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© für die Originalausgabe und das eBook:

2018 nymphenburger in der

F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, Stuttgart.

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: STUDIO LZ, Stuttgart

Satz und eBook-Produktion:

Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

www.Buch-Werkstatt.de

ISBN 978-3-485-02970-4

Inhalt

1. Liebe und Schamanismus

2. Die Werkzeuge des Schamanen

3. Die Liebe von außen betrachten

4. In die Liebe eintauchen

5. Die detaillierte Karte der Liebe

6. Der Aufbau von Barrieren in der Liebe

7. Der Umgang mit Barrieren in der Liebe

8. Die Liebe in zwischenmenschlichen Beziehungen

9. Die Liebe in weiteren Bereichen des Lebens

10. Wie weiter?

11. Und was ist nun Liebe wirklich?

1. Liebe und Schamanismus

In diesem Kapitel entdecken Sie,

worum es in diesem Buch geht,

ein Verständnis der Liebe,

was Schamanismus ist,

wieso es wichtig ist, Barrieren in der Liebe zu erkennen und zu überwinden,

wie schamanische Methoden den Weg zur Liebe unterstützen.

Gibt es Wichtigeres als die Liebe?

Wir empfinden wohl niemals größere Freude, als wenn wir Liebe spüren, und nirgends tieferen Schmerz, als dort, wo sie ausbleibt. Unsere besten Erinnerungen sind Erlebnisse der tiefen Nähe und Verbundenheit, unsere schlimmsten solche, wo diese Nähe und Verbundenheit verlorenging, etwa durch Trennung oder Tod. Liebe beschäftigt uns derart, dass sie sicherlich ein Grund für unser Dasein ist. So vernimmt man auch während der ganzen Geschichte der Menschheit, etwa in Literatur und Musik, immer das Gleiche: Liebe wird stark gewünscht, und es wird lange geklagt, wenn sie nicht gelingen will. Schon derart viele Generationen haben sich mit ihr beschäftigt, dass man glauben müsste, die Menschheit hätte dieses Thema verstanden, und dennoch ist offenbar nicht alles klar, denn die Sehnsucht und der Schmerz rund um die Liebe sind geblieben – für viele Menschen ein ganzes Leben lang.

Der Verdacht liegt deshalb nahe: Wir behandeln das Thema falsch. Vielleicht sind die Dinge anders, als sie uns normalerweise erscheinen. Wollen wir die Liebe wirklich verstehen, uns tiefer in den Fluss der Liebe begeben, so ist wahrscheinlich ein anderer Ansatz vonnöten. Und hier kann Schamanismus helfen.

Auch ich habe mich schon viele Jahre mit der Liebe auseinandergesetzt. Wie oft habe ich in meinen bisherigen Büchern geschrieben: »Der Schamane sucht den Weg zur Liebe. Dazu entscheidet er mit dem Herzen. Er wird dabei nach und nach Liebe.« Obwohl ich viele Schritte auf diesem Pfad gegangen bin, mich intensiv mit Liebe auseinandergesetzt habe, stellte ich immer wieder fest, dass mir wohl noch eine Einsicht fehlte, vermutlich sogar mehrere. Auch ich spüre noch intensive Sehnsucht nach Liebe, große Freude, wenn ich den Fluss der Liebe wahrnehme, und tiefen Schmerz, wenn dieser unterbrochen wird. Aber ich weiß: Löst etwas starke Empfindungen aus, so ist für den Schamanen klar, dass hier noch nicht alles erkannt ist. Hier braucht es noch Bewegung auf meinem Weg, hier muss noch gelernt, gearbeitet und geheilt und eben ein neuer Ansatz gefunden werden. Daran habe ich lange gearbeitet.

Dieses Buch zeigt, was ich dabei erkannt und gelernt habe. Das Wichtigste dabei ist der Umgang mit Barrieren, die den Fluss der Liebe unterbrechen.

Barrieren im Fluss der Liebe

Von Liebe wird zwar überall gesprochen, und unsere Sehnsucht nach Liebe ist riesig, doch wird der Fluss der Liebe ständig unterbrochen. Hinter fast jedem Thema, jedem Konflikt, jedem Problem steckt irgendwo ein Mangel an Liebe oder ein Hindernis, das diesen Fluss unterbricht. Es sind Abgrenzung, Wände oder Barrieren, die verhindern, dass sich Menschen auf beiden Seiten dieser Hindernisse miteinander verbunden fühlen. Deshalb sind unsere persönlichen Konflikte und Beziehungsprobleme mit anderen Menschen oder die Themen unserer Gesellschaft im Kern alles Themen der Liebe. Hierzu gehört etwa unser Umgang mit anderen Kulturen, mit der Altersvorsorge, mit der Wirtschaft, mit der Globalisierung, mit Terrorismus, mit Flüchtlingen oder mit der Klimaerwärmung und dergleichen. Oder konkreter formuliert: Unsere Probleme sind Situationen, in denen die Liebe mit allerlei Barrieren unterbrochen wurde. Denn würden wir uns mit den anderen Menschen verbunden fühlen, würden diese Barrieren nicht existieren. Wir müssten dann nicht mehr mit ihnen kämpfen, es würde viel schneller allen klar, was jeweils die richtige Lösung ist, und diese könnte dann auch leichter umgesetzt werden.

Statt Liebe wird also in unserer Gesellschaft Abspaltung und Trennung unterstützt und oft sogar als Lösung präsentiert. Wir trennen uns in unseren persönlichen Beziehungen, indem wir etwa nicht mehr auf den anderen eingehen, ihn stattdessen ignorieren, ihn mit allerlei grundsätzlichen Aussagen oder mit räumlicher Distanz fernhalten. Oder wir sondern uns in der Gesellschaft ab, indem wir Zäune zwischen Ländern aufbauen, uns vor fremden Menschen, Ideen und Gütern isolieren, uns nur mit ähnlich Gesinnten umgeben, nur Informationen zulassen, die unseren vorgefassten Meinungen entsprechen und dergleichen. Aber nicht nur diese offensichtlichen Barrieren sind ein Problem, auch vieles unserer selbstverständlichen Lebensweise ist auf Trennung statt Verbundenheit ausgerichtet. Unser Konsum materieller Güter, wie wir uns unterhalten lassen, die künstliche Umgebung, in der wir leben, unsere Suchtmittel und vieles mehr fördern meist eher die Trennung statt die Verbundenheit.

Wir sehen: Es wird zwar überall von Liebe gesprochen, und wir wünschen sie uns sehnlichst, aber in der Gesellschaft ist sie offenbar am Zerfallen, denn unsere Aufmerksamkeit liegt in der Trennung – sei diese offen und sichtbar oder versteckt. Wir arbeiten nicht an der Liebe, sondern trennen uns mit Gütern, Geld und Macht. Manche mögen zwar hoffen, dass sie damit Anerkennung und Liebe erhalten, aber im Kern stecken sie ihren Aufwand stattdessen in Barrieren, welche die Liebe unterbinden.

Obwohl solche Barrieren fast normal geworden sind, leiden wir persönlich stark, wenn wir gegen sie stoßen. Es schmerzt uns, wenn wir den Kontakt zu einem geliebten Menschen plötzlich nicht mehr spüren, er verschlossen und ruhig wird, nicht mehr antwortet, das Gespräch verweigert oder unsere Kontaktaufnahme ignoriert. Es tut weh, wenn wir bei diesem geliebten Menschen bei jeder Nachfrage auf eine Wand stoßen, dabei Absagen vernehmen, begleitet von Begründungen, die nur Ausreden sind. Oder wir leiden, wenn wir nach einer Kompromisslösung in einem Konflikt suchen, und der andere nicht ehrlich sagt, was ihn wirklich beschäftigt, und wir außen vor bleiben und nicht weiterkommen. Wir verzweifeln mitunter, wenn jemand eine Gruppe Menschen verteufelt, und wir uns selbst unter den Geschmähten wiederfinden.

Wir alle kennen solche Situationen und wissen deshalb nur zu gut, wie stark es schmerzt, wenn wir gegen diese Barrieren stoßen.

Barrieren sind mittlerweile sogar so verbreitet, dass wir nur noch selten den freien Fluss der Liebe spüren, sondern meist in einem Labyrinth voller Hindernisse leben. Gelegentlich und mit etwas Glück spüren wir einen Hauch von Liebe. Dann etwa, wenn der Zustand der Verliebtheit die Barrieren ein wenig überwindet, nicht nur in Richtung des geliebten Menschen, sondern, in diesen Fällen, meist auch gleich zur ganzen Umgebung, die wir dann um einiges schöner und offener empfinden als in unserem normalen Zustand. Leider dauern solche Zustände meist nicht lange, und die Wände sind wieder da. Wir sind wieder in unserem gewohnten Alltag, stoßen auf Hindernisse. Meist reagieren wir auf diese, indem wir selbst Barrieren aufbauen. Der freie Fluss der Liebe ist der Ausnahmezustand.

Weil wir nicht wissen, wie wir mit solchen Barrieren umgehen sollen, versuchen wir mit allerlei Tricks unser Verlangen nach Liebe und Verbundenheit zu stillen. Wir umgeben uns beispielsweise mit Gleichgesinnten, stillen so unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit, etwa in Vereinen, als Fans von Sportmannschaften, in politischen Parteien, mit Religionen, bei Festen oder Events und eilen von einer Veranstaltung zur nächsten. Wir merken nicht, dass dies meist nur Scheinlösungen sind, weil wir dabei eine Zeit lang hinter der gleichen Barriere stehen wie die anderen Mitglieder der jeweiligen Gruppe. Zudem schützen wir uns vor unangenehmen Begebenheiten und Menschen oder wir zelebrieren Dinge, die auf den ersten Blick wie Liebe aussehen, dies aber oft nicht sind. Hierzu gehören etwa Lob, Geschenke, Umarmungen, Hilfe geben oder Gespräche. Dies sind alles Tätigkeiten, die zwar gut aussehen, aber nicht mehr Liebe sind, wenn sie nicht von Herzen kommen. Sie sind auch dann nicht Liebe, wenn wir dafür bewusst oder unbewusst eine Gegenleistung erwarten, auch wenn dies nur ein Dank ist. Vielfach tragen wir auch Masken und versuchen uns als bessere, coolere oder reichere Menschen darzustellen, als wir wirklich sind, immer in der Hoffnung, dass die Maske so anziehend ist, dass andere uns deswegen lieben. Diese Taktiken mögen zwar den Schein von Liebe erwecken, im Kern ist dabei der Fluss der Liebe aber meist nach wie vor unterbrochen. Wir sind dann zwar von Menschen umgeben, sind aber doch einsam und isoliert.

Merken wir, dass unsere Taktiken nicht zur ersehnten Liebe und Verbundenheit führen, ist unsere erste Reaktion in der Regel nicht, dass wir uns mit der Barriere auseinandersetzen, sondern dass wir unseren Aufwand weiter vergrößern. Wir treten einem zusätzlichen Verein bei, kaufen ein größeres Haus, fahren ein schöneres Auto oder trainieren intensiver. Aber dies alles hilft nichts, der Fluss der Liebe wird dadurch nicht ermöglicht, sondern meist lediglich die Barrieren verstärkt. Als Folge entsteht ein wahrer Teufelskreis: Wir fühlen uns isoliert, festigen die Barrieren und werden schließlich noch isolierter. Die Lösung liegt hingegen im Abbau der Barrieren.

Hinzu kommt ein zusätzliches Problem: Der Aufbau dieser Barrieren hat einen riesigen Preis. Es kostet viel Energie, sie zu errichten und aufrechtzuerhalten. Aber nicht nur der Hersteller verliert Energie, sondern auch diejenigen, die auf sie stoßen. Diese Energie kann dann nicht mehr für anderes verwendet werden. Nicht nur geht sie für alltägliche Erledigungen verloren; sie fehlt insbesondere für den eigenen Weg, dafür, sich mit den eigenen Themen auseinanderzusetzen. Erschöpfung, Entkräftung, Burnout und dergleichen sind oft das Resultat.

Es wird klar: Abschottung, Hindernisse, Abgrenzung und Barrieren aller Art schaden oder verhindern die Verbundenheit. Wir müssten folglich dringend die Barrieren abbauen, statt weitere aufzubauen.

Grenzen sind wichtig – aber nicht im Fluss der Liebe

Stopp! Ich höre bereits den Protest. Es brauche doch Grenzen zwischen Menschen! Jeder sei eigenständig, und wir wollen nicht mit allen anderen verschmelzen. Darauf antworte ich mit Nachdruck: Ja, das stimmt! Wir können uns tatsächlich nicht auf alles einlassen und unsere Aufmerksamkeit jedem einzelnen Menschen gleichermaßen schenken. Wir müssen Gefahren abwenden, wir dürfen uns nicht überfallen, ausrauben und missbrauchen lassen. Es gibt eine Grenze, an der ich aufhöre und der Nächste beginnt. Der Körper, die Gefühle und die Seele des einen sind separat vom anderen. Aber auf der Ebene der Liebe ist es anders – dort geht es um Verbundenheit. Dort sind wir in einem gewissen Sinne eins.

Wir stecken also in einem Dilemma: Wir wollen die Verbundenheit der Liebe und doch benötigen wir unsere eigene Identität, die wiederum eine Abgrenzung erfordert. Wir können folglich erst dann richtig mit Liebe umgehen, wenn wir es verstehen, dort offen zu sein, wo Liebe fließt, uns dort abzugrenzen, wo es um unsere eigene Identität geht. Nach meiner Beobachtung machen wir dies aber meist gerade falsch: Wir verbinden uns auf der falschen Ebene, etwa auf einer materiellen, indem wir uns beispielsweise mit einem klassischen Ehevertrag verheiraten, trennen uns aber von unserem Partner auf der Ebene der Liebe, indem wir seine Art des Seins, seine Lebensvorstellungen und dergleichen nicht akzeptieren und zu ändern versuchen. Es ist dieses Verwechseln der Ebenen, das zu unserem Leid führt.

Die Barrieren in der Liebe überwinden

Damit wir die Grenzen richtig setzen, müssen wir einerseits die Liebe besser verstehen und andererseits lernen, wie die Barrieren aufgebaut sind, wie sie funktionieren und wie sie wirken. Mit diesem Wissen werden wir die eigenen Barrieren abbauen und erkennen, wie wir mit den Barrieren unserer Mitmenschen umgehen können, ohne dabei unsere Identität auf anderen Ebenen zu gefährden. Wir sind dann mit allem verbunden und trotzdem eigenständig – beides gleichzeitig. Die Kunst ist es also, die Grenzen auf der richtigen Ebene zu setzen. Dieser Balanceakt ist das Ziel dieses Buches. Wir werden es vor allem dadurch erreichen, indem wir die äußeren Barrieren in unserem Inneren suchen und dort behandeln. Erreichen wir dieses Ziel, werden wir unsere Sehnsucht nach Liebe stillen, ohne uns von der realen alltäglichen Welt zu entfremden. Die Liebe fließt dann automatisch zu uns – wir müssen sie nicht mehr mit allerlei Tricks im Außen suchen. Wir werden uns als Folge auch nicht mehr übermäßig auf der Ebene des Körpers oder der Gefühle zu verbinden suchen, und so bleibt unsere Identität hier gewahrt. Damit verlassen wir mehr und mehr unsere Isolation und fühlen uns zusehends verbundener.

Auch Rumi, ein Sufi-Poet, hat es so gesehen: »Deine Aufgabe ist es nicht, nach Liebe zu suchen, sondern lediglich alle Barrieren in dir selbst zu finden, die du gegen sie aufgebaut hast.« Zusammengefasst wird dies unsere Aufgabe sein.

Liebe als Energie der Verbundenheit

Betrachten wir nun die Liebe etwas genauer. Dort, wo reine Liebe ist, bin ich vollständig mit allem anderen verbunden. Liebe ist wie ein Ozean, wo das Wasser an einem Ort mit dem Wasser an allen anderen Orten verbunden ist. Wenn ich davon spreche, dass die Liebe fließt, dann soll dies ein Bild des Wassers aufgreifen, das uns zwar vollständig umgibt und dennoch in ständiger Bewegung von einem Ort zum anderen ist. Denken Sie an die Meeresströme in den Ozeanen. Die Analogie ließe sich auch mit der Luft aufstellen. Auch die Luft umgibt uns und wird mit dem Wind von einer Stelle zur anderen geweht. Ich atme etwas Luft ein, sie ist einen Moment in mir, dann lasse ich sie wieder los, und Luftströme tragen sie zu einer anderen Person, die sie wiederum einatmet.

Genauso ist es mit der Liebe.

Liebe ist die Energie, die Kraft oder die Essenz, die uns verbindet. Dank dieser Verbundenheit spüre ich nicht nur mich, sondern alles andere auch. Ich bin dann gewissermaßen sogar alles andere, jeder andere Mensch, jedes Tier, jede Pflanze, jeder Stein, jeder Planet – einfach alles. Alles, was die anderen Wesen betrifft, ist dann auch für mich wichtig. Was ich tue, beeinflusst die anderen und umgekehrt. Wir baden im gleichen Wasser, wir atmen die gleiche Luft. Auf der Ebene der Liebe bin ich alles.

Weil ich in der Liebe mit allem verbunden bin, existiere ich als separates Wesen auf dieser Ebene gar nicht. Ich bin hier also alles, aber gleichzeitig – weil ich mich hier nicht separieren kann – auch nichts. Diese Verbundenheit ist allumfassend, sie betrifft auch andere Zeiten und alle Möglichkeiten des Bewusstseins.

In der reinen Liebe gibt es demnach keine Hindernisse, keine Barrieren oder Wände. Dies würde die Liebe unterbinden und ihren Zweck entfremden. Mit solchen Barrieren sind wir nicht mehr verbunden und fast definitionsgemäß nicht mehr in Liebe. Die Liebe ist nicht gemacht, um kanalisiert, also auf bestimmte Dinge gerichtet zu werden, in Ausschluss von anderem. Liebe und Barrieren widersprechen einander.

Etwas genauer: Was ist Liebe? Was ist keine Liebe?

Wir haben gesehen: Liebe ist die Energie der Verbundenheit. Versuchen wir dies noch etwas genauer zu betrachten, um unser Verständnis anzugleichen. Das ist notwendig, weil das Wort »Liebe« für viele Dinge verwendet wird, die ich hier nicht meine. Nachfolgend möchte ich Begriffe aufführen, die meines Erachtens mit Liebe als Essenz der Verbundenheit zu tun haben, und solche, die das Gegenteil, die Trennung, beschreiben. Für beide Pole gibt es auch Begriffe, die zwar als Träger für die Verbundenheit dienen können, dies aber nur dann in Liebe vollführen, wenn auch das Herz dahintersteht, also keine Gegenleistung dafür erwartet wird.

Das Gleiche gilt für die Trennung. Auch hier gibt es Träger, die nur dann trennend sind, wenn das Herz nicht dahintersteckt. Selbstverständlich sind diese Listen unvollständig, und zudem könnte man lange diskutieren, ob mancher Begriff vielleicht doch besser in die andere Kategorie passen würde. Auch müssen wir berücksichtigen, dass unser Liebesbegriff oft stark von unseren Erlebnissen in der Kindheit geprägt sein kann, der aber von den bereits erwähnten Barrieren beeinflusst worden ist. Es geht mir hier vorerst nur darum, einen Eindruck zu vermitteln, und nicht um eine abschließende Einteilung. Sowieso würde eine »abschließende Einteilung« der Liebe widersprechen, weil diese trennend und nicht verbindend wäre.

LIEBE IST: Mit allem verbunden sein; Entscheidungen mit dem Herzen fällen; Wertefreiheit; Aufmerksamkeit; Offenheit; Hier und Jetzt; Akzeptanz; keine Erwartungen und keine Bedingungen.

HÄUFIGE TRÄGER DER LIEBE SIND, SOFERN SIE VON HERZEN KOMMEN: Wahrheit; Freiheit; Mitgefühl; Ehrlichkeit; Fürsorge; Respekt; Wohlwollen; Frieden; Dankbarkeit; Geben; Stille; Loslassen; Nähe; Grenzenlosigkeit; Spiritualität; Gespräche; Leidenschaft; Sex; Schönheit.

KEINE LIEBE IST: Isolation; Trennung; Manipulation; Abhängigkeit; Konditionierung; Absonderung; Domestizierung; Extremismus; Fundamentalismus; Faschismus.

HÄUFIGE TRÄGER DER TRENNUNG SIND: Hass; Rationalismus; Kasteiung; Angst; Wut; Mitleid; Erwartungen; Leiden; Opfer; Anpassung; Bedürftigkeit; Eifersucht; Neid; Kritik; Kampf; Krieg.

Nochmals: Diese Liste soll nur einen ersten Eindruck geben. Wir werden im Verlauf des Buches dieses Thema verfeinern und unter anderem mit Übungen die Liebe auch direkt erfahren, woraufhin solche Begriffe überflüssig werden.

Mit Schamanismus zur Liebe

Die Philosophie und die Werkzeuge des Schamanen sind vorzüglich geeignet, um die Liebe zu behandeln. Die Philosophie passt eins zu eins: Der Schamane sucht seinen eigenen Weg des Herzens zur Liebe. Der oben beschriebene Balanceakt zwischen Verbundenheit und Abgrenzung ist in dieser Philosophie deutlich: Verbundenheit, weil der Weg zur Liebe führt, Abgrenzung, weil es ein eigener, individueller Weg ist, einer, der an anderen Orten durchgeht, andere Merkmale aufweist als die Wege anderer Menschen. Aber auch die Werkzeuge passen: Der Schamane kann die alltägliche Wirklichkeit verlassen und in einer spirituellen Welt neue Blickwinkel einnehmen. Der Schamane ist geübt darin, sich in verschiedenen Ebenen zurechtzufinden. Auf diese Art kann er Verbundenheit und Abgrenzung leichter den richtigen Ebenen zuordnen.

Selbstverständlich ist Schamanismus nicht die einzige Philosophie, die hierzu geeignet ist, auch etwa der Sufismus, Taoismus oder Zen-Buddhismus haben die Liebe als Kernmotivation. Es ist mir deshalb ein Anliegen, zu betonen, dass es viele Wege zur Liebe gibt, genauso wie es viele Pfade auf einen Berg gibt, auch wenn der Berg immer der gleiche ist. Ich verwende den Begriff Schamanismus, weil ich selbst diesen Weg gegangen bin. Umgekehrt, der Vollständigkeit halber, möchte ich erwähnen, dass mittlerweile sehr viel Unterschiedliches unter Schamanismus verstanden wird. Deshalb entspricht einiges, was unter diesem Begriff geführt wird, nicht dem, was ich hier beschreibe.

Was ist Schamanismus genau? Nach meinen Beobachtungen gehören zwei Basiselemente dazu:

1) SCHAMANEN GEHEN IHREN WEG, BEZIEHUNGSWEISE ENTSCHEIDEN MIT DEM HERZEN UND BEWEGEN SICH SO ZUR LIEBE: Schamanen erkennen an, dass es für jeden Menschen einen eigenen Weg zur Liebe gibt, einen Weg, den sie finden, indem sie alle Entscheidungen mit dem Herzen fällen. Wie dieser Weg gefunden und gegangen wird, spielt keine Rolle, es kommt lediglich darauf an, dass er tatsächlich gegangen wird. Es existieren also keine vorgeschriebenen Methoden. In diesem Sinne ist Schamanismus eine Weltanschauung und keine Religion. Wir werden in diesem Buch sogar einen Schritt weitergehen als der Herzentscheid und uns vollständig in die Liebe begeben. Wir werden zudem feststellen, dass auch dann, wenn wir Liebe geworden sind, unsere Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Noch zur Wortwahl: Wenn ich vom »eigenen« Weg spreche, dann meine ich immer »unseren Weg des Herzens zur Liebe«.

2) SCHAMANEN KÖNNEN DIE ALLTÄGLICHE MATERIELLE WELT VERLASSEN UND IN EINER SPIRITUELLEN WELT HINWEISE ÜBER IHREN WEG ERFAHREN: Schamanen erleben neben unserer alltäglichen materiellen Welt eine umfassendere Wahrnehmung. Es gibt mehr als das, was unmittelbar von unseren Sinnen wahrgenommen wird. Schamanen unterscheiden deshalb zwischen zwei Wahrnehmungen: eine alltägliche beziehungsweise materielle und eine spirituelle Welt. Dank dieses Kontakts mit der spirituellen Welt erhalten sie zusätzliche und nützliche Blickwinkel für den eigenen Weg. Wie dieser Kontakt hergestellt wird, zeige ich detailliert im nächsten Kapitel »Werkzeuge des Schamanen«.

Es mag erstaunen, dass nur diese beiden Punkte den Schamanismus vollständig beschreiben. Das Bild, das wir vom Schamanen haben, ist meist ein anderes: Rituale, Schwitzhütten, Trommeln, Rasseln, Tänze, Medizinräder und dergleichen. Dies sind aber lediglich zusätzliche Hilfsmittel, die entweder den eigenen Weg oder die Änderung der Wahrnehmung unterstützen, oder es sind kulturelle Elemente des jeweiligen Volkes.

Die beiden Aspekte des Schamanismus lassen sich mit einem Fluss vergleichen. Dieser entstammt dem Gebirge und sucht danach sein Flussbett bis zum Meer, beziehungsweise seinen Weg zur Liebe. Dass es im Meer Strömungen und Wellen gibt, zeigt, dass unsere Entwicklung auch dort noch nicht abgeschlossen ist. In diesem Vergleich ermöglicht die Schamanische Reise dem Fluss – oder dann auch dem Meer –, sich selbst aus der Vogelperspektive zu betrachten. Damit wird klarer, wo es als Nächstes entlanggeht.

Der Weg zur Liebe ist vor allem ein innerer

Auf dem eigenen Weg des Herzens werden wir viel innere Arbeit an uns selbst leisten. Diese ist viel wichtiger als die konkreten Schritte im Außen. Es wird sogar meist so sein, dass die Veränderungen im Außen eine natürliche Folge unserer inneren Prozesse sein werden. Wir werden also vor allem die Liebe in uns selbst entdecken und freilassen. Dies geschieht, indem wir unsere inneren Barrieren abbauen und dann beobachten, wie wir auch im Außen mehr und mehr zur Liebe gelangen. Unser Weg im Außen wird so ein Ausdruck unserer inneren Entdeckungsreise.

Umgekehrt werden aber genau die Herausforderungen im Außen, zum Beispiel die Barrieren im Fluss der Liebe, auf die wir dort Tag für Tag stoßen, die Wegweiser für die innere Arbeit sein. Unser innerer Weg wird in diesem Sinne durch die Hindernisse motiviert, die wir im Außen antreffen. Wir sind also stets in einem Wechselspiel zwischen äußerer Beobachtung und innerer Entwicklung.

Konkret werden wir also das Außen genau beobachten und dort, wo wir eine Barriere im Fluss der Liebe entdecken, diese in unserem Inneren suchen und abbauen. Als Folge wird sich auch im Außen etwas verändern. Was genau, lässt sich jedoch nicht voraussagen und ist auch nicht wichtig. Von Bedeutung ist lediglich, dass wir selbst mehr und mehr Liebe werden, und nicht, wie sich die konkreten äußeren Umstände verändern. Früher oder später werden wir aber im Außen wiederum auf neue Barrieren der Liebe stoßen, was uns erneut die Gelegenheit gibt, im Inneren zu arbeiten. Und so wird es weitergehen, wohl solange wir leben, denn einen Zustand der perfekten Liebe werden wir kaum erreichen können.

Der eigene Weg zur Liebe ist nicht einfach. Damit er funktioniert, braucht es vom Schamanen einiges. Hier ein paar Eigenschaften, die auf diesem Weg nützlich sind:

Der Weg zur Liebe braucht also vom Schamanen Arbeit und Erkenntnisse. Es ist nicht etwas, das einfach passiert, etwa wie sich verlieben. Es geht auch nicht darum, dass wir von anderen geliebt werden oder dass wir ein geeignetes Liebesobjekt finden. Die Liebe ist stattdessen eine Kunst, die gelernt werden will. Interessanterweise scheuen viele Menschen keinen Aufwand, um reich oder berühmt zu werden, wohl alles in der versteckten Hoffnung, geliebt zu werden, sind aber kaum bereit, die Arbeit am Thema selbst vorzunehmen.

Der Alltag als Lehrer

Auch der Schamane lebt im ganz normalen Alltag. Es ist hier, wo er seinen Weg geht, seine Erkenntnisse über Liebe gewinnt und diese umsetzt. Es ist zwar durchaus erlaubt und manchmal auch nützlich, sich zwischendurch vom Alltag zu entfernen, vielleicht allein in die Einsamkeit zu gehen oder eine harmonische Umgebung aufzusuchen. Dies ist aber immer eine vorübergehende Angelegenheit, in der wir uns sammeln, unsere Erkenntnisse ordnen und dergleichen. Am Ende kehren wir immer wieder in den Alltag zurück. Denn hier, wo wir arbeiten und unseren Lebensunterhalt bestreiten, wo wir Beziehungen mit allen Hochs und Tiefs pflegen, wo wir Krankheit und Leid begegnen, hier können wir am ehesten unseren eigenen Weg erkennen. Es werden sogar die schwierigen Situationen sein, die uns am meisten über die Liebe beibringen werden.

Der Schamane ist dabei meistens unscheinbar und er macht keine Werbung dafür, dass er auf einem Weg ist. Er ist normal angezogen oder spricht mit seinen Mitmenschen über übliche Themen. Dies ist eine bewusste Entscheidung, denn er möchte, dass seine Umgebung so ungefiltert und echt auf ihn wirkt wie nur möglich.

Als Schamanen begeben wir uns deshalb, was Äußerlichkeiten betrifft, vollkommen normal unter die Menschen, ohne dabei etwas Besonderes sein zu wollen.

Wie kam ich dazu?

Der Titel des allerletzten Abschnitts meines letzten Buchs Das schamanische Buch der Seele hieß: »Und was ist Liebe wirklich?« Ich antwortete damals mit ein paar eher poetischen Sätzen, weil ich fand, man könne die Liebe nicht sachlich beschreiben, und dachte, viel mehr gebe es nun nicht dazu zu sagen. Das Leben meinte es aber anders mit mir: Ich begann, überall auf Barrieren im Fluss der Liebe zu stoßen. Barrieren, die mir andere in den Weg gestellt hatten, sowie auch solche, die ich selbst aufbaute. Ich stieß so heftig auf diese Hindernisse, dass ich sie nicht ignorieren konnte. Diese Barrieren belasteten mich zwar, aber weil der Schamane den Alltag als Lehrer einsetzt, wusste ich, dass ich hier noch Dinge zu erkennen hatte. Ich war gefordert, die Hindernisse im Fluss der Liebe detailliert zu erforschen. Diese Herausforderung nahm ich an, und dieses Buch ist das Resultat meines eigenen Ringens mit diesem Thema – genauso, wie es vom Schamanen verlangt wird. Der Schamane ist immer ein Weggefährte und nie ein allwissender Guru.

Mein Zugang basiert auf einer bereits sehr langen Beschäftigung mit Schamanismus, die bereits zu sieben anderen Büchern zum Thema geführt hat – jedes jeweils eine Weiterentwicklung des vorhergehenden. Auch das vorliegende Thema führt die Geschichte des letzten Buches weiter, nicht nur betreffend des eben erwähnten letzten Abschnitts. Auch das dort beschriebene Seelenbild hilft, Hindernisse in der Liebe zu erklären.

Der Grundstock meines schamanischen Wissens stammt von nordamerikanischen Indianern. Ich bin als Kind Schweizer Eltern unter anderem in Kalifornien aufgewachsen und habe mich später lange Jahre, auf der Suche nach alten archäologischen Stätten, mit dem Schamanismus auseinandergesetzt. Auf diesen Reisen bin ich immer wieder auf die richtigen Menschen zur richtigen Zeit gestoßen. Mit diesem Grundstock an Philosophie und Methodik habe ich dann meine jeweils aktuellen Themen bearbeitet, sei dies im Beruf, in Beziehungen, bei der Heilung oder die Seele betreffend. Es ging mir dabei immer darum, die Methoden des Schamanen auf praktische Themen des normalen Lebens anzuwenden. Welche dies jeweils waren, hat mir dann genau der Alltag gezeigt. Ich erkannte sie daran, dass ich mich betroffen fühlte oder heftige Gefühle hatte. Und so gelangte ich schließlich zum Thema der Liebesbarrieren.

Interessanterweise führte mich das Leben, sogar bevor mir das Thema klar war, in Situationen, in denen ich mich mit Grenzen auseinandersetzen musste. So zog es mich für Wanderungen eine Zeit lang immer wieder auf die Grenze zwischen der Schweiz und den Nachbarländern, und ich versuchte überall, wo es gangbar war, direkt von einem Grenzstein zum nächsten zu wandern. Dabei hatte ich interessante Erlebnisse mit Zollbeamten und Grenzwächtern.

Und natürlich bekam ich auch die wachsende Abschottung verschiedener Länder und Volksgruppen mit. Es würde nicht mehr um rechts und links gehen, stand dann etwa in der Zeitung, sondern um Öffnung gegenüber Abschottung – genau mein Thema. Diese Auseinandersetzung mit Grenzen gab mir hilfreiche Einsichten zu Barrieren in der Liebe.

Äußere Erlebnisse zeigen Themen auf

Manchmal schien mir die äußere Welt auch sehr direkt auf die Spur zu helfen, als würde ich den Inhalt dieses Buches eins zu eins erleben. Unmittelbar bevor ich dieses Buch zu schreiben begann – dies als Beispiel –, unternahm ich alleine eine Reise in die spanische Extremadura und nach Galicien, einerseits, um in der Einsamkeit zu wandern, und andererseits, um uralte Felszeichnungen aus der Steinzeit zu suchen, deren Symbole und Standorte für mich jeweils einen schamanischen Inhalt haben. Auf dieser Reise erlebte ich einen Teil der Essenz dieses Buches. Einige dieser Erlebnisse möchte ich schildern, denn sie zeigen zugleich das Vorgehen des Schamanen, bei dem alles im Außen eine Bedeutung erhält.

An einem frühen Morgen wollte ich von einem Hügel aus den Sonnenaufgang anschauen. Der Hügel war aber voller Gestrüpp, sodass ich nicht von jeder Stelle aus einen geeigneten Blick hatte. Auf dem Weg zu einem vielversprechenden Ort begegnete ich einer Steinmauer, die an einer Stelle eingebrochen war und eine Lücke hinterließ. Ich merkte mir diesen Ort, ging aber weiter – vielleicht würde ich ja einen besseren finden. In der einen Richtung fand ich aber keinen, kehrte zurück, und kurz bevor ich wieder zur Lücke in der Mauer kam, sah ich zwei Hirsche durch diese springen. Erfüllt von diesem Erlebnis, ging ich an der Lücke vorbei, fand dann in der anderen Richtung einen Ort, an dem ich gut durch das Gestrüpp sah, beobachtete den Sonnenaufgang und kam danach ein drittes Mal zur Lücke. Dieses Mal sonnte sich eine giftige Schlange, eine Viper, auf den Steinen neben der Lücke. Ich kletterte an ihr vorbei durch die Lücke und sah, dass die Mauer ein kleines verlassenes Gehege umschloss. Ein großer Stein war darin die einzige Stelle ohne Gestrüpp. Als ich auf diesem Stein stand, fiel mein Schatten direkt auf die Lücke in der Mauer.

Ich interpretierte: Es gibt Lücken in den Barrieren im Fluss zur Liebe. Hirsche sind für viele Schamanen Begleiter beim Übertritt von der materiellen Welt, folglich wird Schamanismus mir helfen, diese Lücken zu finden. Da es zwei Hirsche waren, werden Beziehungen wichtig, um die Barrieren im Fluss der Liebe zu durchbrechen. Die giftige Schlange zeigte aber, dass ich vorsichtig vorgehen muss, und weil Schlangen sich häuten, symbolisieren sie zudem für den Schamanen Transformation. Es wird also Arbeit und Entwicklung an mir selbst notwendig sein. Schließlich zeigte der Schatten, dass ich an die Lücken in den Liebesbarrieren gelange, wenn ich die dunkeln Seiten in mir selbst untersuche.