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Von Eva Berberich sind als dtv Großdruck im

Deutschen Taschenbuch Verlag erschienen:

Alles für den Kater

Das Glück ist eine Katze

Nicht ohne meinen Kater

Der Kater, der nicht reden wollte

Ein himmlischer Fall für vier Pfoten

In der Blauen Stunde kommen die Katzen

Die Buchkatze und andere Katzen

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Rombach-Verlag: Der Teufel steckt im Bild

Kore-Verlag: Geschichten von Mann und Frau

Tredition: Die Moorkatz von Tiefenhäusern

Tredition: Die Papstkatze

Eva Berberich lebt mit Katze und Ehemann, dem Schriftsteller Armin Ayren, im Hochschwarzwald. Mit ihren heiteren und tiefsinnigen Geschichten hat sie sich in die Herzen zahlloser Leser geschrieben

© 2017 Eva Berberich

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

978-3-7439-8163-8 (Paperback)

978-3-7439-8164-5 (Hardcover)

978-3-7439-8165-2 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung

Eva Berberich

Felix

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Die Menschheit lässt sich grob in zwei Gruppen einteilen: in Katzenliebhaber und in vom Leben Benachteiligte.

Petrarca

Rom hat seine Wölfin. Berlin seinen Bär. New York seine Freiheitsstatue. Freiburg sein Bächle. Brüssel sein ‚Männeken piss’. Bremen hat die Bremer Stadtmusikanten. Kopenhagen seine kleine Meerjungfrau. München sein Kindl. Biberach sein liebs Herrgöttle.

St. Blasien aber hat Felix.

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St. Blasien liegt - malerisch, wie man sagt - zwischen Schwarzwaldbergen im Tal der Alb. Der kleine Fluss voll schöner großer Wackersteine schlängelt sich gemütlich hindurch. Das Städtchen hat einiges zu bieten. Wer sich nicht vor kaltem Wasser fürchtet, kann kneippen. Es gibt, der guten Luft wegen, ein Lungensanatorium, früher gab’s auch ein Kurhaus, in dem einst Berühmtheiten von Adenauer bis Mendelssohn-Bartholdy und Stefan Zweig sich erholten. Damals hatte St. Blasien, wie Wikipedia kühn behauptet, sogar ‚weltstädtisches Flair’, doch das ist inzwischen etwas abgewetzt. Aber nette Läden, Restaurants, Cafés, ein großes Modehaus mit Arkaden und kunstvollen Holzschnitzereien wie vom Zuckerbäcker gibt’s immer noch, auch ein barockes ehemaliges Kloster, heute Internat; dort kann man auch ins Konzert gehen. Und auf dem weiten Platz vor dem gewaltigen Dom mit der großmächtigen grünen Kuppel - sie ist nur wenig kleiner als die des Petersdoms, der Papst würde sich hier zuhause fühlen - findet alle paar Jahre ein großes Spektakel statt, das stolz als Highlight bezeichnet wird. Das doch viel schönere, aber leider halt nur deutsche Wort Glanzlicht oder Höhepunkt ist nicht modern genug. So sind sie, die Leut.

Der Dom spielt immer die Hauptrolle, die eine Hälfte der Bevölkerung spielt begeistert mit, die andere, und dazu haufenweis Gäste, gucken nicht weniger begeistert zu und mampfen in der Pause Currywurst.

Das Internet weiß von Söhnen und Töchtern des Städtchens, die, so steht’s geschrieben, ‚eine gewisse Bedeutung’ haben. Ich hab sie gezählt, es sind genau zwölf. Aber nur Söhne. Die Töchter sind untern Tisch gefallen. Mag auch sein, St. Blasien hat keine erwähnenswerten Töchter, oder es hat sie und verschweigt sie, warum auch immer. Das gibt zu denken.

Mit Recht stolz ist St. Blasien auf Fürstabt Martin Gerbert, einen Mann von kolossaler Bildung, der mangels anderer Möglichkeiten, mit einer mittelalterlichen Dame, der ‚Frau Musica’, liiert war, drei bemerkenswerte Bücher über sie geschrieben hat, eifrig ‚verehrungswürdige Knochenreste’ für seine Reliquienschreine sammelte, eine kleine aber feine Brauerei gründete und den Dom, heute das klassizistische, asketische strenge Kühle ausstrahlende Wahrzeichen St. Blasiens, nach einem Brand neu erbauen ließ.

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Dom zu St. Blasien

Da es hierzuland an Bäumen nicht mangelt, treffen sich im Sommer auf Straßen und Plätzen Künstlerinnen und Künstler, die haben ein Herz fürs Holz und zeigen, was man aus Block, Stamm oder Klotz herausholen kann, wenn man es vorher hineingedacht hat. Sie arbeiten, dass die Späne fliegen, daneben steht neugieriges Volk und gibt seinen mehr oder weniger klugen Senf dazu.

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Durch das Fenster des Cafés am Dom erblicke ich Felix zum ersten Mal. Er thront auf hohem hölzernem Sockel ‚drüb de Bach’, also auf auf der anderen Seite der Alb, über die eine kleine Brücke führt. Stolz, aufrecht, erhobenen Hauptes, den Schwanz ordentlich um sich herumgelegt, hockt er da und fixiert mich.

Ja, mich. Obwohl meine Nachbarin behauptet, er fixiere selbstverständlich sie, und ihm, ich kann’s nicht anders sagen, widerlich schmachtende Blicke zuwirft.

Er sitzt, guckt - und siegt.

Es zieht mich zu ihm hin. Ein coup de foudre, wie der Franzose sagt. Gott helfe mir, ich kann nicht anders.

Dann steh ich vor ihm. Aug in Aug. Menschenaug in Kateraug.

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Arbeit an der Holzskulptur “Stadtkater Felix” von Johannes Köpfer, Bernau, Deutschland

Was für ein Kerl! Wahrhaftig kein Mickerling. Stattlich, überkatergroß, gut im Fleisch stehend, goldene Bernsteinaugen. Schwarz-weiß gefleckter Pelz, oben und hinten zwei Tupfen, dunkel auf der Nas, weiß auf der Schwanzspitze. Und wie er dasitzt - der hat Sinn für Monumentalität und kennt seinen Wert.

Ein Schildchen verkündet: Ich stehe vor Felix, dem Stadtkater. Für die Ewigkeit - oder wenigstens fast - in Holz gehauen und lebensecht bemalt von Johannes Köpfer, einem Künstler aus Bernau, wo anno dazumal Hans Thoma Feld, Wald, saftige Wiesen, knorzige Bäume und Berge im Morgen- und Abendrot malte. Mit Katzen hatte er es aber nicht so. Ich besitze eine kleine Radierung des Meisters, und ich kann nur sagen, die Katz ist ziemlich daneben, die hat er verhauen. Ziegen, Schafe und Kühe lagen ihm mehr. Die sind ja auch viel zahmer, die kann man herumkommandieren.

Der Kater ist nicht ganz fertig - hier fehlt noch ein Pinselstrich, dort eine Lasur oder ein Punkt im funkelnden Aug -, gelassen, würdevoll harrt er seiner Vollendung.

Ein Meister der Bildhauerkunst, den Namen hab ich vergessen, hat gesagt, eine Figur, ob aus Holz, Stein oder Bronze, sei nur dann so richtig gelungen, wenn man sie den Berg runterrollen könne, ohne dass was Wesentliches abbräche. Felix würde ihm gefallen, der ist ‚unkaputtbar’, den könnte man rollen und er käme vollständig unten an. Weil er „sein Sach beinander hat“, wie der Schwabe - natürlich auch die Schwäbin - gern sagt.

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