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Corinna Kastner

Das Erbe von Ragusa

Roman

hockebooks

10.

Mittlerweile schlängelten wir uns durch die Straßen von Makarska, das nur auf den ersten Blick wie ein gewöhnlicher und sehr großer Badeort wirkte. Auch hier gab es eine Altstadt mit Gassen und Kirchen, aber da musste ich auf Safets Worte vertrauen, er nahm sich nicht die Zeit, Touristenführer zu spielen. Allmählich zeichnete sich auch auf seinem Gesicht die Müdigkeit ab. Er steuerte das erstbeste Hotel an, das in der Hochsaison noch freie Zimmer zu vergeben hatte, oder besser gesagt eins, und damit waren wir noch gut bedient.

Safet stellte seinen Rucksack an seine Seite des Doppelbettes und zog die Fensterläden zu, die die Wärme und die Sonne aussperrten. Nachdem er kurz im Bad verschwunden war, ließ er sich aufs Bett fallen und fuhr sich mit dem Handrücken übers Gesicht. Einen Moment blieb er mit offenen Augen liegen, dann schaute er mich an: »Nur fürs Protokoll: Ich hab einen leichten Schlaf.«

Ich saß auf einem harten Stuhl und erwiderte seinen Blick. »Dann sind wir schon zwei.«

Noch einen Moment lang fochten wir einen wortlosen Kampf darum, wer als Erster wegschaute, bis Safet sich auf die Seite drehte, zum Fenster und damit zu seinem Rucksack. Ich wartete. Kurze Zeit später hörte ich ihn tief und regelmäßig atmen. Ich wartete weiter. Einerseits wollte ich nichts dringender als an seinen Rucksack und damit an Mirjanas Buch. Andererseits musste ich befürchten, dass er zumindest im Moment noch nur so tat, als schliefe er.

Ich rutschte auf den unbequemen Stuhl hin und her, fand aber keine bessere Position, außerdem war ich total kaputt. Vielleicht konnte ich nur eine Minute lang meinen Kopf auf den Tisch vor mir legen und die Augen schließen. Nur eine Minute. Ich gab meinem inneren Drängen nach und schreckte erst nach geraumer Zeit wieder hoch. Safet hatte sich auf die andere Seite gedreht. Leise stand ich auf und ging hinüber zum Bett. Er rührte sich nicht. Ich bückte mich, griff vorsichtig nach dem Rucksack und schob meine Hand tastend durch einen kleinen offenen Spalt im Reißverschluss. Meine Finger ertasteten das Buch, aber wenn ich es ganz herausholen wollte, musste ich den Reißverschluss auch vollständig öffnen. Ich versuchte mein Bestes, zunächst langsam, dann, als mir das Geräusch zu laut vorkam, schneller. Safet bewegte sich auf dem Bett. Ausgerechnet jetzt, wo ich den Rucksack schon auf hatte!

Vorsichtig wagte ich einen Blick über die Bettkante und sah, dass Safets Schlaf unruhig geworden war. Er seufzte, drehte sich erneut um und schließlich ein drittes Mal. Dabei streckte er plötzlich die Arme nach mir aus, als wolle er mich festhalten. Ich zuckte zurück und hätte fast aufgeschrien, als ich merkte, dass Safet gar nicht mich meinte. Er träumte und stöhnte dabei.

Eine scheinbare Ewigkeit blieb ich regungslos vor dem Bett knien und beobachtete ihn, bis er sich beruhigt hatte. Erst dann holte ich das Buch hervor und strich bedächtig und sehr vorsichtig darüber. Meine Fingerspitzen begannen zu vibrieren, aber nicht zu brennen, wie vorhin die Perlen um meinen Hals, als Mirjana mich warnen wollte. Das hier war anders, fast ein freundlicher Willkommensgruß.

Überdeutlich erinnerte ich mich an Mirjanas wirklich letzten Gedanken, den ich vorhin Safet gegenüber unerwähnt gelassen hatte: Du musst lesen!

Was? Was war es genau, das ich lesen musste? Hatte Mirjana das Buch generell gemeint oder etwas Bestimmtes? Ich konnte nicht länger darüber nachdenken, wenn ich meine Chance ergreifen und abhauen wollte, solange Safet noch schlief. Leise bewegte ich mich zum Tisch hinüber, unter dem mein Rucksack stand, und bückte mich, um das Buch darin zu verstauen.

»Bježimo!«, schrie Safet.

Wie von der Tarantel gestochen schoss ich hoch, wobei ich fast den Tisch umgeworfen hätte.

»Um Himmels willen, ich hab doch nur …« Weiter kam ich nicht mit meiner Verteidigungsrede, weil mir klar wurde, dass Safet wieder träumte. Ich legte das Buch auf den Tisch, während er sich im Bett hin- und herwarf und lauter unverständliches Zeug vor sich hin murmelte, sein Gesicht zu einer starren Maske verzerrt. Er hatte die Augen geöffnet, ohne etwas zu sehen, jedenfalls weder mich noch dieses Zimmer. Erschrocken vergaß ich meine Vorbehalte und war mit einem Satz bei ihm.

»Safet«, versuchte ich zu ihm durchzudringen und berührte ihn vorsichtig. Ich hatte wenig Erfahrung mit Alpträumen und keine Ahnung, ob es besser war, ihn zu wecken oder nur dafür zu sorgen, dass er sich beruhigte.

Er packte meine Arme so fest, dass sich dort später blaue Flecke bilden würden, und warf mit abgehackten Sätzen um sich. Schließlich schleuderte er mich von sich fort und rief erneut etwas, das unmissverständlich nach einer Warnung klang. Ein Wort wiederholte er mehrere Male. Ich dachte zuerst, es sei ein Name, aber weil alles ein heilloses Durcheinander war, hätte es sonst was sein können.

Safets Stirn war schweißbedeckt, er rang nach Atem, als würde er um sein Leben rennen.

»Safet!«, rief ich und schüttelte ihn. »Wach auf! Hörst du? Du musst aufwachen!«

Von einer Sekunde auf die andere war der Spuk vorbei. Safet schien in sich zusammenzuklappen und lag zwei, drei Sekunden lang stoßweise atmend auf dem Bett. Dann setzte er sich langsam auf. Mit zitternder Hand wischte er sich den Schweiß vom Gesicht und blinzelte an mir vorbei.

»Geht’s besser?«, wiederholte ich seine eigenen Worte.

»Da. Ja sam …«, begann er heiser, schüttelte den Kopf und setzte erneut an. »Ich bin … Ich hatte … ein …« Es fehlte ihm die Kraft zu sprechen und ganz offensichtlich auch die deutschen Vokabeln. Ich hatte nie zuvor erlebt, dass Safet nach Worten suchen musste. »… kožmar«, brachte er schließlich heraus.

»Ein Alptraum?«

Safet nickte. »Da. Ich …«

»Du musst nichts sagen. Warte.« Ich stand auf und ging ins Bad hinüber. Die Zahnputzgläser machten keinen sehr vertrauenerweckenden Eindruck, also spülte ich erst eins gründlich aus und füllte es dann mit Wasser. Als ich zurückkam, stand Safet nur mit seiner verschmutzten Jeans bekleidet am geöffneten Fenster, zwischen den immer noch zitternden Fingern glomm eine Zigarette.

Ich hielt ihm das Glas entgegen, das er eine ganze Weile anstarrte, bevor er es nahm und in einem Zug leerte. Dabei mied er meinen Blick, und obwohl ich gern gewusst hätte, was das für ein schrecklicher Traum gewesen war, hatte ich keinerlei Recht auf Fragen und schwieg.

Endlich überwand Safet sich doch, mich anzusehen. »Schätze, ich habe dich in deiner Lektüre gestört.« Er machte eine vage Geste in Richtung des Tisches. Sein Spott, mit dem er unter normalen Umständen in dieser Situation sicher nicht gespart hätte, blieb aus.

»Ich hatte noch nicht angefangen zu lesen.«

Safet nickte nur und drehte sich wieder zum Fenster. Wahrscheinlich sah er auch diesmal was anderes als das, was sich direkt vor ihm abspielte. Abwesend drückte er die halb gerauchte Zigarette am Fensterbrett aus und ließ sie einfach auf die Straße fallen.

»Allmählich krieg ich Hunger, weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal was gegessen habe. Da drüben ist ein Restaurant, kommst du mit?«

»Nein«, schüttelte ich den Kopf. »Ich kann jetzt nichts essen.«

»Du willst lieber lesen, hm?«

Ich warf einen sehnsuchtsvollen Blick hinüber zu Mirjanas Buch, aber mir wurde bewusst, dass ich auch das jetzt nicht konnte. Ich war todmüde, und Safets ganz persönliche Dämonen hatten wenig dazu beigetragen, mich munterer zu machen. Unverhohlen gähnte ich. »Ich glaube, ich möchte einfach schlafen.«

»Dann tu das.«

»Ich will dich aber nicht davon abhalten, rüber ins Restaurant zu gehen.«

Safets Lachen klang fast wie früher, durchsetzt mit einer Prise Sarkasmus. »Kann ich mir denken. Wenn ich’s mir richtig überlege, halte ich meinen Hunger noch eine Weile aus.«

»Warum bist du bloß so misstrauisch? Wenn ich gewollt hätte, hätte ich eben ganz einfach gehen können.«

»Und weshalb hast du’s nicht getan?«

»Weil …« Ich zögerte, weil ich keine Lust verspürte, ihm zu erzählen, wie dicht ich tatsächlich davor gewesen war und dass ausgerechnet er selbst mich davon abgehalten hatte. Also hielt ich den Mund, mochte er denken, was er wollte. Was das war, war leicht zu erraten, es wäre nicht nötig gewesen, es auszusprechen.

»Na, was? Weil du die Hoffnung hast, mich doch noch bekehren zu können? Vergebliche Liebesmüh, Nella. Wenn sich dir wieder eine Chance bietet, greif zu.«

Kein Zweifel, der alte Safet war zurück. Ich begriff nicht, wie ich je Mitleid mit ihm haben konnte. Sollte er doch das nächste Mal sehen, wer ihn aus seinem Alptraum holte. Müde winkte ich ab. »Mir egal, ob du es für nötig hältst, mich zu überwachen, oder ob du lieber etwas essen willst. Ich geh jedenfalls schlafen.«

Ich beachtete ihn nicht weiter, sondern begann mich auszuziehen, um noch kurz zu duschen. Ich war so verdreckt und verschwitzt, dass ich einfach nicht ins Bett wollte, ohne mich vorher gründlich abgeseift zu haben. Erst im Bad bemerkte ich, dass ich nach wie vor Mirjanas Perlen trug. Ich stand vor dem Spiegel und berührte sie, ohne dass etwas geschah. Unter die Dusche sollte ich damit besser nicht gehen, also nahm ich sie ab. Doch da war keine Ablage über dem Waschbecken und auch sonst kein Platz, wo ich sie hinlegen konnte, deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als sie zurück ins Zimmer zu bringen. Das leer war.

Der Schreck fuhr durch meinen Körper wie ein Stromschlag – bis ich auf dem Tisch das Buch unverändert liegen und auf dem Bett Safets Rucksack sah. Offenbar glaubte er, dass ich doch zu naiv war, die Chance zu nutzen. Vielleicht sollte ich ihm das Gegenteil beweisen, indem ich mich ganz schnell wieder anzog und mich auf- und davonmachte. Aber obwohl ich das vorhin noch fest vorgehabt hatte, fühlte ich mittlerweile mehr denn je, dass ich über sechsunddreißig Stunden auf den Beinen war. Außerdem wäre ich allein in einem Land unterwegs, dessen Sprache ich nicht beherrschte, und hätte gleich zwei Verfolger auf dem Leib – Silke und Safet. Ich würde nicht weit kommen. Sollte ich das Risiko trotzdem eingehen?

»Es beruhigt mich zu sehen, dass du doch nicht so ganz vollkommen bist«, kam Safets Stimme von der Tür. »Du überlegst bloß zu lange, damit entgehen dir die besten Gelegenheiten.« Er ging an mir vorbei und ließ zwei Tüten mit einem Bäckerei-Aufdruck und zwei Cola-Dosen aufs Bett fallen. »Falls du auch was möchtest, bedien dich.«

Wortlos legte ich die Perlen neben das Buch und ging zurück ins Bad. Das warme Wasser prasselte auf meine Schultern, ich schloss die Augen und zwang mich, Safet aus meinen Gedanken zu verbannen. Dafür landete ich bei Mirjana und fragte mich, was sie wohl zu solchem Luxus wie einer Dusche gesagt hätte. Wider Willen musste ich lächeln.

Notdürftig wusch ich schließlich mein Shirt, das danach zwar nicht hundertprozentig sauber war, aber immerhin weit weniger verschwitzt roch als zuvor.

Als ich das Zimmer wieder betrat, saß Safet noch immer auf dem Bett, die Reste eines Sandwichs auf einer der Tüten und eine der Cola-Dosen in der Hand. Ich hängte das Shirt über den Stuhl und hoffte, dass es einigermaßen trocknen würde, warm genug dazu war es ja. Damit, dass ich erst mal nichts anzuziehen hatte, musste ich mich abfinden. Safet jedenfalls schien es egal zu sein, er sah sich nicht nach mir um, sondern rückte schweigend zur Seite, um mir Platz zu machen. Ich legte mich hin, schloss die Augen und lauschte einen Augenblick den Geräuschen, hörte, wie er die Tüte zusammenknüllte und zusammen mit der leeren Dose in den Papierkorb warf. Wenn ich einschlief – was würde er tun? Dasselbe, was er mir geraten hatte, nämlich das Buch nehmen und damit verschwinden? Stattdessen legte er sich neben mich. Vielleicht waren seine Gedanken meinen ganz ähnlich. Er war genauso wenig ausgeruht wie ich und zudem mitgenommen von diesem Alptraum. Wenn er mit dem Wagen von der Küstenstraße abkam und einen steilen Abhang heruntersauste, war ihm selbst am wenigsten gedient.

Erst viele Stunden später regten sich in mir wieder die ersten Lebensgeister. Ich sah in ein schwarzes Nichts, kein Lichtschein drang durch die Fensterläden, es musste mitten in der Nacht sein. Safet lag still neben mir in ungestörtem Schlaf. Blind tastete ich nach meiner Uhr auf dem schmalen Regal über dem Bett und bemühte mich, die Zeit abzulesen, aber dazu war es definitiv zu dunkel. Leise erhob ich mich, mit unsicheren Schritten und ausgestreckten Händen tappte ich zum Tisch hinüber, griff nach meinem Shirt, das kaum noch feucht war, und zog es über. In der Mitte des Tisches lag eine kleine Decke, die ich über die Lampe drapierte, bevor ich sie anknipste. Nach einem Blick auf die Uhr, die viertel vor drei zeigte, wandte ich mich endgültig Mirjanas Buch zu und schlug es an einer beliebigen Stelle auf. Ich unterdrückte den Drang zu gähnen, begann zu lesen und bemerkte erst nach zwei Seiten erstaunt, dass ich es lesen konnte, weil Mirjana den größten Teil ihrer Rezepturen auf Latein niedergeschrieben hatte.

Ich rieb meine Augen, die sich immer noch anfühlten, als hätte jemand die Wüste Gobi darin geleert, starrte auf die Schrift und die Zeichnungen und erinnerte mich an den Tag, an dem ich dabei gewesen war, als sie das Buch aus dem Schrank holte. Ich sah den Raum, die Möbel, den Ausblick aus dem Fenster. Ich schloss die Lider, um die Einzelheiten noch besser erkennen zu können, um mich noch einmal in Mirjanas Welt hineinzuversetzen – und schlief dabei unmerklich ein.

11.

Als ich aufwachte, war etwas anders als sonst. Mir tat alles weh, als hätte ich mich verrenkt oder eine verrückte Yoga-Übung ausprobiert. Nicht, dass ich mich jemals mit Yoga befasst hätte. Trotzdem ahnte ich, dass es besser wäre, wenn ich mich so wenig wie möglich bewegte. Also tat ich, was voraussichtlich keine Schmerzen verursachen würde: Ich öffnete die Augen.

Über mich gebeugt sah ich einen Mann, der mich aufmerksam musterte. Nicht Safet, das war das Erste, was mir durch den Kopf ging. Dieser Mann hatte blaue Augen von der Farbe des Meeres vor der Küste Dalmatiens. Jetzt schlich sich ein erleichtertes Lächeln in seine Züge.

»Dem Himmel sei Dank! Ich befürchtete schon, ich hätte Euch zu viel von dem Mittel eingeträufelt, obwohl ich mich genau nach den Angaben in Eurem Buch gerichtet habe.«

Ich schluckte mühsam und sammelte meine verwirrten Gedanken, in denen verborgen liegen musste, wer dieser Mann war.

»Würdet Ihr freundlicherweise etwas sagen, damit ich weiß, ob es Euch gut geht?« Er verzog ironisch den Mund. »Oder zumindest den Umständen entsprechend? Ich glaube, ich erwähnte schon einmal, dass ich mich in der Heilkunde nicht besonders auskenne. Aber wenn Ihr mir sagt, womit ich Eure Brandwunden behandeln soll, werde ich wohl das Nötige tun können.«

»Brandwunden?«, brachte ich heraus. Plötzlich erschien vor mir das Bild eines alten feuchten Gewölbes. Ich war an einen Pfahl gebunden, und die Dinge, die mit mir angestellt wurden, waren zu grauenhaft, um sie in Worte zu fassen. Der Mann, der sich noch immer über mich beugte, hatte mir zu trinken gegeben und …

»Vecellio!«, krächzte ich und versuchte, mich aufzusetzen.

Der Venezianer schüttelte den Kopf und drückte mich sanft wieder auf den Boden. Unter mir spürte ich weiches Gras und Moos, das meinen Leib kühlte. »Ihr solltet liegen blieben. Im Übrigen finde ich, es ist endlich an der Zeit, dass Ihr aufhört, mich so förmlich anzusprechen. Falls Ihr es vergessen haben solltet: Mein Vorname lautet Lodovico.«

Ich fand das im Augenblick reichlich unwichtig, weil mir gerade was sehr viel Wesentlicheres bewusst wurde. »Ich bin nicht tot?«

Vecellio – ich konnte ihn einfach nicht Lodovico nennen – lachte. »Offensichtlich nicht! Ihr hattet da eine sehr nützliche Rezeptur in Eurem Buch, die bewirkt, dass Atmung, Puls- und Herzschlag so verlangsamt werden, dass jedermann annehmen musste, Eure Seele habe diese Welt verlassen. Leider stand dort nicht genau geschrieben, wie lange dieser Zustand anhält, deshalb war ich zuerst besorgt, dass Ihr zu schnell wieder zu Euch kommen würdet. Und dann war ich besorgt, als ihr überhaupt nicht daran dachtet.«

»Aus meinem Buch … Wer …?«

»Nikola hat die Tropfen gemischt, ohne zu ahnen, was es war, nehme ich an. Er hat auch das Buch, falls Euch das beruhigt. Ich fand es zu riskant, es bei mir zu behalten für den Fall, dass uns die Flucht nicht gelingt. Wo Euch doch so viel daran liegt, meine ich. Ich bin überzeugt, Nikola wird es in Sicherheit bringen, er hat es versprochen. So wie ich Euch in Sicherheit bringe vor dem fanatischen Mönch und Eurem nicht weniger fanatischen Gemahl – sofern Ihr mir diese Bezeichnung gestattet.«

Ich nickte schwach. Man konnte ohne Untertreibung sagen, dass er damit ins Schwarze traf. »Wenn dem was nicht in den Kram passt, wird er absolut unausstehlich, und er schiebt gnadenlos alles aufs Abstellgleis, was er los sein will.«

Vecellio legte den Kopf schief und sah mich nachdenklich an. »Ihr habt mir noch nicht gesagt, wie Ihr Euch fühlt. Ihr redet ein wenig seltsam.«

Das stimmte, ich hatte einen Fehler gemacht und musste für den Venezianer reichlich seltsam klingen. Es war merkwürdig, zugleich aber auch außergewöhnlich faszinierend, zum ersten Mal nicht nur in Mirjanas Kopf zu sein, sondern mit ihrem ganzen Körper an dieser Zeit teilzunehmen, zu agieren, zu reden – so zu tun, als wäre ich jemand anders, der gewisse Erwartungen zu erfüllen hatte. Es wurde Zeit, dass Mirjana wieder das Kommando übernahm. Ich spürte, dass der Teil von ihr, der dem Geschehen schon folgen konnte, amüsiert schien. Der andere war noch zu entsetzt von dem, was sie hatte erleiden müssen, und zu erschrocken über die Wendung der Dinge, um sich mit den neuen Gegebenheiten auseinanderzusetzen.

»Verzeiht«, sprach ich also weiter für sie, obwohl ich mich sehr zusammenreißen musste, weil ich befürchtete, wieder etwas Falsches zu sagen. »Was ich sagen wollte, war, dass er alles hasst, was für ihn an Vollkommenheit verloren hat, und sich dann äußerst rücksichtslos verhält. Er lässt niemals mit sich reden. Und wie ich mich fühle? Ich bin mir nicht sicher. Könntet Ihr mir aufhelfen?«

Vecellio nickte und stützte meinen Körper, so dass ich mich aufsetzen konnte. Schon diese geringe Anstrengung ließ mich so erschöpft zurück, dass ich mich, ohne zu überlegen, an ihn lehnte. Es tat gut, mich in seiner Nähe zu wissen.

»Geht es?«, fragte er besorgt.

Ich nickte kraftlos und bemühte mich, zu Atem zu kommen.

»Wisst Ihr …«, begann Vecellio, zögerte dann jedoch.

»Was?«

»Da ist etwas, das ich Euch schon lange fragen wollte.«

»Warum tut Ihr es dann nicht endlich?« Es schien ungewöhnlich für den Venezianer, mit etwas hinter dem Berg zu halten.

»Diese Rezeptur, die ich euch zurückgab …«

»Mit der Ihr mich in Teufels Küche gebracht habt«, fiel ich ihm ins Wort.

»Nun … ja … Lasst mich zu meiner Verteidigung sagen, dass ich nicht ahnte, wer uns dabei beobachtete.«

»Was geschehen ist, ist geschehen«, sagte ich seufzend. »Was wolltet Ihr denn nun fragen?«

»Ihr müsst zugeben, dass Bruder Heinrichs Entsetzen nachzuvollziehen war. Selbst mir, der ich kaum etwas von Heilrezepturen verstehe, war klar, dass es sich um eine Ungeheuerlichkeit handelte – die Eurer nicht würdig ist. Beinah hätte ich deswegen seinen Vorwürfen Glauben geschenkt.«

»Gott sei Dank bloß beinah«, murmelte ich. Ich hatte keine Erinnerung mehr daran, was auf dem Papier gestanden hatte, und selbst wenn, hätte ich zu wenig Ahnung von diesen Dingen gehabt, um abzuschätzen, was daran so ungeheuerlich war. Eins allerdings konnte ich mit Sicherheit sagen. »Die Rezeptur gehörte mir gar nicht. Ich hatte sie gerade aus dem Giftschrank der Franziskaner genommen, als Nikola und ich überrascht wurden und abhauen mussten. Später muss ich das Ding dann verloren haben.«

Vecellio sah mich zuerst sichtlich erleichtert, dann zunehmend irritiert an. »Ihr redet noch immer etwas seltsam.«

»Dafür handelt Ihr nicht weniger seltsam«, stellte ich fest. »Ihr hättet mich einfach meinem Schicksal überlassen können, dennoch habt Ihr …« Plötzlich hatte ich Mühe, mich zu konzentrieren. Ich spürte, dass Mirjana ihre Kräfte sammelte und gleich bereit sein würde, wieder für sich selbst zu sprechen. Meine Zeit dagegen lief langsam ab. »… habt Ihr …«

»… mir mehr als einmal geholfen«, sagte Mirjana leise, und am Ende mein Leben gerettet, doch das behielt sie für sich, genauso wie das, was noch in ihr vorging. Werde ich jemals hinter die Maske dieses Mannes blicken können? Werde ich je wissen, was er im Schilde führt, was er denkt? Warum er dies tut und nicht jenes?

Weshalb wollte sie es überhaupt wissen? Einerlei, sie würde nur etwas erfahren, wenn sie ihn danach fragte. Irgendwann später. Erst gab es noch etwas anderes, weit Wichtigeres.

Danke, Nella, dachte sie. Für alles. Das hier war das Letzte, was du in der Vergangenheit für mich getan hast. Von nun an komme ich allein zurecht, du musst dich um andere Aufgaben kümmern.

»Mirjana! Was ist mit Euch? Kommt zu Euch!«, rief Vecellio mitten in ihre Botschaft an Nella, die ihr längst nicht mehr fremd, sondern so vertraut geworden war.

»Ich bin okay«, sagte sie unwillkürlich – und hätte fast aufgelacht, über sich selbst und dieses komische Wort. »Ich meine, es geht mir gut.«

Der Venezianer schien nicht gänzlich überzeugt, doch er bemerkte wohl, dass ihre Wangen allmählich Farbe bekamen, und wandte sich den praktischen Dingen zu. »Wie soll ich nun Eure Wunden behandeln?«

Mirjana sah in seine blauen Augen, durch die sie bereits einmal in seine Seele geblickt hatte. Zwar war sie dort den Antworten auf ihre Fragen wenig nähergekommen, dafür aber hatte sie gesehen, dass Lodovico Vecellio kein schlechter Mensch war, auch wenn er sehr viel auf dem Kerbholz hatte. Sie machte eine Bewegung und zuckte unter dem Schmerz zusammen, was sie mit ihren nächsten Worten zu überspielen suchte.

»Wisst Ihr, dass ich manchmal Visionen habe?«

»Ich verwette mein letztes Wams dafür. Aber Ihr solltet das in Zukunft lieber nicht laut sagen, es könnte sein, dass Euch zufällig ein missliebiger Geistlicher hört.«

»Ich verspreche, ich werde es für mich behalten. Lasst mich nur noch eines sagen: Diese Visionen können bisweilen ein Fluch sein, andererseits können sie sich als recht nützlich erweisen. Leider blieben sie bei zwei Gelegenheiten aus, bei denen sie sehr hilfreich für mich gewesen wären.«

»Und welche Gelegenheiten habt Ihr im Sinn?«

»Das erste Mal bei Ivan, bevor ich ihn zum Gemahl nahm. Das zweite Mal bei Euch.«

Vecellio hob die Brauen und wartete.

»Ivan habe ich schließlich durchschaut, obgleich viel zu spät. Aus Euch jedoch werde ich nicht recht schlau, das muss ich zugeben«, sagte sie.

»Nun, dann müsst Ihr mir wohl vorerst auch so trauen«, stellte Vecellio gleichermaßen belustigt wie arrogant fest, so dass Mirjana sich an jenen scheinbar in unendlicher Ferne liegenden Tag erinnert fühlte, an dem sie einander zum ersten Mal begegnet waren.

»Ich werde mir Mühe geben.« Sie machte eine Pause und lächelte dann, nicht einen Deut weniger spöttisch. »Lodovico.«

12.

»Lodovico«, flüsterte ich vor mich hin. Um mich herum verschwanden das Bild des Venezianers, die Wärme der Sonnenstrahlen und der weite Himmel. Stattdessen wurde es wieder schummrig, nur die abgehängte Lampe spendete gerade genug Licht, um Mirjanas Schrift entziffern zu können. »Lodovico Vecellio – du bist in der Tat noch undurchsichtiger, als ich dachte. Hast du sie am Ende wirklich geliebt?«

Dieser Trip in die Vergangenheit war ein unglaubliches Geschenk für mich. Ich dachte kaum darüber nach, dass oder warum es geschehen war – das Schicksal hatte so entschieden, und ich war dankbar dafür. Zu wissen, dass Mirjana überlebt hatte, bedeutete mir mehr, als ich sagen konnte.

Dieses letzte Mal war ich stärker mit ihr verbunden gewesen als je zuvor, alles war mir noch so viel echter erschienen, obwohl ich eine solche Möglichkeit zuvor vehement abgestritten hätte. Aber Mirjana zu sein, übertraf meine früheren Erlebnisse bei Weitem.

Es dauerte eine geraume Weile, bis ich mich wieder beruhigte – und wieder mal bei Vecellio landete. Inzwischen war ich vollends der Meinung, dass er genau wie Ivan Mirjana nie für eine Hexe gehalten hatte. Wie schwer plagte ihn daher sein Gewissen, weil er zu ihrem Leid beigetragen hatte? Es war Zufall gewesen, dass Bruder Heinrich auf sie aufmerksam geworden war, als er ihr die Rezeptur zurückgab. Aber die späteren üblen Verleumdungen mit dem Ziel, sich und seine Geschäfte zu retten, musste er sich durchaus auf seine Fahne schreiben. Schließlich konnte er nicht sicher sein, dass Martolosic sich einen Dreck um die Hexengeschichte scheren würde und sich an dessen Verhalten absolut nichts geändert hätte, selbst wenn Vecellio ihm und dem Mönch gepredigt hätte, Mirjana sei eine Heilige.

Trotzdem wollte ich nicht akzeptieren, dass Schuld oder ein schlechtes Gewissen alles war, was ihn antrieb. Es musste noch was anderes sein, das ihn erst dazu veranlasst hatte, Mirjana zur Flucht zu verhelfen, und dann, als das fehlgeschlagen war, seinen Einfluss beim Prior geltend zu machen. Nur dass beides gründlich danebengegangen war.

Vielleicht hätte er sich an den einflussreichen Skocibuha wenden sollen, überlegte ich, bezweifelte aber gleichzeitig, dass das wirklich was genutzt hätte. Skocibuha und Martolosic kannten sich seit langem, während Vecellio ein Fremder war, der sich plötzlich in eine funktionierende Geschäftsbeziehung und Freundschaft einzumischen versuchte. Wie hätte Skocibuha auf solche haarsträubenden Vorwürfe gegen seinen Nachbarn reagiert? Kaum sehr freundlich.

Vecellio war allein und auf sich gestellt und seine Möglichkeiten damit begrenzt, wieder gutzumachen, was er angerichtet hatte. Dafür hatte er alles in seiner Macht Stehende getan.

»Hast du sie also geliebt?«, fragte ich wieder leise in den Raum hinein. »Wenn ja, hast du es wohl selbst erst gewusst, als es schon fast zu spät war. Oder hattest du schon bei deinen ersten Verleumdungen in der Villa vor, ihr später unbemerkt zu helfen?«

»Führst du Selbstgespräche?«

Offenbar war ich lauter gewesen als beabsichtigt, laut genug jedenfalls, um Safet aufzuwecken.

»Wenn du ein Venezianer auf der Flucht wärst«, fing ich an, ohne auf seine Frage einzugehen, »wohin würdest du gehen – mit einem Diener, gerade genug Geld zum Überleben, aber mit der Fähigkeit, andere glauben zu lassen, du wärst stinkreich, außerdem einer Menge nicht unbedingt astreiner Geschäftsideen im Kopf und einer Frau, die dringend Ruhe und Erholung braucht?«

»Vecellio?«

»Genau.«

Ich hörte, wie Safet sich aufsetzte. »Wieso mit einer Frau?«

»Weil er Mirjana das Leben gerettet hat.« In weit weniger Worten als in mir waren, erzählte ich, was sich nach Vecellios Flucht aus Ragusa ereignet hatte. »Also, was würdest du tun?«

Safet schwieg fast fünf Minuten, in denen er sich auch nicht rührte. Ich glaubte schon, er wäre wieder eingeschlafen, doch schließlich stand er auf und kam zu mir herüber. »Interessanter Mann, dieser Venezianer. Ich sollte mich geschmeichelt fühlen, dass du mich hin und wieder mit ihm vergleichst.«

»Das war nicht als Kompliment gemeint«, stellte ich richtig.

»Schon klar«, murmelte Safet. Er war neben mir in die Hocke gegangen, hatte die Arme auf den Tisch gelegt und schaute auf das Buch. »Ich hätte mich eine Weile von sämtlichen Geschäften zurückgezogen, vor allem, wenn ich Rücksicht auf die Frau zu nehmen hätte, die ich liebe. So lange wäre ich in irgendeinem einem unscheinbaren Dorf geblieben und hätte ganz sicher niemandem auch nur eine einzige Münze von meinen wenigen Dukaten sehen lassen. Dann …«, er zögerte, erhob sich wieder und lief im Zimmer auf und ab. Schließlich kam er zurück und hockte sich neben mich wie eben. »Zwei Möglichkeiten: Entweder ich gehe so weit weg wie möglich – oder ich tue genau das Gegenteil, weil das niemand erwartet.«

Ich nickte. »Das, was wir im Augenblick auch gerade tun, meinst du.«

»Falls Martolosic sich auf die Suche nach Vecellio gemacht hat, dann sicher nicht im eigenen Land. An Vecellios Stelle hätte ich drauf geachtet, mich auf keinen Fall da niederzulassen, wo sich die Venezianer rumtrieben, wie in Porec oder Rovinj zum Beispiel. Ich könnte mir denken, dass er auf die wegen seiner Machenschaften in Venedig wenig Wert gelegt hat. Wer weiß, vielleicht hat er sich sogar Makarska ausgesucht, hier haben nämlich zu der Zeit die Türken geherrscht.«

»Ja, vielleicht«, stimmte ich zu. »Deine Argumente für Kroatien haben was, trotzdem glaube ich, dass er doch lieber ganz woanders neu anfangen wollte. Er war kein Mann, der Altlasten mit sich rumschleppt.«

Nachdenklich biss Safet sich auf die Lippen. »Weshalb spekulieren wir hier eigentlich? Wir werden nie wissen, ob etwas davon den Tatsachen entspricht.«

»Ich möchte mir einfach gern ausmalen, was aus Mirjana geworden ist, wie ihr Leben ausgesehen hat, nachdem sie endlich von Ivan fort war.«

»Portugal.«

»Portugal?«

»Mit Sicherheit haben sie sich einen für Mirjana ungefährlicheren Ort ausgesucht. In Portugal hat es natürlich auch Hexenverfolgung gegeben, aber besonders seit dem frühen sechzehnten Jahrhundert hat ausgerechnet die Inquisition dafür gesorgt, dass es vergleichsweise wenige Verbrennungen gab. Für Vecellio bot Portugal noch dazu reichlich Gelegenheit für seine … kaufmännischen Ambitionen. Das Land war eins der ersten Europas, das Handel mit China trieb.«

»Gibt’s irgendwas, was du nicht weißt?«

Safet lachte leise. »Genug. Ich muss dir kaum sagen, wie wichtig ein gewisses Maß an Geschichtskenntnissen in meiner Branche ist.«

China. Dazu fielen mir spontan die chinesische Heilkunst ein, eine Menge nützlicher Gewürze, Tee und Ähnliches. Ein Paradies für jemanden wie Mirjana.

Ich sah zu Safet, ein zufriedenes Lächeln im Gesicht. Er schien zu ahnen, was ich dachte: Egal, ob das nun nur Rätselraten war – es wäre ein hoffnungsvolles Ende für eine traurige Geschichte. Zu schön vielleicht, um wahr zu sein, aber wer sollte etwas gegen ein Happy End für Mirjana einzuwenden haben? Safet lächelte zurück, und eine Sekunde lang spürte ich das Verlangen, die Hand nach ihm auszustrecken und ihn zu berühren.

»Was hältst du davon, wenn wir Vecellios Taten folgen und uns auf den Weg machen?«, fragte er.

»Jetzt?« Ich sah auf die Uhr. »Es ist kurz vor halb vier morgens.«

»Und? Wir sind beide ausgeschlafen, also lass uns die frühe Tageszeit nutzen. Es fährt sich besser, wenn es nicht so heiß ist. Ich geh noch kurz unter die Dusche, dann können wir meinetwegen.«

Ich war mir nicht sicher, ob die Bewohner des Nachbarzimmers das Wasserrauschen begrüßen würden, aber ich verstand Safet, der nach seinem Alptraum zu erschöpft gewesen war, sich aber jetzt sicher den getrockneten Schweiß vom Körper spülen wollte.

Während er im Bad war, öffnete ich die Fensterläden und ließ milde Nachtluft hinein. Ich atmete tief durch, alles schien ruhig und friedlich, nur ein kleiner schwarzer Schatten bewegte sich auf der Straße, ein Hund oder eine streunende Katze.

Nach ein paar Minuten kehrte ich zum Tisch zurück, klappte das Buch zu und wollte es in Safets Rucksack verstauen. Weit kam ich allerdings nicht, weil ich gegen die Bettkante lief und stolperte. Ich konnte mich gerade noch halten, ließ dabei aber das Buch fallen, das mit einem recht lauten Krachen auf dem Boden landete. Erschrocken starrte ich darauf, voller Angst, dass es beschädigt sein könnte. Tatsächlich lag etwas Helles daneben, das aussah wie ein Blatt, das sich aus der Bindung gelöst hatte.

»Oh nein!«, stöhnte ich und griff danach. Es fühlte sich fester an als eine gewöhnliche Seite, vielleicht waren es zwei, aber mir blieb keine Zeit, das näher in Augenschein zu nehmen. Im selben Moment wurde es hell im Raum, weil Safet die Tür zum Bad aufgerissen hatte.

»Was ist denn hier los?« Er war nackt bis auf ein Handtuch, das um seine Schultern lag.

»Ich bin gegen das Bett gerannt«, murmelte ich, darum bemüht, das Blatt vor ihm verborgen zu halten. Dann sah er die Bescherung.

»Kannst du nicht aufpassen?«, herrschte er mich an, hob das Buch vorsichtig auf und schaltete die Deckenbeleuchtung ein, um es gründlich von allen Seiten zu untersuchen. »Glück gehabt, scheint heile geblieben zu sein.« Noch immer verärgert wandte er mir den Rücken zu, was ich dazu nutzte, das Papier unter meinem Shirt verschwinden zu lassen. Kurzerhand zog Safet den Kissenbezug ab und wickelte den Ledereinband zum Schutz darin ein. »Du hast hoffentlich nichts dagegen, wenn ich das nehme.«

»Wie könnte ich?« Weshalb er die fehlenden Seiten nicht bemerkt hatte, war mir ein Rätsel.

Safet musterte mich kurz, bevor er noch mal ins Bad ging. Die Tür ließ er offen, warf das Handtuch auf den Boden und fuhr sich durch die Haare. Während ich all das beobachtete, legte ich die Perlen wieder um und fingerte dann nach dem Papier unter meinem Shirt. Dabei merkte ich, dass es sich tatsächlich um zwei Seiten handelte, die an einigen Stellen zusammenklebten. Sie schienen keine Risse in den Rändern aufzuweisen, und das hieß, dass Safet die Beschädigung deshalb nicht aufgefallen war, weil es gar keine gab. Die Blätter mussten lose im Buch eingelegt gewesen sein. Mit einer schnellen Bewegung ließ ich sie in meinen eigenen Rucksack unter dem Tisch gleiten.

Safet kam mit seiner Jeans in der Hand zurück und zog sie an. Sein Shirt hielt er in der Hand und betrachtete es zweifelnd. »Wir brauchen ein paar neue Klamotten«, stellte er fest. »Sobald es Tag wird, müssen wir einkaufen.«

»Was passiert mit meinen Sachen in Dubrovnik? Ich sollte in der Pension anrufen, damit die Bescheid wissen und nicht gleich alles wegwerfen.«

»Du kannst Duško Bescheid geben, er holt deinen Koffer sicher gern ab und schickt ihn nach Deutschland. Scheint ja einen ziemlichen Narren an dir gefressen zu haben.«

»Kannst du nicht verstehen, was?«, fragte ich.

»Als ich so jung war, hatte ich eher eine Schwäche für Mädchen in meinem Alter. Hast du alles? Dann können wir gehen.« Damit schwang er seinen Rucksack über seine rechte Schulter und marschierte aus dem Zimmer. Mir lag eine entsprechende Entgegnung auf der Zunge, auf die ich aber verzichtete, weil sie sowieso verschenkt gewesen wäre. Trotz allem war das mit Duško eine gute Idee. Ich würde Safet bei Gelegenheit nach der Telefonnummer fragen und anschließend auch gleich bei der Mietwagenfirma anrufen, damit die den Škoda in Cavtat einsammelten.

13.

Safets Cabrio stand in der nächsten Querstraße. Wortlos stiegen wir ein, und ebenso schweigend fuhren wir durch den frühen Morgen. Eine Weile blieb Safet noch auf der Küstenstraße, das Meer war im Dämmerlicht schon zu sehen. Dann jedoch bog er ins Landesinnere ein.

»Ist das die kürzeste Strecke oder fährst du extra einen Umweg?«

Safet schien über etwas nachgedacht zu haben, jedenfalls antwortete er nicht sofort. »Wir könnten natürlich an der Küste bleiben, die Strecke ist schöner, aber da sind auch weitaus mehr Leute unterwegs.« Damit versank er wieder in Schweigen, das ich nicht mehr unterbrach.

Meinte er mit den »Leuten« den Verkehr allgemein oder Silke im Besonderen? Falls sie uns noch immer suchte, war das Risiko, ihr auf der Küstenstraße zu begegnen, wohl am größten.

Ich verfiel in ähnliches Brüten wie Safet, dabei sah ich aus dem Fenster auf die vorbeihuschende Landschaft. Wir fuhren wir an einem scheinbar endlosen See entlang, dahinter lag eine hohe und sehr karge Gebirgskette, während links von uns die Berge niedriger und meist bewaldet waren. Ab und zu passierten wir kleinere Ortschaften, aber nirgends war viel los, und ich bezweifelte, dass sich das im Laufe des Tages ändern würde.

Wirklich aufmerksam werden ließ mich erst der Anblick einer größeren Stadt und der darüber liegenden Festung, die gewaltig sein musste, wenn man sie schon von hier aus erkannte. Ich wollte gerade eine Bemerkung machen, doch da verschwand beides aus unserem Blickfeld, und ich fiel in meine Grübelei zurück. Bis die Stadt plötzlich wieder da war und wir mitten drin. Links zwischen den Häusern blitzte hin und wieder die Festung auf, und als Safet dem Straßenverlauf folgte und um eine Kurve bog, lag sie direkt vor uns.

»Sveti Spas.«

Bei seinen Worten fuhr ich zusammen, so sehr hatte ich mich an die Stille gewöhnt.

»Vor mehr als tausend Jahren wurden da einige von Kroatiens Königen gekrönt. In der jüngeren Vergangenheit hat die Stadt Knin allerdings keinen so guten Ruf.«

»Warum nicht?«

Safet zuckte mit den Schultern, als wolle er sagen: Guck in die Geschichtsbücher, ich hab keine Lust, darüber zu reden. Er blinzelte kurz herüber, und entschloss sich dann doch zu einer Antwort. »Mal von der Serbischen Republik Krajina gehört?«

»Das war hier?« Wir hatten die Festung längst hinter uns gelassen, und Knin selbst lag zwar in einem grandiosen Tal, war aber sicher kein Schmuckstück in der Landschaft. Trotzdem betrachtete ich meine Umgebung jetzt ganz anders. Ich wusste viel zu wenig über den Krieg auf dem Balkan, andererseits gab es Dinge, die sich selbst mir eingeprägt hatten. Zuerst wurden Tausende von Krajina-Kroaten von den Serben vertrieben und dann nach der Rückeroberung Tausende von Serben von den Kroaten. Es war viel zerstört worden, nicht nur Häuser und Dörfer. »Wer lebt heute in dieser Gegend?«

Wieder zuckte Safet mit den Schultern. »Kroatien will alle Rückkehrwilligen aufnehmen. Warten wir ab, was draus wird.«

Kein Zweifel, dieses Land hatte den Krieg noch längst nicht abgehakt – wie denn auch nach kaum zehn Jahren?

Ich schloss die Augen, obwohl ich keine körperliche Müdigkeit fühlte, nur eine andere Art von Erschöpfung. Wahrscheinlich hatte ich während der letzten Tage mehr über Krieg und Zerstörung nachgedacht als in allen vorherigen Jahren. Da konnte man in der Schule endlos über Kriege lesen und lernen, im Fernsehen gleich reihenweise Nachrichten oder Guido-Knopp-Dokumentationen sehen und von den eigenen Großeltern jede Menge vom Dritten Reich hören. Das alles schien so unglaublich weit entfernt, dass es überhaupt nichts mit einem selbst und der eigenen Gegenwart zu tun hatte. Das hier war viel näher – gerade durch Safet.

Unwillig runzelte ich die Stirn. Gegenwart. Was hieß das schon? Gelegentlich tendierte die Gegenwart dazu, mit der Vergangenheit zu verschmelzen – ebenfalls durch Safet, wenn auch nur indirekt. In mir drehte sich alles, Bilder von Mirjana, ihrem Buch, Safet und mir selbst wirbelten durcheinander. Ich musste mich zwingen, mich auf eine Sache zu konzentrieren, und richtete mich kerzengerade auf, damit ich nicht ganz wegsackte.

»Ausgeschlafen?«

Verwirrt schaute ich zur Seite. »Ich hab nicht geschlafen!«

»Wenn du meinst.«

Bevor ich wegen des arroganten Tonfalls aufbrauste, sah ich unter uns die Adria funkeln, was ich wohl oder übel als stichhaltigen Beweis für Safets Behauptung gelten lassen musste. Knin lag weder am Meer noch hatte da die Sonne auch nur ansatzweise so hoch gestanden. Eigentlich war es mir während der letzten Tage doch immer gelungen, den jeweils fehlenden Schlaf nachzuholen. Dass ich trotzdem permanent einschlief, bedeutete, dass mein Körper nicht klaglos alles wegsteckte, was ich ihm zumutete. Peinlicherweise meldete sich auch noch mein Magen laut und deutlich.

»Es ist noch ein Sandwich da. In meinem Rucksack.« Safet machte eine Kopfbewegung zum Rücksitz.

Ich hangelte danach, fand die Tüte und wickelte das Sandwich aus der Frischhaltefolie. Es roch säuerlich, trotzdem biss ich ab und kaute auf dem zäh und lappig gewordenen Weißbrot herum.

»Wir sind bald in Karlobag, wenn alles glattgeht. Da können wir uns eine Pause gönnen und einkaufen. Ich brauch dringend was zum Anziehen und vor allem was Kaltes zu trinken. Wenn du willst, kannst du danach mal aufs Gaspedal drücken.«

»Mach ich. Aber warum sagst du, wenn alles glattgeht? Erwartest du Schwierigkeiten?«

»Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn Silke und Tom uns aufspüren, aber ein Restrisiko bleibt. Man muss auf alles gefasst sein.«

»Und das bist du immer?«

Safet zögerte eine Sekunde zu lange. »Natürlich.«

»Heißt das, du hast dich noch nie geirrt?«

»Jeder irrt sich gelegentlich.«

»Wie hoch war der Preis, den du dafür gezahlt hast?« Meine Intuition verriet mir, dass ich etwas auf der Spur war, das möglicherweise mit dem Alptraum zu tun hatte und mit dem feuerspeienden Drachen auf Safets Bild. Meine Intuition hätte mir genauso verraten sollen, wie bescheuert es war, nachzubohren. Safet jedenfalls machte mir das unmissverständlich klar, indem er mich einfach ignorierte, stattdessen auf die Straße schaute und so tat, als müsse er auf den Verkehr achten.

Karlobag war ein nettes Städtchen mit einem hübschen Hafen und den Überresten eines alten Klosters. Das Wichtigste war allerdings, dass wir sofort einen Supermarkt fanden, in dem nicht nur gekühlte Getränke, sondern auch T-Shirts verkauft wurden. Einige davon schmückten Aufschriften wie »I love Croatia«, aber ein schlichtes dunkelblaues fand auch vor Safets Augen Gnade. Hauptsächlich versorgten wir uns mit Wasserflaschen, Keksen und Obst, und obwohl es noch nicht nötig gewesen wäre, tankten wir auch gleich.

Ohne weiteren Kommentar ließ Safet mich ans Steuer, aß auf dem Beifahrersitz zwei Äpfel und eine halbe Packung Kekse und leerte eine ganze Flasche Wasser. Als er fertig war, schnitt er für mich einen Apfel auf und reichte mir die Spalten einzeln, damit ich beim Fahren besser essen konnte.

»Wie weit willst du heute noch?«, fragte ich. »Schaffen wir’s bis nach Deutschland?«

»Sicher. Ohne Staus und Umleitungen könnten wir in fünfzehn Stunden in Hannover sein.«

»Optimist! Glaubst du an Wunder?«

»Nach allem, was du erlebt hast, müsstest zumindest du dran glauben«, meinte Safet vielsagend. »Aber stimmt schon, selbst wenn wir uns ständig abwechseln, würde das hart. Lass uns in Österreich einen Zwischenstopp einlegen.«

14.

Tatsächlich kamen wir erst mal bis Rijeka. Kurz vor der letzten großen Stadt vor der slowenischen Grenze bemerkte Safet nämlich, dass ihm seine Zigaretten ausgegangen waren. Er hatte seit seinem Alptraum keine mehr angerührt und schien auch nicht unbedingt welche zu brauchen, trotzdem machte es offenbar einen Unterschied für ihn zu wissen, dass welche da waren. Safet wollte einfach bei irgendeinem Laden halten, aber die Straßen waren völlig verstopft, so dass wir zwangsweise vorwärtsgeschoben wurden und dann einer Baustellenumleitung folgen mussten. Die führte uns zu allem Unglück in die entgegengesetzte Richtung, weil wir auf der falschen Spur standen.

So landeten wir auf der Riva, der Uferpromenade von Rijeka, die gesäumt wurde von großen Palästen, die meisten von ihnen im Jugendstil erbaut und weniger mediterran anmutend als das, was ich an der Küste bisher zu sehen bekommen hatte. Auf der anderen Seite erstreckten sich das Meer und ein großer Hafen, dem absolut nichts Romantisches anhaftete.

Zwischen einem Laster vor uns und zwei hinter uns eingeklemmt, trommelte Safet nervös mit den Fingern auf dem Türgriff herum. Ab und zu schaute er in den Seitenspiegel, doch jedes Mal, wenn ich seinem Blick folgte, sah ich nichts außer den beiden LKWs.

»Was ist los?«, fragte ich, als er sich auch noch in seinem Sitz umdrehte.

»Weiß nicht«, murmelte er. »Nur so ein merkwürdiges Gefühl. Spürst du nichts von den Perlen?«

Ich wollte schon den Kopf schütteln, weil meine Haut im Gegensatz zum Vortag nicht brannte. Sicherheitshalber tastete ich aber doch nach der Kette um meinen Hals – und bemerkte tatsächlich ein leichtes Vibrieren. Vor Schreck verriss ich fast das Steuer, mein Fuß tippte eine Kleinigkeit zu viel aufs Gaspedal. Glücklicherweise war der Abstand zum Laster groß genug gewesen, sonst hätten wir ihm hintendrauf gesessen.

»Wie stark?«, fragte Safet.

»Kaum. Aber es ist da.«

»Dann sind sie hier, in dieser Stadt. Machen wir, dass wir wegkommen.«

Das war leichter gesagt als getan, weil in diesem Moment der ganze Verkehr auf der Straße zum Erliegen kam. Wir hörten eine Polizeisirene dröhnen, die Fahrzeuge bildeten eine Schneise, und bald darauf schossen ein Einsatzwagen und dahinter eine Ambulanz an uns vorbei. Es war Mittag, die Sonne stand hoch am Himmel und schien erbarmungslos auf uns herunter, kein Windhauch milderte die Hitze, die Abgase der Laster sorgten für zusätzliche Wärme und für Gestank.

Safet drückte die Beifahrertür auf. »Da drüben ist ein Kiosk, ich geh schnell Zigaretten holen.«

»Hast du keine Angst, dass ich weg sein werde, wenn du zurückkommst?«

»Um dich hier vorwärts, rückwärts oder seitwärts zu bewegen, müsstest du schon eine Hexe sein und zaubern können, draga.« Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit hatte er mich wieder draga genannt, aber der Tonfall war früher anders gewesen, was ich sehr wohl registrierte. Zu allem Überfluss hatte er natürlich recht, es gab keine Möglichkeit zu verschwinden, es sei denn, ich ging zu Fuß. Dasselbe musste er wohl auch gerade gedacht haben. Er griff nach seinem Rucksack. »Man soll ja das Schicksal nicht rausfordern. Bis gleich.«

Ich sah Safet nach, der sich in die Schlange am Kiosk stellte. Eben war es da noch leer gewesen, jetzt plötzlich schienen viele Leute denselben Einfall wie Safet gehabt zu haben und deckten sich mit Getränken, Eis, Zigaretten und Zeitschriften ein. Ich stellte den Motor ab und wünschte, der LKW-Fahrer aus Österreich vor uns würde dasselbe tun. Immer mit einem Auge bei Safet zerrte ich nun meinerseits meinen eigenen Rucksack von der Rückbank und holte die beiden Seiten aus Mirjanas Buch hervor. Die Schlange vorm Kiosk war noch nicht wesentlich kürzer geworden, also blieb mir genug Zeit, endlich mal einen Blick bei Tageslicht auf das zu werfen, was Mirjana in das Buch gelegt hatte.

Die Blätter klebten am oberen Rand zusammen, ein bisschen großflächiger an der oberen rechten Ecke und relativ wenig am rechten Rand. Vorsichtig schob ich meine Finger dazwischen und bemühte mich, die Seiten zu trennen, ohne sie zu beschädigen. Dabei konnte ich Safet nicht ständig beobachten, sondern musste mich damit begnügen, ab und zu hinzusehen, um abzuschätzen, wie viele Minuten mir noch blieben.

Hier mitten im dicksten Stau in Rijeka das zu tun, wozu Mirjana mich aufgefordert hatte, während sie noch glaubte, sterben zu müssen, entsprach nicht ganz dem Bild, das ich mir von der Situation gemacht hatte. Lieber wäre mir eine ruhige Zimmerecke oder ein einsamer Felsen mit Blick aufs Meer gewesen. Aber es half nichts, ich musste die Dinge nehmen, wie sie kamen.

Endlich hatte ich die Blätter getrennt. Mein Herz schlug etwas schneller, ich berührte noch einmal die Perlen, damit ich Mirjana wenigstens auf diese Weise näher war. Dabei bemerkte ich, dass das Vibrieren stärker wurde. Lag das an der Gefahr oder an Mirjanas Nachricht? Dabei konnte ich ja gar nicht wissen, ob es sich bei diesen Seiten wirklich um das handelte, was ich so unbedingt lesen sollte. Vielleicht hatte sie am Ende etwas ganz anderes gemeint, und dies hier war nur eine vergessene Einkaufsliste für Nikolas Apotheke.

Nach einem letzten Blick auf Safet, der als Übernächster an die Reihe kommen würde, wollte ich zu lesen beginnen. Als Erstes fiel mir ins Auge, dass Mirjanas Schrift anders wirkte, nicht so gestochen scharf, sondern flüchtiger, undeutlicher. Ein paarmal schien sie mit der Feder abgerutscht zu sein, an mehreren Stellen war außerdem Tinte ausgelaufen. Mit Sicherheit hatte sie nicht entspannt am Tisch gesessen und geschrieben, sondern war entweder in Eile oder so in Aufruhr gewesen, dass sie die Feder kaum ruhig hatte halten können. Weitaus abträglicher als eine schlechte Schrift war aber etwas anderes.

»Verdammt, Mirjana«, entfuhr es mir leise, obwohl ich sie schlecht für meine mangelnden Sprachkenntnisse verantwortlich machen konnte. »Warum hast du das nicht auch auf Latein geschrieben?«

Ein ungeduldiges Hupen des Lastwagenfahrers hinter mir bedeutete, dass es ein paar Autolängen weiterging, trotzdem faltete ich erst die Blätter wieder zusammen und legte sie zurück. Während ich den Motor startete und die wenigen Meter fuhr, dachte ich darüber nach, weshalb Mirjana von ihrer Gewohnheit abgewichen war. Was da vor mir gelegen hatte, war keine Rezeptur, sondern ein anderer Text gewesen, möglicherweise etwas sehr Persönliches, das sie entsprechend auch in ihrer eigenen Sprache notiert hatte.