Und während die Zaubrer eifrig Raifu's Haupt umwandeln, geht's hinunter ins alte Syrerland.

Dort sitzen schon die Europäer und harren des grossen Geisterschauspiels, das Raifu ihnen versprochen hat.

Die Europäer, die wohl wissen, dass die Geister ganz vortrefflich spielen können, sitzen auf der Westseite des Syrerlandes – erwartungsvoll.

Gegen Osten wird ihnen vorläufig noch die Aussicht versperrt durch einen grossen grauen Vorhang, hinter dem jetzt Raifu mit seinen Geistern verschwindet.

Die Europäer sitzen da – mit klopfendem Herzen.

Die hellblauen Löwen gehen würdevoll vor dem grauen Vorhang auf und ab – und leuchten.

Die Europäer knittern ängstlich mit den grossen Theaterzetteln.

Und dann erscheint Raifu's Kopf mit den Zaubrern im Haar oben über dem grauen Vorhang und ruft laut:

»Löwen, reisst den Vorhang entzwei!«

Die Hellblauen packen hurtig – blitzschnell mit Tatz und Zahn in das graue Tuch und reissen's knurrend nach Norden und Süden auseinander, dass der Osten ganz frei daliegt.

Die erste Nummer beginnt:

Der grosse Chalif

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Fern im Osten wird es Tag.

Hinter Bagdad am Tigris geht die Sonne auf – ganz langsam. Und die Paläste des grossen Chalifen Harun al Raschyd kommen – auch ganz langsam – in den Vordergrund.

Alles funkelt in der Morgensonne, wie indische Edelsteine funkeln.

Und es dreht sich das weite Parkgebiet Haruns mit seinen unzähligen Schlössern, Thürmen und Kiosken, mit seinen Blumen und Seeen, mit seinen Palmen und Bananen wie ein grosses Karussell, sodass die Europäer Unzähliges sehen können.

Aus den mächtigen Hallenpforten treten grellgekleidete Frauen heraus. Und überall wimmelt's von schwarzen Sklaven.

Plötzlich steht das Karussell still, und eine hohe Terrasse schiebt sich nach vorn – von der aus kann man bequem hinausschauen auf den breiten Tigris.

Auf der Terrasse – unter Myrthen – sitzt der Chalif auf einem Diwan und trinkt Wein.

Rechts und links vom Chalifen liegen an die hundert Weiber herum – schwarze, braune, gelbe und weisse – in bunten seidenen Gewändern. Alle liegen auf weissen Fellen.

Die Sklaven stehen abseits in gemessener Entfernung, haben aber Nichts zu thun.

Die Myrthengebüsche glänzen in der Morgensonne.

Der Tigris glänzt noch mehr.

Und Harun glänzt ebenfalls – weinselig lächelnd.

Ein grasgrüner Seidenmantel umhüllt lose seine mächtige Gestalt. Kirschrothe Drachen sind in die Seide gewebt.

Das breite dunkelbraune Gesicht mit den grossen mohrenschwarzen Augen und dem kurzen schwarzen Vollbart wird von einem grossen grünen Seidenturban überwölbt.

Harun atmet tief auf, dass seine breite Brust sich gewaltig aufbläst und sein breiter Hals noch breiter wird.

Neben dem stattlichen Fürsten – zu seiner Rechten – liegt seine geliebte Schwester Abbasah, ein rehbraunes Weib, das auch mit mohrenschwarzen Augen in diese Welt reinschaut.

»Abbasah!« ruft der Chalif, »dieser Morgen ist noch herrlicher als die Nacht! Gieb mir neuen Wein und spiel auf Deiner neuen Harfe! Ihr faulen Sklaven aber, Ihr bringt mir den Jahjah ibn Chalid her! Ich muss ihm was sagen.«

Vier junge Neger stürzen wie die Jagdhunde davon, die Abbasah reicht den Wein und klimpert auf ihrer neuen Harfe, die mit vielen Diamanten verziert ist.

Doch unversehens wird das rehbraune Weib wüthend und zerschlägt ihre Harfe.

Harun wendet sich um, streichelt Abbasahs Rückgrat und fragt besorgt:

»Was fehlt Dir, Kind?«

Das Kind zerkrallt sein saphirblaues Seidenkleid, zieht danach seine rothen Lederpantoffeln aus und schlägt mit diesen alten Weiberwaffen auf den grossen Chalifen so heftig ein, dass der sich kaum wehren kann.

Nach diesem groben Liebesspiel bemerkt die geliebte Schwester ganz sanft und bedächtig:

»Harun! Kannst Du da drüben überm Tigris die vielen weissen Möven sehn? Ja? Siehst du? Weisst Du, ich möchte so gern auch eine Möve sein und über blauen Wellen so ganz frei dahinschweben – so ganz – ganz – frei! Und wenn ich eine Möve wäre – weisst Du, was ich da thun würde? Na? Rathe doch! Ach, das kannst Du nicht rathen. Ich würde mich einfach noch mal verwandeln. Sieh, ich würde mich in eine grosse weisse Wolke verwandeln und als weisse Wolke alle die Männer umarmen, die mir gefallen. Als weisse Wolke würd' ich nicht mehr so ärgerliche Stimmungen haben, nicht mehr so gereizt sein.«

Die Abbasah schaut mit verklärten Augen zum dunkelblauen Himmel auf.

Harun streichelt ihr die kleinen Ohren und flüstert ernst:

»Kind, Du bist sehr geistreich!«

Er winkt den anderen Frauen, und die singen nun ein tieftrauriges Liebeslied, das sie auf Haruns Wunsch in der Nacht schon sechs Mal gesungen haben.

Wie's verhallt, erscheint der alte Jahjah ibn Chalid ibn Barmek und verneigt sich mit seinem weissen Bart ganz tief vor seinem mächtigen Gebieter.

Die Frauen und Sklaven entfernen sich.

Auch Abbasah geht fort.

Harun ist mit Jahjah allein; das ist er stets, wenn sich's um wichtige Staatsgeschäfte handelt.

»Höre mal!« hebt der erlauchte Herrscher an, »die letzte Nacht war prächtig, sie gefiel mir. Die Sterne und die Weiber haben mich entzückt. Der Wein schmeckte mir sehr gut. Und die Abbasah – die war herrlicher denn je. Trotzdem fehlte mir was. Mir fehlte der Freund – Djafar, Dein lustiger Sohn, fehlte mir. Ich sehe nicht ein, warum er verbannt sein soll, wenn die Abbasah in meiner Nähe ist. Ich wünsche, fortan mit meinem Freunde und mit meinem Weibe zu gleicher Zeit zu zechen.«

Der alte Jahjah verbeugt sich noch tiefer als vorhin und erwidert zögernd:

»O Herr! die Palastsitte verbietet's aber, dass ein Mann zugegen sei, wenn der grosse Chalif ein Weib in seiner Nähe duldet.«

»Ach was!« ruft da zornig der heftige Harun, »was schert mich die Palastsitte? Freie Sitten will ich! Ich will Djafar und Abbasah zusammensehn. Mein Freund soll auch der Freund meines Weibes sein. Mach's, wie Du's willst! Aber ich wünsche, dass meinem Wunsch entsprochen wird. Ich befehl's! Kein Wort weiter! Geh und sprich mit Deiner klugen Frau Gemahlin. Umgeht die Palastsitte! Weckt nicht meinen Zorn! Ich rath' es Euch!«

Jahjah fällt auf ein Knie, küsst ehrfurchtsvoll den Saum des Drachenkaftans, steht langsam wieder auf und geht langsam davon – in tiefen Gedanken.

Harun nimmt ein Stück der zerbrochenen Harfe in die Hand und betrachtet aufmerksam einen grossen Diamanten, der noch ganz fest an dem Holze sitzt.

Weisse Wolken ziehen vorüber – immer mehr weisse Wolken. Und die umhüllen den Harun und die ganze Terrasse, dass die Europäer bald Nichts mehr sehen können – als weisse Wolken.

Durch das bläuliche Licht, das jetzt die Löwen wieder stärker ausströmen, werden die weissen Wolken allmählich ebenfalls bläulich.

Die Löwen sitzen gemüthlich mit untergeschlagenen Hintertatzen auf dem Wüstenboden.

Vor jedem der grossen Thiere steht eine grosse flache Schale, auf der dreissig Centner Gurkensalat aufgestapelt sind.

Dem hellgrünen Gurkensalat sprechen die hellblauen Löwen eifrig mit Heugabeln zu, um dadurch den Europäern die Angst zu benehmen.

Die Europäer sollen sehen, dass Raifu's Löwen trotz ihrer Grösse auch mit Pflanzenkost zufrieden sind; blutgieriger als Menschen sind sie keineswegs.

Der Gurkensalat schmeckt den Blitzblauen augenscheinlich ganz ausgezeichnet; man merkt es bald, dass Jeder von ihnen so gross wie vierzig Elephanten ist.

Die Fünf sitzen im Halbkreise zusammen.

Das Antlitz des Mittleren ist gegen die Europäer gerichtet. Die grosse Essigflasche geht von Tatz zu Tatz, und auch die grosse Ölflasche geht von Tatz zu Tatz.

Die Löwen speisen, ohne aufzusehn.

Die zweite Nummer beginnt:

Die eitle Mutter

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Ein feiner Knall – und die Wolken sind weg.

Und die Europäer blicken in Djafars Palast.

Der allmächtige Djafar ibn Jahjah ibn Chalid ibn Barmek, der herrlichste Barmekidenspross, liegt lang ausgestreckt auf seinem feuerrothen Diwan und trinkt Thee.

Ganz junge schwarze Negermädchen – drei Stück – fächeln dem hohen Herrn kühle Luft ins Gesicht.

Und das Gesicht muss lachen – glücklich lachen – es schaut vergnügt umher – in eine kostbare – schrecklich theure – Blumenwelt hinein.

Wunderliche Blumen bedecken den Fussboden – Blumen, deren Kelch aus echten Perlen und echten Rubinen besteht. Aus schwarzem Ambraholz tauchen die glänzenden Glutblüten heraus. Feine schmale Zweige aus Perlmutter mit goldenen Blättchen schlingen sich um die Perlen und Rubine rum.

Und Früchte aus Perlen und Rubinen – auch von Perlmutterzweigen umschlungen – schimmern an den Wänden.

Das Liniengewebe ist ganz in persischem Geschmack gehalten – leicht und massvoll gebogen – nirgendwo jäh unvermittelt gekrümmt.

Die Decke ist dunkel. Da funkeln im schwarzen Ambraholz nur ein paar goldene Sterne, die spitze Sporenzacken zeigen. Hinter dem lachenden Djafar sieht man durch ein breites hohes Fenster auf den dunkelblauen Tigris hinab – durch dünne Säulen hindurch, die von oben bis unten nur aus gelben Perlen bestehn.

Das ist ein Zimmer in Djafars Palast.

Von rechts und von links kommen jetzt indische Bajaderen herein – mit kleinen goldenen Dolchen und kleinen goldenen Handschilden.

Die Bajaderen tanzen einen Kriegstanz, greifen sich wüthend mit ihren Dolchen an und schützen sich tapfer mit ihren Schilden. Dabei recken, drehen und winden sich die Mädchen so geschickt, mit so feiner Berechnung, dass immer wieder ganz neue malerische Kampfstellungen entstehn. Jedes Getümmel wird gleich wieder zum anmuthigen Bilde. Die Anmuth verspottet den Muth. Djafar lacht aus vollem Halse über diesen Weiberkrieg. Der Krieg ist der einzige, der ihm Spass macht. Die ernste Männerschlacht verhöhnt der kluge Barmekide. Seine Bajaderen, die das auch thun, kämpfen nach dem Takte dumpfer Pauken. Doch die Pauken verstummen plötzlich.

Es naht ein alter Sklave, der flüstert dem hohen Herrn sehr eifrig was ins Ohr.

Die Bajaderen verschwinden, die Pauken und der alte Sklave folgen – auch die Negermädchen gehen fort.

Djafar ist allein. Er springt ärgerlich auf und steht nun erwartungsvoll in seinem gelbseidenen Kaftan da. Mit schwarzen Perlenschnüren ist der gelbe Kaftan besetzt. Auch auf Djafars gelbem Turban sitzen schwarze Perlen.

Und langsam naht der alte Vater Jahjah, hinter ihm der kluge Fahdl, Djafars Bruder.

An Fahdls linker Hand leuchtet des Chalifen grosser Siegelring, in dem die höchste Macht verborgen ist: Fahdl ist Haruns Vezier.

Flinke Diener tragen den rothen Diwan raus und legen auf den kostbaren Fussboden drei weisse runde Ziegenfelle, auf denen sich Jahjah mit seinen beiden Söhnen würdevoll niederlässt. Der Vater sitzt mit dem Rücken gegens Fenster in der Mitte.

Nach einer peinlichen Pause beginnt der alte Jahjah ibn Chalid ibn Barmek also:

»Djafar, mein lieber Sohn, wir kommen in einer wichtigen Angelegenheit.«

»Wann kämt Ihr,« versetzte Djafar müde, »nicht in einer wichtigen Angelegenheit? Diese Regierungssorgen! Es ist nicht zu sagen! Die Leute, die Andre beherrschen wollen, sind stets die Sklaven dieser Andern und bleiben's auch. Nichts ist so gefährlich wie das Herrschenwollen. Die Machthaber sind allerdings die Könige im Sklavenreich, weil sie die schwersten Ketten tragen. Warum lebt Ihr nicht wie ich – sorglos, frech und toll? Thätet Ihr's, so gäb's für Euch keine wichtige Angelegenheit.«

Jahjah und Fahdl sehen sich vielsagend an, und der Erstere fährt fort:

»Djafar, mein lieber Sohn, Deine Mutter lässt Dich grüssen und Dich bitten, das zu thun, was wir Dir sagen werden.«

Djafar wird aufmerksam und will wissen, was wieder los ist.

Der Vater spricht nun:

»Du kennst Abbasah, des Chalifen Schwester, und weisst, wie heftig Er diese Frau liebt. Nun liebt Er aber auch Dich, mein lieber Sohn! Und Er will mit seinem Weibe und mit seinem Freunde zu gleicher Zeit zusammen sein. Du weisst, dass Er schon oft davon sprach. Jetzt können wir's Ihm nicht mehr ausreden. Deshalb giebt Dir Deine Mutter den Rath, Dich – mit Abbasah – – zum Scheine – zu – – vermählen. Diese Scheinehe musst Du eingehen, wenn wir die Macht in unsern Händen behalten wollen. Vergiss nicht, wer Dich bittet, auf unsern Plan einzugehn – Deine Mutter bittet Dich!«

Fahdl sagt auch:

»Sieh, Deine Mutter bittet Dich!«

Und Djafar erwidert lachend:

»Das ist so der richtige Weiberplan! Die eitle Mutter! Gewiss! Ich geh' auf Alles ein! Sorglos, frech und toll wie immer. Die Geschichte wird ja herrlich werden. Aber mir ist es ganz gleich, was draus wird. Das merkt Euch!«

Alle stehn auf. Man drückt dem Djafar gerührt die Hand, umarmt ihn und dankt in vielen gerührten Worten. Der Vater setzt dabei dem glücklichen Sohne auseinander, wie glücklich er sich schätzen müsse – und – und – und dass er sich jetzt auch erkenntlich zeigen müsse.

Schliesslich bemerkt der Alte noch ganz harmlos:

»Djafar, mein lieber Sohn, wir haben Dich schon öfters gebeten, dem Harun Deinen Palast zu schenken. Dieser Palast ist ohne Frage herrlicher als alle indischen und persischen Paläste zusammen. Das ist dem Chalifen zu Ohren gekommen. Sieh nur, Du freust Dich schon auf Deine neue Ehe; man sieht's Dir ja an. Darum zeige Dich erkenntlich gegen uns; Du verdankst doch nur uns Dein neues Glück! Darum lass ab von diesem Hause! Du kannst dir ja ein andres bauen.«

Djafar stampft mit den Füssen auf, dass ein paar blitzende Rubine in die Ecken fliegen, knirscht mit den Zähnen und ballt die Fäuste. Bald wird aber seine Haltung wieder so schlapp wie gewöhnlich. Er zuckt mit den Achseln und flüstert leise:

»Na ja! Ihr habt mich gefangen! Diese Scheinehe reizt mich! In allen Harems will ich siegen. Die Weiber will ich bekriegen. Nicht auf Euren Schlachtfeldern, auch nicht bei Euren Regierungsgeschäften werde ich den grossen Mann spielen. Niemals! Dazu bin ich nicht geschaffen. Allah sei Dank! Deshalb lass' ich mich ruhig von Euch übertölpeln. Ich bin Euch nicht böse. Also schön! Nehmt, was Ihr kriegen könnt! Nur los! Ich schenke dem Harun meinen Palast – ich, der reichste Barmekide, der herrliche Djafar ibn Jahjah ibn Chalid ibn Barmek ich schenke gnädigst mit Anstand meinem Chalifen meinen herrlichen Palast. Ja, schenken macht auch Spass! Ich will ja schenken! Djafar war nie ein Knicker. Kein Fürst giebt je Euch mehr.«

Er hebt seinen linken Arm hoch auf und steht mächtig stolz da, wie Einer, der über seinen Edelmuth freudig erstaunt ist.

Und wieder Umarmungen! Und wieder heisser Dank! Man ist ernstlich gerührt. Männerthränen – aufrichtige – rollen über braune Barmekidenwangen.

Die Perlen schimmern, und die Rubine brennen.

Der Vater spricht noch mit erhobenem Zeigefinger: »Djafar, mein lieber Sohn, sei vorsichtig! Vergiss nie, dass Deine neue Ehe nur eine Scheinehe ist!«

»Ach was!« schreit da lachend der grossmüthige Barmekide, »gegen Traurigsein ist Lustigsein das beste Mittel. Dem Seligen wackelt so wie so der Kopf. Könnt Ihr Euch einen Tollkopf mit steifem hartem Halse vorstellen? Oh, das ganze Leben ist ja zu allen Zeiten lebensgefährlich.«

Unter lautem Gelächter in höchst vergnügter Laune gehen die Drei rechts ab.

Ein mächtiger Donnerschlag erdröhnt – und blitzschnell verwandelt sich Djafars Palast in ein starres Steingebirge.

Die Löwen werfen die Heugabeln fort; der Gurkensalat ist endlich verspeist.

Die Europäer legen Operngucker und Schallfänger in den Schooss, schreien »Bravo!« und klatschen in die Hände, denn das Spiel hat Alle entzückt.

Indessen – da fangen die Löwen furchtbar zu brüllen an.

»Ruhe!« ruft der Dickste, »Ihr seid hier nicht in Europa. Euer albernes Händeklatschen gehört hier nicht her.«

Und sofort wird's still – mäuschenstill!

Die Löwen leuchten wieder, dass das starre Steingebirge besser zu sehen ist.

Der Dickste knallt lässig mit dem Schwanze und lässt seine Stimme abermals vernehmen – wie folgt:

»Europäer! Ihr wisst augenscheinlich noch nicht, wer wir sind! Wir sind die Söhne des Blitzes, und ich heisse Pix. Zu meiner Linken stehen meine Brüder Frimm und Olli, zu meiner Rechten stehen meine Brüder Knaff und Plusa. Also wir heissen: Pix, Frimm, Olli, Knaff und Plusa! Merkt Euch das!«

Leises Geflüster geht durch die Reihen der Europäer. Die Löwen wandeln langsam auf und ab und leuchten.

Die dritte Nummer beginnt:

Die Drei!

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Das Steingebirge birst laut knackend mitten entzwei. Die Felsen fallen nach rechts und links um – in die Ecken – – und der Tigris ist da.

Der breite Strom rauscht gurgelnd und plätschernd, langsam, behäbig von der linken nach der rechten Seite vorüber.

Dunkel ist der Fluss. In der Mitte wird er durch einen breiten Glanzstreifen, der senkrecht von hinten nach vorn kommt, in zwei Hälften getheilt.

Hinten oben mitten im Himmel steht der Vollmond; der Glanzstreifen strahlt glitzerndes Mondlicht aus.

Das Ufer, das im Hintergrunde Himmel und Wasser trennt, bildet nur eine schmale Linie – einen langen schwarzen Querstrich.

Und von links naht Haruns grosse Staatsbarke – langsam schaukelnd wie ein stolzes Dromedar.

Mitten im Glanzstreifen fällt das Segel aufs Verdeck und der Anker in die Tiefe.

Und der schwarze Mast theilt den Glanz und den Mond.

Links vom Maste sitzen die Sklaven, rechts vom Maste sitzt der Chalif mit Abbasah, seinem Weibe, und mit Djafar, seinem Freunde. Die Drei sind zusammen und preisen den Mondenschein. Djafar nennt seine neue Ehe seine Mondscheinehe.

Abbasah lächelt, und Harun lacht.

Man trinkt uralten Wein aus goldenen Pokalen.

Und Djafar sagt, den Becher in der Hand, mit müder Stimme: »Es ist doch eigentlich das ganze Leben Nichts als überflüssige Mühe. Auch das Trinken hat keinen Zweck. Es ist auch blos überflüssige Mühe. Ich sehe überall nur zweckloses Gethu. Schliesslich ist doch auch das üppigste Leben sehr einförmig. Man trinkt und liebt drauf los mit gutem Muth und guter Laune – aber man könnt's auch lassen. Wisst Ihr, es ist am Ende kein Vergnügen mehr, vergnügt zu sein. Harun, lach nicht so viel! Das Lachen hat ebenfalls keinen Zweck.«

Weisse Möven flattern vorüber, sie sehen im Glanze des Mondes auch schwarz aus – so schwarz wie der wackelnde Mast der Staatsbarke.

Harun lacht nicht mehr, er hebt schwärmerisch seinen Becher empor und ruft laut:

»Djafar! Welchen Unsinn sprachst Du! Dieses unmässige Leben soll keinen Zweck haben? Wir geniessen's doch mit allen Adern und allen Muskeln. Wir sind doch so furchtbar glücklich! Djafar, wir feiern heute das grosse Fest unsrer Freundschaft und unsrer Liebe! Da sollst Du nicht schwermüthig sein! Wir sollen trinken und selig sein! Ich liebe Dich ja so masslos! Meine Liebe zu Dir ist mächtiger als alle Reiche der Welt – oh, mächtiger als Allahs Arm – so stiermässig wild wie meine Liebe zu Abbasah, meinem Weibe – genau so! genau so!«

Und der Chalif küsst seinem Weibe die Stirn und trinkt dann lange – lange – und weint.

Links vom Maste sehen die Europäer die Köpfe der Sklaven in seltsamer Bewegung, als wenn sie die Hälse reckten.

»Musst Du stark sein!« erwidert Djafar leise. Er füllt Abbasahs Becher und trinkt ihn selber aus. Harun macht ihm das ernst, ohne ein Wort zu sagen, nach.

Die Abbasah kriegt einen Lachkrampf.

»Ich soll wohl,« bemerkt sie, wie sie sich erholt hat, »Garnichts mehr zu trinken bekommen. Harun, gieb mir meinen Becher! Du bist der mächtigste Säufer der Welt. Trinken kannst Du; aber was Du redest, ist nicht sehr bedeutend.«

Der Chalif schaut sein Weib lächelnd und selig an, reicht ihm den vollen Becher und sieht zu, wie's langsam schlürfend trinkt.

Währenddem ertönt auf dem Fluss von links her ein vielstimmiger Frauengesang – eine wehmüthige, schwermüthige Weise – ein altes Volkslied, das von Treubruch und Tod handelt.

Dem Harun stürzen von Neuem die Thränen ins Auge – er weint bitterlich.

Djafar sagt ernst: »Es ist das ganze Leben Nichts als ein grosser Jammer. Was wir wollen, erreichen wir nicht. Wir wissen nicht einmal, was wir eigentlich wollen – obschon wir wissen, dass wir Etwas wollen.«