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DAS ZUSAMMENSPIEL VON FUSS UND KÖRPER

Stellen Sie sich ein Mobile vor, das in perfektem Gleichgewicht von einer Decke hängt. Wenn nur ein winziger Teil des Mobiles weggenommen oder verändert wird, verliert das gesamte Mobile seine Balance und kippt.

Unser Organismus ist wie ein selbstregulierendes Mobile – er reagiert auf jede kleinste Veränderung und versucht die Balance zu halten. Wenn an irgendeiner Stelle eine Dysbalance oder Fehlhaltung entsteht, kompensiert der Körper das. Am Anfang oft, ohne dass wir es bemerken, doch nach längerer Zeit entwickeln sich durch jahrelange Fehlbelastungen oft schmerzhafte Symptome. Das Zusammenspiel von Fuß und Körper verdeutliche ich Ihnen am Beispiel des Knickfußes.

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Beim Knickfuß sind Sprung- und Fersenbein nach innen geknickt oder verdreht.

Der Knickfuß und seine Folgen

Es wird geschätzt, dass mehr als die Hälfte der Menschen in unseren Breitengraden einen Knickfuß haben. Dabei steht die Ferse nicht aufrecht, sondern ist nach innen geknickt – Sie sehen es auf dem Bild auf dieser Seite >. In der Regel macht das keine Beschwerden und man kann auf diese Weise jahrzehntelang ohne größere Probleme laufen.

Doch es ist ein Trugschluss zu denken, dass es ohne Folgen bleibt: Durch die vermehrte Belastung der Innenseite werden zum einen Bänder, Muskeln und Sehnen an der Innenseite permanent überdehnt. Das kann zu Ansatzreizungen führen oder auch dazu, dass man beim Gehen leichter umknickt. Die Knochen, die das Längsgewölbe formen, die also keinen Bodenkontakt haben, werden dann mehr belastet, als es sein sollte. Im Laufe der Jahrzehnte werden sie Richtung Boden gedrückt. Das Längsgewölbe flacht ab und es entsteht ein Senk- oder Plattfuß.

Durch die verstärkte Belastung der Innenseite bekommt nun auch das Großzehengrundgelenk mehr Druck und der große Zeh wird in Richtung kleiner Zeh geschoben. Das macht die Aktivierung der das Quergewölbe bildenden Muskulatur unmöglich. In der Folge flacht das Quergewölbe immer weiter ab, es entsteht ein Spreizfuß.

Knickfüße und die Körperhaltung

Belasten wir unsere Füße so, wie es sein sollte, stehen wir auf einer soliden Basis und der restliche Körper kann sich gerade darauf aufbauen. Sobald die Füße falsch belastet werden, nimmt eine Folgenkette ihren Lauf. Die Fußfehlstellung verursacht oft Probleme für die Beine, den Rumpf, die Wirbelsäule und die Stellung des Kopfes.

Die Fersen sollen aufrecht sein und weder zu stark nach innen noch zu stark nach außen gedreht werden. Auch das Längsgewölbe soll aufgerichtet sein. Bei vielen Menschen mit Knickfüßen zeigt sich auch an den Beinen ein Knick. Knickfüße und X-Beine gehen sehr häufig Hand in Hand und das bedeutet eine Fehlbelastung bei jedem Schritt. Umgekehrt können sich zum Beispiel auch Kieferprobleme oder Fehlhaltungen im Rücken ganz nach unten auf die Füße auswirken. Es gibt also nicht nur eine aufsteigende Kette, sondern auch eine absteigende.

Knickfüße können – neben einer Veränderung der Beinachsen – noch weitere Folgen haben:

• Beckenkippung nach hinten.

• Damit weniger Aktivität der Beckenbodenmuskulatur.

• Vermehrtes Hohlkreuz mit verstärkter Spannung in der Lendenwirbelsäule.

• Durch die Verkürzung der Hüftbeuger vermehrtes Vorbeugen mit Tendenz zum Rundrücken in der Brustwirbelsäule.

• Das begünstigt die Überstreckung der Halswirbelsäule.

Bereits geringe Abweichungen von der geraden Beinachse können schwere Folgen haben, die sich oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten schmerzhaft bemerkbar machen.

Nur Menschen gehen aufrecht

Ein herausragendes Merkmal des menschlichen Körpers ist die aufrechte Haltung. Damit unterscheiden wir uns von jedem anderen Lebewesen. Der aufrechte Gang ist nicht nur für sich allein etwas Besonderes, sondern hat auch für die Entwicklung des Gehirns eine entscheidende Rolle gespielt. Fehlt die Aufrichtung an den Füßen, wird sie auch an anderen Stellen des Körpers eingeschränkt sein. Und umgekehrt: Beckenprobleme wirken sich auch auf die Beine und die Füße aus. Ohne ausreichende Aufrichtung sind kein gesunder Stand und kein gesundes Gehen möglich.

FÜSSE IN NÖTEN

Fast alle Menschen in Westeuropa, nämlich ungefähr 98 Prozent, kommen mit gesunden Füßen zur Welt. Doch immer früher, häufig schon im Kindesalter, weisen viele der ursprünglich gesunden Füße Fehlstellungen auf oder bereiten Schmerzen. Über 40 Prozent der Menschen über 50 leiden unter Fußproblemen. Was fehlt unseren Füßen?

Die Hauptursachen der gängigen Fußschmerzen liegen buchstäblich auf der Straße: Die asphaltierten Gehwege sowie alle ebenen Wege bieten den Fuß- und Beinmuskeln nicht genügend Abwechslung und somit auch nicht genügend Training. Füße lieben nun mal Herausforderungen: unebene Böden, unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten und gern auch mal einen Stock oder einen Stein, auf den getreten wird. Die haben nämlich nicht nur einen Trainings-, sondern auch einen Massageeffekt und sorgen dafür, dass die Muskulatur und das Bindegewebe mit den Faszien an den Fußsohlen geschmeidig bleiben.

So nützlich Schuhe auch sein mögen: für die Kräftigung von Fußmuskeln sind sie nicht geeignet. Das funktioniert am besten barfuß. Je mehr gestützt, geschützt und gedämpft wird, desto weniger haben die Fußmuskulatur und all die anderen Strukturen zu tun. Das gilt auch, wenn der Mensch sich generell zu wenig bewegt. Es gibt natürlich noch eine Vielzahl von anderen Umständen und Erkrankungen, die zu Fußproblemen führen. Tatsache ist aber, dass sich durch den heutigen Lebensstil das Gehen verändert hat. Doch die biomechanischen und anatomischen Gegebenheiten haben sich nicht verändert. Wenn wir das wissen und damit intelligent umgehen, kann den Füßen geholfen werden. Füße in Nöten sind äußerst dankbar und regenerieren häufig schnell, wenn sie das bekommen, was sie wirklich brauchen.

DIE HÄUFIGSTEN FUSSFEHLSTELLUNGEN

Um eine leichte oder schwere Fußfehlstellung zu erkennen, ist es hilfreich zu wissen, was die Merkmale eines gesunden Fußes sind:

• Die Ferse ist gerade (im Lot).

• Das Längsgewölbe ist aufgerichtet.

• Die Zehen sind gerade und liegen entspannt am Boden.

• Die Fußnägel sind sichtbar und zeigen nach oben.

• Das Quergewölbe ist beim entlasteten Fuß als leichter Bogen sichtbar über alle fünf Grundgelenke (Fußknöchelreihe).

Der Knickfuß

Kennzeichen eines Knickfußes ist, dass Sprungbein und Fersenbein nicht aufrecht stehen, sondern mehr oder weniger stark nach innen geknickt oder gedreht sind. Es kann sein, dass ein Mensch im Stand keinen Knickfuß aufweist, sehr wohl aber beim Gehen. Häufig erkennt man einen Knickfuß auch an den Absätzen der Schuhe: Auf der Innenseite sind sie stärker abgelaufen als außen.

Ein lockerer Knickfuß lässt sich durch gezielte muskuläre Aktivität gut behandeln. Bei einem kontrakten Knickfuß ist das nicht mehr möglich: Der Fuß bleibt in seiner verdrehten Stellung und kann nicht mehr gerade gestellt werden. Doch auch dafür gibt es passende Maßnahmen und Übungen, die Schmerzen reduzieren und das Gehen erleichtern.

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Beim Plattfuß liegt das Längsgewölbe ganz flach am Boden. Der Mittelfuß ist dabei deutlich verbreitert.

Der Senk- und Plattfuß

Die Ferse ist das Steuerrad des Fußes: Ein Senkfuß entsteht häufig infolge eines Knickfußes (Knicksenkfuß) und zeigt sich in einer leichten oder stärkeren Abflachung des Längsgewölbes. Meistens verursacht ein leichter Senkfuß keine Beschwerden. Es gibt Menschen, deren Füße weisen im Stand einen Senkfuß auf, doch beim Gehen organisiert sich der Fuß und das Längsgewölbe baut sich auf.

Ist das Längsgewölbe völlig abgeflacht und liegt am Boden, spricht man von einem Plattfuß. Dann sind auch das Kahnbein, das mittlere Keilbein und der erste Mittelfußknochennach unten gedrückt. Der mittlere Teil des Fußes, die Fußtaille, ist beim normalen Fuß etwa zwei Drittel schmaler als der Vorfuß. Beim Senkfuß ist sie deutlich verbreitert und beim echten Plattfuß genauso breit oder sogar breiter als der Vorfuß. Das bedeutet eine schwere Störung der gesamten Fußstatik. Interessanterweise kommen viele Füße damit erstaunlich lange ohne spürbare Beschwerden zurecht. Doch irgendwann stellen sich in späten Jahren Schmerzen an der Fußsohle ein: dort wo sich die Ansatzsehnen der wichtigsten Muskeln befinden, die durch die Fehlstellung ständig überdehnt worden sind.

Der Hohlfuß

Das Gegenstück zum Platt- ist der Hohlfuß: Das Längsgewölbe ist nicht nur zu hoch, sondern auch fest und zeigt keine Elastizität mehr. Er tritt in zwei Formen auf: Der Ballenhohlfuß ist relativ häufig, bei ihm liegt das Körpergewicht infolge der Fußfehlbildung stärker auf dem Ballen. Beim seltener auftretenden Hackenhohlfuß liegt die Körperlast in stärkerem Maße auf der Ferse.

Beim Hohlfuß fällt vor allem die Starrheit des Fußes auf. Außerdem zeigen sich Spreizfuß, Hammer- oder Krallenzehen, Druckstellen und Hühneraugen. Genetische Faktoren spielen für die Entwicklung eines Hohlfußes ebenso eine Rolle wie neurologische.

Spreizfuß und Metatarsalgie

Bei einem Spreizfuß ist das Quergewölbe im Vorfuß vermindert. Die kurzen Fußmuskeln sind nicht mehr in der Lage, das Gewölbe aufzubauen. Je nach Schweregrad des Spreizfußes kommt es zu Schwielenbildung an druckungewohnten Stellen, unter und zwischen den Zehengrundgelenken II, III und IV sowie Spreizung der Mittelfußknochen und damit Verbreiterung des Vorfußes.

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Der Hallux valgus ist eine der häufigsten Fehlstellungen des Vorfußes.

Hallux valgus

Beim Hallux valgus handelt es sich um eine sichtbare Fehlstellung des großen Zehs. Dieser verschiebt sich in Richtung der Fußaußenseite und kann dabei auch unter oder über die benachbarten Zehen rutschen. In der Folge tritt der Ballen, also das Gelenk, an der Fußinnenseite deutlich hervor. In der Regel gibt es keinen Hallux valgus ohne Spreizfuß. Ab einem Winkel von 20 Grad zwischen Großzeh und dem ersten Mittelfußknochen spricht man vom Hallux valgus. Der bleibt nicht ohne Folgen: Die Lastverteilung des Körpers auf der Fußsohle verändert sich und häufig verlieren auch die anderen Zehen ihre gerade Stellung. Von einem Hallux valgus sind meistens Frauen betroffen, häufig auch junge Mädchen.

Die gute Nachricht ist: An funktionellen Fehlhaltungen können wir aktiv etwas verändern. Muskeln können wir trainieren und auch die Spannkraft des Bindegewebes kann positiv beeinflusst werden. Deswegen ist ein Hallux valgus im Anfangsstadium gut therapierbar. Bleibt er unbehandelt, kann sich der Großzeh in seiner Schieflage fixieren und wird immer unbeweglicher. Man spricht dann von einem Hallux rigidus.

Für viele Patienten ist es sehr schwer zu entscheiden, ob sie ihren Hallux valgus operieren lassen sollen oder nicht. Es gibt eine Vielzahl von Verfahren zur operativen Korrektur. Die Entscheidung hängt vom Schweregrad der Erkrankung und von den Schmerzen ab.

RISIKOFAKTOREN FÜR EINEIN HALLUX VALGUS

• Genetische Veranlagung

• Schwaches Bindegewebe

• Schwache Muskeln und Bänder

• Knick-, Senk-, Plattfuß, Spreizfuß, X-Beine

• Zu enge Schuhe, zu hohe Schuhe