VVorwort zur 2. Auflage

Eine Steuerung von Unternehmen ist ohne die Balanced Scorecard (BSC) kaum noch vorstellbar. Selbst in kirchlichen Institutionen, Vereinen, NPOs und Verwaltungen ist sie mittlerweile vielerorts im Einsatz und in Zukunft nicht mehr wegzudenken. Eine neue Auflage war daher sinnvoll.

Um die Lesbarkeit zu erhöhen und dem Leser eine einfache, aber solide Einführung in die BSC an die Hand zu geben, wurde das Buch gestrafft und beschränkt sich nun auf das Wesentliche – stellt das aber durchaus ausführlich dar, unterstützt von zahlreichen plastischen Beispielen.

Wir wünschen dem Leser mit diesem praktischen Helfer ein gutes Einarbeiten in die BSC und ein gelungenes Umsetzen aller BSC-Projekte.

Im Mai 2018

Germann Jossé

VIIVorwort zur 1. Auflage

Kaum ein Managementkonzept der letzten Jahre hat derart für Furore gesorgt wie die Balanced Scorecard (BSC) – und dies aus gutem Grund: Mit der BSC liegt (endlich!) ein solides Konzept vor, das nicht nur dazu zwingt, eine unternehmerische Vision und Strategie zu formulieren oder zu überdenken, sondern diese Strategie auch in Ziele transferiert und hilft, daraus Maßnahmen schlüssig abzuleiten. Plausible Kennzahlen (Indikatoren) sind auf allen Ebenen der Unternehmung nachvollziehbar, sodass Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen den einzelnen Perspektiven transparent und die Auswirkungen des eigenen Handelns bewusst werden.

Durch eine ganzheitliche Sicht werden Unternehmensstrategie, Ziele, Kennzahlen, Maßnahmen und Wirkungsbeziehungen – wie nie zuvor – in ein gemeinsames, unternehmensweites Konzept eingebunden. Die ersten Praxiserfolge in Großunternehmen lassen eine weitere starke Umsetzung – auch in mittleren Unternehmen erwarten.

Dieser Band richtet sich an Studenten, Team- und Projektleiter und all jene, die sich mit der Balanced Scorecard beschäftigen und ein praxisnahes, umsetzungsorientiertes Buch im Sinne einer Handlungsempfehlung benötigen. Es nennt Ansätze und Hintergründe, es zeigt Zusammenhänge auf und veranschaulicht Instrumente, es erklärt den Prozess der Entwicklung von Scorecards und deren Implementierung – neben der grundsätzlichen Vorgehensweise werden speziell auch funktionsspezifische Scorecards und Variationen durch zusätzliche Perspektiven diskutiert.

Eine Fülle von Beispielen und viele Abbildungen unterstützen die Textaussagen und verdeutlichen Konzept und Vorgehensweise einer BSC.

Zur Abrundung dienen zahlreiche Praxisfälle quer durch die Branchen – vom Industrieunternehmen über Einzelhandel und E-Commerce bis hin zum Fußballclub und öffentlichen Verwaltungen.

VIIIEin umfangreiches Glossar klärt kurz und prägnant die wesentlichen Begriffe. Das Stichwortverzeichnis am Ende des Buches dient der raschen Orientierung.

Mit diesem Buch wünschen wir dem Leser einen unverzichtbaren Helfer, der bei der Entwicklung und Umsetzung einer BSC stets zuverlässig zur Seite steht.

Im Herbst 2004

Germann Jossé

Zur Kurzorientierung:

XIIIAbkürzungsverzeichnis

AfA

Absetzung für Abnutzung (Abschreibung)

AG

Aktiengesellschaft

B2B

Business to Business

B2C

Business to Customer

BEP

Break-Even-Point (Gewinnschwelle)

BET

Break-even-Time

BSC

Balanced Scorecard

BCR

Balanced Chance and Risk Management

BFuP

Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift)

BVW

betriebliches Vorschlagswesen

BWA

Betriebswirtschaftliche Analyse

CFROI

Cashflow-Return on Investment

CLV

Customer Lifetime Value

CM

controller magazin (Zeitschrift)

CRM

Customer Relationship Management

db

Stück-Deckungsbeitrag

DB

Datenbank; Deckungsbeitrag

DBU

Deckungsbeitragsintensität (in % vom Umsatz)

DCF

Discounted Cashflow

DL

Dienstleistung

DLZ

Durchlaufzeit

DV

Datenverarbeitung

EBIT

Earnings before Interest and Taxes

ECI

Employee Commitment Index

ECR

Efficient Consumer Response

EDI

Electronic Data Interface

EKR

Eigenkapitalrentabilität

EMAS

Eco-Management and Audit Scheme

EVA

Economic Value Added

F&E

Forschung und Entwicklung

FYP

First Yield Pass

GF

Geschäftsführer/-ung

XIVGH

Großhandel

GKR

Gesamtkapitalrentabilität

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

H.

Heft

HCI

Happy Customer Index

HEI

Happy Employee Index

HR

Human Resources

IA

Internal Audit

IfH

Institut für Handelsforschung (an der Universität zu Köln)

IKT

Informations- und Kommunikationstechnologie

ISO

International Standards Organization

IT

Informationstechnologie

JIT

Just-in-time

KA

Key Account(s)

KAM

Key-Account-Management

Kap.

Kapitel

KG

Kommanditgesellschaft

krp

Kostenrechnungspraxis (Zeitschrift)

LUG

Lagerumschlagsgeschwindigkeit

MA

Mitarbeiter

m.a.W.

mit anderen Worten

MbO

Management by Objectives

MCE

Manufacturing Cycle Effectiveness

MIS

Management-Informationssystem

NOPAT

Net Operating Profit after Taxes

NOA

Net Operating Assets

ODP

Order Delivery Performance

OHG

Offene Handelsgesellschaft

OLAP

Online Analytical Processing

OTD

On-Time-Delivery

p. a.

pro Jahr

POS

Point of Sale

PP

Prozentpunkte

PPM

Parts per Million

PPS

Produktionsplanung und -steuerung

XVPuK

Planung und Kontrolle

PV

Produktionsvolumen

ROCE

Return on Capital Employed

ROI

Return on Investment

RONA

Return on Net Assets

Σ

Summe

SBS

Sustainable Balanced Scorecard

SC

Supply Chain; Scorecard

SCBSC

Supply-Chain-BSC

SCM

Supply-Chain-Management

SGE

Strategische Geschäftseinheit

StO

Standort

TQM

Total Quality Management

UWF

UmweltWirtschaftsForum (Zeitschrift)

vol.

Volume (Band)

WWS

Warenwirtschaftssystem

ZfCM

Zeitschrift für Controlling und Management

zfo

Zeitschrift für Führung und Organisation

11. Kapitel
 
Grundlagen der Balanced Scorecard

1.1 Zum Auftakt: Ein Alltagsbeispiel

Stellen Sie sich einen Samstagabend in einem gut besuchten Restaurant vor, das die Gäste aufgrund seiner guten Küche gerne frequentieren.

Im Laufe eines Abends geschieht vieles, was zum Gelingen beiträgt, sodass sich die Gäste wohl fühlen und gerne wiederkehren und das Restaurant weiterempfehlen. Umgekehrt kann genauso viel dazu beitragen, dass die Gäste unzufrieden sind und zukünftig eher ausbleiben. Dadurch sinken die Umsätze, die Erfolgssituation verschlechtert sich. Wenn der Besitzer des Restaurants nur auf die Umsatzzahlen am Ende eines Tages oder Monats achtet, wird er erst relativ spät feststellen, dass in seinem Betrieb „der Wurm steckt“. Besser wäre es daher, schon vorher Indizien für die (negative) Erlösentwicklung zu erkennen, damit frühzeitig gegengesteuert werden kann.

Und tatsächlich gibt es eine Reihe von Bestimmungsfaktoren, die den Erfolg des Restaurants ausmachen: So z. B. die Qualität der Speisen und die Freundlichkeit des Servicepersonals. Würde während des Abends auf diese geachtet werden, könnte manches Ärgernis vermieden und der Umsatz auf dem gewünschten Niveau gehalten oder gar gesteigert werden. Aber damit nicht genug: Hinter der Qualität der Speisen und der Servicefreundlichkeit liegen weitere 2Faktoren, nochmals zeitlich vorgelagert, die eine frühzeitige Steuerung im gewünschten Sinne ermöglichen: So z. B. die Lern- und Experimentierfreude des Koches, ein positives Betriebsklima, effiziente Abläufe und anderes mehr. Der Koch, der in seinem Bereich die Übersicht bewahrt und seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen anspornt, oder der Chefkellner, der das Servicepersonal koordiniert, kleine Fehler erkennt und ausbügeln hilft, übernehmen eine Steuerungsfunktion während der Betrieb läuft und helfen so, dass sich mögliche Mängel nicht in der Kasse und beim Trinkgeld auswirken.

Zwar will jede Unternehmung am Ende einer Abrechnungsperiode einen monetären Erfolg erzielt haben, das Beispiel aber zeigt, dass die Steuerung während der Periode eher durch nicht-monetäre Faktoren erfolgt, wie z. B. das Verkürzen von Wartezeiten oder der Umgang der Personals untereinander und mit den Gästen. Ebenso zeigt das Beispiel, dass der Erfolg das Resultat vieler Faktoren ist und sich Mängel bei einem Faktor (z. B. Betriebsklima) auf andere Faktoren (z. B. Freundlichkeit) auswirken können. Damit haben einige der Einflussfaktoren auf das gesamte Gelingen mehr den Charakter von (vorgelagerten) Ursachen, andere mehr jenen von (nachgelagerten) Folgen – je früher der Hebel zur Verbesserung angesetzt wird, umso leichter wird das Restaurant erfolgreich bestehen können.

Eine solch ganzheitliche Sicht verfolgt das Konzept der Balanced Scorecard (BSC), in der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge untersucht und erkannt werden, wobei speziell Steuerungsgrößen für verschiedene Bereiche bestimmt und in ihrem Wirkungszusammenhang dargestellt werden. Einige dieser Größen sind monetärer Natur (vor allem auf der Finanz- und Ergebnisperspektive), die meisten allerdings sind nicht in Geld ausdrückbar: dabei handelt es sich um vorgelagerte Größen, die ein frühzeitiges Eingreifen ermöglichen (z. B. auf der Kundenperspektive, der Prozessperspektive und der Mitarbeiterperspektive).

Wenn im obigen Beispiel Besitzer, Chefkoch und Chefkellner ihre Bereiche ständig im Blick haben und bei Abweichungen Maßnahmen ergreifen, wenn sie außerdem ihre Mitarbeiter dahingehend fördern, Fehler selbst zu erkennen, zu vermeiden und Verbesserungen zu initiieren, so folgen sie intuitiv dem Grundgedanken des 3BSC-Konzepts. Ab einer gewissen Betriebsgröße reicht Intuition allerdings nicht mehr aus – hier bedarf es einer systematischen Untersuchung der Zusammenhänge, einer ebenso systematischen Ableitung von Zielen aus der Strategie und Entwicklung von Kennzahlen und Maßnahmen, wie es die BSC handhabt.

1.2 Einordnung des BSC-Konzepts

Kaum ein Management-Konzept bzw. -Instrument1 hat in den letzten Jahrzehnten in der Betriebswirtschaftslehre derart für Furore gesorgt wie die Balanced Scorecard seit ihrer Entwicklung und Veröffentlichung durch Kaplan und Norton im Jahre 1992: Nicht nur zeigen unzählige Veröffentlichungen – auch im deutschen Sprachraum – das breite Interesse, das diesem Management-Tool entgegengebracht wird. Die Umsetzung in einer Vielzahl von Unternehmen sowie die Fokussierung auf die BSC seitens Berater und Consulting-Unternehmen kann zudem als Indiz dafür genommen werden, dass mit der BSC ein tatsächlich praxisnaher und -tauglicher Ansatz vorliegt.

Damit unterscheidet sich die BSC von vielen Ansätzen, wie z. B. Business Reengineering, Lean Management oder Total Quality Management, die zuvor breit propagiert, aber selten plausibel oder gar ganzheitlich umgesetzt wurden.

In der Tat liegt mit der BSC ein Konzept vor, das wesentliche Pluspunkte aufweist:

Damit ist die BSC mehr als ein neues Kennzahlenkonzept:6 Sie unterstützt das Management bei ihrer Kernaufgabe der Planung, Steuerung und Kontrolle. Mit der BSC werden – ausgehend von der Vision einer Unternehmung – sukzessive Strategien abgeleitet, daraus Ziele formuliert und diesen Kennzahlen als Messgrößen der Zielerreichung zugeordnet. Schließlich werden Maßnahmen bestimmt, um die Umsetzung der Strategien und Ziele zu sichern.

Die BSC bietet damit eine integrative Lösung zur Steuerung der Unternehmung, und zwar quer durch die Hierarchien. Sie ist ein Ansatz, der nicht nur die Auswirkungen, sondern auch deren Ursachen und Querverbindungen aufzeigt und verständlich macht; ein Ansatz, der Zusammenhänge verdeutlicht und durch die Fokussierung auf die wesentlichen Bestimmungsgrößen gleichwohl überschaubar bleibt, jederzeit nachvollziehbar ist und – wie die weltweite Umsetzung zeigt – absolut praxistauglich ist.

5Da mit Hilfe der BSC speziell auch Frühindikatoren abgebildet werden, die drohende Abweichungen mit teils deutlichem zeitlichen Vorlauf anzeigen und so einen Handlungsbedarf signalisieren, erfüllt die BSC gleichzeitig die Forderungen des KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz in der Unternehmung), wonach ein Risikomanagementsystem einzurichten ist. Innerhalb eines solchen kann die BSC das zentrale Steuerungsinstrument darstellen, wie auch innerhalb eines Strategischen Managements im Allgemeinen.

Mit einer BSC werden nicht nur Visionen, Strategien und Ziele entwickelt, sondern auch deren Umsetzung in ein gemeinsames „Gerüst“ eingebunden. Außerdem vereint die BSC die Managementfunktionen (laufende) Steuerung, aber auch Planung und Kontrolle auf strategischer Ebene und deren „Übersetzung“ auf die operative Ebene. Insgesamt liegt damit ein umfassendes, integratives Managementsystem vor, das über bestehende Kennzahlensysteme deutlich hinausgeht.7

Der Begriff „Balanced Scorecard“ kann mit „ausgewogener Berichtskarte“ übersetzt werden, was im Deutschen natürlich etwas hölzern klingt. Ein Blick auf die Begriffsbestandteile verdeutlicht die strategische, ganzheitliche Sichtweise:8

Der Begriff „Scorecard“ stammt aus dem Sport, speziell beim Golf werden Ergebnis- oder Zählkarten verwendet, die Teilergebnisse und Gesamtergebnis ausweisen. Als „Balanced Scorecard“ beinhaltet jede Berichtskarte mehrere Blickwinkel (Perspektiven), die ausgewogen berücksichtigt sind und die Unternehmung bzw. deren wesentlichen Erfolgspotentiale abbilden.

61.3 Kennzahlen und Kennzahlenkonzepte

Historisch gesehen war das Rechnungswesen schon immer ein Kernstück der Betriebswirtschaftslehre. Folgerichtig ist das Bestreben, eine Unternehmung über Kennzahlen zu steuern, nicht neu. In der Tat wurden in den letzten Jahren viele „neue“ Kennzahlen als jeweils die Mega-Kennzahl propagiert, wie z. B. Economic Value Added (EVA), Discounted Cashflow (DCF) oder verschiedene Ergebnis- und Rentabilitätsvarianten wie Return on Capital Employed (ROCE) oder Earnings before Interest and Taxes (EBIT) .

All diese Kennzahlen sehen sich zwei grundsätzlichen Kritikpunkten ausgesetzt:9 Sie fokussieren bei der Erfolgsbeurteilung jeweils eine einzige Größe. Außerdem ist diese Größe monetär, also eine Geldgröße. Es ist aber Tatsache, dass nicht-monetäre Größen für den Erfolg einer Unternehmung ebenso wichtig sind, wie z. B. das Know-how und die Zufriedenheit der Mitarbeiter, deren Leistungsbereitschaft, die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung und andere mehr.

Hinzu kommt, dass die meisten der genannten Kennzahlen zeitlich gesehen am Schluss einer Periode stehen und damit deren Ergebnis ausdrücken, nicht aber, wie dieses Ergebnis zustande kam oder beeinflusst werden kann. Zwar ist das Ergebnis einer Periode zweifelsohne von Bedeutung (z. B. aus Shareholdersicht), zur Steuerung während einer Periode werden aber gerade auch die nicht-monetären Größen benötigt; deren Vorteil: sie haben einen Vorlaufcharakter und zeigen spätere Ergebnisveränderungen frühzeitig an. So wird sich ohne Zweifel ein niedriges Commitment der Mitarbeiter auf die Prozesse der Unternehmung und damit auf die Zufriedenheit der Kunden auswirken. Umgekehrt wird eine hohe Lernbereitschaft auf Prozesse und Produkte wirken und damit eine höhere Kundenzufriedenheit und so letztlich höhere Umsätze bewirken. Und kürzere Durchlaufzeiten bspw. werden letztlich erlössteigernd und Kosten senkend wirken – in der nicht-monetären Größe „Durchlaufzeit“ sind deren Veränderungen viel schneller und deutlicher zu erfassen (und taugen so eher zur Steuerung) als in den zeitversetzten 7Auswirkungen auf monetärer Ebene. Damit stehen sich zwei grundsätzliche Kennzahlen-Arten gegenüber:

monetäre Größen

nicht-monetäre Größen

Wesen:

  • in € ausdrückbar
  • keine Geldgröße

Beispiele:

  • Gesamtergebnis
  • Cashflow
  • ROI
  • EVA
  • Eigenkaptalrenta-bilität
  • Durchlaufzeit
  • Auslastungsgrad
  • Ausschussquote
  • Innovationsquote
  • Mitarbeiterzufriedenheit

Aggregations-
grad:

  • hoch
  • niedrig

Frühindikator:

  • nein (lagging)
  • ja (leading indicator)

Steuerungs-
größe:

  • nein
  • ja

Orientierung:

  • zielorientiert
  • (ergebnisorientiert)
  • mittelorientiert
  • (inputorientiert)

Generierung:

  • vor allem branchenüblich
  • vor allem unterneh-mensspezifisch

Tab.1–1: Unterschiedliche Kennzahlen einer BSC

Monetäre oder wertmäßige Größen können absolute Zahlen (in €) oder Verhältniszahlen sein. Mit einer Beschränkung auf Gewinngrößen kann die Zielerreichung „Gewinn“ einfach kontrolliert werden. Außerdem haben sie den Vorteil, dass sie als hochaggregierte Kennzahlen in ihre (monetären) Bestandteile zerlegt werden können, wie dies im klassischen DuPont-Schema deutlich wird. Allerdings sind sie bereits für Planungszwecke höchst fragwürdig, da hierzu das Management alle Handlungen hinsichtlich ihrer kurz-und langfristigen Auswirkungen auf den Gewinn abschätzen können muss.10 Zudem spiegeln sie zwar auch nicht-monetäre Größen, aber ohne klaren Ursache-Wirkungszusammenhang: Dass sich z. B. die Kundenzufriedenheit oder die Reputation der Unternehmung letztlich auf den Gewinn auswirkt, ist zu vermuten; wie dieser Zusammenhang aber tatsächlich aussieht (und gesteuert werden kann!), erschließt sich allerdings nicht.

8Nicht-monetäre Größen betrachten i.d.R. einen betrieblichen Teilaspekt, wie z. B. die Mitarbeiterzufriedenheit oder den Auslastungsgrad in der Produktion; sie bilden die dort betrachteten Problemausschnitte nachvollziehbar ab. Damit taugen sie zur Steuerung im jeweiligen (engen) Kontext. Darüber hinaus wirken sie mit einer Vorlaufzeit auf den (späteren) Gewinn und haben somit die Funktion von Frühindikatoren.

Dabei bergen sie allerdings die Gefahr, dass durch einen engen Blickwinkel (auf den Detailaspekt) der Gesamtzusammenhang aus den Augen verloren wird. Da sie jeweils höchst unterschiedlich gebildet werden und ebenso unterschiedliche Benennungen haben, sind sie nur schwer aggregierbar – der Versuch, sie zu einem komplexen Kennzahlensystem auszubauen, endet oft in „Kennzahlengräbern“.11

An dieser Stelle muss die Frage erörtert werden, wie viele Kennzahlen eine Unternehmung braucht. Die bisherigen Ausführungen verdeutlichten bereits, dass eine Kennzahl allein kaum zur Steuerung taugt – höchstens zur Messung (im Nachhinein), inwieweit ein bestimmtes Ziel erreicht wurde.

Bei einer Autoreise wird der Fahrer auch nicht nur die Benzintankanzeige beobachten, denn ein ökonomischer Benzinverbrauch ist das Resultat vieler Faktoren, u.a. von Drehzahl, Reifendruck, Beladung oder Aufbauten. Werden diese vor und während der Fahrt kontrolliert, so wird das Ziel „niedriger Benzinverbrauch“ erreicht werden.

Nicht anders ist es in einer Unternehmung als hochkomplexem System: Auch hier tragen viele Faktoren auf der operativen wie der strategischen Ebene im Zusammenspiel zur gemeinsamen Zielerreichung bei. Zur Steuerung sind jene Faktoren zu beobachten und ggf. durch geeignete Maßnahmen zu beeinflussen.

Kennzahlensysteme resultieren aus dem Bestreben, solch komplexe Zusammenhänge aufzuzeigen. In der Vergangenheit wurden zahlreiche Systeme entwickelt, von denen die bedeutsamsten hier kurz skizziert werden sollen:

Das DuPont-Schema wurde bereits 1919 entwickelt. Es geht vom Ziel der Gewinnmaximierung aus, was sich im Return on Investment 9 (ROI) als Spitzenkennzahl ausdrückt;12 wird dieser heruntergebrochen, zeigt sich, welche monetären Größen diesen bewirkt haben. Das DuPont-Schema verwendet auf den obersten beiden Ebenen relative Kennzahlen, darunter nur noch absolute Wertgrößen, worin ein weiterer Kritikpunkt liegt: Aus absoluten €-Größen ist nicht direkt ersichtlich, inwieweit diese Größen sich unter- oder überproportional zur Betriebsgröße bzw. Ausbringungsmenge verändert haben – relative Kennzahlen sind insofern aussagekräftiger.13 Das Schema zeigt Abb.1–1.

Das ROI-Cashflow-Kennzahlensystem von Hahn ist im Kern damit vergleichbar, allerdings ist es deutlich differenzierter. Es fokussiert hauptsächlich auf ergebnis- und liquiditätsorientierte Wertgrößen, wie z. B. dem ROI, der Eigenkapitalrentabilität, dem Cashflow, dem CFROI und der Liquiditätsreserve.14.

Das ZVEI-Kennzahlensystem des Zentralverbandes der Elektrotechnischen Industrie soll die Effizienz einer Unternehmung ermitteln und Vergleiche innerhalb der Branche ermöglichen. Seine Spitzenkennzahl ist die Eigenkapital-Rentabilität, darunter liegen diverse Kennzahlengruppen (aus dem Rechnungswesen), auf deren Basis rund 200 Kennzahlen gebildet werden können; davon wird allerdings nur knapp die Hälfte gebraucht, der Rest dient nur als mathematische Verknüpfungen.15

Das RL-Kennzahlensystem von Reichmann und Lachnit kommt mit deutlich weniger Kennzahlen aus, wobei zum einen Rentabilitäts- und Liquiditätsgrößen (und deren Zustandekommen) in den Vordergrund gestellt werden, zum anderen maßgebliche Zusammenhänge zum Entstehen des Betriebserfolgs unternehmensindividuell abgebildet werden.16

10 img

Abb. 11: DuPont-Kennzahlensystem (Vgl. Jossé (2004); Grafik vgl. Weber/Schäffer (2000a), S. 2)

Die skizzierten Kennzahlensysteme stellen im Wesentlichen auf monetäre Wertgrößen ab,17 selbst wenn nicht nur Ergebnis- bzw. Rentabilitäts- sondern auch Liquiditätsgrößen fokussiert werden. Diese Eindimensionalität ist – trotz ihrer Überschaubarkeit – das Handicap von Kennzahlensystemen mit rein finanzieller18 Ausrichtung: „Selbst wenn die Ziele eines Unternehmens mit finanziellen Kenngrößen treffend beschrieben werden könnten, würde die rein finanzielle Abbildung des Unternehmens auf dem Weg der Zielerreichung kaum ausreichen, denn finanzieller Erfolg ist immer erst das Ergebnis vieler vorgelagerter Aktivitäten.“19 Mit anderen Worten: Ein aktueller Gewinn sagt nichts über laufende Aktivitäten, sondern nur etwas über vergangene Handlungen und Versäumnisse; oder umgekehrt: Um einen zukünftigen Gewinn zu erreichen, muss ein 11Kennzahlensystem auf die aktuellen Ziele und Maßnahmen abstellen.

Zur Steuerung während einer Periode wäre daher ein Kennzahlensystem sinnvoll, das nicht nur Wertgrößen, sondern auch – zeitlich vorgelagert – andere quantitative (z. B. Auslastungsgrad) sowie qualitative Größen (also „soft factors“ wie z. B. Motivation) abbildet. Die beiden letztgenannten Größenarten tragen als Leistungstreiber zum Ergebnis bei und beeinflussen dieses maßgeblich.20 Solche Kennzahlen werden in der betrieblichen Praxis intensiv und in vielfältiger Weise eingesetzt, da sie sich hervorragend zur Steuerung eignen. Und dies nicht nur im Rahmen der operativen Führung, sondern – als strategische Erfolgsfaktoren – auch im Rahmen der strategischen Führung, wo sie als „Vorsteuergrößen des Gewinns“ fungieren.21 Den Zusammenhang verdeutlicht Abb.1–2.

Mit der BSC liegt nun ein Zielsystem vor, das sich dieser Problematik nicht verschließt, sondern der zeitlichen Verzögerung zwischen betrieblichem Handeln und ökonomischem Erfolg Rechnung trägt. Damit überwindet es das Hauptproblem der klassischen, rein finanziell ausgerichteten Kennzahlensysteme. Und gleichzeitig bietet die BSC einen viel umfassenderen Überblick über die Unternehmung, die sie aus (i.d.R.) vier Perspektiven betrachtet.22

Zum Abschluss seien die Hauptkritikpunkte an klassischen Kennzahlensystemen zusammengefasst:23

12 img

Abb.1–2: Zusammenhang zwischen Steuerungs- und Ergebnisgrößen

1.4 Merkmale einer BSC

Die BSC schlechthin gibt es nicht. Stattdessen muss sie von jeder Unternehmung auf deren spezifische Situation und Bedürfnisse hin entwickelt werden. Deshalb werden i.d.R. die Art und Anzahl der gewählten Perspektiven und Kennzahlen voneinander abweichen. Trotzdem gelten gewisse Charakteristika allgemein für jede BSC:24

13 img

Abb.1–3: Komponenten der Balance in einer BSC (Grafik unter Verwendung von Fitz (2003), Folie 11)

14Da die einzelnen Perspektiven bei der Ableitung der strategischen Ziele gleichberechtigt betrachtet und monetäre als auch nicht-monetäre Kennzahlen ausgewogen berücksichtigt werden, entsteht so ein ausbalanciertes Zielsystem – eben eine „balanced scorecard“.26 Darüber hinaus besteht eine Balance bei Leistungsmessung und Kennzahlen, wie die Grafik zeigt (Abb.1–3).

1.4.1 Grundkonzept der BSC

Die BSC verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz: Klassische finanzwirtschaftliche Kennzahlen werden um nicht-monetäre Kennzahlen ergänzt; beide Messgrößen zusammen erfassen alle wesentlichen Erfolgsfaktoren entlang der Wertschöpfungskette einer Unternehmung, und zwar jeweils aus verschiedenen Blickwinkeln, den sog. Perspektiven. Die Kennzahlen einer Unternehmung sind miteinander vernetzt und messen, inwieweit die Ziele einer Perspektive erreicht wurden.

Gleichzeitig liegt damit eine konkrete Umsetzung der Vision und der Strategien einer Unternehmung vor – die Ziele werden direkt aus der Strategie abgeleitet und auf Interdependenzen geprüft. Sowohl Strategie als auch Ziele müssen kommuniziert werden, damit eine unternehmensweite Orientierung an diesen Vorgaben ermöglicht wird und (strategische) Lerneffekte eintreten. Nach Kaplan und Norton bietet die BSC so einen strategischen Handlungsrahmen (Abb.1–4).

In diesem Sinne ist die BSC eher ein Managementprozess als ein Measurement-Ansatz; deshalb kann sie durchaus als Grundpfeiler eines strategischen Managementsystems bezeichnet werden.27

1.4.2 Prozess der BSC-Entwicklung

In Abb.1–4 wird bereits der grundsätzliche Prozess der BSC-Entwicklung deutlich.28 Die BSC ist Transport- und Umsetzungsmittel im vierstufigen Managementprozess aus:

1a
Die Formulierung der Vision einer Unternehmung (z. B. „Wir wollen bis zum Jahr X die führende Unternehmung im Bereich 15Y sein“) ist der Ausgangspunkt. Hier geht es um eine Konsens-findung, auf deren Grundlage der normative Rahmen entwickelt bzw. angepasst wird. Außerdem bildet die Vision die verbindliche Basis zur Ableitung von Strategien.

img

Abb.1–4: Prozess der BSC (Grafik vgl. Kaplan/Norton (1997), S.10)

1b
Die Formulierung der Strategien ist der nächste Schritt; hier werden für einzelne strategische Geschäftseinheiten Strategien abgeleitet und beschrieben (z. B. „Wachstum durch Expansion im Markt Z“). Die Strategien müssen verbindlich sein und breit kommuniziert werden.
2a
Ableitung von Zielen für jede Perspektive: Auf Basis der Strategien werden nunmehr für jede Perspektive konkrete Ziele definiert 16(z. B. „Wir müssen die Kundenbetreuung aktiver gestalten“) und über Ursachen-Wirkungsketten miteinander verknüpft.
2b
Messgrößen und Zielwerte definieren: Für jedes Ziel muss eine geeignete Kennzahl als Messgröße gefunden und ein anzupeilender Zielwert bestimmt werden (z. B. Wiederverkaufsquote von 80%).
3
Bestimmung von Maßnahmen: Für jedes Ziel und zur Erreichung der definierten Zielwerte werden strategische Maßnahmen festgelegt (z. B. Key Account-Management einführen; Kundenbindungsprogramm einführen).
4
Strategisches Feedback und strategisches Lernen: Diese Prozessphase dient einer kontinuierlichen Verbesserung und Anpassung der BSC sowie der Entwicklung von strategischer Kompetenz. Sie verdeutlicht, dass die BSC nicht – einmal entwickelt – als statisches Gebilde angesehen wird, sondern durch Rückkoppelungen und Erfahrungen ständig angepasst wird.29

Ebenfalls möglich ist, dass in Schritt 2a relevante Ziele gesucht werden, verwandte Ziele werden dann zu Perspektiven geclustert. Damit wird erreicht, dass individuelle Belange besser und ohne vorherige Perspektiv-Festlegung berücksichtigt werden.

1.4.3 Perspektiven der BSC

Die BSC betrachtet die Unternehmung aus mehreren Blickwinkeln (statt nur aus einer Ergebnissicht); dazu wird sie in verschiedene Perspektiven aufgebrochen. Jede Perspektive fokussiert einen bestimmten Teil der Unternehmung und gleichzeitig ein (strategisches) Erfolgspotential, das seinen Teil zum Erreichen des Gesamtergebnisses beiträgt. Die klassischen Perspektiven und deren Alternativbezeichnungen sind wie folgt:

17Perspektive

Alternativbezeichnungen

Finanzperspektive

  • Finanz- und Ergebnisperspektive
  • Aktionärsperspektive
  • „financial“

Kundenperspektive

  • Kunden und Märkte
  • „customer“

Prozessperspektive

  • interne Geschäftsprozessperspektive
  • interne Perspektive

Potentialperspektive

  • „internal business process“
  • Mitarbeiterperspektive
  • Lern- und Entwicklungsperspektive
  • Innovationsperspektive
  • Neuausrichtung
  • „learning and growth“

Tab.1–2: Mögliche Benennung der Perspektiven

Nachdem Vision und Strategie festgelegt und kommuniziert sind, werden die relevanten Perspektiven bestimmt, für die dann Ziele, Kennzahlen und Maßnahmen geklärt werden müssen. Neben den klassischen vier Perspektiven können weitere Perspektiven hinzukommen.30

1.4.4 Nutzen einer BSC

Generell bietet die BSC folgende Vorteile:31

vgl.