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W. A. Hary

TEUFELSJÄGER 173-174: Gestatten, Hölle!

„Vorstoß ins Zentrum des Bösen!“


Nähere Angaben zum Autor siehe Wikipedia unter Wilfried A. Hary: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Wichtiger Hinweis

Diese Serie erschien bei Kelter im Jahr 2002 in 20 Bänden und dreht sich rund um Teufelsjäger Mark Tate. Seit Band 21 wird sie hier nahtlos fortgesetzt! Jeder Band (siehe Druckausgaben hier: http://www.hary.li ) ist jederzeit nachbestellbar.

 

TEUFELSJÄGER 173/174


W. A. Hary

Gestatten, Hölle

„Vorstoß ins Zentrum des Bösen!“


Tri-tan hatte uns gewarnt (siehe TEUFELSJÄGER 171-172: Die Göttliche). Die Grenze zum Zentrum des Bösen gilt als unpassierbar. Für jeden. Denn allein schon der Versuch, sie zu überschreiten, bringt unweigerlich den Tod.

Und deshalb sterben wir jetzt hier, Donnergott Thor und ich, Mark Tate, den man den Teufelsjäger nennt…


Impressum

Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de

ISSN 1614-3329

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Titelbild: Lothar Bauer


Coverhintergrund: Anistasius


1


Ja, ich starb!

Ich spürte die Wellen von Pein, die mein Bewusstsein ins Reich der ewigen Finsternis katapultierte.

Das Konzert des Grauens empfing mich, bestehend aus unbeschreiblichen Qualen, schrillem Kreischen, Dröhnen, Hämmern und dem Triumph des Todes, der wieder ein unglückliches Opfer gefunden hatte.

Das Konzert verebbte, als mein Geist endgültig einging ins Reich der Finsternis. Eben für den vollkommenen und endgültigen Tod.

Der Tod ist vollkommen und endgültig?, sinnierte ich indessen, bevor ich die Augen aufschlug. Wie komme ich auf diesen Unsinn? Wie könnte er vollkommen und endgültig sein, wenn ich hier liege, meinen Körper und die reale Umwelt spüre und… lebe?

Es war wie ein schrecklicher Alptraum, der sich hoffentlich nicht mehr wiederholte.

Ich öffnete die Augenlider - und musste sogleich alle neuerlichen Theorien wieder über den Haufen werfen.

Eine reale Umwelt?

Das war ja wohl nicht möglich - zumindest nicht in dieser Art. Denn diese Umwelt leuchtete purpurn.

Unweit von mir wanderten düstere Schatten auf und ab. Manchmal glühte es in Augenhöhe herüber, als würde es sich bei den Schatten um Dämonen handeln, die auf mich lauerten oder die mich zumindest bewachten.

Ich wusste, dass mich der ständige Umgang mit Magie eines Tages den Verstand kosten wird!, dachte ich resignierend und richtete mich auf.

Es gelang mir ohne Schwierigkeiten, aber sobald ich den Kopf oben hatte, wurde mir schwindlig.

Und ich hatte immer noch keine Ahnung, wo ich mich überhaupt befand.

Die Schwindelgefühle wurden stärker, und die purpurne Umwelt drehte sich rasend schnell um mich. Haltlos kippte ich zur Seite und landete mit dem Gesicht am Boden.

Mein Mund schmeckte Sand. Er war trocken und staubig und reizte mich zum Husten. Mein Körper schüttelte sich dabei, und ich stemmte mich mit beiden Händen wieder hoch.

Auch der Sand war purpurn. Ich hatte Mühe, Einzelheiten auszumachen.

Es dauerte eine Weile, bis sich meine Augen an diese grässliche Farbe gewöhnt hatten. Sie lechzten förmlich nach einem kräftigen Grün, einem normalen Blau oder auch einem einfachen Weiß.

„Verdammter Mist!“, schimpfte ich los.

Es war zwar normalerweise nicht meine Art, lauthals zu fluchen. Aber was war hier denn schon normal?

Und war ich nicht gerade erst gestorben?

Oder war ich jetzt hier im Jenseits, wo der Teufel endlich seines größten Widersachers habhaft wurde? Nannte man mich denn nicht den Teufelsjäger? Obwohl ich nicht nur Teufel jagte…

Ich fluchte erneut. Hieß es nicht, manchmal reinige das die Seele? Vor allem, wenn man nicht wusste, was mit einem geschah und wer oder was dahintersteckte.

„Ach, wieder lebendig?“, fragte jemand mit einer gehörigen Portion Sarkasmus neben mir.

Ich zuckte zusammen. Es bedurfte der Überwindung, allein nur den Kopf zu drehen.

Da war zunächst nur das vermaledeite Purpur, aus dem sich bei längerem Hinsehen die Konturen eines Menschen schälten.

Und was das für ein Mensch war! Der hatte Muskeln wie Gebirge, und wenn er sich bewegte, dann war das ein Schauspiel, vielleicht vergleichbar mit dem Wellenspiel auf hoher See bei Windstärke zwölf.

Es gab nur ein einziges Wesen, das ich persönlich kannte und auf das eine solche Beschreibung zutraf: Thor, der nordische Gott des Donners, den es leibhaftig gab, nämlich im sogenannten Daedrareich.

Denn Thor war nicht nur ein irdischer Mythos, sondern hier ein echter Daedragott!

Thor lachte grollend. Ich spürte deutlich, wie dabei der Boden erbebte.

Also doch noch nicht die Bastion des Teufels?

Aber wenn ich mich weiter umschaute, gewann ich den Eindruck, dass es hier weit mehr als nur einen einzelnen Teufel gab.

Schweratmend ließ ich mich niedersinken. Allmählich dämmerte mir nämlich, in welchem Schlamassel ich hier wieder steckte.

Tri-tan: Wir hatten ihm geholfen, seinen Teil des sogenannten Urreiches wieder zurück zu erobern, den Teil, über den die Triklops mit ihren drei Augen wachten. Und er hatte uns am Ende dann den Weg gezeigt, tiefer in das Urreich hinein. Nicht ohne die eindringliche Warnung, wie unmöglich es eigentlich war, die Grenze zu diesem Bereich überhaupt zu überschreiten.

Denn das brachte unweigerlich den Tod!

Doch es hatte sich andererseits auch bewiesen, dass ich, seit ich das Daedrareich betreten hatte, nicht mehr sterben konnte. Ich hatte keine Ahnung, warum das so war. Zumindest nicht endgültig.

Dass Thor ein unsterblicher Daedragott war, hatte sich ja schon oft genug bewiesen. Also konnte auch er an dieser Grenze nicht wirklich sterben.

Die Konsequenz jedoch war für uns beide: Wir starben nicht einen Tod, sondern gefühlte tausend Tode, um die Grenze endlich zu überwinden.

Mein Blick kreuzte sich mit dem seinen.

„Haben wir es denn endlich geschafft?“, fragte ich bang.

Er atmete erleichtert auf.

„Dann erinnerst du dich endlich wieder?“

„Ja, zumindest daran, dass wir tiefer in das Urreich hinein wollten. Dorthin, wo wir das eigentliche Zentrum des Bösen vermuten.“

Endlich beantwortete er meine Frage:

„Ja, Mark, wie es aussieht, haben wir es tatsächlich geschafft. Wir sind auf der anderen Seite der Grenze!“, grollte er zuversichtlich.

Wenn ich allerdings daran dachte, dass ich irgendwann auch wieder zurückkehren musste, graute mir jetzt schon davor. Aber es würde sich nicht vermeiden lassen.

Falls wir das überhaupt überleben, was wir noch vor uns haben!, dachte ich nach einem weiteren Rundblick pessimistisch.

Thor lachte wieder grollend.

„Stell dich nicht so an, mein irdischer Freund. Sieh mich: Auch ich bin die tausend Tode gestorben. Aber nun sollten wir uns weiter dem tiefsten Innern dieses Urreiches zuwenden. Was hältst du davon?“

„Gar nichts mehr!“, erwiderte ich wahrheitsgemäß.

„Und warum nicht?“

„Ich habe das im Gefühl, Thor. Wenn die Grenze schon solche tausendfältigen Schrecken bereithält, dann wird es im Innern des Landes bestimmt nicht besser. Ich weiß, dass ein normaler Mensch nur die Grenze zu berühren bräuchte, um besonders qualvoll zu Tode zu kommen, und kann mir kaum vorstellen, dass solche Qualen das Einzige bleiben werden, was uns noch erwartet.“

Thor lachte zum dritten Mal. Ihn konnte anscheinend nichts erschüttern. Für mich war das allerdings kein Trost.

Wir standen auf und klopften den Staub aus unseren Rüstungen. Thor rückte seinen typischen Helm zurecht, der zu seiner Rüstung passte. Damit sah er noch furchterregender aus als er ohnehin schon war.

Ich selbst hatte die Schuppenrüstung der Triklops angelegt, weil ich nackt in das Daedrareich gelangt war. Die Metallschuppen dieser besonderen Rüstung waren äußerst widerstandsfähig und boten Schutz gegen einige Waffenarten. Denn obwohl ich hier nicht sterben konnte, war ich keineswegs unverletzbar. Ich konnte den Schmerz spüren, und die tausend Tode beim Übergang der Grenze hatten das ein weiteres Mal bewiesen.

Wir spürten immer noch die Nähe der magischen Grenze hinter uns und beeilten uns endlich, auf Abstand davon zu gehen. Das hieß, wir bewegten uns dabei dem Landesinnern zu oder wie immer man das Zentrum des Bösen auch nennen mochte.

Ich spürte die pochende Angst in meinem Bauch, hätte es aber niemals zugegeben - nicht einmal mir selbst gegenüber, denn das Eingeständnis der Angst machte in einer solchen Umgebung schwach. Es sei denn, man wertete sie als Mahnung zur erhöhten Vorsicht.

Die wandernden Schatten waren immer noch da, aber sie wichen vor uns zurück.

Vorerst.

Doch dann starrten uns mindestens hundert glühende Augen gleichzeitig an. Aus dem Purpurnebel drang ein lautes Rufen. Es stammte nicht aus einer menschlichen Kehle und erzeugte auf meinem Rücken eine dicke Gänsehaut, trotz der allgegenwärtigen Hitze, die zu beweisen schien, dass dies hier tatsächlich so etwas wie die wahre Hölle war.

Unwillkürlich blieben wir wieder stehen.

Sogleich stürzten sich die Schatten mit den glühenden Augen auf uns.

Geistesgegenwärtig riss Thor seinen sagenumwobenen Donnerhammer hoch und hieb mitten in die Angreifer hinein. Sie wurden zwar von der Wucht des Angriffs nicht verletzt, aber davon gewirbelt, als hätten sie kein Gewicht.

Ich hatte mit dem Sichelschwert, das mir Tri-tan beim Abschied überlassen hatte, weniger Glück. Wenn ich einen der Schatten traf, ging das Eisen einfach durch ihn hindurch.

Aber die Kampfeskraft von Thor reichte für zehn. Er schaffte es auch ohne mich und jagte die Schatten in die Flucht.

Wir waren bald wieder allein.

„Die nächste Kostprobe“, murmelte ich brüchig. „Nach den tausend qualvollen Toden. Also, ich sage dir, mein lieber Thor, dieses Land gefällt mir nicht. Die Bewohner sind mir nicht freundlich genug.“

Wir gingen weiter.