Cover.jpg

Impressum

Dr. Anna Herzog und Lucinde Hutzenlaub

Männergrippe

Husten, Schnupfen, Heiserkeit und andere für Kerle lebensbedrohliche Zustände

eISBN: 978-3-95910-199-8

Eden Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright ©2018 Edel Germany GmbH, Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edenbooks.de | www.facebook.com/EdenBooksBerlin | www.edel.com

1. Auflage 2018

Projektkoordination: Katrin Bojarzin und Kathrin Riechers

Lektorat: Susanne Röltgen

Covergestaltung: Rosanna Motz

Illustrationen: ©Kristijana

Coverfoto: ©Javier Brosch / Shutterstock.com

E-Book-Konvertierung: Datagrafix GSP GmbH, Berlin | www.datagrafix.com

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

1.jpg

Inhalt

Prologitis

Teil 1Die Anatomie der Männergrippe

Kapitel 1TMG statt PMS – Genetik und Hormone

Kapitel 2Vorsorge statt Sorge – wie man Infekte vermeidet

Kapitel 3Prophylaxe … sprich vorher und überhaupt

Kapitel 4Erwischt! Wo alles anfängt – die Nase und ihre Höhlen

Kapitel 5Wenn man nichts hören kann – Land unter im Mittelohr

Kapitel 6Der Rachen und seine Virenauffangstation

Kapitel 7Die Stimme – Sitz der Seele

Kapitel 8Hallo, hier spricht dein Schwamm! Oder: Wie funktioniert eigentlich die Lunge?

Teil 2Jetzt wird’s ernst: Die Viren gehen, die Bakterien kommen

Kapitel 9The heat is on! Eine kleine Abhandlung über das Fieber

Kapitel 10Viren, Bakterien, Antibiotika und so – Aufklärung ganz ohne Sex

Kapitel 11»-itis« oder »-ose«? Auf die Endung kommt es an

Kapitel 12Nebenhöhlenvereiterungen – im Spiegel des Röntgengeräts

Kapitel 13Aua Mittelohr! Wenn sich Wasser in Eiter verwandelt

Kapitel 14Angina ist kein Frauenname – warum mit Mandelentzündungen nicht zu spaßen ist

Kapitel 15Laryngitis, Pharyngitis, Tracheitis und andere »-itisse«

Kapitel 16Jetzt wird’s wirklich ernst – Bronchitis und Lungenentzündung

Kapitel 17Die Psyche oder worüber auch Helden stolpern

Bullshit-Bingo

Gemeine Glossaritis

Hühnersuppenrezept

Nützliche Links

Epilogitis

Danke!

Die Autorinnen haben ihren Text mit Sorgfalt geschrieben. Dennoch können sich Fehler eingeschlichen haben. Und natürlich bietet dieses Buch keinen Ersatz für kompetenten medizinischen Rat. Der richtige Ansprechpartner bei Erkrankungen ist ein Arzt.

Alle Angaben erfolgen in diesem Buch daher ohne jegliche Gewährleistung oder Garantie seitens des Verlags oder der Autorinnen. Eine Haftung der Autorinnen beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ebenfalls ausgeschlossen. Die Fallgeschichten sind frei erfunden. Sämtliche Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind rein zufällig.

KAPITEL 2

Vorsorge statt Sorge – wie man Infekte vermeidet

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Die beste Vorbeugung gegen wirklich fiese Krankheiten ist – auch wenn einige das anders sehen – die Impfung dagegen. Die fast vollständige Ausrottung der Pocken ist dafür ein gutes Argument. Wer das anders sieht, darf sich aber auch gern einmal mit den in vielen Ländern – unter anderem Indien – nach wie vor sehr real existierenden Auswirkungen des Lyssavirus auseinandersetzen. Spätestens wenn es um die Tollwut geht, die vom Lyssavirus ausgelöst wird, sind sich praktisch alle über die Sinnhaftigkeit einer vorbeugenden Impfung einig.

Ärzte empfehlen Älteren, Kranken und Schwangeren, sich gegen die echte Grippe impfen zu lassen. Und zwar jeden Herbst von Neuem. Was – die gute Nachricht – die echte Grippe meistens erfolgreich verhindert. Warum aber muss man sich immer wieder impfen lassen? Reicht nicht ein Piks? Für zehn Jahre? Wie bei anderen anständigen Impfungen auch?

Und nun die schlechte Nachricht: Nein. Reicht nicht.

Dazu eine kurze und sehr lückenhafte Abhandlung über Abwehrzellen, denn die menschliche Immunabwehr ist unglaublich kompliziert und von der Wissenschaft keineswegs vollständig verstanden. Also: Abwehrzellen sind weiße Blutkörperchen, die ursprünglich alle von derselben Sorte Stammzellen abstammen. Dann aber bekommen sie alle ein unterschiedliches Training, und zwar in ihren Ausbildungsstätten, zum Beispiel den Mandeln und der Milz. Nach Ende der Ausbildung bilden sie eine sehr effektive und fein abgestimmte Köperarmee, die in den Blutgefäßen, in Organen und Gewebe patrouilliert und nach Angreifern sucht. Dabei gibt es die unspezifischen Abwehrzellen – so eine Art Müllabfuhr –, die alles fressen, was ihnen einigermaßen verdächtig vorkommt, darunter auch Bakterientrümmer und was sonst so in der Gegend herumliegt; auch sie sind wieder unterspezialisiert, so wie eine Putztruppe ja auch nicht alles reinigt – die einen machen die Fenster und die anderen die Böden. Grob gesagt. Und dann gibt es die spezifischen Zellen, das sind die B- und T-Lymphozyten, die haben schon etwas mehr auf dem Kasten. Die B-Lymphozyten stellen die Antikörper her, die feindliche Eindringlinge so markieren und zusammenklumpen können, dass die Fresszellen sie als Müll erkennen und beseitigen. Unter den spezifischen Abwehrzellen gibt es nun welche mit einem Gedächtnis. Und zwar merken sie sich die Viren, Bakterien oder Pilze, mit denen der Körper schon einmal sehr unangenehme Erfahrungen gemacht hat, und wenn sie das nächste Mal auf ihre Feinde treffen – paff! –, sind die Krankheitserreger weg vom Fenster, ehe sie wissen, wie ihnen geschieht.

Sie sind sozusagen die Navy SEALs unter den Immunzellen. Sie erinnern sich noch Jahre lang an bestimmte Erreger, manche ein ganzes Körperleben lang. Hat man zum Beispiel einmal die Windpocken oder auch die Masern durchlitten, ist das ein für alle Mal erledigt. Bei manchen Krankheiten hält diese Erinnerung nicht ein Leben lang vor, dazu gehört zum Beispiel der gemeine Keuchhusten. Das ist der Grund, warum Erwachsene manchmal einen bellenden und äußerst hartnäckigen Husten entwickeln, ohne darauf zu kommen, dass sie schlichtweg unter Keuchhusten leiden.

Leider können sie ungeimpfte Babys in diesem Zustand anstecken.

Ebenso wie als Reaktion auf eine Infektion erzeugt der Körper Erinnerungszellen auch als Reaktion auf eine Impfung, übrigens auch hier teils vermutlich lebenslang (Masern), teils nur für etwa zehn Jahre (Tetanus, Keuchhusten). Der einzige Unterschied zwischen Impfung und echter Infektion: Die Viren oder Bruchteile von Viren oder anderen Erregern, die dabei in die Muskeln gespritzt werden, machen nicht mehr krank. Deshalb ist eine Impfung gewissermaßen Krankheit light. Kein Fieber, keine Gliederschmerzen, kein Tod.

Impfungen verhindern viele Erkrankungen, und glücklicherweise auch viele, die früher die Menschen, besonders Kinder, dahingerafft haben. Hier folgt ein kleiner Umweg: Kinderkrankheiten heißen nämlich nicht so, weil es sozusagen die kleine Version von großen Krankheiten wäre oder diese Form von Krankheit harmlos, sondern weil sie so dermaßen ansteckend sind, dass man sie unweigerlich schon als Kind bekommt. Und als Erwachsener nicht mehr, weil man entweder immun ist (funktionierende Eliteabwehrzellen) oder eben tot.

Was nun aber für Masernviren gilt – ziemlich dämliche Virenvariante, sehen immer gleich aus –, gilt nicht für Grippeviren. Das sind Schlitzohren. Sie haben nämlich die unangenehme Eigenschaft, ihre Gestalt häufig zu ändern. Jedes Jahr, bei jeder neuen Grippewelle, sieht der Körper sich also ihm völlig unbekannten Viren gegenüber und hinkt mit seiner Abwehr immer hinterher. Man kann sich das in etwa so vorstellen, dass die Truppe der Erinnerungszellen, die Navy SEALs, schwer bewaffnet an sämtlichen Körperöffnungen steht und nach dem Feind Ausschau hält, während das Fußvolk seine üblichen Runden durch den Körper dreht.

Der Feind (in diesem Fall das Grippevirus) sah nun letztes Jahr noch etwa so aus wie ein Ork. Groß, hässlich und intensiv unsympathisch. Ergo hält man – so als Immunzelle – Ausschau nach etwas Orkartigem.

Weit und breit nichts, die Immunsoldaten scharren mit den Hufen. Keine Orks. Nichts Hässliches. Niemand sabbert ihnen das Gewehr voll.

Nur ein grinsendes Häschen hoppelt an den bis an die Zähne bewaffneten Soldaten vorbei. Sie beachten es gar nicht, denn der Feind hat bekanntlich keine weißen Plüschöhrchen und schon gar nicht solche netten vorstehenden Zähnchen.

Wenig später hat das Häschen, immer noch grinsend, seinen Plastiksprengstoff an der Zellwand deponiert und gezündet.

Bis die getäuschte und leider nicht sehr intelligente Armee der Abwehrzellen begriffen hat, dass das Häschen nicht so harmlos ist, wie es tut, sind schon viel mehr Hoppelhäschen mit Sprengstoff unterwegs. Sie vermehren sich nämlich, ganz wie die Häschen im echten Leben, rasend schnell. Das ist dann der Teil, in dem es dem gemeinen virenbefallenen Grippekranken wirklich schlecht geht.

Und der männliche Befallene an die Letzte Ölung denkt.

Irgendwann aber hat wenigstens das Fußvolk begriffen, was abgeht, und im Körper findet eine grausame Schlacht statt – das Fieber steigt, der Husten wird unerträglich, die Nase läuft und so weiter –, in deren Verlauf die Häschen besiegt werden und die Spezialeinheit sich mit neuen Waffen eindeckt (häschenspezifische statt orkspezifische; übertragen ins Immunsystem: Antikörper). Und dann folgt das Übliche: Abfieberung, schließlich Heilung, und schon ist der Mann wieder in der Lage, den Müll hinunterzubringen. Jedenfalls theoretisch.

Nächstes Jahr geht das Spiel dann von vorne los. Diesmal halten die Abwehrsoldaten – häschenspezifische Handgranaten in den Flossen – Ausschau nach niedlichen Plüschöhrchen.

Nirgendwo Häschen.

Nächstes Jahr sind es Mammuts.

Uns erinnern die Abwehrzellen immer etwas an Rekruten aus dem ersten Film von Men in Black.

Für die, die MiB nicht kennen: Das ist eine amerikanische Spezialeinheit, deren Mitglieder aus unverständlichen Gründen aussehen wie die Blues Brothers, nur ohne Hüte. Sie tragen schwarze Anzüge, bei Bedarf Sonnenbrillen und außerdem Blitzdingse, Metallstäbe, die Blitzlichter von sich geben, die wiederum die geniale Eigenschaft haben, die neueste Erinnerung eines normalen Menschen auszulöschen. Und das ist nötig, denn die Men in Black bekämpfen verbrecherische Außerirdische (und betreuen nebenberuflich die weniger schädlichen wie Wurmlinge und einen Typen, der so extrem schielt, dass man sich unwillkürlich fragt, ob sie auf anderen Planeten keine fähigen Augenärzte haben. Als Kompensation kann er seinen Kopf nachwachsen lassen wie ein irdischer Hai seine Zähne. Leider ändert das nichts am Schielwinkel, wir hätten wenigstens darauf gedrungen, dass wir uns unterschiedliche Kopfmodelle aussuchen können – sicherlich hätten wir keinen mit derartig vorstehenden Zähnen genommen).

Da aber dem Normalmenschen offensichtlich ein Kontakt mit all diesen teilweise schwanztragenden und teilweise mit wirklich unappetitlichen Eigenschaften ausgestatteten Außerirdischen nicht zuträglich wäre, laufen die Außerirdischen auf den Straßen gut getarnt herum. Ähnlich wie die harmlosen Erreger im Körper, um mal den Bogen zu dem eigentlichen Thema zurück zu schlagen.

Wenn die Außerirdischen nun aber unangenehm auffallen – sei es, weil sie gerade einen Menschen versehentlich um die Ecke gebracht haben oder weil sie mitten auf der Straße ein Baby gebären, das vage aussieht wie ein Tintenfisch –, dann lassen die Men in Black die Menschen anschließend in das Blitzdings schauen. Was ihre Erinnerung an die Außerirdischen zuverlässig löscht. Weswegen sie anschließend ohne posttraumatische Belastungsstörung weiterleben können (nein, Blitzdingse gibt es im Körper nicht, hierfür gibt es also keine Entsprechung bei den Abwehrzellen).

Und nun zu Will Smith.

Es ist nämlich so, dass Experten für Außerirdische, die Men in Black, gelegentlich neue Leute rekrutieren müssen, und zwar aus der normalen Menschenbevölkerung.

Dazu wählen die entsprechenden Ausbilder nur die »Besten der Besten« aus, wie einer der Rekruten begeistert brüllt – aber welche Eigenschaften einen dazu machen, das lässt der Film ziemlich offen. Wenn die Jungs, die dort rekrutiert wurden, dazugehören, dann gute Nacht, Amerika.

Jedenfalls werden die »Best of the Best« in das Gebäude der Außerirdischenbekämpfer eingeladen (im Körper vielleicht die Mandeln?). Für einen Test. Assessment-Center. Ganz wie im echten Leben. Und unter diesen Rekruten befindet sich Will Smith.

Im Verlauf dieses Tests müssen die Männer (es ist keine einzige Frau dabei, möchten wir hier einmal erschüttert bemerken) binnen Sekunden entscheiden, welches von einer Herde von sich langsam auf sie zubewegenden Pappmonstern am gefährlichsten ist. Zu diesem Zweck haben sie jeder eine Pistole in der Hand.

Hemmungslos ballern die Jungs auf sämtliche Monster ein (schlagen wir hier mal wieder den Bogen zum eigentliche Thema. Also: Orks. Viren. Ekelhafte Erreger). Nur ein einziger Mann (Abwehrzelle), Will Smith natürlich, zielt auf ein kleines, unauffälliges Pappmädchen, die kleine Tiffany (Häschen). Will Smith erklärt seine Attacke auf Tiffany anschließend damit, dass ein Grundschulkind, das mitten in der Nacht zwischen einer Herde von ungeheuer brutal aussehenden Monstern mit einem Stapel Bücher über Quantenphysik unter dem Arm auf der Straße unterwegs ist, unmöglich harmlos sein kann. Er ist der Einzige, der anschließend einen Job als Man in Black angeboten bekommt, die anderen »Best of the Best« werden geblitzdingst. Will Smith wäre sozusagen die Steigerung von den Erinnerungszellen, die ultimative mitdenkende Erinnerungszelle.

Leider, leider, leider hat unser Körper keine Will Smiths.

Und deswegen brauchen wir bei jeder Grippewelle eine neue Impfung, nach der die Abwehrzellen dann wenigstens dieses Jahr das Terrorhäschen als gefährlich einstufen.

Nun könnte man natürlich fragen, warum es eigentlich keine Impfung gegen Erkältungen, Entschuldigung, die Männergrippe gibt. Eine Frau würde diese Frage vermutlich beantworten mit »WTF«. Oder – etwas vornehmer – mit: »Wozu?« Denn schließlich ist Schnupfen ja nicht tödlich. Auch wenn Männer das anders sehen.

Einen Mann könnte die Antwort aber interessieren. Sie lautet: weil es zwar nur zwei bis drei unterschiedliche Grippeviren (unterschiedliche Orks, Häschen mit unterschiedlich gefärbten Ohren, Tiffanys) pro Saison gibt, aber zweihundert bis dreihundert unterschiedliche Schnupfenviren.

Dennoch gibt es tatsächlich Bemühungen, gegen zumindest die gefährlichsten von ihnen Impfungen zu entwickeln.

Sie werden von Männern vorangetrieben.

KAPITEL 1

TMG statt PMS – Genetik und Hormone

Kleine Fallgeschichte

Sarah P., Felix N. (beide 28), München:

»Ooooooh, Sarah! Ich … Sarah, ich … es geht mir so schlecht, ich …«

»Um Gottes willen, Felix! Was ist passiert? Hast du dich verletzt? Bandscheibe? Nierenkolik? Sag doch was, Schatz!«

»Nein, ich … Sarah … oh bitte, sprich nicht so laut!«

»Felix, komm schon! Was ist passiert? Ich habe Angst!«

»Oooooh, Sarah, mein Kopf! Meine Glieder! Oh, und mir ist so schwindelig!«

»Bist du gestürzt? Soll ich den Notarzt rufen? Kann ich …«

»Nein … nicht gestürzt … ich … kannst du mal meine Stirn fühlen? Ich glaube …«

»Fieber? Felix, deine Stirn ist ganz normal. Du siehst auch ganz normal aus, vielleicht ein bisschen … Schnupfen? Felix? Hallo? Taschentücher sind in der Schublade mit dem Thermometer, aber das weißt du doch.«

»Ja, schon, aber … oh, könntest du mir beides holen? Und bitte gleich auch noch ein kühles Tuch für meine Stirn, eine Zitronenlimo … vielleicht … mit Strohhalm … und wenn es nicht zu viel verlangt ist: ein Honigbrot in mundgerechten Stückchen?«

»Äh …«

»Oh, Sarah, ich fühle mich so schwach. So elend. So krank. Ich glaube, ich kann heute nicht zur Arbeit gehen. Und hör mal meine Stimme! Ich krächze ja auch fürchterlich! Ich muss bestimmt sterb…«

»Felix!«

»Doch, doch! Du musst nur genauer hinhören! Kannst du vielleicht auch bei der Arbeit anrufen?«

»Ich soll für dich …?«

»Bitte! Ich flehe dich …«

»Schon gut, schon gut. Ich ruf’ ja schon an. Noch was?«

»Hast du schon mal Hühnersuppe gekocht?«

»Hühnersuppe?«

»Ja, da gibt es dieses Rezept von meiner Mutter, das …«

»Felix?«

»Ja?«

»Am besten wir rufen deine Mutter gleich an und fragen sie, ob sie nicht vorbeikommen und sich um ihren todkranken Sohn kümmern möchte.«

»Echt jetzt? Das würdest du für mich tu…«

»Ganz ehrlich? NEIN. Ich gehe jetzt arbeiten. Und wenn du deine Mutter und deinen Chef benachrichtigen willst, dann mach das. Und zwar selbst. Und nach der Arbeit gehe ich mit Nicky auf einen Drink. Oder fünf.«

»Mann, Sarah! Ich bin echt krank! Warum bist du denn so mies drauf? Frauen, echt! Immer das Gleiche. Hast du deine Tage oder was?«

Dass sich Männer und Frauen unterscheiden, ist ja kein Geheimnis. Nur der Korrektheit halber: Es hat allerdings nichts mit der Fähigkeit zu tun, einen Personenkraftwagen in eine viel zu kleine Parklücke zu zwängen, nur um sich hinterher aufzuführen, als hätte man dafür mindestens den Nobelpreis verdient.

Nein, wir sprechen hier von etwas Großem. Wichtigem. Grundsätzlichem. Und zwar zuallererst von der Genetik. Chromosomen und so. Natürlich wollen wir es damit nicht übertreiben, aber ein paar winzige Erklärungen schaden ja auch nicht. Schließlich wollen wir die Männer und ihre Befindlichkeiten ja verstehen. Sie können nämlich nichts dafür, dass sie so sehr leiden. Um es genau zu nehmen, können sie genauso wenig dafür, wie wir Frauen für das grausame prämenstruelle Syndrom, kurz PMS, das uns einmal im Monat lahmlegt und dem Männer gern mit Unverständnis und Missfallen begegnen. Aber wir wollen es besser machen. Denn wir weiblichen Wesen, die wir empathiebegabt durchs Leben gehen, können hier eine große Versöhnung herbeiführen und müssen uns fortan nie wieder über unsere Männer ärgern, lustig machen oder uns fragen, wie aus dem Held in schimmernder Rüstung nur so ein Weichei werden konnte. Also, wenn der Nobelpreis schon an irgendjemanden geht, dann an uns Frauen. Und zwar für Frieden, Verständnis, Geduld und Wohlwollen.

Fangen wir an: Egal ob Mann oder Frau – wir haben alle 23 Chromosomenpaare, die man in jedem Haar, jeder Hautzelle und einfach überall in unserem Körper exakt gleich wiederfinden könnte, wenn man sich die Mühe machen würde, danach zu suchen.

In diesen Chromosomen finden sich alle Informationen, die den jeweils einzigartigen Menschen zu dem machen, was er ist. Ein Chromosomenpaar besteht aus zwei Chromosomen. Bei Frauen sind es zwei X-Chromosomen und bei Männern einmal X und einmal Y. Genetiker haben nachgewiesen, dass auf den X-Chromosomen mehr Gene liegen, die für die Immunabwehr zuständig sind. Das heißt, wir Frauen sind einfach besser aufgestellt, was das Immunsystem angeht. Rein optisch steht XX natürlich sowieso schon viel stabiler als XY da, oder? Dem Y fehlt ja auch ein Bein. Hätten sie uns gefragt, wir hätten es ihnen gleich sagen können. So oder so: Frauen kommen mit Viren und Bakterien grundsätzlich also schon mal besser klar. Wir haben einfach das bessere Immunsystem. Das ist aber nicht nur ein Vorteil, denn gleichzeitig ist es so stark, dass es gern mal den eigenen Körper angreift, weshalb Frauen dafür eher Probleme mit Autoimmunerkrankungen haben, wie zum Beispiel Rheuma oder Hashimoto-Thyreoiditis, eine Entzündung der Schilddrüse. Aber das ist eine andere Geschichte.

Nun zu den Hormonen. Ein Aufschrei geht durch die eine, maßgeblich testosterongesteuerte, Hälfte der Gesellschaft: Waaas? Hormone? Das sind doch die fiesen kleinen Dinger, die dafür sorgen, dass meine Freundin einmal im Monat so schlecht drauf ist und man nichts mit ihr anfangen kann!

Ja, in der Tat, Männer, das machen Hormone – in diesem Fall vor allem Progesteron und Östrogen. Die sorgen nämlich dafür, dass wir einen funktionierenden Zyklus haben, der es uns ermöglicht, Kinder zu bekommen. Was für ein großartiges Wunder und Geschenk der Natur, oder etwa nicht? So toll es aber ist, dass der weibliche Körper den Fortbestand der Menschheit sichert, so anstrengend sind die Nebenerscheinungen, denn diese Hormone bescheren vielen von uns in schwangerschaftsfreien Zeiten je nach Zyklustag ekelhafte Beschwerden wie Krämpfe, Rückenschmerzen, Migräne, Müdigkeit, Wasseransammlungen, Stimmungsschwankungen – und nicht zu vergessen Blutungen, die uns ein paar Tage lang das Leben schwer machen. Und das ist wirklich so. Messbar. Und vor allem: einmal im Monat, Männer!

Aber eigentlich könnt ihr froh darüber sein, denn dadurch kennen wir die Wirkung von Hormonen ziemlich gut und sind dementsprechend nachsichtig. Wenn uns nun also jemand erklärt, dass die tödliche Männergrippe, kurz TMG, ebenfalls durch Hormone ausgelöst wird – und zwar ganz genau so wie PMS –, dann freut euch über unser neu entflammtes Verständnis. Und arbeitet an eurem. Ähem.

Die Hormone sind aber nicht nur bei PMS und TMG beteiligt, sondern auch beim Muskelaufbau und Knochenwachstum, sie sind für den Stoffwechsel zuständig und regeln den Sexualtrieb, um nur einige ihrer lebenswichtigen Aufgaben zu nennen.

Männer und Frauen produzieren übrigens beide Östrogen und Testosteron, die jeweiligen Sexualhormone, allerdings in unterschiedlichen Mengen. Das weibliche Sexualhormon Östrogen regt, oh Freude, die Vermehrung der spezifischen Abwehrzellen an (die sogenannten B- und T-Zellen, im Gegensatz zu den Allesfresserzellen). In Superhelden-Personalunion ist die weibliche spezifische Immunabwehr also quasi Lara Croft.

Euer heiß geliebtes männliches Testosteron ist währenddessen eben mit anderen Dingen beschäftigt. Bärte. Muskeln. Tiefe Stimme. Megawichtig. Allein: Es kostet eben Immunkraft. Man muss Prioritäten setzen. (Ihr habt natürlich auch Lara Crofts, die euch verteidigen. Nur eben kleiner. Und schwächer. Und … mit mehr Haaren.)

Weil das weibliche Abwehrsystem eben dementsprechend schneller und aggressiver ist, werden wir schon mal weniger schnell kränklich. Außerdem reagieren Frauen auf Impfungen mit deutlich höherer Immunantwort – dank Lara.

Krank werden wir natürlich auch. Aber da müssen schon schwere Geschütze aufgefahren werden. Männer. Nicht weinen.

Das gute alte Testosteron ist also nicht wirklich eine gute Immununterstützung. Ganz im Gegenteil: Es sorgt nämlich sogar dafür, dass die sogenannten Toll-like-Rezeptoren, also die Türsteher des Immunsystems, verringert werden. Sie, die eigentlich dafür zuständig sind, die bösen Viren, Bakterien und Co. an Lara zu melden, die dann dafür sorgt, dass eure körpereigene Disco verteidigt wird, schauen dann weg, feilen sich die Fingernägel oder beschäftigen sich mit … Unwichtigem. Alle Bösewichte stürmen rein und sagen nicht Bescheid.

Arme Männer.

Und als würde das noch nicht reichen, ernähren die XY-Träger sich auch noch schlechter. Oh nein, nein – natürlich nicht während der Männergrippe, denn da werden sie ja von ihren sie liebenden Frauen umhegt und gepflegt, sondern sonst. Ganzjährig. Immer. Und sie lassen sich weniger gern impfen. Denn was das Testosteron ja auch noch echt gut draufhat, ist, dass es den Männern das Gefühl gibt, unsterblich zu sein. Na ja. Bis eben die TMG zuschlägt.

So ist es eben, Männer, jedes anständige Virus hat bei euch mehr Chancen als bei uns Frauen. Hormone, Gene, Ernährung, eine gewisse Abneigung gegen die Typen in den weißen Kitteln mit den spitzen Spritzen – das alles erklärt also, warum Männer leichter von Viren überwältigt werden als Frauen.

Aber WENN es uns Frauen erwischt, dann zeigen wir zumindest die gleichen Symptome wie die Männer. Also: Warum leiden Männer dennoch mehr? Sind sie etwa zusätzlich zu ihrem … nun ja, etwas minderbemittelten Immunsystem auch noch schmerzempfindlicher?

Natürlich hat sich die Wissenschaft auch auf diese Frage gestürzt und – tadaaa –, sie sind es … NICHT. Nicht schmerzempfindlicher. Ganz im Gegenteil. Und dafür ist verantwortlich? Was schon: das Testosteron! Muss hilfreich sein, wenn man die Zähne des Säbelzahntigers nicht ganz so heftig im Arm spürt. Tatsächlich sind Frauen die Sensibelchen. Und was lernen wir daraus?