Dr. Laurin – 169 – Die Intrigantin an seiner Seite

Dr. Laurin
– 169–

Die Intrigantin an seiner Seite

Eine Ärztin verfolgt ihren Kollegen mit erbittertem Hass

Patricia Vandenberg

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Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74092-796-7

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Es war ein Freudentag im Leben des Chirurgen Dr. Maximilian Lukas, als die Pariser Zeitungen berichteten, dass es ihm gelungen war, das Leben der bei einem Autounfall schwer verletzten Primadonna Maria Ruffini zu retten. Er, der Deutsche, den alle Kollegen über die Schulter hinweg anblickten, hatte das unmöglich Scheinende gewagt, und es war ihm gelungen.

Der Dank der Primadonna und ihrer unzähligen Verehrer konnte ihm gewiss sein, doch für den Arzt war wichtiger, dass er endlich seiner Frau Anik beweisen konnte, dass er kein Außenseiter mehr war.

Anik war stolz und glücklich. Nun würden wohl auch ihre Eltern den deutschen Schwiegersohn akzeptieren. Einverstanden waren sie mit der Heirat nicht gewesen. Aufsehen hatte es in ihrem großen Bekanntenkreis erregt, als die Tochter des hohen französischen Beamten vor sechs Jahren den deutschen Arzt geheiratet hatte. Anik hatte ihren hübschen Kopf durchgesetzt. Zu einem Zerwürfnis mit ihren Eltern war es zwar nicht gekommen, weil diese ihr einziges Kind nicht ganz verlieren wollten, aber sie hatten es Maximilian immer wieder zu verstehen gegeben, dass sie ihn nur unter Protest duldeten.

Anik liebte ihren Mann. Sie hatte ihm zwei Kinder geschenkt. Der jetzt fünfjährige Nico und die dreijährige Nanette hatten auch die Herzen ihrer Großeltern erobert, doch die Distanz zu dem Schwiegersohn blieb. Doch nun machte er Schlagzeilen, und Maria Ruffini hatte den Reportern bereits versichert, dass ihr erster Auftritt nach völliger Genesung ihr Dank an diesen großartigen Chirurgen sein würde.

»Er scheint doch etwas zu taugen«, sagte Robert Bernois, Aniks Vater, zu seiner Frau.

»Vielleicht wird er eines Tages noch Professor«, sagte sie hoffnungsvoll. »Wenn ich bedenke, dass Anik einen Baron hätte heiraten können, möchte ich wenigstens das wünschen.«

Unzählige Dankschreiben wurden indessen schon im Haus von Dr. Lukas abgeliefert, und eine glückstrahlende Anik empfing ihren Mann mit zärtlichen Küssen.

Dr. Maximilian Lukas war mit einem Schlag bekannt geworden, emporgetaucht aus der Anonymität eines Klinikarztes, denn die Kunde drang über die Grenzen Frankreichs.

Vor allem von Ärzten wurde sie beachtet. Auch im Haus Laurin war sie Tagesgespräch.

»Maximilian Lukas«, sagte Dr. Leon Laurin sinnend, »wie lange habe ich von ihm nichts mehr gehört. Kannst du dich noch erinnern, dass ich ihn mal an die Prof.-Kayser-Klinik holen wollte, Antonia?«

»Genau«, erwiderte seine Frau lächelnd. »Das ist acht Jahre her. Und dann kam ein sehr netter Brief von ihm, in dem er dir mitteilte, dass er sich doch entschlossen hätte, in Frankreich zu bleiben. Zwei Jahre später bekamen wir noch seine Heiratsanzeige.«

»Danach hörten wir nichts mehr von ihm«, sagte Leon Laurin. »Leicht wird man es ihm drüben nicht gemacht haben, aber ich freue mich, dass er es geschafft hat. Wir werden ihm einen Gruß schicken, Antonia.«

Es gab noch einige, die sich auch fern von Frankreich für Dr. Lukas freuten, aber einen Menschen gab es, der voller Hass an ihn dachte, ihm diesen Erfolg maßlos neidete.

Dr. Irene Olbrich, Assistenzärztin an einem Kreiskrankenhaus, zerknüllte wütend die Zeitung, die sie an einem freien Tag gründlicher als sonst gelesen hatte, und schleuderte sie zu Boden.

Sie starrte vor sich hin, hob das Blatt dann wieder auf und las nochmals, was da stand.

Dr. Maximilian Lukas, der die berühmte Primadonna Ruffini so erfolgreich operiert hat, ist ein Kind unserer Stadt. Er studierte in München und war dort auch einige Jahre als Assistenzarzt tätig, bevor er nach Frankreich ging. Er heiratete eine Französin und lebt seit sechs Jahren mit seiner Frau Anik und seinen beiden Kindern in Paris. Derzeit ist er wohl der bekannteste Arzt in ganz Frankreich. Wir bedauern, dass seine Eltern, ehrbare Bürger unserer Stadt, diesen Tag nicht mehr erleben durften und erinnern daran, dass sie bei dem Brand ihres Wohnhauses vor zehn Jahren auf tragische Weise ums Leben kamen. Wir müssen uns auch daran erinnern, dass nie aufgeklärt wurde, wer der Brandstifter war.

Dr. Irene Olbrich wollte an diesem Tag ihren fünfunddreißigsten Geburtstag feiern. Sie hatte es vergessen, bis der Gong anschlug. Ein junger Mann brachte ihr einen Strauß Teerosen.

Eine Karte war beigefügt, darauf stand:

Glück und Erfolg für Dich, Irene.

Dein Albert

Ihre Augen blieben eng, ihre Mundwinkel bogen sich abwärts, und die Rosen blieben Stunden auf dem Tisch liegen, bis ihre Blüten schon welk wurden. Und erst als es bereits sechs Uhr war, erinnerte sich Dr. Irene Olbrich daran, dass sie für sieben Uhr ein Dutzend Gäste ins Hotel ›Elisabeth‹ zu einem festlichen Abendessen gebeten hatte.

Mechanisch kleidete sie sich an, legte Make-up auf, zog sorgfältig die Linien ihres breiten Mundes nach und betrachtete ihre schlanke, ebenmäßige Figur von allen Seiten in dem dreiteiligen Spiegel.

»Jetzt weiß ich, wo du bist, Maximilian«, sagte sie dabei böse, »und du wirst dich an mich erinnern müssen.«

*

»Die Eltern haben uns zum Essen eingeladen«, sagte Anik an diesem Abend zu ihrem Mann.

»Wie nett«, erwiderte er lächelnd und ohne jede Zweideutigkeit. »Werde ich nun doch akzeptiert?«

Ihre Wangen färbten sich rosig. »Du darfst ihnen nicht böse sein, Maxi«, sagte sie.

»Ich bin ihnen nicht böse. Es sind deine Eltern, und ich liebe dich über alles, Chérie.«

»Ich denke, dass wir den nächsten Urlaub in deiner Heimat verbringen sollten, damit die Kinder diese auch kennenlernen«, sagte Anik.

»Nein«, antwortete er ruhig. »Mich zieht es nicht dorthin. Es gibt bittere Erinnerungen. Dass meine Eltern so schrecklich sterben mussten, kann ich nicht verwinden, Anik. Hier ist unsere Heimat. Ich liebe dein Land, es ist auch zu meiner Heimat geworden. Wir werden einen wunderschönen Urlaub am Atlantik verbringen.«

»Wie du willst, Maxi«, sagte Anik. »Hast du denn gar keine guten Erinnerungen?«

»Ein paar schon, aber damals, als du meine Frau wurdest, habe ich einen Schlussstrich gezogen. Mein Herz gehört dir ungeteilt. Und wenn deine Eltern nun auch mit ihrem Schwiegersohn einverstanden sind, muss ich der Ruffini dankbarer sein als sie mir. Sie hat uns übrigens für einige Tage auf ihren Landsitz in der Provence eingeladen.«

»Die Kinder würden ihr gewaltig auf die Nerven gehen«, lachte Anik.

»Sag das nicht, sie ist nicht so exzentrisch, wie man allgemein annimmt. Sie sagte mir, dass sie am eigentlichen Leben vorbeigegangen sei und erst ihr zweites Leben ihr nun lebenswert erscheint. Im Grunde ist sie wohl ein sehr einsamer Mensch in allem Erfolg, den sie hat. Sie liebt Kinder. Ich musste ihr dauernd von Nico und Nanette erzählen.«

Anik legte ihren schönen Kopf schief. »Muss ich eifersüchtig sein?«, fragte sie.

»Gott bewahre, das solltest du eigentlich wissen. Für mich gibt es nur eine Frau, und sie heißt Anik.«

»Gab es nie eine andere?«

Warum fragte sie es gerade heute? Nie hatte sie eine solche Frage gestellt.

»Nichts von Bedeutung«, erwiderte Maximilian, aber ein flüchtiges Unbehagen beschlich ihn bei diesen Worten.

*

Dr. Irene Olbrich feierte ihren Geburtstag im Kreise ihrer Kollegen und einiger Freunde, sofern man sie als Freunde bezeichnen konnte. Sie gab sich von ihrer charmantesten Seite, aber allein Dr. Albert Michel brachte wärmere Gefühle für sie auf.

Er war fünfzig, verwitwet und immerhin so vermögend, dass Irene eine Heirat mit ihm in Betracht gezogen hatte. Die anderen waren mehr aus Höflichkeit gekommen, und um sie nicht zu verärgern, denn man sah in ihr bereits die zukünftige Frau des Chefarztes, und mit dem wollte man es sich nicht verderben, denn er nahm eine Monopolstellung ein.

Eine aus dem Herzen kommende Fröhlichkeit kam nicht auf, aber Irene schien in bester Stimmung zu sein. Aber dann begann sie plötzlich über Maximilian Lukas zu sprechen.

»Habt ihr das über Lukas heute gelesen?«, fragte sie mit hoher Stimme. »So was von Beweihräucherung. Die scheinen keine Ahnung zu haben von seiner Vergangenheit.«

Man sah sie befremdet an. »Kennst du ihn denn?«, fragte Dr. Michel.

»Ich habe mit ihm studiert und auch ein paar Wochen an derselben Klinik gearbeitet«, sagte sie. »In meinen Augen war er ein Nichtskönner, ein Möchtegernchirurg.«

Solche Töne missfielen den meisten Anwesenden, aber Dr. Michel schien sehr interessiert.

»Erzähl doch«, bat er, aber da winkte sie ab, denn sie spürte, wie schweigsam alle anderen plötzlich wurden.

»Ach was, heute wird nicht vom Beruf gesprochen, und von Lukas schon gar nicht, das verdirbt nur die Stimmung.«

Sie merkte nicht, wie gehässig ihre Stimme klang, und nun kam erst recht keine Stimmung mehr auf. Sehr bald brachen die Ersten auf mit der Entschuldigung, dass man früh an die Arbeit müsse, und dann folgten nacheinander auch die anderen.

»Mir soll es recht sein«, sagte Irene zu Dr. Michel, »dann sind wir allein und können es uns bei mir gemütlich machen, Albert.«

Damit war er durchaus einverstanden. Er überhörte die Misstöne, denn für ihn war sie eine begehrenswerte Frau, und eine gewisse Anziehungskraft konnte man ihr wirklich nicht absprechen.

Er wollte auch nicht über Dr. Lukas sprechen, und Irene hütete sich, wieder davon anzufangen, denn inzwischen hatte sie eine andere Idee.

Sie gab sich betont herzlich, und als er sagte, dass sie doch eigentlich heiraten könnten, nickte sie.

»Ich möchte jetzt erst mal ein paar Tage Urlaub machen, Albert, familiäre Dinge erledigen. Ich habe da noch eine alte Tante, die ich mal wieder besuchen müsste, eine Erbtante«, fügte sie anzüglich hinzu.

Gegen Geld hatte er nichts einzuwenden, davon konnte er nie genug bekommen.

»Tu das«, sagte er, »aber dann werden wir das Aufgebot bestellen. Es ist auch besser für unser Image, denn die meisten wissen ja von unserer Beziehung, und manche sind doch sehr spießig in diesem Kaff.«

»Mir wäre es auch lieber, wenn wir in einer Großstadt leben würden«, sagte sie. »Ich habe da eine Annonce gelesen. Wessinger sucht aus Altersgründen einen Nachfolger für seine Privatklinik. Das wäre doch etwas für uns.«

»Man wird wohl viel investieren müssen«, wandte er ein.

»Dafür würde ich sorgen«, erwiderte Irene. »Wir werden darüber sprechen, wenn ich zurück bin.«

Sie tätschelte ihm die schon schwammigen Wangen. Sein Wohlwollen wollte sie sich sichern, obwohl sie Zuneigung für ihn nicht aufbringen konnte. Aber echte Zuneigung hatte sie noch für keinen Mann aufgebracht, seit Maximilian Lukas ihr so deutlich gesagt hatte, dass eine Ehe mit ihr für ihn nicht infrage käme.

»Wir sind zu gegensätzliche Charaktere, Irene«, hatte er gesagt. »Es würde ein schreckliches Ende nehmen.«

Sie meinte wieder seine Stimme zu hören. Hass brannte in ihr empor, ein verzehrender Hass.

*

»Da ist ein Brief aus München gekommen, Maxi«, sagte ein paar Tage später Anik zu ihrem Mann. »Von einem Dr. Laurin und seiner Frau. Sehr nett geschrieben. Warum hast du mir nie etwas von ihnen erzählt?«

»Ich habe ihn wohl mal vor den Kopf gestoßen, Anik. Er bot mir eine Stelle an seiner Klinik an, aber inzwischen hatte ich dich kennengelernt, und dann gehörte eben jede freie Minute dir. Ich bin beschämt, dass er mich nicht aus seinem Gedächtnis gestrichen hat.«

»Ist damals etwas geschehen, was du ganz aus deiner Erinnerung streichen wolltest, Maxi?«, fragte Anik nachdenklich.

»Der Tod meiner Eltern machte mir sehr zu schaffen, Liebes, aber deine Liebe hat mir auch darüber hinweggeholfen. Leon Laurin«, fuhr er dann nachdenklich fort, »ein großartiger Arzt, Gynäkologe, aber die Prof.-Kayser-Klinik, die er von seinem Schwiegervater übernahm, hat auch eine chirurgische Abteilung. Antonia Laurin war auch Ärztin, aber sie hat ihre Praxis nach der Heirat aufgegeben.«

»Du sagst das so eigenartig, Maxi. Gab es mal eine Kollegin, die du hättest heiraten wollen?«

Wieder überkam ihn eine Beklemmung. »Es gab mal eine, die mich heiraten wollte, Anik. Ja, sie hat den Vorschlag gemacht. Aber es war eine ungeheuer ehrgeizige Frau, und dabei nicht mal eine Ärztin, wie ich sie mir vorstellte. Ich habe ihr das auch gesagt. Sie hat für uns keine Bedeutung. Es war keine Liebe. Es war überhaupt keine Beziehung. Wir verstanden uns nicht mal in beruflicher Beziehung.«

»Aber du hast einige Zeit gebraucht, um dies herauszufinden«, meinte Anik gedankenvoll.

»Das stimmt«, gab er zu. »Doch es lohnt sich nicht, darüber zu sprechen. Wir können über Erfreulicheres reden. Maria Ruffini hat heute bereits ihren ersten Spaziergang gemacht. Diese Frau besitzt Energie, die man nur bewundern kann.«

»Nun werde ich doch bald eifersüchtig«, sagte Anik.

»Besuch sie mal. Sie möchte dich gern kennenlernen«, meinte er darauf lächelnd. »Du kennst sie ja auch nur als Primadonna, aber sie ist ein wunderbarer Mensch, Anik, und eine sehr kluge Frau.«

Anik entschloss sich schon am nächsten Tag, Maria zu besuchen. Eine unterschwellige Eifersucht war doch in ihr vorhanden, da Maximilian seinen jungen Ruhm dieser Frau verdankte.

Anik brachte Nico und Nanette zu ihrer Mutter, die sich darüber sehr freute. Dann fuhr sie zur Klinik.

Mit ihrem Mann konnte sie nur einen kurzen Gruß tauschen. Er musste in den Operationssaal, aber von seinen Kollegen wurde sie überaus höflich begrüßt.

Dass Madame ›Lüka‹ die Ruffini besuchte, wurde allgemein zur Kenntnis genommen, denn die Primadonna gestattete nur wenigen einen Besuch.

Schön konnte man Maria Ruffini nicht nennen, aber sie war eine interessante Frau. Von ihren Starallüren war nichts zu bemerken, als sie Anik überaus herzlich begrüßte.

»Es freut mich so sehr, Sie kennenzulernen, Anik«, sagte sie. »Ich darf Sie doch so nennen? Ihr Mann hat mir viel von Ihnen und Ihren Kindern erzählt. Mein guter Dr. Lukas, ich schulde ihm so viel Dank. Uralt muss ich werden, um ihm dies beweisen zu können. Es ist ja so wunderbar, zu leben.«