cover image

images

Band 19

Herausgegeben von

Prof. em. Dr. Michael Jagenlauf, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg

Prof. Dr. Werner Michl, Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm

Dipl. Soz.päd. Holger Seidel, M. S.M., Ostfalia Hochschule für angewandte

Wissenschaften, Braunschweig / Wolfenbüttel

images

Dr. Jule Hildmann, Sonder- und Erlebnispädagogin, lehrt und forscht im Bereich Outdoor Education an der University of Edinburgh. Sie gehört zum Lehrtrainerteam am Centrum für Erlebnispädagogik Volkersberg in der Nähe von Würzburg.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-02718-7 (Print)

ISBN 978-3-497-60432-6 (PDF)

ISBN 978-3-497-60980-2 (EPUB)

© 2017 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in EU

Cover unter Verwendung eines Fotos von © iStock.com/villesep

Autorenportraitfoto von Rachel Hein

Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: info@reinhardt-verlag.de

Inhalt

Übersicht der Übungen

Einleitung

TEIL I

Erlebnispädagogische Grundlagen für simple things

1       Was genau sind simple things?

1.1     Sprache schafft Bewusstsein

1.2     Alltagsmaterial

1.3     Hintergründe zum Konzept

2        Lernziele

2.1     Allgemeine Lernziele in der Erlebnispädagogik

2.2     Spezielle Lernziele bei simple things

2.3     Erlebnispädagogik wirkt. Aber wie?

3        Wie werden einzelne Personen zu einem Team?

3.1     Entwicklungsphasen von Gruppen zum Team

3.2     Struktur einer erlebnispädagogischen Maßnahme

4        Risiko, Sicherheit und Wachstum

4.1     Sichern wir uns zu Tode?

4.2     Zentrale Faktoren für die Begleitung von Lernprozessen

4.3     Einflussmöglichkeiten der Trainer

5        Was sollte ein Trainer können?

TEIL II

Simple things in der Praxis

6        Zum Vorgehen

7        Einstiege gestalten

7.1     Sich kennenlernen

7.2     Zielbestimmung

7.3     Organisatorisches

8        Einteilen von Gruppen

8.1     Einteilen einer Gruppe in zwei Teilgruppen

8.2     Einteilung einer Gruppe in mehrere Kleingruppen

8.3     Einteilung einer Gruppe in Zweier-Paare

9        Kooperationsaufgaben

10      Simple things in der Natur

10.1   Ursprüngliche Sinneswahrnehmung

10.2   LandArt – Kunst in und mit der Natur

10.3   Metaphorische Naturbetrachtung

10.4   Natur kennen und verstehen

10.5   Solo

10.6   Problemlöseaufgaben in und mit der Natur

11      Ganz- und mehrtägige Methoden zur Förderung von Wachstumsprozessen

12      Morgenrunden

13      Abschlüsse, Abschiede und Veranstaltungsende

13.1   Auswertung der Veranstaltung

13.2   Abschiede gestalten

TEIL III

Prozessbegleitung im Detail

14     Mit einem klaren Auftrag arbeiten

14.1   Bedeutung einer sauberen Auftragsklärung

14.2   Der geeignete Zeitpunkt

15     Anmoderation und Begleitung von Aktivitäten

15.1   Anmoderation von Kooperationsaufgaben

15.2   Verhalten der Trainer

15.3   Umgang mit Regelverstößen

15.4   Durch Scheitern gewinnen

16       Aktivitäten selbst entwickeln

16.1   Am Anfang steht das (Lern-)Ziel!

16.2   Vom Spiel zur Kooperationsaufgabe

16.3   Anleitung zum Entwickeln neuer Übungen

16.4   Umwandlung alltäglicher Handlungen in erlebnisorientierte Übungen

16.5   Simple security – ein einfaches Konzept zur Unfallvermeidung

17      Übungen zielgruppenorientiert abwandeln

17.1   Anzeichen von Überforderung

17.2   Anzeichen von Unterforderung

17.3   Möglichkeiten, eine Übung einfacher zu gestalten

17.4   Möglichkeiten, eine Übung komplexer zu gestalten

18       Nutzung bildlicher Sprache

18.1    Rahmengeschichten

18.2    Spieleketten

19       Aktivitäten zielführend auswerten

19.1    Praktische Tipps zur Auswertung von Übungen

19.2    „Klassische“ Auswertungsthemen

20      Lerntransfer – das Gelernte in den Alltag übertragen

20.1   Transfer ist nicht gleich Reflexion

20.2   Transfer lässt sich nicht garantieren

20.3   Transferhindernisse

20.4   Praktische Möglichkeiten zur Transferunterstützung

Literatur

Sachregister

Übersicht der Übungen

Abzählen mit Verwirrung 43

Basar 41

Bierdeckellauf 45

Bilder einer Ausstellung 73

Blickkontakt 44

Blinde Karawane barfuß 53

Das magische Megafon 69

Das schaffende Solo 62

Drei-Schritte-Kreis 75

EinzigartICH 58

Falsche Paare 42

Fotosuche 40

Fragentausch 36

Gedanken aus der Zukunft 37

Grundformen von Kooperationsaufgaben 91

Hände drücken 43

Hausrallye 39

Impulskreis 74

Komposita 44

Kugelbahn ohne alles 47

Mein roter Luftballon 38

Mini-Solo 61

Nacht-Solo 62

Parallelübung Dschungelrettung 49

Passt zusammen 43

Personen-Uno 35

Pflanzen bestimmen 59

Schritt vorwärts 42

Schutzengel 64

Schwarzer Peter 44

Sich erden 53

Solo in der Stadt 62

Solo-Wanderung 62

So toll bin ich 36

Team-Torte 65

Tiere beobachten 60

Veranstaltung als Wegstrecke 72

Vogelperspektive 69

Wanderung mit verschiedenen Impulsen 53

Wäscheleine 39

Was läuft rund, was holpert? 69

Weitere 44

Wunschkarten 38

Zuckerstückchen 75

Zusammenhänge in Ökosystemen erkennen 60

Zwiegespräch mit einem Blatt 58

Einleitung

„Erlebnispädagogik“ – das klingt spannend, nach Nervenkitzel und Abenteuer in der Wildnis oder zumindest im aufregenden Hochseilgarten. Dabei umspannt Erlebnispädagogik weit mehr als die bekannten actionreichen Natursportarten wie Rafting, Klettern oder Mountainbiken. Im Handlungsrepertoire eines erfahrenen Erlebnispädagogen finden sich auch sogenannte „sanfte“ Methoden wie Naturerfahrungsübungen, Kooperationsaufgaben und Moderationstechniken. Denn letztlich ist das Ziel erlebnispädagogischer Veranstaltungen nicht, wie es leider oft den Anschein hat, möglichst viel Spaß und Action zu erzeugen. Stattdessen werden ernsthafte pädagogische Ziele verfolgt, die meist in den Bereich der sozialen und personalen Kompetenzen fallen – wie z. B. Konfliktfähigkeit, gelingende Teamarbeit, Hilfsbereitschaft oder der Umgang mit eigenen Grenzen (Kap. 2).

Und obwohl Trendsportarten für kommerzielle Anbieter weitaus mehr Profit einbringen als vergleichsweise unscheinbare Methoden, sind letztere oftmals besser geeignet, auf sensible Weise kritische Themen in einer Gruppe aufzudecken und eine positive Lernerfahrung zu gestalten.

Außerdem hat nicht jeder Pädagoge an seinem Einsatzort einen Hochseilgarten oder einen Wildwasserfluss zur Verfügung; vom Ausbildungs- und Materialaufwand einmal ganz abgesehen, den viele Bildungsträger weder zeitlich noch finanziell leisten können.

Es gibt einen breiten Markt für tolle Übungen – auch neudeutsch als Tools bezeichnet –, die aufwendiges und vor allem kostspieliges Material erfordern. Besonders bei Firmen- und Managertrainings meinen Pädagogen häufig, solch professionell erstelltes Material einsetzen zu müssen, um fachlich kompetent zu erscheinen. Dabei hat das eine nur scheinbar mit dem anderen zu tun. Gerade mit einfachen Mitteln lässt sich oft große Wirkung erzielen.

Die Hauptbotschaft dieses Buches ist: Lern- und Entwicklungsprozesse gut zu begleiten, ist eine Herausforderung. Aufwendiges Material braucht man dafür allerdings nicht! Professor Werner Michl, einer der führenden Wissenschaftler und Praktiker der Erlebnispädagogik im deutschsprachigen Raum, bringt es folgendermaßen auf den Punkt:

„Die Grundvoraussetzung für erfolgreiche Erlebnispädagogik ist nicht das perfekte Equipment, nicht das gestylte Methodenset, nicht die aufwendige Konstruktion materialreicher Übungen, sondern der Trainer mit seiner Persönlichkeit, Erfahrung und seinem pädagogischen Geschick“ (persönliche Kommunikation mit Prof. Michl, 2016).

Ein großer Teil dieses Buches befasst sich damit, wie individuelle und gruppenbezogene Lernprozesse optimal begleitet werden können. Denn wie Trainer auf Phänomene oder Bedürfnisse in einer Gruppe eingehen und die Interaktion und Lernsituationen leiten, entscheidet darüber, wieviel die Teilnehmer aus einer erlebnispädagogischen Veranstaltung nachhaltig mitnehmen. Und das ist nicht primär davon abhängig, ob viel oder wenig Material verwendet wird.

Ein weiterer Vorteil materialarmer Übungen ist, dass die Trainer nicht zu jeder Maßnahme mit einem vollgepackten Kleinbus anreisen müssen und dadurch mobiler sind.

Außerdem können Übungen, die wenig Material und Vorbereitung erfordern, an verschiedene räumliche Gegebenheiten und Gruppenbedingungen (Alter, Personenanzahl, Sonderbedürfnisse etc.) angepasst werden; besonders, wenn man gelernt hat, mit einfachsten Mitteln Übungen selbst zu entwickeln, sodass diese möglichst optimal zu einer gegebenen Gruppe, deren Zielen und den Rahmenbedingungen passen (Kap. 16).

Zur besseren Lesbarkeit wurde auf die sprachliche Verwendung beider Geschlechter verzichtet. Selbstverständlich sind immer sowohl Frauen wie auch Männer gemeint.

images

1    Was genau sind simple things?

images

Abb. 1: Das simple-things-Modell

Ursprünglich bezeichnete in der Erlebnispädagogik simple things (engl. = einfache Dinge, Sachen oder Angelegenheiten) das Material, das für ausgewählte Übungen verwendet wurde (da es eben lediglich das Material vor Ort und damit einfach zu beschaffen war), und die damit durchgeführten Übungen – damals in erster Linie Kooperationsaufgaben (Hildmann 2008; CEP 2017b). Durch die wachsende Ausarbeitung des Konzepts, vor allem in Bezug auf Aspekte und Methoden der Prozessbegleitung, ist der Begriff inzwischen deutlich weiter gefasst und bezeichnet „all solche Aktivitäten und Handlungsangebote, die erlebnispädagogische Lernziele verfolgen und dazu lediglich Alltagsmaterial erfordern“ (Hildmann 2015, 83). Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, ist noch ein dritter Aspekt von Bedeutung: Idealerweise sind Aufgaben derart konzipiert, dass sie einen hohen Aufforderungscharakter haben (z. B. durch spannend präsentierte Rahmengeschichten) und die Teilnehmer motiviert werden, sich der Herausforderung zu stellen. Der Begriff Flow beschreibt ein Glücksgefühl und ein völliges Aufgehen in einer Tätigkeit, wie es z. B. Kinder beim Spielen, Langstreckenläufer oder Künstler oft erleben (Csikzentmihalyi 1975; Csikzentmihalyi / Csikzentmihalyi 1990) (Kap. 4.2).

Im kindlichen Spiel ist dieses Flow-Gefühl etwas ganz Übliches und Natürliches. Im erlebnispädagogischen Kontext ist es jedoch nicht immer möglich, weil Zeitplanung oder andere organisatorische Faktoren zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen oder weil eine Aufgabe nicht für jeden Teilnehmer in gleichem Maße ansprechend ist. Als Richtziel darf es allerdings gelten.

1.1   Sprache schafft Bewusstsein

Von vielen Erwachsenen und Jugendlichen wird „spielen“ leider nicht als kindlich, sondern als kindisch verstanden, was – berechtigt oder nicht – Widerstände auslöst. Um dies zu vermeiden, kann es hilfreich sein, diese Bezeichnung zu umgehen, und den Teilnehmern stattdessen eine Herausforderung, Aufgabe, Aktivität, Übung, ein Lernszenario oder -projekt o.Ä. anzubieten.

Jeder dieser Begriffe löst vor dem Hintergrund individueller Erfahrung andere Assoziationen aus – selbst wenn die eigentliche Aufgabe identisch ist. Keiner der Begriffe ist dabei grundsätzlich besser als ein anderer. Es lohnt sich vielmehr, die eigenen und die allgemein verbreiteten Wertungen und Konnotationen der Begriffe bewusst zu nutzen, um bei den Teilnehmern situationsbezogen wünschenswerte Stimmungen und begriffliche Assoziationen zu aktivieren. Das soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Nach einer anstrengenden und spannungsgeladenen Einheit kann bewusst ein „lockeres Spiel“ angekündigt werden, was positive Emotionen und einen Stressabbau verspricht. Eine Gruppe hingegen, die soeben eine Übung mit Bravour gemeistert hat, braucht vielleicht als nächstes eine echte „Herausforderung“, die sie dazu anregt, das Zusammenspiel im Team noch weiter zu optimieren.

1.2   Alltagsmaterial

Was genau gilt als Alltagsmaterial im Kontext von simple things? Als Alltag gelte all das, womit wir uns mehr oder weniger täglich beschäftigen, womit wir vertraut sind und was wir ohne nennenswerten Aufwand zur Verfügung haben (Hildmann 2015). Logischerweise sind das im Seminarraum andere Hilfsmittel, wie z. B. Möbelstücke, etc. als in einer Turnhalle oder im Wald.

Alltagsmaterial bezeichnet also jeweils genau das, was wir je nach Situation vor Ort finden, bzw. was sich mit maximal einer Fahrt zum Supermarkt oder Baumarkt organisieren lässt. Dieses kontextabhängige Verständnis ist besonders dann wertvoll, wenn es darum geht, ortsabhängige Gegebenheiten gezielt für erlebnispädagogische Zwecke zu nutzen oder auf kreative Weise aus Bekanntem neue Übungen zu entwickeln.

Moderationsmaterial wie Stifte, Marker oder Moderationskarten sind als Ergänzung sehr empfehlenswert und es ist gut, sie stets dabei zu haben, um z. B. Arbeitsergebnisse zu visualisieren oder Auswertungsmethoden thematisch zu variieren.

1.3   Hintergründe zum Konzept

Das Konzept der simple things und eine erste informelle Sammlung von Übungen entstanden durch schulische und außerschulische pädagogische Erfahrungen. Vorausgegangen war außerdem ein Promotionsprojekt (Hildmann 2010), das untersuchte, wie und mit welchem Erfolg erlebnispädagogische Grundprinzipien im Schulunterricht angewendet werden können. Materialarme Übungen waren dabei ein wesentlicher Teil. Da es bis dahin nur wenige zu geben schien, wurden als Teil des Projekts neue Aktivitäten entwickelt und eine strukturierte Anleitung zum Anpassen und Neuentwickeln erlebnisorientierter Übungen formuliert.

Ab ca. 2010 wurden für Fortbildungen und in Zusammenarbeit mit Kollegen am Centrum für Erlebnispädagogik Volkersberg weitere Möglichkeiten der Prozessbegleitung ausgearbeitet (CEP 2017a; b). Verschiedene Aspekte des simple-things-Konzepts wurden mittlerweile auch auf Fachtagungen präsentiert (z. B. Internationale Konferenz Psychologie im Netzwerk 2007; 2008; European Conference on Games-Based Learning 2009; erleben & lernen 2010; 2012) und / oder sind in Druckform erhältlich (Hildmann 2017; 2015; 2008; Fengler et al. 2015; Hildmann / Moseley 2012a; Hildmann / Seuffert 2010). Die Entwicklung bleibt spannend und es ist erfreulich zu sehen, dass sich die Fachwelt simple things zunehmend zur Förderung allgemeiner und spezieller erlebnispädagogischer Lernziele zu Nutze macht.

2    Lernziele

Bei der Diskussion über viel oder wenig Material darf nicht vergessen werden, dass an vorderster Stelle die Frage nach den Lernzielen einer Gruppe oder Einzelperson steht. Das durch die Angebote erzeugte Erlebnis ist lediglich der primäre Lernträger oder das vermittelnde Element. Die Lernziele bestimmen also die Programmzusammenstellung und die Auswahl von Aktivitäten.

2.1   Allgemeine Lernziele in der Erlebnispädagogik

Der Dachverband Bundesverband Individual- und Erlebnispädagogik (BE) erklärt in seiner Definition von Erlebnispädagogik:

„Wir arbeiten mit einem pädagogischen Konzept zielorientiert und bevorzugt in der Natur oder dem naturnahen Raum vorrangig an der Förderung von Selbst- und Sozialkompetenzen“ (BE 2017, o. S.).

Soziale Kompetenzen: Diese sind z. B. Teamarbeit, Rücksichtnahme, Kommunikationsfähigkeit, Empathie / Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Konfliktbewältigung, Zuverlässigkeit, Hilfe annehmen können, Freundlichkeit, Verantwortung für sich und andere übernehmen, Regeln einhalten, zurückstecken, usw.

Selbstkompetenzen und personale Kompetenzen: Hierzu gehören Eigen initiative, Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein, Selbstwahrnehmung, Selbstverantwortung, ein realistisches Selbstbild, Frustrations toleranz, Konfliktbewältigung, Reflexionsfähigkeit, Überprüfung von Wer ten, Förderung der eigenen Identität, intrinsische Motivation, Spontaneität, Kreativität etc.

Außerdem werden in der Literatur immer wieder folgende weitere Lernziele genannt bzw. diskutiert(BE 2017; Fischer / Ziegenspeck 2000; König / König 2002, 178 ff.; Michl 2015; Paffrath 2013, 74 ff.; Reiners 1995; 2003).

Ökologisches Bewusstsein und nachhaltiges Handeln: Diese beiden Lernziele sind stets ein grundsätzlicher Aspekt unseres Berufsethos, selbst wenn dies in einer Maßnahme nicht ausdrücklich ausgewiesen wird. Erlebnispädagogen arbeiten in und mit der Natur, schätzen die Natur als wichtigen Lernort und fördern Nachhaltigkeit durch die Vermittlung von Fachkenntnissen (z. B. Pflanzen- oder Wetterkunde), praktischen Fertigkeiten (z. B. kochen in der Natur) und verantwortungsvollen Verhaltensweisen (z. B. Umgang mit Müll, keine Spuren hinterlassen).

Fachspezifische Kenntnisse und Handlungskompetenzen: Wer Kanu fahren will, sollte lernen, wie man das Paddel hält – das ist klar. Solches Wissen und solche Fertigkeiten sind oftmals Mittel um genannte soziale und personale Kompetenzen zu fördern. In manchen Fällen werden erlebnispädagogische Methoden und Lernziele allerdings gezielt mit Fachinhalten verknüpft (z. B. mit Lernstoff im Schulunterricht), um Synergieeffekte zu schaffen.

Oft verfolgen Veranstaltungen eine Kombination aus diesen Zielen. Die meisten erlebnispädagogischen Methoden fördern ohnehin verschiedene soziale und personale Kompetenzen gleichzeitig (Ewert / Sibthorp 2014) oder können mit kleinen Anpassungen, z. B. in der Anmoderation, auf spezielle Lernziele zugeschnitten werden. Da dies weitgehend unabhängig vom verwendeten Arbeitsmaterial gilt, kann also die gesamte Bandbreite erlebnispädagogischer Lernziele mit simple things gefördert werden.

2.2   Spezielle Lernziele bei simple things

In Ergänzung zu den genannten Lernzielen bietet das simple-things-Konzept für einige zusätzliche Themen besondere Lernchancen.

Alltägliches neu wahrnehmen und wertschätzen: Die Verwendung und symbolische (Um-)Deutung von Alltagsmaterialien führt zu einer bewussten Wahrnehmung derselben und bietet dadurch die Chance, das Selbstverständliche in Frage zu stellen. Dies ermöglicht einen Perspektivwechsel in Bezug auf scheinbar vertraute Gepflogenheiten und Werte.

Konzentration auf das Wesentliche: Aufwendiges Material mag zweifellos Aufforderungscharakter haben und motivierend wirken. Je weniger Material allerdings für die Bewältigung einer Aufgabe zur Verfügung steht, umso mehr rücken der Teilnehmer selbst und sein unmittelbares soziales Umfeld (d. h. die anderen Teilnehmer) als Ressource – und als Herausforderung! – in den Vordergrund. Für die Förderung sozialer und personaler Kompetenzen enthält dies viel Potenzial.

Ressourcen kreativ und sparsam nutzen: Die Reduktion der Ressourcen in (a) Menge, und (b) Art und Aufwand (z. B. leere Verpackungen statt polierter Holzblöcke) führt dazu, dass die Lernenden mit dem zur Verfügung Stehenden sparsam und besonders kreativ umgehen müssen. In einer Zeit drängender Ressourcenknappheit werden hier wesentliche Kompetenzen gefordert und gefördert.

2.3   Erlebnispädagogik wirkt. Aber wie?

Zahllose wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass Erlebnispädagogik erfolgreich die volle Spannbreite der genannten Lernziele fördert (Cason / Gillis 1994; Ewert / Garvey 2007; Fiennes et al. 2015; Hattie et al. 1997; Heekerens 2006; Hildmann 2010). Zwar gibt es auch kritische Stimmen (Brookes 2003; Beames / Scrutton 2015; Heekerens 2006; Sibthorp 2000), diese betonen jedoch in erster Linie, dass ein Lernzuwachs auch in der Erlebnispädagogik nicht automatisch erfolgt, sondern dass die Trainer permanent darauf hinwirken müssen, die Prozesse des Lernens anzustoßen bzw. zielorientiert zu leiten.

3    Wie werden einzelne Personen zu einem Team?

Erlebnispädagogische Angebote finden fast immer in Gruppenkonstellationen statt, selbst sogenannte einzelpädagogische Maßnahmen, wie sie z. B. in der Jugendhilfe eingesetzt werden.

Ähnlich wie bei einer Gruppenberatung oder -therapie bildet der soziale Lernkontext einen wertvollen Übungsrahmen und Nährboden für die Ausbildung individueller Selbstkompetenzen, wie Selbstvertrauen, Frustrationstoleranz usw. (Kap. 2.1). Die Entwicklung der Einzelpersonen steht also in engem Zusammenhang mit den sozialen Prozessen der Gruppe.

3.1   Entwicklungsphasen von Gruppen zum Team

Viele Autoren und Praktiker sind sich einig, dass es eine strukturierte und zum Teil vorhersagbare Weise gibt, in der sich Gruppen entwickeln (Priest / Gass 2005, 66 ff.; Reiners 2003; Nadler / Luckner 1992). Das Zusammenspiel von individuellen Bedürfnissen und Anforderungen an die Gruppe führt dabei zu gewissen Verhaltensweisen und Themen, die in einer jeweiligen Phase im Vordergrund stehen. Dies theoretisch zu wissen und praktisch zu erkennen, kann den Trainern helfen, Bedürfnissen zügig und gut gerecht zu werden, was die Entwicklung der Gruppe hin zu einem Höchstmaß an Teamleistung und Zusammengehörigkeitsgefühl lenkt (Nadler / Luckner 1992).

Es gibt eine Vielzahl an Modellen zu Gruppenphasen (Maples 1988, 17; Priest / Gass 2005, 66 ff.; Tuckman 1965). Das bekannteste stammt von Bruce Tuckman (1965; bzw. erweitert um die fünfte Phase von Tuckman / Jensen 2010). Es beschreibt in stilisierter Weise die Prozesse, die Gruppen von ihrer Neubildung bis hin zu ihrer Auflösung durchlaufen. Die englischen Bezeichnungen der Phasen (Forming, Storming, Norming, Performing, und Adjourning – Erklärungen s. u.) werden in der deutschen Literatur unterschiedlich übersetzt (z. B. Reiners 2003, 51; Hufenus 2003, 136 ff.). Im Folgenden werden diese Phasen kurz vorgestellt. Der Schwerpunkt liegt dabei zum einen auf den Bedürfnissen der Teilnehmer, die für die jeweilige Phase typisch sind, und zum anderen darauf, wie die Trainer diesen Bedürfnissen begegnen und somit die Entwicklung zum Team begünstigen können.

Phase 1: Orientierung des Selbst (Forming)

Wo bin ich (in dieser Veranstaltung)?: Die Teilnehmer treffen zum ersten Mal aufeinander, was zu Unsicherheiten und einem förmlichen Annähern führt. Das Hauptbedürfnis ist das nach Orientierung und damit nach Sicherheit und Schutz der Individualität.

Die Trainer sind hier gefragt, mit einer deutlichen Präsenz und Leitung Orientierung anzubieten. Die Vermittlung klarer Strukturen (Vorstellung des Programms, Vereinbarung von Zielen und Regeln, Freiwilligkeit und Eigenverantwortung, Orientierung in Bezug auf Räumlichkeiten, Essenszeiten usw.) vermittelt den Teilnehmern ein Gefühl von Kontrolle und Vorhersagbarkeit ihrer Situation. Aktivitäten, in denen sich die Teilnehmer noch mit einem Maß an formellem Abstand kennenlernen können (Arbeit in Kleingruppen zu Organisatorischem, Kaffeepausen, Ortsbegehung etc.) fördern diese grobe Orientierung in Bezug auf die Veranstaltung und die anderen Teilnehmer.

Der Übergang in die nächste Phase besteht darin, dass die Teilnehmer ein stabiles Gefühl von Orientierung und Sicherheit haben – sich also als Herr und Herrin ihrer Lage fühlen. Auf dieser Basis sind sie bereit, die Strukturen und andere Personen herauszufordern.

Phase 2: Orientierung in der Gruppe (Storming)

Wer bin ICH (in dieser Gruppe)?: Nachdem der inhaltliche und organisatorische Rahmen geklärt ist, suchen die Teilnehmer nach ihrem persönlichen Platz im sozialen System der Gruppe. Dazu müssen sie austesten, welche Rollen von den anderen akzeptiert und unterstützt werden. Gegebenenfalls sind hierfür Hierarchiekämpfe nötig, bei denen mitunter auch der Trainer in seiner Leitungsrolle herausgefordert wird.

In unserem Kulturkreis sind viele Menschen so sehr um Höflichkeit bemüht, dass Konflikte statt offen ausgetragen eher vermieden und unterdrückt werden. Daraus resultieren Hindernisse im Prozess der Teamentwicklung. Denn solange die Beziehungsebene nicht geklärt ist, geht sie zu Lasten von der Sachebene der Kommunikation (Watzlawick et al. 2017), was eine Zusammenarbeit der Teilnehmer und die Bewältigung von Aufgaben erschwert.

Die Gruppe wechselt von dieser in die nächste Phase, indem sie ausreichend Situationen erfährt, die Konflikte und Aussprachen nicht nur zulassen, sondern mitunter sogar begünstigen bis provozieren, sodass die Teilnehmer alle nötigen Reibungen austragen und ihr Sozialgefüge sortieren können.

Von den Trainern erfordert dies ein erhebliches Maß an Standfestigkeit, um den Unmut Einzelner oder gar der gesamten Gruppe auszuhalten. Außerdem sind geeignete Moderationstechniken und ein feines soziales Gespür gefragt, um allen Stimmen Gehör zu verleihen und konstruktive Perspektiven und Auswege aus Krisen anzubieten.

Phase 3: Eine Gruppe wird zum Team (Norming)