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Sabine Wassermann

Goldhorus


Historischer Roman


Edel Elements

Kurzbeschreibung


Amunhotep, Kronprinz von Ägypten, gerät auf einem Feldzug in Gefangenschaft. Auf seiner abenteuerlichen Flucht erfährt er von dem rätselhaften Tod seiner geliebten Frau Schischwa. Er kehrt nach Theben zurück und stößt bei seinen Nachforschungen auf eine Mauer des Schweigens. Spätestens als er einen Mordanschlag nur knapp überlebt, ahnt Amunhotep, dass er einem ungeheuerlichen Geheimnis auf der Spur ist ... 

I. SYRIEN

II. ÄGYPTEN

Amunhotep, der junge Kronprinz von Ägypten, gerät auf einem Feldzug gegen die Syrer in Gefangenschaft. Als es ihm mit Hilfe der Sklavin Hadjet und unter großen Gefahren gelingt, zu fliehen und nach Theben zurückzukehren, ist er dort bereits für tot erklärt.

Seine über alles geliebte Frau Schischwa ist unter rätselhaften Umständen gestorben, und seine Schwester Meritamun liegt schwerkrank im Haus des Wesirs Seûna. Amunhoteps Vater, der gottgleiche Pharao Thutmosis III., scheint sich ganz in die Hände des undurchsichtigen Mannes begeben zu haben. Als Amunhotep den seltsamen Zuständen in der Residenz Theben auf den Grund gehen will, stößt er auf eine Mauer aus Schweigen und Intrigen.

Allein einige Jugendfreunde und Hadjet, die er zur Fächerträgerin auserkoren hat, halten zu ihm. Als er einen Mordanschlag nur knapp überlebt, weiß Amunhotep, dass er einem ungeheuerlichen Geheimnis auf der Spur ist.

Der Anfang ist das Horn des Westens,

das Tor des Westhorizontes;

das Ende ist die Urfinsternis,

das Tor des Westhorizontes.

Zu kennen die unterweltlichen Ba-Seelen,

zu kennen die geheimen Ba-Seelen,

zu kennen die Tore und die Wege,

auf denen der größte Gott wandelt.

Zu kennen, was getan wird,

zu kennen, was in den Stunden ist, und ihre Götter,

zu kennen den Lauf der Stunden, und ihre Götter.

Zu kennen ihre Verklärungen für Re,

zu kennen, was er ihnen zuruft,

zu kennen die Gedeihenden und die Vernichteten.

Das Buch Amduat

1.

Staub, von Streitwagenrädern aufgeschleudert, spritzte ihm ins Gesicht. Die Sonne spiegelte sich schmerzhaft auf den Wagenkästen, den genieteten Rädern, den Speerspitzen. Dazu das Klirren der Waffen, das Knirschen des Gerölls unter den Füßen. Schreiende, tobende Männer. Blut.

Er wusste, dass er im Wüstenstaub lag, mit geschlossenen Augen; er sah die Bilder der Schlacht nur noch als Traum, der allmählich verblasste. War er bewusstlos? War er allein? Wie lange lag er schon unter den versengenden Strahlen des Sonnengottes Re?

Amunhotep wälzte sich auf den Rücken und öffnete mühsam die Augen. Die Sonne blendete ihn, und er hob den Arm, um sein Gesicht zu bedecken. Aber da verschwand sie jäh hinter einer dunklen Wand; gleichzeitig spürte er eine Hand an seinem Hals: Jemand stand über ihm, zweifellos in der Absicht, ihm den Todesstoß zu versetzen. Mit aller Kraft stieß Amunhotep seinen Fuß nach oben, fühlte nachgiebiges Fleisch und hörte einen überraschten Schrei. Er kam auf die Knie, tastete nach dem Dolch an seinem Gürtel und sprang auf.

Vor ihm im Sand krümmte sich jedoch keiner dieser wilden syrischen Krieger, sondern ein dickbäuchiger Mann mit kunstvoll gelocktem Bart. Amunhotep bemerkte, wie der Fremde eine goldene Halskette mit einer flinken Bewegung, die zu seinem behäbigen Äußeren nicht passte, in den Ärmel seines Mantels steckte. Der Fremde war ein Syrer, der offenbar das Schlachtfeld nach verwertbaren Gegenständen absuchte; jedoch lagen hier nur zwei syrische Leichen, dazu zerbrochene Speerschäfte, leere Schwertscheiden, das Rad eines Streitwagens.

Amunhotep klopfte den Schmutz von seinem ledernen Kampfschurz. Die Schlacht war längst vorbei, der Kampf hatte ihn weitab der ägyptischen Linien getragen, irgendwo hinaus in die unwirtliche Steinwüste Syriens. Erleichtert stellte er fest, dass er nicht verwundet war, wenn er von seinem schmerzenden Hinterkopf absah. Er hatte diese beiden Krieger getötet, aber nicht schnell genug, denn einem war es noch gelungen, ihm einen Schlag mit dem Streitkolben zu verpassen.

»Ein lebender Ägypter!«, rief der gedrungene Kerl; sein feistes Gesicht bebte, und er hob die Hände zum Himmel. »Baal, unser aller Herr! Sag mir, wieso hat ihn die Sonne nicht verdorrt wie alle anderen, die zu schwach waren, das Schlachtfeld zu verlassen? Du hast tatsächlich diesen, der eigentlich tot sein müsste, am Leben gelassen? Und ausgerechnet ich muss ihm begegnen? Ist das die Strafe für meine Demut?« Er kam beschwerlich auf die Füße und drehte sich zu seinem Pferd um, das unweit mit Körben und Säcken vollbepackt wartete.

»Bleib stehen!«, rief Amunhotep, und trotz seiner krächzenden Stimme erstarrte der Mann augenblicklich. Mit zwei langen Schritten war er bei ihm und packte ihn am Ausschnitt seines Mantels.

»Bei El, ein Ägypter, der die Sprache der Syrer spricht! Was willst du von mir?«

»Antworten auf ein paar Fragen«, erwiderte Amunhotep, langte in den Ärmel des Mannes und zog die Halskette heraus, an der eine kleine Federkrone hing, das Zeichen des Gottes Amun. »Und mein Eigentum zurück.«

»Dein Eigentum, ach ja?« Der Syrer wehrte sich nicht. »Es scheint mir ein wenig zu kostbar für einen Soldaten zu sein. Du hast es selbst gestohlen, nicht wahr?«

Amunhotep legte sich die Halskette um und hakte sie im Nacken zusammen. Das vertraute Gold auf der Haut besserte seine Stimmung sofort. »Wer bist du?«

»Weshalb sollte ich dir das sagen? Ich bin nicht an einer Bekanntschaft mit einem Ägypter interessiert.« Der Syrer wich zu seinem Pferd zurück, prüfte hastig, ob seine Beute gut am Sattel festgeknüpft war, und wollte aufsitzen. Amunhotep griff nach den Zügeln, sodass er laut aufseufzte und ergeben rief: »Also gut, also gut! Ich bin Niqmepa, Händler von Kräutern und Arzneien, und jetzt lass mich los. Ich bin nicht mit dir im Krieg.«

»Ich bin mit jedem Syrer im Krieg, auch mit einem schmutzigen Leichenfledderer, wie du einer bist.« Amunhoteps Blick fiel auf einen der Körbe, darin lagen blutverschmierte Haarlocken und Amulette aus Leder, Ton und Kupfer. »Verrate mir, wie diese von Amun verfluchte Schlacht ausgegangen ist.«

»Du weißt es nicht?«

»Ich war bewusstlos. Wirst du es mir sagen, oder muss ich es aus dir herausprügeln?«

»Ganz sicher nicht.« Niqmepa hob abwehrend die Hände. »Baal schlug mein Volk und segnete deines, hast du wirklich daran gezweifelt? Die Männer von Syrien fliehen soeben in nördliche Richtung. Viele sind es sicher nicht mehr, denn wen die Ägypter nicht töteten, den treiben sie mit Peitschenschlägen voran in die Sklaverei. Der große Amunhotep, Sohn des Pharao, ist längst mitsamt seinem Heer und den Gefangenen auf dem Weg nach Südwesten. Deine Leute haben dich vergessen, das ist wirklich Pech, aber tröste dich mit dem Gedanken an den ägyptischen Sieg.«

»Du sagst das nur, weil du glaubst, dass ich das hören will. Aber ich fürchte, du lügst mich an.« Amunhotep legte die Hand über die Augen und suchte den grauen Horizont nach Leben ab. Was war diese Gegend trostlos! Nichts als schwarzer Staub und Sand und Steine, dazu karger Pflanzenbewuchs und in der Ferne drohend aufragende Gebirgsketten. Diese dunkle Basaltwüste besaß nichts von der Erhabenheit der ägyptischen Wüstenfelder, dem Roten Land. Von einem in südwestlicher Richtung abziehenden Heer war nichts zu sehen. Wer hatte in diesem Kampf gesiegt? Die Syrer waren über die ägyptischen Soldaten hergefallen wie ein Heuschreckenschwarm: Wie aus dem Nichts waren sie gekommen und hatten heillose Verwirrung gestiftet, und er hatte sich von seinem Trupp abgesetzt, um diesen beiden syrischen Narren hinterherzurennen. Er stieß einen der beiden mit dem Fuß an. Der Tote trug die Ausrüstung eines hochgestellten Hauptmanns; aber er schien kein sehr bedeutender Mann gewesen zu sein, da seine Leute ihn einfach liegengelassen hatten, damit sich die Wüstentiere um ihn kümmerten.

Nun, das besagte nichts, schließlich war er – er!, bei Amun, es war einfach unglaublich – ebenfalls zu einem einsamen Wanderer in der Wüste herabgesetzt worden, mit dem mageren Unterschied, dass er noch lebte.

»Und was geschah mit Hannzumirasch, dem Anführer der syrischen Rebellen? Wirst du mir jetzt sagen, dass er in der Gewalt des ägyptischen Oberbefehlshabers ist, der ihn dem Gott Ägyptens zu Füßen niederzwingen wird?«

Niqmepa schürzte die fleischigen Lippen und antwortete widerwillig: »Hannzumirasch entkam wohl, aber ich bin mir nicht sicher, ich bin schließlich kein Kriegsberichterstatter. Vielleicht führt er seine Männer in einen entfernten Winkel des Landes, wo der Arm Ägyptens ihn nicht ohne weiteres erreichen kann; vielleicht hat er in der Stadt Dimaschka Unterschlupf gefunden. Sie liegt zwei Tagesreisen von hier. Irgendwann, sobald die Zeit wieder günstig ist, wird er den König Ägyptens erneut herausfordern.«

»Ja, ihr Syrer wollt einfach nicht einsehen, wer eure Herren sind«, schnaubte Amunhotep. Alljährlich gab es irgendwo in der Weite dieses Landes einen Aufstand, formte sich ein Heer, um das ägyptische Joch abzuwerfen; alljährlich gab es Krieg, versuchte eine Stadt den Aufstand. Diesmal war es Hannzumirasch gewesen, der den Gott Thutmosis, den Herrn über die gesamte Weltgegend, herausgefordert hatte; aber war das Ergebnis das gleiche gewesen wie sonst auch? Hatte der Gott auch diesmal gesiegt? Thutmosis war dem diesjährigen Unternehmen ferngeblieben, zum ersten Mal, denn mit seinen sechzig Jahren war er zu alt, um ein Heer in die Schlacht zu führen. Stattdessen hatte er diese Aufgabe seinem Sohn Amunhotep und dem Veteran Djehuti überlassen.

Djehuti ist ein fähiger Feldherr, überlegte Amunhotep, aber da er mich hier zurückgelassen hat, muss ich annehmen, dass er gefallen ist. Mag diese Auseinandersetzung keine Niederlage gewesen sein, ein Sieg war sie gewiss nicht.

Er ging in die Knie und streckte die Hände zur Sonne. Re, wo warst du?, fragte er die blitzende Scheibe. Bist du über dieser fremden Wüste nicht mehr derselbe?

Er spürte den fragenden Blick des Syrers in seinem Rücken, stand auf und wandte sich ihm zu. Es war an der Zeit, sich mit dem Überleben zu beschäftigen, und das konnte er nicht hier in der Wüste. Allein Zuflucht zu der Stadt Dimaschka konnte ihn retten.

Zu Niqmepas sichtlichem Entsetzen begann er, die Tragekörbe und Beutel vom Pferderücken herunterzuziehen. Haarteile und Amulette rollten in den Sand, dazu Dolche und Lederzeug. Niqmepa tat einen spitzen Schrei.

»Baal soll dich holen«, giftete er. »Du weißt anscheinend nicht, welche Mühe ich hatte, das alles zusammenzutragen!«

»Sagtest du nicht, du handelst mit Arzneien?«

»Natürlich. Haare und Tonamulette von gefallenen Kriegern sind begehrte Zutaten. Sie werden gemahlen und …«

»Erspare mir die unappetitlichen Einzelheiten. Du wirst schon noch Gelegenheit bekommen, neue Zutaten zu sammeln. Dieses Land ist wirklich abstoßend barbarisch.« Amunhotep betastete einen prallen Ziegenlederbeutel und wickelte die Schnur ab, die ihn verschloss. Das Wasser war beinahe heiß, aber er setzte den Beutel erleichtert an die Lippen.

»Oh, das sind die überheblichen Worte des Siegers! Ihr Ägypter schlagt euren Feinden die Hände ab, um sie zu zählen. Bei Baals schwerbrüstiger Mutter!«, rief Niqmepa erschrocken. »Was tust du denn jetzt?« Amunhotep hatte lediglich die Proviantbeutel des Syrers verschont und schwang sich nun aufs Pferd. Niqmepa griff nach der Satteldecke. »Willst du mich der Wüste überlassen? Du kannst mich doch nicht hier zurücklassen!«

»Aber weshalb denn nicht?« fragte Amunhotep, ohne sich umzublicken. »Du wolltest doch keine Bekanntschaft mit einem Ägypter?«

»Ihr guten Götter, nein, nein!« Niqmepa fiel auf die Knie und umfasste Amunhoteps Fuß. »Ich flehe dich an, großer ägyptischer Krieger, dessen König der Herr der Welt ist!«

»Das klingt schon besser. Na schön, du darfst mich begleiten und den Staub schlucken, den das Pferd aufwirbelt. Selbstverständlich erwarte ich dafür eine Gegenleistung.«

Niqmepas Augen weiteten sich. »Ach, noch eine? Du hast doch schon mein Pferd und meinen Proviant. Und die Arbeit einiger Stunden hast du zunichte gemacht, ganz zu schweigen von der Zeit, die ich benötigte, um den Weg hierher zurückzulegen. Was willst du denn?«

Amunhotep seufzte. »Du kommst doch aus Dimaschka, nicht wahr? Ich werde dich dorthin begleiten, nicht nur in die Stadt, sondern auch in dein Haus. Dort warte ich, bis ich eine Möglichkeit gefunden habe, mich einer Karawane anzuschließen, die nach Gaza oder wenigstens bis nach Megiddo reist. Verschaffe mir eine solche Möglichkeit, dann bist du mich rasch los. Ich erlaube mir, bis dahin dein Gast zu sein.«

Der Syrer biss sich auf die Lippen und schien im Geiste abzuwägen, welches das kleinere Übel war: hier in der Wüste zu verrotten oder in Dimaschka heimlich einen ägyptischen Soldaten zu beherbergen. »Du kannst deine Herkunft nicht leugnen«, wagte er einen Einwand, »ob du nun syrische Kleidung trägst oder nicht.«

»Nein, das kann ich nicht«, gab Amunhotep zu. »Aber ich denke doch, dass man einen ägyptischen Händler zufriedenlassen wird.«

Niqmepa lachte unsicher. »So groß wie du bist, wirst du auch im Mantel eines Händlers aussehen wie ein Krieger. Aber meinetwegen, riskiere ruhig deinen Kopf. Was, glaubst du, wird mich daran hindern, bei der ersten Gelegenheit zu Hannzumiraschs Männern zu laufen und ihnen von deiner Anwesenheit zu berichten?«

Amunhotep lächelte flüchtig, denn das Gespräch nahm die gewünschte Wendung. Er nahm seine Halskette ab. Mit einer abrupten Bewegung durchtrennte er sie in zwei Teile, wobei einige Goldplättchen absprangen, nach denen Niqmepa gierig schnappte. Amunhotep schob die eine Hälfte in seinen Gürtel, die andere hielt er dem Händler unter die Nase. »Das wäre die Bezahlung für deine Verschwiegenheit und Gastfreundschaft.«

Niqmepa hatte den Schmuck augenblicklich an seinem Körper verstaut. »Und die andere Hälfte?«

»Die werde ich dir geben, sobald ich dein Haus verlasse, darauf hast du mein Wort.«

»Dein Wort?«, sagte Niqmepa zweifelnd. »Was soll mich daran hindern, dir die Kehle durchzuschneiden, während du schläfst?«

»Das kannst du ja meinetwegen versuchen. Aber es bekommt dir weitaus besser, wenn du deine Hände in den Schoß legst und auf dein Gold wartest.«

»Du wirst dich mit einem Fußtritt von mir verabschieden, genau so, wie du mich vorhin begrüßt hast. Aber meinetwegen, ich bin einverstanden.«

»Selbstverständlich, denn du bist ein vernünftiger Mensch.« Amunhotep nahm die Zügel und stieß die Fersen leicht in die Seiten des Pferdes. Es war ein plumpes Lasttier und gehorchte widerspruchslos. Seine Trägheit und die schlüpfrige Beschaffenheit des Bodens verhinderten eine schnelle Gangart, sodass Niqmepa schnaufend und fluchend neben ihm herlaufen konnte.

»Baal soll dich holen«, keuchte er erneut. Schweißtropfen glitzerten in seinem gelockten Bart. »Und Hannzumirasch möge dir einen Pfahl in deinen Leib treiben, sobald du das Stadttor von Dimaschka durchquert hast und enttarnt worden bist, als Dank dafür, dass ich neben dir her trotten durfte wie ein Lastesel. Es sind zwei Tage bis Dimaschka! Nenne mir wenigstens deinen Namen, damit ich weiß, wen der Gott der Unterwelt verfluchen soll.«

»Ich bin Amunhotep, der Sohn des Thutmosis: Amunhotep-heqa-waset-heter-heqa-waset-heter-heqa-iunu. Aber rede mich nicht so an, du würdest meine heiligen Namen mit deinem grauenvollen Akzent nur entweihen.«

»Ich werde mich hüten; bevor es mir gelingen könnte, das alles auszusprechen, ohne über meine eigene Zunge zu stolpern, würde ich alt und grau werden.« Niqmepa drehte spöttisch die Augen zum Himmel. »Amunhotep? Der Sohn von Thutmosis? Nun ja, verzeih, dass ich nicht auf die Knie falle, um dir zu huldigen, o Kronprinz von Ägypten, zukünftiger Herrscher der Welt, denn das bereitet mir jetzt allzu große Mühe. Mir scheint, du hast länger in der prallen Sonne gelegen, als dir guttat.«

Amunhotep winkte ab und lachte. Er hatte nicht erwartet, dass der Händler ihm Glauben schenkte, und so war es ohnehin besser. Ja, offenbar musste er seinen prinzlichen Stolz überwinden und sich als unbedeutender Händler ausgeben, aber was machte das schon. Seine Laune besserte sich, trotz der seltsamen Situation und der erniedrigenden Art und Weise, sich fortzubewegen, nämlich auf einem Pferderücken reitend.

Nach einem Tag und einer Nacht, die sie, unterbrochen nur von kurzer Rast, schweigend durch die Wüste gewandert waren, erreichten sie die von Süden nach Osten verlaufende Handelsstraße. Amunhotep sah Karren, beladene Ochsen und Esel; unter ihrer Last gebeugte Menschen wanderten über das sandige Geröll der Stadt Dimaschka zu, die über ein sanftes Tal ausgebreitet lag, inmitten einer grünenden Flussoase. Er hatte längst vergessen, dass das Land Syrien auch schön und fruchtbar sein konnte. Der Fluss war gesäumt von Pistazienbäumen, Palmen, Ackerland. In der Ferne erblickte er die rauen Berge des Antilibanon; dorthin wand sich die westliche Straße, über kalte, windgepeitschte Pässe, um nach zwei, drei Tagen das Wadj-Wer, das große grüne Meer, zu erreichen.

Amunhotep war inzwischen überzeugt, dass niemand kommen würde, um ihn, den Kronprinzen von Ägypten, heimzuholen. Der Befehlshaber Djehuti war längst fort, auf dem Weg nach Gaza, lange Tagesmärsche vom Ort der Schlacht und dieser unseligen Stadt hier entfernt. Oder aber auf dem Weg ins Amentit, dem Reich der Toten, wo auch der Rest des kleinen ägyptischen Heeres auf den Richterspruch des Osiris wartete.

Zweiundzwanzig Jahre alt hatte Amunhotep werden müssen, um den ersten Feldzug unter seinem und Djehutis Kommando führen zu dürfen: nichts überwältigend Aufregendes, kein Vorstoß in die Zweistromländer, um das ohnehin gewaltige Imperium Thutmosis des Dritten, des Gottes der Welt, zu erweitern. Er sollte Erfahrungen sammeln, um selbst einmal die ägyptische Weltmacht zu leiten. Und er hatte sich benommen wie ein Knabe: Das Zentrum der Schlacht zu verlassen, um zwei syrische Hauptleute zu verfolgen! Allein Amun mochte wissen, was ihn dazu bewogen hatte. Vielleicht hätten sie ihn zu ihrem Anführer geführt, zu Hannzumirasch, vielleicht … Doch jetzt war all das unwichtig geworden, jetzt galt es, sich in dieser seltsamen und fremden Lage zurechtzufinden. Er blickte in westliche Richtung und zuckte die Achseln. Es sah ganz danach aus, als würde er seiner ersten Torheit eine zweite hinzufügen, doch welche Wahl hatte er schon?

Immer stärker wurde der Strom der Reisenden, und am Nachmittag des zweiten Tages erreichten sie die Stadtmauer Dimaschkas. Amunhotep saß ab und zog die Kapuze des Mantels, den er Niqmepa abgenötigt hatte, über die Stirn. An der Seite des Händlers, in leicht gebückter Haltung, würde er bei den Stadtwachen nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig erregen. Zumindest erhoffte er es, dennoch prüfte er den Sitz des Dolches in seiner Lederscheide.

Die Zedernflügel des Stadttores standen weit offen. Die Schlacht hatte das geschäftige Leben offenbar nur kurz zum Erliegen gebracht. Kaum waren die Truppen abgezogen und die syrischen Rebellen zurück in ihre Verstecke geflohen, waren die Menschen aus ihren Häusern gekrochen und hatten ihre alltäglichen Verrichtungen wieder aufgenommen. Unter den Händlern erblickte Amunhotep jedoch keinen einzigen von ägyptischer Herkunft; wahrscheinlich waren jene klug genug, dieser Stadt für eine gewisse Zeit den Rücken zu kehren.

Sie mischten sich unter die Anreisenden. Fast alle der Leute, die zum Tor drängten, um sich von den Stadtwachen mustern zu lassen, waren Syrer, einige trugen hurritische Züge, andere entstammten den Küstenstädten der Kanaaniter, wie Amunhotep an ihren kunstvoll aufragenden Topfhüten erkannte. Viele reisten in Sänften, mit großem Gefolge und Gepränge, andere liefen barfuß, ihre armselige Habe auf dem Rücken, oder trieben Ziegen und Schafe vor sich her. Vor den Tischen der Torwächter reihten sich alle ein; manche wurden einer eingehenderen Musterung unterzogen und sogar abgewiesen. Nach einer langen halben Stunde kam die Reihe an ihn. Er blieb vor dem Tisch stehen, hinter dem ein Stadtwächter mit gewichtiger Miene saß, den spitzen Bronzehelm locker auf dem Kopf, mit schmutzigem Bart und schwarzen Fingernägeln.

»Du, Großer«, wies er auf Amunhotep, »du passt ganz eindeutig nicht in diese Reihe der windigen Händler und Diebe.« Er bedeutete ihm, die Kapuze zu lüften. Amunhotep gehorchte und hoffte, dass seine aristokratischen Züge unter der Schicht aus Staub ein wenig verborgen waren.

»Ein Ägypter«, sagte der Wächter und spuckte verächtlich aus. »Ich will nicht glauben, dass du nicht weißt, was zwei Tagesreisen von hier geschah. Nun, was hast du dazu zu sagen?«

»Nichts«, antwortete Amunhotep ruhig. »Ich bin ein einfacher Händler und kümmere mich nicht um die große Politik.«

»Ein einfacher Händler, soso. Glauben nicht die Ägypter, dass die ganze Welt dem Pharao gehört?«

»Ich sagte bereits, dass ich mich nicht um die Dinge der Herrschenden kümmere. Aber da du es ansprichst: Du hast ganz recht, alles, was existiert, gehört dem Pharao, denn er ist …« Amunhotep unterbrach sich, denn ihm wurde bewusst, dass er auf dem besten Weg war, eine Dummheit zu begehen. Er sagte sich, dass es ganz gleich war, was dieser Syrer glaubte oder dachte.

»Alles gehört Thutmosis dem Großen, ich werde mich hüten, etwas anderes zu behaupten!« Der Torwächter lachte. »Was also solltest du noch erwerben wollen? Wie ist dein Name?«

Amunhotep nannte einen verwirrend klingenden Namen, sodass der Mann aufstöhnte.

»Ihr und eure seltsamen Namen. Und du?«, wandte er sich an Niqmepa. »Kenne ich dich nicht? Du bist doch Niqmepa, nicht wahr? Seit wann gibst du dich mit ägyptischen Handelspartnern ab? Was ist es denn, das du ihm andrehen willst?«

Amunhotep dachte, dass er Niqmepas Schätze vielleicht zu voreilig fortgeworfen hatte. Der Händler schob sich vor und tischte mit einem Einfallsreichtum, der ihm einige Bewunderung abrang, eine Geschichte auf. Aber dem Posten schien sie nicht glaubwürdig genug zu sein, denn er erhob sich und verschränkte gewichtig die muskulösen Arme vor der Brust.

»Alles gut und schön. Aber weißt du, was mich an deinem Begleiter stört?«

Niqmepa machte eine abwiegelnde Handbewegung. »Ich weiß, er ist ein bisschen groß geraten …«

»Das außerdem. Nein, da ist noch etwas anderes, und das gefällt mir nicht.« Der Wächter schien darüber nachzusinnen, während er Amunhotep ausgiebig musterte. Amunhotep bemühte sich um Gleichmut, aber er begriff, dass die Dinge nicht so liefen, wie er es sich törichterweise erhofft hatte. Er fragte sich nach dem Grund, aber er konnte es sich nicht erklären. Als der Wächter von seinem Tisch zurücktrat und ihnen bedeutete, ihm zu folgen, überkam ihn für einen flüchtigen Moment der Drang, nach seinem Dolch zu greifen.

»Es ist nur eine Formsache«, erklärte der Mann und ging zu einem langgestreckten Gebäude, das längs der Stadtmauer verlief. So unscheinbar und baufällig es war, so bedrohlich wirkte es. Amunhotep sah winzige Fenster, die so hoch lagen, dass er sie mit ausgestrecktem Arm nicht erreicht hätte. Eine Tür aus Zedernholz stand offen, und ständig liefen Syrer ein und aus: Stadtwachen und Bedienstete wie ihr Begleiter. Er musste den Kopf ein wenig einziehen, als er ins Innere trat. Der Geruch nach Urin und Schweiß, der aus dem dunklen, rückwärtigen Teil des Gebäudes drang, warnte ihn.

»Wenn mir jemand auffällt, knüpfe ich ihm eine Kordel mit einem kleinen Steinsiegel um das Handgelenk«, sagte der Wächter und griff in eine Truhe, aus der die schmuddeligen Kordeln quollen. »Wenn man dich anspricht, Großer, wirst du dieses Siegel vorzeigen; es bestätigt, dass du ordnungsgemäß die Stadt betreten hast. Gnade dir Baal, wenn du es verlierst.«

»Und warum hast du diese Siegel nicht draußen auf deinem Tisch?«, fragte Amunhotep; gleichzeitig fuhr seine Hand zum Dolch, und er hörte Niqmepa schreien. Jemand schlug die Tür zu, sodass für einen Augenblick eine eigenartige Stille herrschte, denn die Geräusche von der Straße drangen nur noch gedämpft herein. Amunhotep wartete nicht ab, er sprang auf den Torwächter zu und spürte, wie seine Klinge in weiches Fleisch drang. Zwei oder drei Syrer drangen seitwärts auf ihn ein; da er ihnen ausweichen musste, fehlte ihm die Zeit, seinen Dolch zu befreien.

Es waren gut bewaffnete Soldaten, die sich in der Düsternis besser auskannten als er. Amunhotep stieß mit dem Knie gegen einen Tisch, von dem beschriebene Tonscherben klirrend zu Boden fielen. Sonst gab es nichts in diesem schmalen Raum, von dem links und rechts Gänge abzweigten. Er versetzte der Truhe mit den Kordeln einen Tritt, sodass einer der Soldaten darüber stolperte, dann bückte er sich rasch nach dem Sichelschwert, das dem Mann aus der Hand geglitten war, und stieß es dem zweiten in die Brust. Er versuchte, zur Tür zurückzukommen und sie aufzureißen – was er draußen inmitten der Menschenmenge tun wollte, wusste er nicht, aber das erschien ihm jetzt nicht wichtig –, doch der Weg war bereits von weiteren syrischen Kriegern versperrt. Es gelang ihm, zwei von ihnen abzuwehren, dann spürte er eine Speerspitze in seinem Nacken und eine weitere an seiner Wange.

Er ließ das Schwert fallen. Mit Hilfe der Speerschäfte zwangen sie ihn mit dem Oberkörper auf den Tisch. Eine der Tonscherben ritzte seine Haut dicht am Auge, aber das spürte er kaum. Innerlich fluchte er über seine Unbeherrschtheit. Oder war es Überheblichkeit? Er zählte aus den Augenwinkeln fünf Syrer, die den Tisch umringten; nach wie vor drückten die bronzenen Speerspitzen in sein Fleisch. Jemand griff in seinen Nacken und zerrte ihm Niqmepas Mantel von den Schultern.

»Leg deine Hände auf den Tisch«, befahl eine Stimme über ihm. Er hatte diese dunkel und rau klingende Stimme bereits auf dem Schlachtfeld vernommen, sie gehörte niemand anderem als Hannzumirasch, dem Rebellenführer. Amunhotep hätte beinahe aufgelacht. Dimaschka war in der Tat ein Aufenthaltsort der syrischen Aufwiegler, und er hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als hier hereinzuspazieren. Er presste die Handflächen auf das Holz.

»Er ist … ein Soldat«, zischte der Torwächter, der offenbar mit seiner Dolchwunde zu kämpfen hatte, denn seine Worte kamen stockend. »Er trägt einen ägyptischen Soldatenschurz. Ich wusste, der lügt. Er spricht … unsere Sprache.«

»Ja«, kam Hannzumiraschs einprägsame Stimme, »wo hast du die gelernt, Ägypter? Kaum ein Mann deines Volkes lässt sich dazu herab, irgendetwas außer Ägyptisch zu sprechen.«

Im Kap, der königlichen Schule in Memphis, antwortete Amunhotep in Gedanken. Aber das werde ich nicht dir erzählen. »Ich war eine Zeitlang in einem Grenzfort am Horusweg«, sagte er betont abfällig, »da lernt man so manchen verlausten Syrer kennen.«

»Hier wird’s dir auch gefallen«, entgegnete Hannzumirasch. Ein bronzeharter Gegenstand, wahrscheinlich ein Streitkolben, ging auf Amunhoteps Hinterkopf nieder und schickte ihn in tiefe Dunkelheit.

Er erwachte, als er etwas Fauliges an den Lippen spürte. Sein Hinterkopf hämmerte im Gleichklang mit seinem Herzschlag, aber die Schmerzen waren zu ertragen. Die kannte er; Hannzumirasch hatte ihn auf die gleiche Art und Weise in die Bewusstlosigkeit geschickt wie zwei Tage zuvor einer der syrischen Krieger. Amunhotep versuchte die Augen zu öffnen, was nicht einfach war, denn seine Lider hatten an Gewicht zugelegt. Er stellte fest, dass er auf dem Boden lag, mit dem Gesicht in feuchtem, stinkendem Stroh. Angewidert spuckte er zwei Halme aus und stemmte sich hoch.

Zu der anfänglichen Erleichterung, nicht gefesselt zu sein, kam Ernüchterung, als er erkannte, wo er sich befand. Dieser Teil des Gebäudes war offensichtlich Gefangenen vorbehalten: Zu beiden Seiten eines breiten Ganges reihten sich Verliese aneinander. Die Wände des winzigen Raumes, in dem er hockte, waren aus grob behauenen Steinen, nur die Wand zum Gang hin bestand aus einem Gitter. Amunhotep zog sich an die bronzenen Stäbe heran und blickte auf den Gang. Syrische Rebellenkrieger liefen herum; es waren dieselben, die ihn in ihre Gewalt gebracht hatten, aber jetzt beachteten sie ihn nicht. Von Hannzumirasch war nichts zu sehen.

»Drei Stunden«, sagte jemand hinter ihm. Amunhotep fuhr herum. Niqmepa saß in der Zellenecke, mit vor dem Bauch gefalteten Händen.

»Was?« Amunhotep rieb sich die Schläfen und versuchte, Klarheit in seinen schmerzenden Kopf zu bekommen.

»Du warst ungefähr drei Stunden bewusstlos. Ich sage es dir, weil du mich ohnehin danach fragen wirst. Du hast einen ganz schön harten Schädel, wie es scheint.«

»Weshalb«, Amunhotep musste sich räuspern, »weshalb haben sie dich eingesperrt?«

»Da fragst du noch?« Niqmepa klang empört. »Weil ich es war, der dich im Schlepptau hatte. Ich habe ihnen erklärt, dass du mich gezwungen hast, dich zu begleiten.« Plötzlich zeigte sein schweißüberzogenes, fülliges Gesicht den Anflug eines Lächelns. »Aber du musst dich um mein Schicksal nicht sorgen, sie werden mich gehen lassen. Du solltest dir besser um deine eigene Haut Gedanken machen, Prinz von Ägypten. Oder soll ich dich nicht so nennen? Hannzumirasch würde noch ganz anders mit dir verfahren, müsste er annehmen, du seist wirklich der Sohn des Pharao, nicht wahr?«

»Rede, was du willst«, brummte Amunhotep, »mir ist es gleich.«

»Wirklich? Nun ja, einen Prinzen von Ägypten stelle ich mir verweichlicht vor, mit bleicher Haut und weibischem, geschminktem Gesicht. Nun, was immer du in deinem früheren Leben warst, jetzt bist du ein Gefangener, der Hannzumiraschs Gnade ausgesetzt ist. Aber ich glaube nicht, dass er weiß, was das ist.«

Amunhotep wollte nicht mehr zuhören. Erneut umklammerte er die Gitterstäbe und drückte das Gesicht an die kühle Bronze. Der Gang war dunkel, nur ab und zu blakte eine Fackel in ihrer Wandhalterung. Die stickige Luft konnte durch die winzigen, hochgelegenen Fenster, die er schon von draußen bemerkt hatte, nur schlecht abziehen. Am anderen Ende des Korridors bemerkte er eine kleine Steinfigur, die von einer über ihr flackernden Fackel angeleuchtet wurde: eine syrische Göttin, mit absonderlich verformten Gliedern und schweren Brüsten.

Er legte zwei Finger auf die Brust, um sein Amulett, die Federkrone des Gottes Amun, zu berühren. Aber da war nichts mehr, er hatte seine Halskette dem Händler gegeben, zumindest die eine Hälfte. Amun, dachte er, König der Götter, Beschützer Thebens, wo bin ich nur hineingeraten?

Amunhotep legte den Kopf in den Nacken. Die Tür, die ebenfalls aus aneinandergereihten Bronzestäben bestand, war mit einem mächtigen Holzbalken dicht unterhalb der Decke verschlossen. Er vergewisserte sich, dass keiner der Syrer zu ihm herüberschaute, stand auf und streckte sich nach dem Balken, wobei er sich auf die Zehen stellen musste. Mit den Fingerspitzen berührte er das Holz, aber was half ihm das? Er würde niemals den Balken schieben oder gar anheben können, nicht einmal, wenn es hier etwas gäbe, auf das er sich stellen konnte, Niqmepa eingeschlossen.

Er ließ die Hände sinken, als einer der Syrer heranschlurfte, mit einem Tonkrug unter dem Arm. Amunhotep nahm den Krug durch die Gitterstäbe in Empfang. Falls er tatsächlich Durst gehabt hatte, verging der ihm jedoch beim Anblick des schmierig glänzenden Wassers. Er hatte geglaubt, auf seinem Weg nach Syrien das schlechteste Wasser getrunken zu haben, das er sich vorstellen konnte, aber dies hier war kaum genießbar. Er reichte es Niqmepa, der ebenfalls nur die Nase rümpfte.

»Du solltest es trinken«, meinte der Händler. »Ich bin bald draußen und kann mein Haus aufsuchen, wo mir meine Frau eine anständige Mahlzeit bereiten wird. Du hingegen wirst in der nächsten Zeit nichts anderes bekommen. Es ist vermutlich nicht so wohlschmeckend wie das Wasser des Nils, nachdem es ein halbes Dutzend Mal durch Tücher geseiht und mit duftenden Kräutern versetzt wurde. So etwas trinken ja wohl die Leute am Hof von Thutmosis, dem Beherrscher der Weltgegend.«

»Halt endlich den Mund«, knurrte Amunhotep. Er sah den Rebellenführer das Gebäude betreten und beobachtete ihn, so gut es ging. Hannzumirasch war eine beeindruckende Erscheinung, trotz seines barbarischen Äußeren. Seine schwarzen Haare waren sehr kurz, nur am Hinterkopf hing eine dicke Strähne bis auf die Schulterblätter. Schmucknarben verliefen von den Handgelenken bis zum Hals. Amunhotep fand, dass er nicht an einen Ort wie diesen passte. Hannzumirasch ähnelte eher den wilden Männern der Schasu-Nomaden, die das Türkisland unsicher machten.

Unruhe entstand am Eingang, als zwei Syrer einen weiteren Gefangenen anschleppten. Amunhotep wich zurück, als sie sich an dem Verlies gegenüber zu schaffen machten. Sie stiegen auf rasch herbeigeschobene Hocker, um den Balken anzuheben. Ein Dritter stieß den bewusstlosen Neuankömmling in sein neues Zuhause, eine Blutspur hinter sich herziehend.

Amunhotep fühlte eine kalte Hand nach seinem Herzen greifen. Dieser Mann war niemand anderes als Djehuti, der Befehlshaber der ägyptischen Truppen. Djehuti schien schwer verletzt zu sein, aber wenigstens atmete er gleichmäßig. Sein linker Arm war von verkrustetem Blut bedeckt, das an manchen Stellen noch nässte. Ein abgebrochener Pfeilschaft steckte irgendwo oberhalb des Ellenbogens. Aber es war nicht die Pfeilwunde, die den Befehlshaber niedergestreckt hatte: Eine böse blutende Platzwunde zog sich über seine Stirn, wohl von einem Streitkolben.

»Das ist die Umkehr der Maat«, raunte Amunhotep. Nun erst wurde ihm die Niederlage des ägyptischen Heeres voll und ganz bewusst. Hatte es das überhaupt schon einmal gegeben während der fünfzigjährigen Herrschaft seines Vaters, des mächtigsten Pharaos seit dem sagenhaften Djoser Netjerichet? Nein, niemals seit Millionen Jahren.

»Was ist das: Maat?«, fragte Niqmepa, der die Tätigkeit seiner Landsleute misstrauisch beobachtete.

»Maat ist die Göttin der Wahrheit«, erwiderte Amunhotep widerwillig. »Maat ist die Ordnung, welche die Götter der Welt gegeben haben. Die Maat sagt, dass der Pharao Gott ist, der über alles herrscht.« Und sie sagt, dass ich eigentlich nicht hier sein dürfte, fügte er in Gedanken hinzu.

Hannzumirasch schlenderte heran und sah zu, wie seine Männer den Balken wieder an Ort und Stelle schoben. »Djehuti«, sagte er scheinbar gedankenverloren. »Djehuti, du bist zu alt für den Krieg. Dein Herr, der sich der Starke Stier nennt, ist ebenfalls zu alt, aber im Gegensatz zu dir schickte er den Sohn an seiner Statt. Wirklich bedauerlich, dass Amunhotep entkommen ist. Wie man sagt, ist er stark, ein echter Krieger; er würde es einige Stunden draußen am Pfahl aushalten, meinst du nicht auch? Nun wirst du den Pfahl zu spüren bekommen.«

Niqmepa kicherte bei diesen Worten, sodass der syrische Rebell sich umwandte. Amunhotep runzelte die Stirn, als er spürte, wie sich sein Magen zusammenballte. Es war schlichte Angst, und er dachte, dass es durchaus an der Zeit war, Angst zu haben. Er wusste nicht, was es mit dem Pfählen auf sich hatte – nun, er hatte schon einiges darüber gehört, aber was es wirklich bedeutete, wollte er nicht einmal erahnen.

Hannzumirasch rührte sich nicht, während er die beiden Männer musterte. Er war beinahe so groß wie Amunhotep, und er schien sich seiner Wirkung bewusst zu sein. Schwere goldene Ohrringe baumelten über seinen muskelbepackten Schultern. Er trug nur einen fransenbesetzten Schurz, was seine barbarische Wildheit unterstrich. In einer Hand hielt er seinen Streitkolben, in der anderen eine Lederschlinge. Amunhotep konnte sich lebhaft vorstellen, dass er damit einiges bewerkstelligen konnte.

»Einer von Apheks Dienern hat sich angekündigt«, sagte Hannzumirasch schließlich, an Niqmepa gewandt. »Du bist dem wohlhabendsten Händler der Stadt recht wichtig, wie es scheint. Er wird für deine Freilassung einiges bezahlen müssen.«

»Ja, ja«, sagte Niqmepa hastig, »er wird mich nicht im Stich lassen.«

Hannzumirasch stieß einen schnaubenden Laut aus und machte Anstalten, wieder zu gehen. Da stieß Djehuti mit einem erstickten Laut einen blutigen Schleimklumpen aus und riss die Augen auf. Amunhotep war sich nicht sicher, ob er wirklich wach war. Djehuti schien durch ihn hindurchzublicken, während er die blutverschmierten Finger um die Stäbe krallte. Er hustete und versuchte, nach seinem verletzten Arm zu tasten, aber das schien die Schmerzen nur zu verstärken.

Amunhotep wartete auf das, was kommen musste. Niqmepa hatte ihn nicht verraten, jedenfalls noch nicht, aber Djehuti würde es unwillentlich tun, sobald er ihn sah. In seinem schlimmen Zustand war der Befehlshaber kaum fähig, sofort die richtigen Schlüsse zu ziehen und zu schweigen.

Djehuti öffnete die Lippen, aber falls er etwas hatte sagen wollen, konnte er es nicht mehr, denn er sackte zur Seite und starrte schwer keuchend zur Decke seines Verlieses. Hannzumirasch brummte etwas Unverständliches und verschwand wieder im Dunkel des Ganges.

Amunhotep umklammerte die Stäbe, bis seine Fingerknöchel knackten. Amun, es kann doch nicht sein, dass ich hier ausharren muss, bis man mir ein Stück Holz in den Leib treibt. Amun, du kannst mich nicht vergessen haben. Ich bin Amunhotep: Amun ist zufrieden. Amun ist zufrieden!

Hart stieß er den Atem aus und hockte sich an die kalte Steinwand. Er hätte sich gerne auf dem Boden ausgestreckt, aber das Stroh sah aus, als sei es voller Ungeziefer, und so bemühte er sich, davon so wenig wie möglich zu berühren. Unwillkürlich drängten sich ihm Bilder von den schön angelegten Gärten der Residenz in Theben auf, von den steingefassten Teichen, in denen Lotosblüten schwammen, und den weiten Räumen seines Hauses, wo täglich die Sklaven jedes Sandkorn fortfegten und hübsche Dienerinnen mit ihren buntschillernden Fächern für frische Luft sorgten. Und er dachte an seine Frau.

Nein, das darf ich nicht tun, ermahnte er sich. Ich verliere den Verstand, wenn ich jetzt an sie denke.

2.

Geschickt lenkte Amunhotep das Boot um einige gemauerte Kurven, hinein in das verwirrende Netz der Kanäle. Der von Fackeln hell erleuchtete Palast des Pharao entglitt ihrem Blickfeld. Sie ruderten unter einem Pylon hindurch und befanden sich mit einem Mal in der dunklen, schläfrigen Residenzstadt. Ab und zu tauchte der Anlegeplatz eines vornehmen Hauses am Kanalufer auf, und Fackeln warfen ihren Schein auf feuchte Steinstufen. Die weißgetünchten Häuser, in der Nacht fahl schimmernd, versteckten sich hinter Palmenhainen und Papyrusdickichten. Manchmal blitzte ein Licht in den Häuserfronten auf oder der Schatten eines Menschen wanderte vor einer erleuchteten Eingangsfassade. Die Ruhe war vollkommen, nur selten unterbrochen von entferntem Lachen oder dem Schnattern einer aufgeschreckten Ente.

Kenamun wies ihm schweigend den Weg. Als Amunhotep in einen besonders schmalen Kanal einbog, musste er eine Stakstange zu Hilfe nehmen. Der geringe Wasserpegel machte es nicht einfacher. Endlich deutete Kenamun auf eine schmale, aus dem Wasser ragende und von Moos überwucherte Holztreppe. Amunhotep sprang aus dem Boot und band es fest, bevor er drei, vier glitschige und moosbewachsene Stufen hinaufstieg. Sie ließen vermuten, dass der Wesir vorzog, sich würdevoll in einer Sänfte über die gepflasterten Wege der Residenz tragen zu lassen. Oben auf der Rasenfläche blieb Amunhotep stehen und wartete auf Kenamun, dann erst blickte er sich um. Das Haus des Wesirs verbarg sich tief in einem Palmenwäldchen. Es war nicht so ausladend wie die Häuser anderer Adliger, und sein makelloses und schlichtes Äußeres passte zu Seûna. Aus dem Obergeschoss drang schwaches Licht.

Der lange Kiesweg kündigte ihre Ankunft knirschend an. Zwei Wachtposten ließen sich ihre Überraschung nicht anmerken und hoben grüßend die Speere, als Amunhotep die Stufen zur Eingangstür hinaufstieg. Ein Diener öffnete auf sein Klopfen, musterte ihn angestrengt und entdeckte schließlich das königliche Falkensiegel an seinem Gürtelschal. Bevor er in die Knie gehen konnte, hatte Amunhotep ihn ins Innere geschoben und die Tür wieder geschlossen.

»Wo ist die Herrin Meritamun?«, herrschte er ihn an.

Der Diener zögerte mit seiner Antwort eine Spur zu lange. »Im Obergeschoss, aber sie schläft. Kann ich dir …«

»Nein. Lass dir nicht einfallen, dich oben blicken zu lassen.« Amunhotep betrat eine spärlich möblierte Empfangshalle mit makellos geputztem Fliesenboden und Bildern der Amunsbarke an den Wänden. Aus dem Schrein des Gottes kräuselte Rauch und wand sich durch die halbgeöffneten Fenster. Vorhänge östlicher Machart teilten eine Treppe von dem übrigen Raum ab. Er eilte hinauf. Hier im Obergeschoss führte ein halbes Dutzend Durchgänge zu anderen Zimmern. Kenamun deutete auf eine Dienerin, die vor einer Tür hockte und schlief.

Amunhotep nickte und machte einen Schritt auf sie zu, da schreckte sie hoch. Sie rappelte sich auf die Füße und baute sich vor der Tür auf.

»Lass mich hinein«, befahl Amunhotep, aber die Frau legte die Hände auf den Türrahmen.

»Niemand darf hinein«, sagte sie heiser.

»Aber Frau!«, rief Kenamun »Weißt du nicht, wen du vor dir hast?«

Trotzig schüttelte sie den Kopf. »Ich weiß nur, dass der Herr Seûna mich schlägt, wenn ich jemanden zu ihr lasse.«

»Jetzt habe ich aber genug von diesem Unsinn.« Amunhotep packte ihren Arm und stieß sie so heftig zur Seite, dass sie auf ihren Hintern fiel. Er riss die Tür auf. Abgestandene Luft, mit einem bitteren Beigeschmack vermengt, schlug ihm entgegen. Das Zimmer lag fast im Dunkeln, nur eine winzige Lampe stand auf einem Tisch. Meritamun saß auf einer Bank unterhalb des Fensters über einer Stickarbeit. Sie hob den Kopf erst, als er vor ihr stand.

Zweifelnd erschien eine steile Falte auf ihrer Stirn. Sie biss sich auf die Lippen. Ihre Haut schimmerte angespannt und bleich, und das einstmals schöne, dichte Haar hing strähnig an ihr herunter. Er stöhnte innerlich über die ungesunde Zerbrechlichkeit, die sie ausstrahlte.

»Du«, murmelte sie, »du kannst keine Ruhe finden, aber warum tauchst du ausgerechnet hier auf? Warum machst du nicht Ta-set-neferu unsicher, die Grabstätte der Königssöhne?« Sie streckte vorsichtig eine Hand aus und berührte seine Brust. »Du bist sein Ba. Und so wirklich!«

Er setzte sich neben sie. »Nein, Meritamun, ich bin nicht nur mein Ba. Ich vereine noch alle meine Seelen in mir, denn ich lebe.«

»Aber wie kann das sein?« Sie nahm ihre Stickarbeit wieder auf. »Vater hat dich für tot erklärt, also bist du tot. Der Gott kann sich doch nicht irren!«

Er warf einen Blick auf ihre Stickerei. Im Gegensatz zu den Arbeiten, die er von ihr kannte, wirkte diese grob und unbeholfen. Bedachtsam drehte er ihren Kopf zu sich und sah sie an. Ein scharfer Geruch schwang in ihrem Atem mit.

»Ich würde gerne wissen, was das für eine betäubende Arznei ist, die man dir gibt. Deine Augen sind so glanzlos.«

»Seûna sagt, es sei Bilsenkraut«, erwiderte sie leise. »Ich nehme es gegen meine Schwermut.« Sie drückte ihre Wange an seinen Hals. »Du fühlst dich wirklich an wie ein lebendiger Körper. Bruder, du hast Osiris’ Reich tatsächlich verlassen?«

»Ich war nicht tot. Man hat es lediglich vermutet und für die Wahrheit erklärt, warum auch immer. Ich war … ich hielt mich einige Wochen in Dimaschka auf und segelte dann von Tyrus aus hierher.«

Meritamun betastete vorsichtig sein Gesicht. »Du lebst … Du warst tot? Ich weiß nicht, ich begreife es nicht … Aber es ist schön, dich wiederzusehen.« Eine Spur des alten Glanzes kehrte in ihre Augen zurück. Amunhotep drückte den zierlichen Körper fest an sich. Eine lange Weile war sie unfähig, etwas zu sagen, sie weinte leise und umklammerte ihn. »Ach, Bruder, alles ist so schrecklich, ich habe meine liebe Freundin verloren. Ich war so verzweifelt.«

Meritamun zuckte zusammen, denn jetzt kniete Kenamun vor ihr und hob bittend die Hand. Sie legte ihre Hand in seine, damit er sie küssen konnte. »Du bist auch hier?« Flüchtig strich sie über sein rotschimmerndes Kraushaar und lächelte erfreut. »Ich habe dich lange nicht gesehen. Ach, Amunhotep, ich glaube, es gibt doch noch einen guten Gott. Ich möchte gerne wieder bei dir im Garten sitzen wie früher und über alles Mögliche reden.«

»Was hindert dich daran? Du kannst jederzeit kommen und gehen, Seûna hält dich ja nicht gefangen.« Er sagte es leichthin, fürchtete aber zugleich, dass es auf irgendeine Art so sein könnte.

»Seûna ist ein freundlicher, zuvorkommender Mensch, und ich bin gern hier. Du hast dein eigenes Haus, du weißt nicht mehr, wie schlimm das Geschnatter des Frauenhauses in den Ohren klingen kann. Hier ist ein guter Ort, um sich zu erholen und zu vergessen. Aber da du wieder da bist, muss er sich die Heirat mit mir aus dem Kopf schlagen. Ich hatte nichts dagegen, seine Frau zu werden; er liebt mich. Du könntest mich nie so lieben, wie du Schischwa geliebt hast.«

»Ach, Schwester … darüber können wir ein andermal reden. Jetzt will ich nur eines wissen: Was weißt du über ihre Krankheit?«

»Welche Krankheit? Von wem sprichst du?«

»Von Schischwa.«

Sie krauste die Stirn. »Ja, man sagte mir, sie sei krank gewesen.«

Amunhotep sah Kenamun an, der zuckte nur mit den Achseln.

»Meritamun!« Er fasste ihre Schultern und zwang sich, nicht zu fest zu greifen. »Was weißt du über ihren Tod?«

Plötzlich versteifte sie sich, starrte durch ihn hindurch, mit einem Ausdruck blanken Entsetzens. Es war der gleiche Ausdruck, wie er ihn in den Augen der nubischen Sklavin wahrgenommen hatte. Für einen kurzen Augenblick erbebte Meritamun am ganzen Körper, keuchte schwer und sank dann in sich zusammen. Er hob ihr Gesicht und betrachtete ihre ermatteten Augen. Aber sie schüttelte nur den Kopf.

»Ich weiß nichts darüber«, flüsterte sie, »nur das, was man mir erzählte. Ich kann mich nicht erinnern.«

»An ihren Tod? Meritamun, denk nach. Woran kannst du dich erinnern?«

Sie stöhnte, schluckte ein paar Mal und sagte mit schleppender Stimme: »An den Tag, als wir den Ausflug in die Wüste machten. Als du versucht hast, deinen Streitwagen mit den Hüften zu lenken und gleichzeitig den Bogen zu spannen. Ja, daran erinnere ich mich gut. Und ich weiß auch noch, wie du mit dem Befehlshaber Djehuti nach Syrien aufgebrochen bist. Wir haben uns am Hafen versammelt, um dein Schiff zu verabschieden. Ich sah Schischwa in der Menschenmenge stehen und dir zuwinken, als es ablegte. Von den darauf folgenden Wochen weiß ich nichts mehr, da ist nur eine klaffende Lücke in meinem Kopf. Ich habe keine Erinnerung an das, was ich tat, wo ich war – nichts mehr.«

Sie begann heftig zu weinen, und wieder fiel ihm ihr scharfer Atem auf. Fassungslos starrte er auf ihre zu Boden gerutschte Stickerei. Ihm kam erneut der Gedanke, dass er dem Ablauf seines Schicksals in die Quere gekommen war, da er in der Wüste aufgewacht war, statt zu sterben. Amuns Wunder … Amuns Unheil!

Schritte auf dem Kiesweg rissen ihn aus seiner Benommenheit. Kenamun stand schon am Fenster und sah hinunter. Ein junger Mann, kaum älter als zwanzig Jahre, näherte sich dem Haus. Sein vornehm gefältelter Schurz und der üppige Goldschmuck an Hals und Armen verrieten, dass er keineswegs zum Gesinde gehörte. Amunhotep wechselte mit Kenamun einen raschen Blick; er verabschiedete sich von seiner Schwester, obschon ungern. Sie presste ihre Wange an seine Hand.

»Komm wieder, Bruder, ich flehe dich an! Du hast mir so gefehlt.«

»Ich verspreche es. Die Göttin Mut soll dich segnen.«

Draußen auf dem Flur trippelte die Dienerin ungeduldig auf den Füßen und huschte ins Zimmer, sobald er auf der Treppe war.

Die Haustür schwang auf. Der Mann schien nicht weiter überrascht, als er Amunhotep und Kenamun die Treppe herunterkommen sah. Er verneigte sich mit gekreuzten Armen.

»Prinz Amunhotep«, sagte er freundlich, »es ist mir eine Ehre und Freude, dich im Haus meines Vaters willkommen zu heißen. Ich bin Rûa, der Sohn des Wesirs. Ich vernahm soeben auf meinem abendlichen Spaziergang die Neuigkeit, dass du wieder unter den Lebenden weilst. Dank sei Amun! Was kann ich für dich tun?«

Sein Gesicht schien offen und ohne Arglist. Rûa ähnelte seinem Vater, auch in seiner gepflegten Aufmachung. Sein Schurz wirkte wie frisch angelegt, und er war tadellos geschminkt. »Ich bedaure, dass ich nicht auf deinem Fest erschienen bin, aber ich war drüben in Opet im Tempel und wusste nichts davon. Umso mehr freut es mich, dich jetzt kennenzulernen.«

Amunhotep ging an ihm vorbei, als sei es das Selbstverständlichste, in anderer Leute Häuser aufzutauchen und wieder zu gehen. »Was hast du denn im Tempel gemacht?«

»Ich habe mir im Lebenshaus alte Scheunenlisten angesehen. Der Falke hat mich zum Verwalter des Palastes erhoben. Außerdem hat er mich mit einem Anbau in der Nähe der Festhalle beauftragt, denn ich habe auch eine Ausbildung als Architekt.«