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Friederike Schmöe

Geisterflug

Kriminalroman

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Zum Buch

Es kann jeden treffen! Die wahre Geschichte: Am 8. März 2014 verschwand eine Boeing 777 von Malaysian Airlines mit der Flugnummer MH370 spurlos. Sie startete um 0:41 Uhr in Kuala Lumpur und sollte um 6:20 Uhr in Peking ankommen. Doch bereits eine halbe Stunde nach dem Start verschwand die Maschine von den Radarschirmen. Später ließ sich rekonstruieren, dass um 1:19 Uhr alle Bordkommunikationssysteme deaktiviert wurden, die Maschine ihren Kurs änderte und auf den Indischen Ozean hinausflog. Das Flugzeug wurde bis heute nicht gefunden. Am 17. Januar 2017 wurde die Suche offiziell eingestellt. Die fiktive Story: Stella Simonis, deren Lebensgefährte Dean Welsh auf dem Flug MH370 war, kann sich mit dem ungewissen Schicksal ihres Freundes nicht abfinden. Sie beauftragt die Münchner Agentur Tesnik & Fletcher, die auf die Suche nach vermissten Personen spezialisiert ist, den Verschwörungstheorien rund um den Malaysian-Airlines-Flug nachzugehen. Die Ermittler machen sich auf die Suche und fördern eine schier unglaubliche Verkettung von Umständen zu Tage …

Geboren und aufgewachsen in Coburg, wurde Friederike Schmöe früh zur Büchernärrin – eine Leidenschaft, der die Universitätsdozentin heute beruflich nachgeht. In ihrer Schreibwerkstatt in der Weltkulturerbestadt Bamberg verfasst sie seit 2000 Kriminalromane und Kurzgeschichten; sie gibt Kreativitätskurse für Kinder und Erwachsene und veranstaltet Literaturevents, auf denen sie in Begleitung von Musikern aus ihren Werken liest. Ihr literarisches Universum umfasst u. a. die Krimireihe um die Bamberger Privatdetektivin Katinka Palfy und eine Krimiserie mit der Münchner Ghostwriterin Kea Laverde als Hauptfigur.

 

Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag:

Der Geisterflug (2018), Mörderische Prachtbäder (Hrsg. zus. mit Petra Steps) (2018), Kreidekreis (2018), Falsche Versprechen (2017), Dohlenhatz (2017), Die viel zu lange Lüge, E-Book only (2016), Von Zimtsternen und Zimtzicken (Hrsg.) (2016), Die Bernsteinburg, E-Book only (2016), Stille Nacht, grausige Nacht (2015), Kirchweihleichen (2015), Zuträger (2015), Ein Toter, der nicht sterben darf (2014), Wer mordet schon in Franken (2014), Schaurige Weihnacht überall (2013), Du bist fort und ich lebe (2013), Still und starr ruht der Tod (2012), Rosenfolter (2012), Lasst uns froh und grausig sein (2011), Wasdunkelbleibt (2011), Wernievergibt (2011), Süßer der Punsch nie tötet (2010), Wieweitdugehst (2010), Bisduvergisst (2010), Fliehganzleis (2009), Schweigfeinstill (2009), Spinnefeind (2008), Pfeilgift (2008), Januskopf (2007), Schockstarre (2007), Käfersterben (2006), Fratzenmond (2006), Kirchweihmord (2005), Maskenspiel (2005), Oberfranken, 66 Lieblingsplätze und 11 Brauereien (4. überarb. Auflage 2018)

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2018

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © AHMAD FAIZAL YAHYA/ Fotolia.com

ISBN 978-3-8392-5796-8

Zitat

Große Unglücke in der Luftfahrt beginnen meist mit etwas, was man als »das Undenkbare« bezeichnen könnte.

– Richard Quest

***

Ein heißer Sommertag.

»Wenn du auf dem Heimweg über den Markt gehst, bring Tomaten mit!«, ruft Maman mir nach. »Paps kommt früher zum Abendessen.«

Ich hätte nichts dagegen, wenn sie mal meine Schwester Lucie über den Markt schickte. Eigentlich will ich mich nur mit meiner Freundin Pepe auf ein Eis treffen. Wir haben Semesterferien, in einem Jahr ist Examen, da wollen wir den Sommer genießen, wenn wir auf Heimaturlaub sind. »Heimaturlaub«, das sagt Pepe oft, klingt lässig, als wären wir beim Militär und verteidigten das Vaterland. Mir ist schleierhaft, was sie damit sagen will, aber Pepe meint oft gar nichts, sie will nur witzig sein, auch wenn den Witz nicht jeder versteht.

Der Tag ist schwül, ich nehme das Rad, liebe ich doch den Wind, der mir warm ins Gesicht pustet, und zudem bin ich spät dran, Pepe wird schon warten. Ich ahne nicht, dass mein Leben in zwei Stunden implodiert. Hätte ich dann den Erdbeerbecher andächtiger gegessen? Länger an der Sahne herumgeschleckt, während Pepe ihren Eiskaffee fast in einem einzigen langen, gierigen Zug wegtrinkt?

Wir reden ein bisschen über das Studium, die Kurse, die wir im Herbst belegen müssen, aber wir sind beide träge von der Sommerhitze, sodass uns der Gesprächsstoff ausgeht und ich aufbreche. Über den Markt radle, nach sechs ist das erlaubt, sonst nur für Fußgänger. An Mamans Lieblingsstand kaufe ich ein Kilo Tomaten. Die Händlerin gibt mir ein gutes Kilo, ich lege es in den Fahrradkorb. Sie sagt: »Grüße an deine Mutter!« Ich weiß noch nicht, dass ich die Grüße nicht werde ausrichten können.

Graue Wolken sind aufgekommen, und mit einem Mal bläst der Wind böig. Ich trete in die Pedale. Schade, wir wollten alle zusammen im Garten essen. In der Siedlung ist es ruhig, irgendwo mäht jemand den Rasen, anderswo spielen Kinder Ball. Von fern grollt Donner. In unserer Straße parkt ein SUV mit abgedunkelten Scheiben. Ich schaue auf das Kennzeichen, vergesse es gleich wieder. Das hat mir nachher niemand geglaubt. »Sie müssen sich doch erinnern können. Wenigstens der erste Buchstabe muss Ihnen doch im Gedächtnis sein.« Ist er mir aber nicht. Ich müsste lügen. Es könnte ein B, ein L, ein M sein. Aus einer Stadt hier in der Nähe oder von ganz weit weg.

Als ich an dem Wagen vorbeiradle, habe ich kurz ein seltsames Gefühl, das habe ich nicht vergessen. Ein Gefühl von Kälte, das mir für Momente Gänsehaut auf die erhitzten Arme treibt. Auf der Zunge liegt mir noch der Geschmack nach Erdbeeren, der verfliegt, als ich das Rad abstelle und ins Haus gehe.

»Maman? Ich habe die Tomaten dabei. Ist Paps schon hier?«

Stille umfängt mich. Ich stehe im Korridor und denke, wie sonderbar, ist nicht Lucie immer redselig und diskutiert mit Maman über irgendwas, läuft nicht das Radio, kaum dass Paps im Haus ist? Vielleicht ist er noch nicht daheim, denke ich. Noch im Büro.

Dann höre ich doch etwas. Als wenn Stuhlbeine über den Holzboden im Wohnzimmer schrappen. Ich rufe: »Ich wasche gleich mal die Tomaten.« Gehe in die Küche, und vielleicht verdanke ich den Tomaten, dass ich lebe.

***

Hotel Saigon, Kuala Lumpur, Malaysia

6.3.2014

Die Sitzung fand im Hotel »Saigon« in der Chesterton-Lounge statt. Das Hotel war vor allem bei Amerikanern beliebt, die sich länger in Kuala Lumpur aufhielten. Es befand sich nahe der weltbekannten Petaling Street, auch bekannt als »Chinatown«, und verfügte über einen ausgesprochen schicken Spabereich, den Piero Toselli liebend gern aufsuchte. Wurde er gefragt, was ihm am besten an seinem Job gefiel, hätte er ehrlicherweise antworten sollen: »Diese verdammt guten Hotels.« Stattdessen gab er jedes Mal zum Besten, was die Reputation und das Ansehen erforderlich machten. Er schwadronierte über Herausforderungen, internationale Beziehungen und den Kitzel der neuesten Technik. Natürlich stimmte das irgendwie. Er hatte die Chance bekommen, für Panucci & Caffle zu arbeiten, und die Aussicht, Geld zu machen und weit oben mitzumischen, elektrisierte ihn jeden Tag aufs Neue.

Er war früher als die anderen ins »Saigon« gefahren, hatte im Pool seine Runden gezogen und danach auf dem Handy ein bisschen »Clash of Clans« gespielt. Das lenkte ihn ab. Für eine Weile konnte er dabei die erregenden Geschäfte vergessen. Jetzt saß er im dunkelblauen Anzug in der Chesterton-Lounge. Mit ihm vier weitere distinguierte Herren im Nadelstreif. Zwei aus der malaysischen Vertretung von Panucci & Caffle. Zwei Amerikaner aus dem Pentagon, einer gebürtiger Texaner mit buschigem dunklen Haar, der andere so rothaarig wie rotgesichtig. Obwohl Toselli ziemlich relaxed in die Sitzung gekommen war, brach ihm plötzlich der Schweiß aus.

Der Texaner knödelte ein paar Sätze. Danach herrschte Stille in der Lounge.

»Sie können was nicht?«, fragte Toselli nach. Er war mit 14 Jahren aus Sizilien in die USA gekommen und zweifelte bisweilen an seinen Englischkenntnissen.

Der Texaner grinste breit.

»Unnötig, sich zu wiederholen, mein Freund. Reine Freundlichkeit unsererseits, Ihnen Bescheid zu geben.«

Bei Toselli klingelten die Alarmglocken. Reine Freundlichkeit war in dieser Branche inexistent. Niemand tat in den luftigen Höhen der internationalen Player irgendetwas, um nett zu sein. Nichts geschah aus Mitleid. Es ging nur um Profit.

»Sie haben doch ein paar wirklich gute Leute.«

Toselli wechselte einen Blick mit Robert Dyson, dem Personalvorstand. Dyson zuckte die Achseln.

»Internationales Parkett. Wir sind weiter an einer Zusammenarbeit interessiert. Da brauchen wir die Besten der Besten, so viel steht fest. Wäre wirklich zu schade um Leute wie Banton, oder?«

»Sie sprachen von einem gewissen Risiko.« Toselli. »Was sollen wir uns darunter vorstellen?«

»Was ein Risiko ist, werden Sie ja wohl wissen.« Der Rothaarige.

Dysons Kinn zuckte. »Ich denke, wir haben uns verstanden, Sir.« Seine Reibeisenstimme klang nonchalant wie immer, obwohl auch er überrascht darüber schien, welche Wendung das Gespräch gerade genommen hatte.

Die Herren aus Washington standen auf. »Immer wieder ein Vergnügen.«

Niemand schüttelte dem anderen die Hand, als der Texaner und der Rothaarige die Lounge verließen.

»Uff«, machte Dyson.

Toselli sah von seinem Personalchef zum dritten Mann im Raum, Eric Kober. Er leitete die technische Entwicklung am Stammsitz des Unternehmens. Ein vierschrötiger Typ, dessen Emotionen, falls er welche besaß, nur selten zum Vorschein kamen. Er saß stoisch auf seinem Stuhl und wartete. Worauf auch immer.

Tosellis Kopf dröhnte. Man hörte manchmal läuten, dass genau diese Dinge passierten, aber dann hielt man sie doch für Hoaxe. Trotz all dieser Sachen, die man wissen konnte. Zusammenhänge, die sich aufdrängten. Sie stellten ja keine Holzbauklötze her, verdammt! Jeder in der Firma, der in die oberen Etagen aufgestiegen war, wusste, wer der Hauptabnehmer ihrer empfindlichen Produkte war. Carlo Panucci ermöglichte bevorzugt den Italo-Amerikanern den Einstieg in jene Kreise, die mehr wussten. Der Alte glaubte an die Macht des Blutes. Die innere Einstellung, das Füreinander. Seine sizilianische Abstammung war Toselli in seiner Karriere von Vorteil gewesen.

»Verzeihung, Sir.« Dyson räusperte sich. Anscheinend hatte er bereits mehrmals versucht, die Aufmerksamkeit seines Chefs zu erzielen. »Wir sollten uns die Liste noch einmal ansehen.«

Kober legte Papiere auf den Konferenztisch. Seine Aufgabe bestand darin, das derzeitige Meeting der Ingenieure zu betreuen. Die meisten waren aus China angereist und wollten in Kürze dorthin zurück, in ihre Planungsbüros.

»Dies ist eine Auflistung der Ingenieure, die sich augenblicklich in Malaysia aufhalten und spätestens übermorgen nach China beziehungsweise in die Staaten zurückfliegen«, dozierte Kober.

Toselli hatte Mühe, sich auf den näselnden Tonfall des Mannes zu konzentrieren.

»Acht Namen?« Toselli sah an die Decke, plötzlich bekam er Bedenken. Er dachte an Wanzen.

»Acht Ingenieure. Bessere haben wir kaum.«

Toselli musste sich konzentrieren. Acht Todesurteile auf einem Stück Papier. Er war nicht abgefeimt genug für diesen Job.

»Alle gebucht auf diesen Flug?«, erkundigte er sich.

»Alle.«

Toselli warf wieder einen Blick an die Decke.

»Sir«, mischte Dyson sich ein, »es gibt da etwas, was Sie wissen sollten.«

Beijing Capital International Airport

8.3.2014

Sie war überwältigt von der schieren Größe dieser Stadt; in einer Weise, die an Furcht grenzte. Furcht vor der Überforderung, den Behördengängen, dem Einkaufen, dem morgendlichen und abendlichen Pendeln. Ständig brauchte sie eine Dolmetscherin. Und wenn sie allein unterwegs war, musste Stella sich manchmal sogar richtiggehend überwinden, ein Geschäft zu betreten. Sie hätte nie gedacht, was für eine Umstellung das neue Leben in China werden würde. Ein harter Einschnitt. Obwohl sie oft auf Dienstreise in China gewesen war. Vorher schon, als sie noch in Deutschland arbeitete. Wahrscheinlich hatte sie deshalb überhaupt erst die Traute gehabt, »ja« zu sagen zu Dean. Ja, ich suche einen Job in Peking. Ja, ich ziehe hierher. Zu dir. Auf lange Sicht. Ohne Netz und doppelten Boden. Weil ich dich liebe und mit dir leben will. Wenn es sein muss, auch in Peking.

Das Taxi schwamm mit dem Verkehr mit, ein Strom an Autos, die sich über waghalsige Brückenkonstruktionen und durch tiefe Häuserschluchten wälzten. Der Fahrer ließ das Radio laufen. Morgendliches, monosyllabisches Geplapper. Es war noch nicht einmal hell, und die Stadt summte wie ein Hornissenschwarm. Stets war hier alles in Bewegung, zu jeder Tageszeit, oft dachte Stella, in dieser Stadt würde sie niemals Ruhe finden.

Zum Glück kam Dean jetzt endlich zurück. Die eine Woche Geschäftsreise nach Kuala Lumpur war ihr vorgekommen wie ein Monat, mindestens. Ohne ihn stahl sich ein Gefühl von Verlorenheit in ihr Leben. War die Entscheidung, alles in Deutschland aufzugeben, den hoch dotierten Job, den Freundeskreis, um in Asien zu leben, nicht eine Nummer zu groß für sie gewesen?

»Ma’am, wir sind da.«

Das Taxi stand vor dem Terminal. Der Motor lief, das Radio plärrte. Stella schreckte aus ihren Gedanken.

»Excuse me.« Sie zahlte den Betrag, den das Taxameter anzeigte. Stieg aus. Kurz nach sechs. In gut 20 Minuten musste Deans Maschine landen. Sie würden reden. Über China. Die Arbeit. Das Leben. Wie sie sich die gemeinsame Wohnung einrichten würden. Sie brauchte ihn. Ohne ihn ging sie unter in der Megacity.

Was für ein Unsinn, schalt sie sich, als sie auf der Ankunftstafel nach MH370 suchte. Ich komme klar. Andere schaffen es auch in China. Aller Anfang ist schwer.

MH370 aus Kuala Lumpur. »Verspätet«, blinkte in roten Lettern auf.

Mist. Aber was soll’s.

Sie holte sich einen Kaffee in einem Bistro, gab ordentlich Zucker hinein. Morgens funktionierte sie üblicherweise nur sehr verhalten. Sie freute sich wie verrückt, Dean wiederzusehen. Seinetwegen hatte sie immer noch Schmetterlinge im Bauch. Da würde sie die paar Minuten Verspätung locker durchhalten. Sie rührte im Kaffee. Trank ihn aus. Warf den Becher weg.

In der Ankunftshalle ging es drunter und drüber. Menschenmassen, wie überall in China, kein Abstand, zu niemandem. Laute, gellende Gespräche, Rufe. Rempler. Viele Abholer hielten Schilder mit Namen hoch, in lateinischen Buchstaben oder chinesischen Schriftzeichen, umklammerten Blumensträuße. Aufgedrehte Kinder, zu früh aus dem Schlaf gerissen, hüpften herum.

Stella checkte ihr Handy. Der Flug sollte pünktlich sein, hatte Dean geschrieben.

Unter »scheduled« wurde weiter die ursprüngliche Ankunftszeit angezeigt. 6.20 Uhr.

Es war fast sieben.

Stella sah in andere besorgte Gesichter. Sie sollte nachfragen, am besten bei jemandem von der Airline. Wo war der nächste Infoschalter? Jemand würde Bescheid wissen. Aber bei ihrem sprichwörtlichen Glück käme just in dem Moment Dean aus dem Sicherheitsbereich, wenn sie sich entfernte. Wahrscheinlich war die Angabe auf der Tafel ein Fehler. Flüge, die laut Plan nach MH370 eintreffen sollen, waren längst gelandet. »Gepäck« blinkte bei den meisten auf. Die automatischen Türen öffneten und schlossen sich. Leute kamen heraus, zogen Trolleys hinter sich her oder schleppten schwere Rucksäcke. Abholer winkten, riefen, es gab Tränen, Gelächter, förmliches Händeschütteln.

Eine Gruppe Chinesen, eine Großfamilie, wartete neben Stella. Man diskutierte. Die Stimmung wirkte nervös. Eine junge Frau, die eine Hand an einem Kinderwagen, überprüfte immer wieder ihr Handy.

Stella sprach sie an. »I’m sorry, do you know why the flight is delayed?«

Die Frau schaute kurz auf, schüttelte den Kopf, ein bedauerndes Lächeln auf den Lippen, und widmete sich wieder dem Handy.

7:15. Immer noch »verspätet«. Stella wurde kribbelig. Jetzt machte sie sich doch lieber auf die Suche nach einem Infoschalter.

Ein junger Mann tippte auf ihre Frage hin etwas in seinen Computer. »I’m sorry, Ma’am, the plane is delayed.«

»Aber die Maschine muss planmäßig abgeflogen sein.«

»Die Airline sagt: verspätet.«

Hilflos bedankte Stella sich. Das war nun wirklich eigenartig. Ob sie Dean anrufen sollte?

Sie wählte seine Kurzwahl. Es läutete ein paar Mal.

»Der Teilnehmer antwortet nicht. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.« Stella drückte die rote Taste. Natürlich antwortete Dean nicht, weil er im Flugzeug das Handy ausschalten musste.

Sie holte sich einen zweiten Kaffee. Übermüdet, wie sie war, brannte die heiße Flüssigkeit in ihrem Magen. Mit einem Mal fühlte sie sich überwach.

7:30 Uhr. Sie setzte sich auf den Boden, lehnte den Rücken an die Wand. Den Kaffee neben sich rief sie Facebook auf. Sie postete selten etwas, sah sich lieber an, was andere von sich zeigten.

Ein Mann, keine zwei Meter von ihr entfernt, schrie plötzlich auf.

»The plane …«, begann er. »Malaysia Airlines …« Reiner Horror stand in seinem Gesicht.

Herzklopfen. Hier stimmte etwas nicht.

Einer Eingebung folgend tippte Stella »Malaysia Airlines« in die Suchzeile. Die Nachricht, die sich auf dem kleinen Bildschirm ihres Handys aufbaute, verstand sie und verstand sie doch nicht.

»Malaysia Airlines confirms that flight MH370 has lost contact with Subang Air Traffic Control at 2.40 a.m., today.1«

1 Malaysia Airlines bestätigt, dass der Flug MH370 heute Morgen um 2 Uhr 40 den Kontakt mit der Flugsicherung in Subang verloren hat.

München, Agentur Tesnik & Fletcher

1.2.2017

Roxane Tesnik, genannt Rox, hatte sich mit den Daten des bevorstehenden Falles vertraut gemacht. Zusammen mit Saul Fletcher, einem Ex-Polizisten, hatte sie die Agentur Tesnik & Fletcher in den vergangenen drei Jahren aufgebaut. Gemeinsam hatten sie ein paar spektakuläre Fälle gelöst. Das, was ihnen heute angetragen würde, überstieg jedoch alle vorangegangenen Angelegenheiten.

Rox lehnte Papier ab. Sie druckte nie etwas aus. Lieber speicherte sie Zusammenfassungen ihrer Recherchearbeiten auf ihrem Tablet ab. Wobei ihr Gedächtnis vermutlich der leistungsfähigere Speicher war. Kriterium Nummer eins, um Vermisste zu finden: ein ausgezeichnetes Gedächtnis, das sich vor allem an Details erinnerte. Wenn Menschen spurlos verschwanden, und genau auf solche Fälle war Tesnik & Fletcher spezialisiert, stellten sich die Kleinigkeiten immer als entscheidend heraus. Hätte Rox jemandem Nachhilfe im Aufspüren von unauffindbaren Personen geben müssen, wäre das ihre erste Regel: Schau auf die Details.

Über die Maschine der Malaysia Airlines mit der Flugnummer MH370 kursierten die unterschiedlichsten Dinge im Netz. Rox hatte zunächst die blanken Daten abgefragt und sich anschließend an ersten Analysen versucht. Resultat: ein großes Rätsel.

Vor zwölf Tagen hatte man die offizielle Suche nach der Boeing 777, die am 8.3.2014, also vor knapp drei Jahren, auf dem Flug von Kuala Lumpur nach Peking abhandengekommen war, beendet. Erfolglos. 160 Millionen Dollar waren investiert worden. Ohne Ergebnis. Es gab kein Wrack, es gab keine Leichen, keinen Flugschreiber, einfach nichts. Einen Tag später war der Anruf gekommen.

Rox trug wie immer einen schwarzen Hosenanzug und ein schwarzes Shirt mit langen Ärmeln. Sie ging zum Waschraum, frischte ihr Make-up auf. Ihr dichtes Haar, rot, kurz geschnitten, ließ sich heute kaum bändigen.

Eine 777 wog 223 Tonnen, war 63 Meter lang, 18 Meter hoch und hatte 60 Meter Tragflächenspannweite. Der Indische Ozean mochte riesig sein, so groß wie Asien und Afrika zusammen, aber ein Absturz hinterließ in der Regel ein Trümmerfeld. Also: Wo war die Maschine?

Malaysia galt nicht gerade als Staat, in dem Informationen transparent gemacht wurden. Militär und zivile Luftfahrt misstrauten einander, es herrschte Korruption, und auch innerhalb des Militärs begegneten unterschiedliche Ressorts einander mit Misstrauen. Missmanagement vermochte noch ganz andere Dinge zum Verschwinden zu bringen als ein nicht ganz ausgebuchtes Düsenflugzeug. Geldströme zum Beispiel. Rox hatte gezielt danach gesucht, um eine Entführung ausschließen zu können. Nicht, dass ein Kidnapping von den offiziellen Stellen je in Erwägung gezogen worden war. Es gab keine Lösegeldforderungen. Jedenfalls waren keine öffentlich geworden. Die Agentur Tesnik & Fletcher verfügte über exzellente Kontakte in die Finanzwelt. (Das zweitwichtigste Kriterium, würde Rox in ihrer Nachhilfestunde preisgeben, lautet wie folgt: Wenn du vermisste Personen finden willst, brauchst du Kontakte. Kontakte. Und Kontakte. Nicht irgendwelche Leute. Entscheidend ist die Qualität dieser Leute. Leute von ganz oben.) Hätte es also auffällige Finanzbewegungen in den Tagen und Wochen nach dem unerklärlichen Verschwinden der Maschine gegeben, wäre zumindest gerüchteweise etwas zu Rox’ und Sauls Informanten durchgesickert.

Zurück zu der Frage, wo die Maschine sein konnte.

Zwischengelandet? Notgewassert und allmählich in den Fluten eines Ozeans versunken, der bis zu 8.000 Meter tief war? Sanft auf dem Meeresboden aufgekommen, wo sie in den vergangenen drei Jahren von Schwebteilchen und Schlick bedeckt worden war? Wo steckten die Passagiere?

Letztere Frage stellte sich ihre neue Klientin.

Rox kehrte an ihren Schreibtisch zurück.

Der Pilot der Unglücksmaschine hatte sich beim Verlassen des malaysischen Luftraums etwa eine Dreiviertelstunde nach dem Start unter nahezu optimalen Flugbedingungen mit den Worten »Good night, Malaysian 370« vom malaysischen Flugsicherungszentrum in Putrajaya, südlich der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur, verabschiedet. Um 1.19 Uhr. (Rox hatte gelesen, dass die Schwester des Piloten behauptete, die Stimme aus dem Cockpit – später auf youtube zu hören – sei nicht die ihres Bruders.) Drei Minuten später wurden Transponder und ACARS2 an Bord der MH370 und damit sämtliche Kommunikationsmöglichkeiten deaktiviert. (Was nicht ganz zutraf, da das bordeigene Satellitengerät noch aktiv war, aber auf die technischen Details würde sie später zurückkommen.) Das Symbol des Flugzeugs erlosch auf dem Bildschirm des Sekundärradars von Malaysia Air Traffic Control. Das Flugzeug erreichte den vietnamesischen Luftraum, doch das Flugsicherungszentrum in Ho-Chi-Minh-Stadt konnte zu MH370 keinen Kontakt aufnehmen. Um 1.37 Uhr fiel das erwartete ACARS-Signal aus. Die vietnamesische Flugsicherungsbehörde meldete sich erst 20 Minuten, nachdem MH370 in ihren Luftraum hätte einchecken sollen, bei den Kollegen in Kuala Lumpur. Die malaysischen Behörden behaupteten zunächst, MH370 befände sich im kambodschanischen Luftraum, mussten jedoch später zugeben, dass diese Angabe völlig aus der Luft gegriffen war. (Rox mochte das implizierte Wortspiel.) Erst um 2.39 Uhr versuchte Malaysia Airlines, die Boeing 777 zu erreichen. Vergeblich.

Luftfahrtexperten gaben Rox zu verstehen, dass jede Flugüberwachung binnen drei bis vier Minuten nach einem Flugzeug suchen würde, das nicht im nächsten vorgesehenen Luftraum eincheckte. Insofern hatte die zuständige Lotsin im nicht ganz wörtlichen Sinn geschlafen.

Während die vietnamesische Flugsicherung darauf wartete, dass MH370 auf ihrem Radar auftauchte, drehte die Boeing 777, jetzt ein Geisterflug, hart nach Westen ab. Ein malaysisches Militärradar registrierte die Maschine um 2.22 Uhr südlich der Insel Phuket über der Andamanensee, ohne sich weiter um sie zu kümmern.

Ein Satellit namens 3 F1, betrieben vom britischen Kommunikationsdienstleister Inmarsat, befand sich am 8.3.2014 in einer Höhe von 35.793 Kilometern über dem Indischen Ozean. Eigentlich bestand seine Aufgabe darin, Telefonsignale weiterzuleiten. Aber an diesem Tag gab es sieben Mal Kontakte zu einem Satellitengerät, das zu Flug MH370 gehörte. Die Kontaktaufnahmen fanden statt, nachdem die Maschine vom Primärradar des Militärs verschwunden war. Das Satellitengerät der Boeing, das sich in Höhe des Flügels über der Kabine befindet, ließ sich vom Cockpit aus nicht ausschalten. Einmal pro Stunde sandte das Gerät automatisch ein Signal an den Satelliten. Zuletzt um 8.19 Uhr. Die Maschine flog also nach ihrem »Verschwinden« ganze sieben Stunden weiter, zu einem beliebigen Punkt über dem Indischen Ozean. Dieser blieb allerdings im Dunkeln, da die Satellitendaten keine Koordinaten bereitstellten.

Während die Familien und Freunde der Passagiere in Peking auf eine Maschine warteten, die über eine Stunde nach der offiziellen Ankunftszeit weiterhin als »verspätet« galt, flog die Boeing noch zwei Stunden über den Ozean hinweg. Es hieß, sie müsse so lange geflogen sein, bis das Kerosin ausging. Davon waren knappe 50 Tonnen getankt worden.

239 Menschen waren spurlos verschwunden. Und keine der bislang vorgetragenen Theorien über Ursache und Verlauf des Unglücks konnte ausreichend mit Fakten untermauert werden. Insgesamt waren bis Herbst 2016 22 Trümmerteile gefunden worden, die vermutlich von der Unglücksmaschine stammten. Von einem modernen Düsenjet, der inklusive Kerosin und Fracht 286 Tonnen in die Luft wuchtete.

2 Aircraft Communications Addressing and Reporting System; Fachbegriffe s. Register.

München, Agentur Tesnik & Fletcher

1.2.2017

Die neue Klientin erschien pünktlich. Stella Simon, 32. Sie stand in der Tür, in einem dunkelblauen Kostüm, ganz klassisch, mit hochgestecktem blonden Haar. Sehr verloren. Sehr entschlossen.

»Frau Simon, kommen Sie doch herein!« Saul Fletcher empfing neue Auftraggeber in der Agentur, so war es immer. Sein bäriger Körperbau strahlte Sicherheit aus. Das mochten die Klienten. Sie waren alle traumatisiert, denn wer sich an Tesnik & Fletcher wendete, hatte bereits eine Odyssee auf der Suche nach einem geliebten Menschen hinter sich. Meist über Jahre angestaute Erfolglosigkeit hatte die Leute zermürbt. Tesnik & Fletcher war der letzte Hoffnungsanker.

Saul trug Chinos und ein weißes Hemd. Keinen Schlips. Er wirkte amerikanisch, fröhlich, unaufdringlich, kompetent. Seine milchkaffeebraune Hautfarbe, die er von seinem hispanoamerikanischen Vater mitbekommen hatte, tat ein Übriges, um die Atmosphäre zu lockern. Wenn man ihn ansah, dachte man an Surfbretter und sonnenbeschienene Strände. Man dachte an Baywatch. Nicht an verschwundene Großraumjets. Stets beteuerte er, dass er diesen ersten Eindruck nicht als rassistisch empfand.

»Ich freue mich, dass Sie zu uns gefunden haben.«

Wenn Rox diesen Satz hörte, trat sie aus ihrem Büro und stellte sich ebenfalls vor. Eine eingeübte Dramaturgie. Um ihre Aufträge zu erfüllen, brauchte Tesnik & Fletcher das unbedingte Vertrauen ihrer Kunden, und genau dies wurde durch eine exakte Choreografie hervorgebracht und gestärkt.

»Guten … guten Tag.« Frau Simon lächelte schief. »Ich weiß, in Bayern grüßt man mit ›Grüß Gott‹, aber ich stamme aus Hamburg. Das Hanseatische werde ich nicht mehr los.«

Ein kurzes Zucken nur, dann hielt Rox’ Wange wieder still. Hamburg. Nur eine Erinnerung. Eine strahlende. Eine, die mit ihrem jetzigen Leben nichts zu tun hatte. (Ihren imaginären Nachhilfeschülern würde Rox mit auf den Weg geben, dass eine Ermittlerin von ihrem Schlag nie, niemals!, etwas Persönliches preisgab. Ihre Fälle waren zu heikel. Zu viele Interessen waren im Spiel. Man konnte selbst eine verzweifelte Klientin nicht zur Gänze durchschauen.)

Rox und Saul bedienten das Drehbuch. Sitzungszimmer, Kaffee aus dem Vollautomaten und Wasser aus einer geschliffenen Karaffe. Der traumhafte Blick über München aus dem Fenster. Heute sonnig, dennoch kalt. Ein Jet, der über den blauen Himmel zog. Beim vorliegenden Thema nicht unbedingt ein Zeichen von Unbeschwertheit. Ein wenig plaudern, dann entschieden die Aufmerksamkeit auf den Auftrag richten. Auch hier übernahm stets Saul das Kommando, das Warm-up, die freundlichen Sätze, damit das Vertrauen wuchs. Wir bei Tesnik & Fletcher wissen, was wir tun. Wir haben Erfahrungen und Kontakte. Sie sind bei uns in den besten Händen.

»Wie kann es sein, dass ein Großraumflugzeug einfach abhandenkommt?«, brach es aus Stella Simon heraus. »Erklären Sie mir das.«

»Wir finden die Maschine. Oder ihre Geschichte. Zweifellos.« Saul.

»Es wird etwas vertuscht, verstehen Sie? Bei allen größeren Unfällen mit Verkehrsflugzeugen wurde etwas vertuscht. Entweder sollten technische Fehler nicht ans Licht, und es gab irgendein Missmanagement, Korruption, was weiß ich, man versuchte, die wahren Urheber des Problems unter dem Deckel zu halten, um die Betroffenen später mit winzigen Summen abspeisen zu können. Oder das Militär hat einen Fehler gemacht, will es aber so aussehen lassen, als sei es etwas anderes.«

»Wir kennen solche Fälle.« Wieder Saul.

»Wir, die Hinterbliebenen, wurden in die Irre geführt, getäuscht und hingehalten.«

»Frau Simon.« Rox. »Bitte schildern Sie uns, was Sie über die letzten Stunden Ihres Verlobten wissen.«

»Nicht viel. Er hatte in Kuala Lumpur Verhandlungen zu führen. Es ging um irgendeine Zusammenarbeit seiner Firma mit einer malaysischen Firma. Malaysia hat eine Sonderwirtschaftszone, in der auch der internationale Flughafen liegt. Dort trafen sich die Beteiligten in einem Hotel.«

»Wissen Sie, worum es bei den Gesprächen ging?«

»Um Mikroprozessoren für Internettelefonie. Dean arbeitete für ein chinesisches Unternehmen.«

»Was waren das für Prozessoren?«

»Wie gesagt, es ging um Internettelefonie. Südostasien ist verrückt nach Technik. Mittlerweile ist die Entwicklung weitergezogen. Die Produkte sind nur für zwei, drei Jahre wirklich von Belang, dann werden sie überholt von neuen Gadgets. Als Firma müssen Sie dranbleiben, um mit ihren Erzeugnissen Geld zu verdienen.«

»Sie und Dean Welsh waren ein Paar?«

»Ja. Ich war zu ihm nach China gezogen, nachdem ich erst lange gezögert hatte. Zuvor haben wir eine Fernbeziehung geführt. Schließlich bekam ich ein Jobangebot. Ich bin Betriebswirtin, ich sah es als Riesenchance, nach China überzusiedeln. Als Dean diese Reise nach Kuala Lumpur antreten musste, war ich erst einen Monat in Peking ansässig.«

»Schien Dean besorgt, nervös oder irgendwie belastet, als er nach Malaysia flog?«

»Nein, er freute sich auf die Reise. Die Firma zahlte ihm Business Class, das genoss er sehr.«

»Sie hatten also keinen Grund, sich Sorgen zu machen, als Dean Peking verließ?«

»Nein, bis auf die Tatsache, dass ich in China furchtbar einsam war. Ich kannte das Land von früheren Aufenthalten, die zu meinem bisherigen Job gehörten. Aber dort zu leben, auf lange Sicht, war etwas ganz anderes. Ich vermisste Dean fürchterlich.«

Sie ließen Stella Simon Zeit, sich zu sammeln.

»Sie arbeiteten bereits in Ihrem neuen Job?« Saul. Einfühlsam.

»Ja. Ich war noch gar nicht richtig eingerichtet. Der Großteil meiner Sachen war noch unterwegs.«

»Hatten Sie Kontakt zu Ihrem Lebensgefährten, während er in Malaysia war?« Rox. Geschäftsmäßig.

»Natürlich. Wir schrieben uns Textnachrichten. Mehrmals am Tag.«

»Auch am 7. März?«

»Sicher, die Maschine ging erst nach Mitternacht, also am 8.3.14. Er schrieb vom Flughafen aus. Freu mich auf dich

Wieder eine pietätvolle Pause.

»Glauben Sie, dass er tot ist?« Stella Simon. Angstvoll. Hoffnungsvoll. Beides zugleich.

Rox dachte, dass die Hoffnung nie wirklich starb. Sie hielt sich wie eine Luftblase, in der immer weniger Sauerstoff zurückblieb, in der ein Mensch dennoch lange überleben konnte. Insofern war Hoffnung durchaus hinderlich. Die Blase musste platzen, damit man wieder an die frische Luft kam.

»Wir finden es heraus.« Saul. »Sie kamen am Morgen zum Pekinger Flughafen, um Dean abzuholen?«

»Genau. Danach wären wir im Taxi gemeinsam zurückgefahren. Wäre der Flug pünktlich um 6.20 Uhr angekommen, hätten wir es glatt rechtzeitig zur Arbeit geschafft. Ich hatte ohnehin flexible Zeiten.« Sie legte ihre Hände auf ihre Oberschenkel. Junge Hände, die einen deutlichen Kontrast zu ihrem verhärmten Gesicht zeigten. »Das malaysische Militär hatte die Maschine auf dem Radar. Nachdem der Transponder abgeschaltet war und keine Flugnummer mehr an den Boden gesendet wurde. Das Flugzeug muss direkt über Butterworth Penang geflogen sein, eine Militärbasis auf der malaysischen Westinsel, wo auch die Hauptstadt liegt. Erklären Sie mir, weshalb das Militär sich nicht für diese Maschine interessierte!« Stellas Stimme wurde schrill, aber sie kämpfte die Empörung rasch nieder. (Rox würde ihren Schülern darlegen, wie wichtig solche Kleinigkeiten im Verhalten der Kunden waren. Körperliche Reaktionen und ihre Unterdrückung sagten etwas über den Stress aus, unter dem eine Person stand, außerdem einiges darüber, wie lange ein Zustand schon bestand. Stella Simon schlug sich beinahe drei volle Jahre mit dem ungeklärten Verschwinden des Mannes herum, den sie hatte heiraten wollen. Sie kannte die unbeeinflussbaren Fluchtversuche ihres Körpers und war darin geübt, sie in Schach zu halten.)

»Nach dem 11. September! Seit man weiß, dass jedes Flugzeug eine potenzielle Bombe ist! Da lassen sie eine 777 in aller Seelenruhe über die Straße von Malakka fliegen. Normalerweise müssten Abfangjäger aufsteigen und die Maschine begleiten, bis klar ist, was da vor sich geht. Wissen Sie, was der damalige Verkehrsminister von Malaysia behauptet hat, der praktischerweise gleichzeitig Verteidigungsminister war? Es wäre ja ein freundliches Flugzeug gewesen. A friendly plane. Darf ich lachen? Woher wollten sie das denn wissen! Entweder verschleierte Hishammudin Hussein damit eine gigantische Schlamperei, oder sie verheimlichen etwas.«

Rox sah vor sich, wie Stella Simon in den vergangenen 35 Monaten jedwede Literatur zum Thema »Luftfahrtunfälle« studiert hatte.

»Anders kann es nicht sein.« Saul gab ihr recht.

»Ich habe mit anderen Betroffenen Geld gesammelt, um einen Whistleblower zu finden. Einen, der etwas wusste und bereit war, auszupacken. Die halbe Million Dollar hat anscheinend nicht ausgereicht.«

Wenn Sie drei Nullen drangehängt hätten, dachte Rox, hätte sich vielleicht jemand gefunden. Gier war mächtig. Und viel Geld konnte Berge versetzen.

München

4.2.2017

Stella drehte die Heizung zurück.

Der Arzt hatte ihr Tabletten verschrieben. Zum Schlafen in erster Linie und zum Ruhigbleiben. Dennoch zitterte sie wie ein Blatt im Sturm.

Als sie aus China zurückgekommen war, hatte sie fliegen müssen, natürlich, wieder mit Hilfe von Tabletten, anders ging es nicht, jeder hatte dafür Verständnis. Sie war am 27. Dezember abgeflogen. 2014. Gute neun Monate nach MH370.

Ein Neuanfang in Deutschland stand ihr bevor, ein Job, den sie im Januar antreten konnte. Sie war nicht durch die Netze gerutscht. Trotzdem das Gefühl von Scheitern. Beruflich wie privat. Dabei die Ungewissheit. Und die Hoffnung. Sie gab einfach nicht auf, irgendwo tief drinnen daran zu glauben, dass Dean noch am Leben war. Bei all den Gerüchten …

Stella war nach wie vor überzeugt, dass die Behörden in Malaysia oder sonstwo auf der Welt mehr wussten, als sie zugaben. Mit dieser Vorstellung stand sie nicht allein. Im letzten Jahr hatte sie versucht, den Kontakt zu den anderen Menschen, die Angehörige auf MH370 verloren hatten, einzuschränken. Sie kam mit den unterschiedlichen Lebenseinstellungen nicht mehr klar. Manche – die meisten – hatten sich abgefunden, hatten Zeremonien veranstaltet, um sich von ihren Lieben zu verabschieden, die dort draußen in einer der entlegensten Regionen des Globus am Grunde des Ozeans lagen.

Wobei das Wort »liegen« es nicht traf. Ein Flugzeugabsturz war keine friedliche Sache. Zerbrach so eine Maschine nicht? Stella hatte mit einer schier endlosen Zahl an Experten diskutiert. Ein Flugzeug glitt in der Regel nicht wie ein sorgsam abgeschossener Pfeil sanft ins Wasser. Das war zwar vorstellbar. Unter den allerbesten Bedingungen. Aber eine Notwasserung funktionierte nicht in einem aufgewühlten Ozean. Möglicherweise auf einem spiegelglatten See. Zudem war da immer die Frage im Hintergrund, ob die Piloten das Flugzeug weiterhin unter Kontrolle hatten und auf diese Weise Einfluss auf den Flugwinkel nehmen konnten.

Schätzungsweise hatten die Piloten keinen Einfluss mehr gehabt. Wahrscheinlich war der Sprit ausgegangen. So lautete die offizielle Version. Wenn der Sprit ausging, würde das Flugzeug über die Seite rollen, in einer spiraligen Bewegung auf dem Meer aufschlagen und zerbrechen. Was bedeutete, dass man Trümmerfelder hätte finden müssen. Wenn man denn an der richtigen Stelle gesucht hätte. Mittlerweile waren die Trümmer wer weiß wo. Falls es je Trümmer gegeben hatte.

Stella nahm einen Chablis aus der Minibar und goss sich ein Glas ein. Alkohol zusammen mit den Tabletten war keine ideale Kombination, doch sie konnte sich einfach nicht beruhigen. Morgen würde sie zum zweiten Mal nach dem Verschwinden von Deans Flug in ein Flugzeug steigen. Sie würde nach Asien fliegen. Ihre Hände zitterten. Sie konnte kaum das Glas halten.

Leo hatte die Idee mit dem Crowdfunding gehabt. Meine Güte!

Vielleicht hätte sie ihm den Plan ausreden sollen. Sie verstand die Angehörigen, die sich innerlich von ihren Freunden, Ehemännern, Kindern verabschiedet hatten. Man musste schließlich weiterleben. Auch wenn alles ungewiss blieb. Wer ehrlich zu sich selbst war, musste einsehen, dass mit nichts weniger zu rechnen war als damit, dass Dean oder ein anderer der 239 Menschen an Bord demnächst fröhlich durch die Haustür spazieren würde.

»Tu es, um deinen Schmerz zu lindern«, hatte Leo gesagt. Leo.

Die vorsichtige, behutsame Beziehung. Mehr ein Tasten.

Dean würde nicht zurückkommen. Nicht nach drei Jahren. Stella glaubte es eigentlich nicht mehr. Aber in ihr gab es ein paar Funken Hoffnung, die sich nicht auslöschen ließen, und bisweilen jagte ein Wind über die Glut und fachte erneut ein Feuer an.

Wie damals, als das Stichwort »Cyberhacking« durch alle Medien ging. Fachleute, Mitarbeiter des MI6, Hacker, Luftfahrtexperten, sie alle hatten bestätigt, dass es möglich war, ein Verkehrsflugzeug vom Boden aus zu steuern. Bei Drohnen machte man nichts anderes. Eine denkbare Alternative lautete, dass Hacker direkt an Bord des Jets die Systeme infiltrierten. Sie steuerten die Maschine, bestimmten Flughöhe und -richtung, bedienten die komplette Bordelektronik, ohne dass die Piloten im Cockpit noch eine Chance hatten einzugreifen.

Obwohl manche Piloten das bezweifelten.

»Verstehen Sie, Frau Simon«, hatte einer zu ihr gesagt, »so eine Boeing 777, das ist ein fliegender Computer. Den steuert man nicht mehr, man programmiert ihn und bedient ihn. Quasi ein mobiler Superrechner.«

Stella stellte ihr Glas ab. Sie war todmüde – und überwach. Ihr Herz hämmerte. Trotz der Medikamente würde sie heute Nacht keinen Schlaf finden. Sie hatte Angst. Das Wort stand so deutlich vor ihr. Angst. Immer wieder Angst. Vor Dingen, Zuständen, Aktivitäten, die unkontrollierbar waren. Leo hatte Verständnis dafür. Deswegen die Idee mit dem Fundraising.

Tesnik & Fletcher war die letzte Hoffnung. Wenn die beiden Detektive die eingeworbene Summe verbraucht hatten, ohne eine Erklärung für das Verschwinden von 227 Passagieren und 12 Besatzungsmitgliedern zu finden, würde Stella das Kapitel Dean abschließen. Bei allem Schmerz. Er war so plötzlich aus ihrem Leben verschwunden. Sie hatten so viele Pläne gehabt. Kurz zuvor ihr Neuanfang – und unversehens stand sie allein in einem fremden Land, mit einem Job, den sie wegen Dean angenommen hatte.

Stella ließ die Weinflasche stehen und ging ins Bett. Sie wälzte sich ein paar Stunden herum, bis der Wecker klingelte. Zerschlagen duschte sie. Es kam ihr vor, als würden die Tabletten nun endlich wirken. Oder der Alkohol.

Sie müsste nicht mitfliegen. Letztendlich musste sie die Ermittlungsarbeit ohnehin den Profis überlassen. Aber es zog sie mit. Sie wollte Malaysia sehen. Kuala Lumpur, den Ort, an dem Dean sich zuletzt aufgehalten hatte. Soweit sie wusste.

Hotel Parkroyal, Kuala Lumpur

7.2.2017

»Sie hätte nicht mitkommen sollen«, befand Rox, während sie sich ein Handtuch um den Körper schlang. Der Außenpool des Hotels war genau nach ihrem Geschmack. Früh am Morgen lag er einsam da. Nur Saul hockte auf einem Liegestuhl und sah ihr zu.

»Lass sie. Sie muss sich mit einer äußerst schwierigen Entscheidung abplagen.«

»Sie hat bereits entschieden. Indem sie uns beauftragt hat.«

»Du weißt genauso gut wie ich, dass es nicht sehr wahrscheinlich ist, nach drei Jahren noch eine Spur zu finden. Irgendwann hat sie einen Schlussstrich zu ziehen.«

»Es gibt Spuren, die nie erkalten.«

Saul betrachtete Rox, die sich nun das Wasser von den Beinen rubbelte und einen Jogginganzug über den Bikini zog. Sie war das Paradebeispiel, wie durch einen Schicksalsschlag aus einer weichen, empathischen Frau ein Eisblock werden konnte. Eine Schönheit mit ihrem roten Haar, den Sommersprossen, der milchweißen Haut. Eine Intelligenzbestie, polyglott. Aber ein Eisblock. Wahrscheinlich machte ihr deshalb der kühle Pool nichts aus.

Sie hatten sich angewöhnt, hier draußen unter der spiegelnden Fassade des »Parkroyal« Kriegsrat zu halten. Man wusste nie, wer mithörte. Saul hatte zwei Prepaidhandys besorgt. Ihre eigenen lagen ohne Akku im Zimmersafe.

Bei der Einreise hatte es keine Schwierigkeiten gegeben. Sie spielten eine Freundesclique, zwei Frauen, ein Mann, jeder mit einem Einzelzimmer. Sie zelebrierten ein gemeinsames Frühstück, bei dem Reiseführer und Stadtplan studiert wurden. Malaysia war ein beliebtes Touristenziel.

Stella hatte sich nach einem hysterischen Anfall beim Check-in in München beruhigt. Gespenstisch beinahe, wie sie durchhielt. Stoisch, blass, aber aufrecht. Saul fand, es wäre besser, sie würde sich abfinden. Die Chancen, etwas über MH370 herauszufinden, waren wirklich mikroskopisch. Es sei denn, sie entdeckten den richtigen Hebel. Ähnlich wie Stella hielt auch Saul es für wahrscheinlich, dass etwas vertuscht wurde. Aufseiten der Behörden und des Militärs, denn immerhin hatte die Basis Butterworth Penang die Maschine nach deren außerplanmäßigem Kurswechsel noch auf dem Bildschirm gehabt, als sie über die malaysische Westinsel flog – jetzt nur ein Echozeichen auf dem Primärradar, da Transponder und ACARS bereits deaktiviert waren –, ohne sich jedoch groß um das unbekannte Flugzeug zu kümmern.

Sie hatten beim Militär angesetzt. Üblicherweise musste das Militär in einem vergleichbaren Fall Abfangjäger mobilisieren. Das war ausgeblieben. Man habe die Maschine für ein »freundliches Flugzeug« gehalten.

Was waren die Anhaltspunkte gewesen?

Saul hatte einen gewissen Bezug zum Militär. Sein Vater war bei der Navy gewesen. Er selbst hatte die Polizeiarbeit bevorzugt, bevor er sich mit Rox selbstständig gemacht hatte.

»Kommst du?«, fragte sie, während sie bereits ihre Siebensachen einsammelte und zum Hotelgebäude ging.

»Bin knapp hinter dir.«

Militärbasis Butterworth Penang

7.2.2017

Sie fuhren mit dem Hochgeschwindigkeitszug ETS. Auf der Basis waren sie angemeldet. Saul hatte den Kontakt geknüpft. Während der Fahrt unterhielten sie sich über banale Dinge, später versuchten sie zu schlafen. Der Jetlag war nicht leicht zu überwinden, allerdings hielt Rox wenig davon, sich dem Schlafbedürfnis hinzugeben, wenn es einen übermannte. Sie kam mit der Zeitumstellung am besten zurecht, wenn sie sofort nach der Tageszeit des neuen Ortes lebte und ihre Schlaf- und Essenszeiten entsprechend anpasste.

Ein Taxi brachte sie auf die Basis. Saul spürte, wie seine Beine nach der langen Fahrt steif waren. Er ließ seine Füße kreisen, was in dem engen Wagen eine Herausforderung darstellte. Rox warf ihm einen Blick zu. Er versuchte ein Grinsen. Wir werden alle älter, wollte er sagen. Rox allerdings würde eine solche Aussage sofort verwerfen. Disziplin eben.

Um auf die Basis vorgelassen zu werden, mussten sie sich ausweisen und die Mail vorzeigen, die ihren Besuch bestätigte. Danach ging alles leicht. Sie stiegen aus dem Taxi und wurden von einem Soldaten in einem Jeep zu einem Verwaltungsgebäude gebracht.

»Air Marshal Nolan wird sich gleich um Sie kümmern.«

Der Soldat salutierte und ging.

Rox sah sich in dem schmalen Büro um. Ein Schreibtisch mit Papierkram. Ein Rechner. Eine Hängeregistratur. Ein Foto an der Wand, das einen kitschigen tropischen Strand zeigte. Die Klimaanlage surrte. Dennoch war es warm im Raum. Draußen ballten sich dicke Wolken. Rox wies Saul darauf hin. Der schüttelte nur den Kopf. Saul hielt nicht viel davon, dem Wetter Bedeutung einzuräumen. Außer bei Flugreisen.

Die Tür wurde aufgerissen. Ein stämmiger Mann in grüner Uniform füllte den Raum sofort aus.

»Jeff Nolan«, stellte er sich brüsk vor.

»Roxane Tesnik.«

»Saul Fletcher.«

»Sie kommen wegen Malaysian 370?«

»Exakt.«

»Nehmen Sie Platz.«

»Danke für dieses Meeting, Air Marshal«, begann Saul, während sie sich auf den Stühlen vor dem Schreibtisch niederließen. Nolan sank auf den Sessel dahinter.

Er winkte ab. »Kein Small Talk. Ich bin in Eile. Was wollen Sie wissen?«

»MH 370 änderte um 1.25 Uhr am 8.3.14 den Kurs, nachdem vier Minuten zuvor der Transponder ausgeschaltet wurde, der Flugnummer, Flugposition und –geschwindigkeit mitteilt. Damit war die Maschine auf dem Sekundärradar unsichtbar.«

»Das ist bekannt.« Nolan sah auf seine Uhr.

(Rox würde ihren Nachhilfeschülern beibringen, das Mienenspiel eines Gesprächspartners auf Anzeichen von Nervosität, Ticks und so weiter abzusuchen. Wenn sich in der Mimik unerwartet etwas änderte, und zwar an einem kritischen Punkt des Gesprächs, hatte es Bedeutung. Konnte sein, dass Nolan wegen einer anderen Sache als ihrem Besuch aufgebracht war. Im Geiste notierte sie: Zeitdruck. Sie schätzte Nolan auf Mitte 50. Wahrscheinlich seine letzte aktive Stelle. Ursprünglich hellblond, war er noch nicht vollständig ergraut und vertrug die Hitze schlecht. Sie sah es an den roten Spuren um seine Nase, wo der Schweiß der Haut nicht gut tat. An den Schatten unter den Augen.)

»Sechs Minuten zuvor hätte der Handover vom malaysischen in den vietnamesischen Luftraum stattfinden soll«, fuhr Saul fort. »Die letzten Worte aus dem Cockpit lauteten: ›Good night, Malaysian Three Seven Zero‹.«

»Das ist hinlänglich bekannt.«

»Umso spannender ist« – Saul machte eine Kunstpause – »was nach dem Kurswechsel geschah. Die Boeing kehrte um, überquerte die malaysische Halbinsel und verließ ihr Territorium westlich von Penang. Also in etwa hier.« Er deutete an die Decke, als zöge der Geisterflug dort vorbei. »Danach drehte die Maschine nach Nordwest und flog entlang der Straße von Malakka über die Andamanensee und um die Spitze Indonesiens herum, bevor anschließend ein letzter Kurswechsel rekonstruiert werden kann: nach Süden.«

Nolan griff nach einem Stift und klopfte rhythmisch auf die Tischplatte.

(Ungeduldig. Er ist verdammt ungeduldig. Mag sein, dass er sich diese Abfolge der Ereignisse schon zu oft anhören musste.)

»MH 370 wurde vom malaysischen Primärradar gesehen. Das militärische Primärradar ist hier in Butterworth Penang stationiert.«

»Da sagen Sie mir nichts Neues.«

Rox ging dazwischen.