María Hesse

Frida Kahlo

Eine Biografie

Aus dem Spanischen von Svenja Becker

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Insel

Für Alfonso, dank dir bin ich
ein besserer Mensch.

Wer das eigene Leid einmauert,
läuft Gefahr, dass es ihn von
innen verschlingt.

Frida Kahlo

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Einleitung

Über Frida Kahlo wurde schon so viel geschrieben, wozu also aufs Neue?

Anscheinend kennen alle Frida Kahlo. Jedenfalls haben wir alle ein mehr oder weniger klares Bild von ihr als Person und als Künstlerin. In Interviews und Briefen, mit ihrem Tagebuch und natürlich mit ihrem Werk hat sie uns umfangreiche Zeugnisse ihres Lebens hinterlassen. Je mehr man aber über sie erfährt, über sie liest und ihre Gemälde und Zeichnungen studiert, desto mehr beschleicht einen das Gefühl, nur einen Ausschnitt ihres Lebens zu kennen und nur Bruchstücke dessen, was ihr durch den Kopf ging.

Frida schmückte die Ereignisse aus, sie erfand, sagte die Wahrheit und widersprach sich. Vor allem wechselte ihre Darstellung des Geschehens von einem Brief zum nächsten, je nachdem welche Grundstimmung gerade bei ihr vorherrschte. Ein Leben in Extremen, changierend zwischen Farbe und Schwärze, zwischen Glück und tiefer Trauer, zwischen Lachen und Singen, mit dem sie um Aufmerksamkeit buhlte, und der Stille und Einsamkeit in ihrem Atelier, wo sie in größter Seelennot malte. Aber genau darin liegen auch ihr Reiz und ihr Zauber. Dass es keine Rolle spielt, was wirklich passiert ist. Dass die packendere Frage oft lautet, wie sie es erlebt hat, und davon können wir wenigstens eine Ahnung bekommen.

Dieses Buch erzählt weder Fridas tatsächliches Leben noch das von ihr erfundene. Vielmehr mischt es beide, weil ich glaube, dass manchmal das wirkliche Geschehen interessanter gewesen ist als die Fiktion; andere Male bleibe ich lieber bei Fridas eigener Wahrheit.

Und noch eine kleine Empfehlung zum Schluss: Wer Frida Kahlo möglichst unverfälscht kennenlernen möchte, der verliere sich in ihren Gemälden, denn in jedem hat sie uns kleine Botschaften über sich hinterlassen. Die wahre Frida lebt in ihren Bildern.

Frida Kahlo

8-9.tif

Ich male mich selbst, weil ich mich am besten kenne.

Träume oder Albträume male ich nie. Ich male meine eigene Wirklichkeit.

Mein Name ist Magdalena Carmen Frieda Kahlo y Calderón, und ich wurde am 6. Juli 1907 in Coyoacán geboren.

Von Geburt an musste ich gegen eine Krankheit kämpfen, die mein gesamtes Leben prägte. Manche sagen, es sei Kinderlähmung gewesen, aber in Wahrheit litt ich unter Spina bifida.

1925

Partout möchte das Leben mein Freund sein und das Schicksal mein Feind.

Am 17. September prallt der Autobus, in dem ich sitze, auf eine Straßenbahn. Ich werde schwer verletzt und wäre fast gestorben.

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1929

Ich würde Dir gern all das geben, was Du nie hattest, doch nicht einmal dann könntest Du ermessen, wie wunderbar es ist, Dich zu lieben.

Am 21. August heirate ich Diego Rivera.

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1931–1934

Man muss sich nichts vormachen, ohne Schmerz können wir Frauen nicht leben.

Diego und ich ziehen in die Vereinigten Staaten.

Dort erleide ich meine zweite Fehlgeburt. Ich habe großes Heimweh nach Mexiko.

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1935

Bloß gut, dass ich mich langsam an das Leiden gewöhne.

Wir kehren nach Mexiko zurück. Diego hat eine Affäre mit meiner Schwester.

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1937

Der Mensch ist Herr über sein Schicksal, und sein Schicksal ist die Erde, und er selbst zerstört sie, bis er ohne Schicksal ist.

Als er ins Exil geht, nehmen wir Trotzki bei uns auf. Unvermeidlich habe ich ein Techtelmechtel mit ihm.

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1939

Man hielt mich für eine Surrealistin.

Ich stelle in Paris aus. Die Franzosen empfangen mich mit offenen Armen.

1939

Ich hatte zwei schwere Unfälle im Leben, beim ersten hat ein Autobus mich von den Füßen geholt ... Der andere Unfall ist Diego.

Diego bittet mich um die Scheidung.

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1940

Ich trank, um meinen Kummer zu ersäufen, aber der Mistkerl hat schwimmen gelernt.

Nach dem Mord an Trotzki werde ich verhört. Mein Gesundheitszustand und meine Schwermut verschlimmern sich. Nach wenigen Monaten der Trennung heiraten Diego und ich zum zweiten Mal.

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1947–1951

Wozu brauche ich Füße, wenn ich Flügel habe zum Fliegen!

Eine endlose Odyssee von Operationen beginnt.

1952 wird mir das rechte Bein amputiert.

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1953

Herr Doktor, wenn Sie mir diesen Tequila gestatten, dann bleibe ich auf meiner Beerdigung nüchtern, versprochen.

Meine erste Ausstellung in Mexiko. Der Arzt untersagt mir, das Bett zu verlassen. Ich halte mich daran und nehme es mit zur Vernissage.

1954

Ich hoffe, der Aufbruch wird freudig und ohne Wiederkehr.

Ich bin erst siebenundvierzig, aber mein Körper ist erschöpft von den vielen Schmerzen. Alles Leiden hat sein Ende.

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Ich heiße Magdalena Carmen Frida Kahlo Calderón. Geboren wurde ich am 6. Juli 1907 in Coyoacán, habe aber immer gern behauptet, ich sei 1910 geboren. Nicht um mich aus Eitelkeit jünger zu machen, sondern weil in dem Jahr die mexikanische Revolution begann, und ich bin eine Revolution.

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Meine Mutter war eine kleine Frau mit sehr schönen Augen, einem feingeschnittenen Mund, dunkler Haut. Ein Blümchen aus Oaxaca. Sehr gewinnend, umtriebig, klug. Sie konnte nicht lesen und schreiben, sie konnte nur das Geld zählen.