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Der Autor

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REINHARDP AULSEN (*1947)

In den Jahren 1967–1974 studierte er Geschichte an der Universität in Kiel. Er schloss das Studium mit dem Grad eines Magister Artium ab. Danach verließ er das akademische Intellektuellenmilieu und absolvierte eine Schlosserlehre. Anschließend arbeitete er als Betriebsschlosser in einer Aluminiumhütte, um dann 1977 zu einem weltweit tätigen Konzern der chemischen Industrie zu wechseln, in dem er 35 Jahre bis zu seinem Ruhestand 2012 angestellt war. Seine Arbeit umfasste Schlosser-, Techniker- und Ingenieursarbeit und Tätigkeit in der Qualitätssicherung und im Reklamationswesen. In all diesen Jahren war er basisgewerkschaftlich engagiert, sei es als Vertrauensmann, als Betriebsrat oder in der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung, wobei er persönlich kritische Distanz zum Gewerkschaftsmanagement hielt. 2002 kehrte er, parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit nach 28 Jahren, an die Universität zurück und arbeitete ab 2006 an der Universität Hamburg, Fakultät für Geisteswissenschaften an einem Promotionsprojekt zu hamburgischer und europäischer Schifffahrt im Mittelalter und deutscher Forschungsvergangenheit, welches er im Jahre 2014 mit dem Grad eines Dr. phil. in mittelalterlicher Geschichte abschloss. 2013/2014 nahm er Lehraufträge in mittelalterlicher Geschichte an der Universität Hamburg wahr.

Reinhard Paulsen

GELD

Fluch oder Segen der Menschheit?

Hamburg

2018

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© 2018 Reinhard Paulsen

Verlag & Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN
Paperback 978-3-7469-2689-6
Hardcover 978-3-7469-2690-2
e-Book 978-3-7469-2691-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Denken heißt Überschreiten.

Ernst Bloch

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Positionsbestimmung zur Geldproblematik

1.1 Wissenschaft von oben und von unten

1.2 Doppelte Niederlage und Abwicklung des Marxismus

1.3 Historisches Grundwissen ging verloren

1.4 Linke kritische Wissenschaft und Pessimismus

1.5 Zwei getrennte Geschichten des Geldes

2 Das Grundverständnis von Geld

2.1 Geld, Wert und die Frage der Gerechtigkeit

2.2 Reziprozität, Redistribution und Markt

2.2.1 Redistribution durch zentrale Autoritäten

2.2.2 Scheitern früher Verteilungsarten

2.2.3 Warentausch und Marktökonomie

2.3 Wertformen von produzierten Waren

2.4 Die grundlegenden Geldfunktionen

3 Edelmetallgeld, Währungen und ihre Probleme

3.1 Gewichtsgeld und Münzgeld

3.2 Staaten und Währungen

3.3 Nominalwert und Realwert

3.4 Methoden der Geldfälschung

3.5 Zwei Geldkreisläufe

3.5.1 Geld auf Nominalwertbasis

3.5.2 Geld auf Realwertbasis

4 Papiergeld und Banknoten

4.1 Edelmetallknappheit und Finanztechniken

4.2 Das Große Tabu der Herrschenden

4.3 Die Fehldeutungen der Quantitätstheorie

5 Oben und unten, Gewinner und Verlierer

6 Immaterielles Buchgeld

7 Währungen mit und ohne Golddeckung

8 Der Ausbeutungsmechanismus der Banken

8.1 Geldschöpfung der privaten Geschäftsbanken

8.2 Selbstermächtigung durch den Staat

8.3 Die Abzocke der Banken

8.4 Das sogenannte Schuldgeld

8.5 Umverteilung über den Staat

9 Die endgültige Instrumentalisierung von Geld

9.1 Ein transnationales Banken- und Finanzsystem

9.2 Bargeldlose elektronische Fußfesseln

10 Klassengesellschaften und Ausbeutung

11 Hörmanns schöne neue Global Brain-Welt

11.1 Lebenscoaches und die Big Brother-Bank

11.2 Die Besitzelite ins Boot holen

11.3 Propagandist des „Dritten Weges“

11.4 Kapitalismus oder Moneyismus?

11.5 Ein unpassender archaischer Ansatz

12 Ein Wort zu Kryptowährungen

13 Ein Hohepriester der Geldreligion

14 Fazit

Anmerkungen

Einleitung

„Geld regiert die Welt“ heißt es im Volksmund. Wie ist das möglich? Was geschieht in einer Gesellschaft mit und durch und für Geld? Was ist Geld überhaupt?

Man sollte meinen, dass nach Jahrtausenden der Existenz und des Gebrauchs von Geld es gelungen sein müsste, Geld allgemein verständlich und eindeutig zu erklären. Dem ist nicht so.

Die Verwirrung über das Wesen und die Funktion von Geld scheint sogar in der heutigen Zeit noch zugenommen zu haben. Für viele ist Geld ein Mysterium, eine dunkle, alles beherrschende, unerklärliche Macht. Nach einer langen, weltweiten Gesellschafts- und Kulturgeschichte des Geldes wird von einigen sogar festgestellt, Geld sei ein Irrtum, sei Fake, leer und substanzlos.

Geschichte ist wie eine Serie von Fortsetzungsromanen. Wer mittendrin anfängt zu lesen, versteht nicht viel von der Handlung und den Zusammenhängen. Das gilt auch für das Geld. Man muss sich mit seiner Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte beschäftigen, um zu verstehen, was Geld heute darstellt.

Ein zweiter Aspekt ist zu bedenken. Es ist unstreitig, dass Geld nicht allein aus sich selbst heraus, sondern nur in seiner gesellschaftlichen Einbettung in arbeitsteilige Güterproduktion sowie Warenund Dienstleistungsaustausch zu verstehen ist. Weit auseinanderliegende Vorstellungen über das Wesen und die Entwicklung von Gesellschaft und Staat führen dementsprechend seit Jahrtausenden zu unterschiedlichsten Vorstellungen von Geld.

Es ist kein Geheimnis, dass Gesellschaften sich in unterschiedliche Interessengruppen aufspalten. Die wohl entschiedenste Spaltung ergibt sich aus einseitiger Beanspruchung und Verteilung von Besitz. Besitz bedeutet Verfügungsmacht. Privater Besitz an Wirtschaftsfaktoren bedeutet Macht über die Lebensbedingungen der Nichtbesitzenden. Aus dieser Verfügungs- und Entscheidungsgewalt erwächst politische Herrschaft im und über den Staat – und die Macht über das eingebettete Geld.

Über solche gesellschaftlichen Interessenlagen und Bruchlinien hinweg kann es letztlich keine Verständigung geben. Wenn beispielsweise jemand große Gewinne aus seinem privaten Aktienbesitz zieht oder sich als Manager selbst ein riesiges Gehalt incl. Bonus genehmigt, wird er selbstverständlich nichts davon hören wollen, dass diese Gelder von anderen Menschen erarbeitet wurden und er an deren Arbeit schmarotzt. Banker und Wirtschaftspolitiker in Machtpositionen werden nicht thematisieren wollen, dass sie über Kredite, Staatsanleihen und Steuerhaushalte von den Bevölkerungen erarbeitete Milliardenbeträge in die Taschen von Finanzeliten umverteilen.

Dieses gesellschaftlich tonangebende und politisch bestimmende Establishment hat allen Grund, die wesentlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundzusammenhänge zu tabuisieren – oder tabuisieren zu lassen. Dafür ist offizielle Wissenschaft „von oben“ zuständig, die entsprechende Ideologien verbreitet, in denen ökonomische Klassen, Ausbeutung, Arbeitswert und politische Klassenherrschaft weder heute noch in der Geschichte thematisiert werden und in denen Geld zu einem Arbeitswert freien Mysterium gemacht wird.

Aus der Sicht der wertschaffenden Bevölkerungen, also einer Sicht von unten, erklären und entzaubern sich die Mystifikationen des Geldes und zeigen sein Potential für eine sinnvolle Kulturtechnik. Die Grenze zwischen apologetischer Wissenschaft von oben und kritischer Wissenschaft von unten ist eine Grauzone. Wir werden uns deshalb mit dem Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell des Ökonomieprofessors Franz Hörmann beschäftigen (Kap. 11). Wie weit die Wissenschaft von oben die Geldmystifizierung treibt, wird an einem Extrembeispiel gezeigt (Kap. 13).

Diese Abhandlung dient dazu, den Roten Faden des Geldes durch die Menschheitsgeschichte zu verfolgen und den Mystifikationen und Geldverwirrungen entgegenzutreten. Es wird deutlich, dass sich die Menschheit von der heutigen neoliberalen Banken- und Finanzwirtschaft mit ihrer für die Ökonomien und Völker ruinösen Instrumentalisierung von Geld trennen muss.

1 Positionsbestimmung zur Geldproblematik

Wie bei so vielen anderen gesellschaftlichen Grundthemen drehen die Erklärungsversuche zum Geld immer wieder im Kreis. Man kommt nicht wirklich weiter und endet in reformerischer Flickschusterei oder sozialutopischen Visionen. Wie auch bei anderen Fragen liegt das Problem nicht in mangelnden analytischen Fähigkeiten, sondern in illusionsbehafteten Vorstellungen von den Gesellschaften, in die Geld eingebettet war und ist.

1.1 Wissenschaft von oben und von unten

Trotz allem Streben nach Objektivität steuert in der Wissenschaft immer ein präjudizierendes Erkenntnisinteresse den Umgang mit gesellschaftlichen Problemen. Dabei spielen unabhängig von persönlichen Dispositionen der Akteure übergeordnete klassen- und schichtenspezifisch gebundene Einstellungen eine prägende Rolle. In der Grundausrichtung des wissenschaftlichen Mainstreams kommen gewöhnlich wissenschaftsferne ökonomische und politische Interessen zum Tragen, welche sich in dem Begriff des Establishments bündeln lassen.

Jahrtausendelang ideologisierte und überhöhte eine philosophisch-religiöse Intelligenz die jeweilige gesellschaftliche Klassenherrschaft. Seit dreihundert Jahren wird das auch durch offizielle staatsfinanzierte Geistes- und Gesellschaftswissenschaft betrieben.

Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts standen sich prinzipiell zwei antagonistische Wissenschaften gegenüber: Wissenschaft von oben und Wissenschaft von unten; Wissenschaft zur Verteidigung und Optimierung der herrschenden ökonomischen und staatlichpolitischen Welt und emanzipatorische Wissenschaft zur Befreiung der unteren Klassen aus einer sie entrechtenden und der Ausbeutung ausliefernden Existenz. Diese beiden Grundrichtungen von Wissenschaft waren nicht kompatibel und miteinander konsensfähig, denn sie dienten zu unterschiedlichen Herren.

Die Wissenschaft von und für unten war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem durch Karl Marx und Friedrich Engels und die wissenschaftliche Tradition der damals noch als Umsturzpartei gefürchteten Sozialdemokratie und den Kräften der I. Sozialistischen Internationale geprägt. Auch später war die Kennzeichnung ‚links‘ trotz aller politischen Richtungsstreits immer ein Synonym für ‚antikapitalistisch‘ und ‚revolutionär‘ im Sinne der Beseitigung der herrschenden ökonomischen Ordnung und des zugehörigen politischen Systems.

1.2 Doppelte Niederlage und Abwicklung des Marxismus

Die Wissenschaft von unten wurde vor allem in dem Sowjetblock seines Wesens beraubt und zu einer starren, dogmatischen Hülle entschärft, hinter der sich eine neuartige Klassengesellschaft verbarg. Diese Art der Einfrierung lebendiger Wissenschaft hatte allerdings den positiven Nebeneffekt, dass Millionen von Menschen weltweit die Sicht von unten in den wissenschaftlichen Schriften von Marx und Engels, vor allem aber „Das Kapital“ von Karl Marx kennenlernten. In allen linken Strömungen weltweit und über 100 Jahre war der wissenschaftliche Marxismus und seine Weltsicht eine anerkannte Macht.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion und die Niederlage im Kalten Krieg führten zu einer Abwicklung des Marxismus und wissenschaftlichen Sozialismus durch die scheinbar bestätigte, bürgerliche Wissenschaft westlichen Typs.

Die Niederlage der Wissenschaft von unten war also doppelt heftig. Erst wurde ihr in einer sozialistisch getarnten zentralistischen Klassengesellschaft das Leben ausgetrieben und dann wurde sie Stück für Stück aus dem Bewusstsein der arbeitenden Klassen und der lernenden und studierenden Jugend getilgt und als erledigt abgehakt. Während in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts die kritische und aufbegehrende Jugend sich noch wie selbstverständlich mit den Grundfragen der Klassengesellschaft und des Kampfes gegen Kapitalismus und Imperialismus beschäftigte, ist diese Bildung heute weitgehend verloren gegangen.

1.3 Historisches Grundwissen ging verloren

Die definierende Klammer und das Hauptkennzeichen für eine politische Linke ist nicht mehr ein konsequenter Antikapitalismus in Theorie und Praxis. Es existiert zwar kritische, links-intellektuelle Wissenschaft, die hervorragende Analysen über die Welt und das System des Finanz- und Monopolkapitals hervorbringt. Dennoch kommt unter dem Strich eine einseitige Weltsicht heraus.

Den Vordenkern der proletarischen Bewegung des 19.Jahrhunderts gelang ein weltgeschichtlicher Durchbruch mit der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass man historische Epochen und Gesellschaftsformationen incl. der jeweiligen Gesellschaftsvarianten, Staaten und Ökonomien nur auf der Grundlage eine Klassenanalyse in ihrem Wesen erfassen kann.

Das historische und soziologische Grundwissen der Wissenschaft von unten besteht im Kern in der Erkenntnis, dass die Geschichte der menschlichen Zivilisation nur als in sich zerrissene Klassengesellschaften zu begreifen ist, in denen immer herrschende Minderheiten die große Masse der produzierenden Menschen ausbeuten.

Diese Jahrtausende alte Menschheitspoche der Klassengesellschaft wird von Klassenstaaten geprägt, in denen der Gegensatz zwischen überlegen bewaffneten, herrschenden Besitzklassen einerseits und der übergroßen Masse der produzierenden und arbeitenden Bevölkerungen andererseits allem seinen Stempel aufdrückt.

Nur die Analyse dieser beiden Gesellschaftsabteilungen und ihres Verhältnisses zueinander, der Methoden der Ausbeutung und Herrschaft genauso wie des durchgängigen Widerstandes und Kampfes der unteren Klassen gegen ihre Unterdrückung und Ausbeutung ergibt ein ungeschöntes Bild vom Verlauf der menschlichen Gesellschaft.

1.4 Linke kritische Wissenschaft und Pessimismus

Nur auf der Grundlage solcher Wissenschaft wird das weltgeschichtliche Ausmaß dessen, was sich momentan auf dem Globus abspielt, in aller Konsequenz deutlich, denn wir erleben gerade das Ende dieser Menschheitsepoche der Klassengesellschaften, indem die mächtigsten Besitzklassen, die die Weltgeschichte hervorgebracht hat, nicht mehr in der Lage sind, irgendein Grundproblem auf diesem Globus emanzipatorisch lösen. Von ihren eigenen Systemzwängen getrieben, ist vielmehr die heutige Finanzelite dabei, die relativ dünne und kostbare Lebenssphäre der Menschheit auf der Oberfläche dieses Planeten zu ruinieren.

Ein winziger Olymp von monopol- und finanzkapitalistischen, auf der ganzen Linie versagenden „Weltenlenkern“ stehen Milliarden von zunehmend desillusionierten, von Zukunftsangst erfüllten und in immer größeren Massen ökonomisch überflüssigen und bereits um ihr Überleben kämpfende Völker und Länder gegenüber.