WAS TRAININGS
WIRKLICH WIRKSAM MACHT

Dr. Ina Weinbauer-Heidel
mit Beiträgen von Masha Ibeschitz-Manderbach

WAS TRAININGS
WIRKLICH WIRKSAM MACHT

12 Stellhebel der Transferwirksamkeit

Institut für Transferwirksamkeit | www.transferwirksamkeit.com

Inhalt

Die Essenz der Transferforschung – ein Intro

Die Stellhebel bei den Teilnehmenden

Stellhebel 1 – Transfermotivation

Stellhebel 2 – Selbstwirksamkeitsüberzeugung

Stellhebel 3 – Transfervolition

Die Stellhebel im Trainingsdesign

Stellhebel 4 – Erwartungsklarheit

Stellhebel 5 – Inhaltsrelevanz

Stellhebel 6 – Aktives Üben

Stellhebel 7 – Transferplanung

Die Stellhebel in der Organisation

Stellhebel 8 – Anwendungsmöglichkeit

Stellhebel 9 – Persönliche Transferkapazität

Stellhebel 10 – Unterstützung durch Vorgesetzte

Stellhebel 11 – Unterstützung durch Peers

Stellhebel 12 – Transfererwartung im Unternehmen

Make Transfer happen

GELEITWORT VON AXEL KOCH (R. GRIS)

Autor von „Die Weiterbildungslüge“

Als ich im Jahr 2006 die Entscheidung traf, das Weiterbildungsgeschäft provokativ ins Visier zu nehmen, ahnte Ina Weinbauer-Heidel noch gar nicht, was ihre spezielle Mission sein würde. Doch bald kristallisierte sich ihre Leidenschaft heraus, von der Sie in diesem Buch lesen werden. Ein Leidenschaft, die uns beide verbindet, nämlich der Wunsch, mehr herauszuholen aus den Seminar- und Trainingsmaßnahmen.

In der Forschung wie in der Praxis gibt es immer wieder diese eine Beobachtung: Teilnehmende setzen nach den Trainings zu wenig des Gelernten in die Praxis um. Anfangs sind sie vielleicht Feuer und Flamme. Doch dann sind die guten Impulse bald verglüht, wie Feuerwerkskörper zu Silvester.

Diese Beobachtung war für mich der Anlass, das Buch „Die Weiterbildungslüge“ zu schreiben. Um aufzurütteln. Als Plädoyer gegen die Wirkungslosigkeit. Und um die gängigen Mechanismen in den Firmen sichtbar zu machen – damals noch unter dem Pseudonym Richard Gris. Die Arbeit bei einer Unternehmensberatung erlaubte mir nicht, meinen wahren Namen zu nutzen. Das Buch kam 2008 auf den Markt und ist heute so aktuell wie damals. Leider!

Seit rund 10 Jahren rangiert laut den Trendstudien des swiss competence centre for innovations in learning (scil) der Universität St. Gallen das Thema „Bildungsmaßnahmen transferförderlich gestalten“ unter den Top 3 der Herausforderungen für Personalentwickler. Transferförderung ist und bleibt Spitzenreiter! Im Prinzip könnte man doch annehmen, dass dieses Problem längst verschwunden wäre – wenn es denn jemand angepackt hätte. Stattdessen wird nun seit 10 Jahren darüber gesprochen.

Hat die Unternehmenswelt vielleicht selbst ein Transferproblem? Nämlich die Umsetzung dessen, was die Wissenschaft schon weiß?

Ina Weinbauer-Heidel schließt die Lücke mit ihrem gut lesbaren und praxisorientierten Buch. Ich sehe es als die Antwort auf die Weiterbildungslüge. Wer Schluss machen will mit ineffizienten Trainingsmaßnahmen, findet auf den folgenden Seiten die richtige Lektüre.

Die Autorin hat sich zum Ziel gesetzt, zwölf leicht anzuwendende Stellhebel zu beschreiben. Und ihre Botschaft ist auch erfreulich: Sie müssen nicht alle Stellhebel umsetzen, einer allein kann schon einen Unterschied machen. Es geht um die Macht der kleinen Schritte!

Ich habe großen Respekt, wie es der Autorin gelungen ist, das gesamte Forschungswissen zum Thema Trainingstransfer auf die wichtigsten Punkte einzudampfen. Immerhin hat sie sich jahrelang intensiv in die Materie eingelesen und im Rahmen ihrer Doktorarbeit Schrankwände von Literatur gesichtet und ausgewertet. Sich hier zu fokussieren, war sicherlich keine leichte Aufgabe.

Die Zeit ist reif für dieses Buch. Es ist höchste Zeit, umzudenken! Denn nur etwa 20 Prozent der Teilnehmer schaffen es „einfach so“, das Gelernte für sich nutzbar zu machen, wie meine eigene Forschungsrichtung zum Thema Transferstärke zeigt.

Damit Trainings wirksam sind, braucht es eine systematische Förderung des Trainingstransfers. Dieses Buch bietet eine klare Anleitung.

Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre und eine wirksame Umsetzung der Stellhebel.

Prof. Dr. Axel Koch

Professor für Training & Coaching,

Hochschule für angewandtes Management, Erding (Deutschland)

DIE ESSENZ DER TRANSFERFORSCHUNG – EIN INTRO

Seminare bringen nichts – sie vernichten Kapital! Mit diesem Buchtitel schaffte es der Autor Richard Gris zum Wirtschafts-Bestseller. Schon erstaunlich! Denn immerhin investieren Unternehmen in Österreich und Deutschland jedes Jahr rund 30 Mrd. Euro in betriebliche Weiterbildung.1 Diese enorme Investitionssumme soll für die Katz sein, nichts bringen, Kapital vernichten? Sind Trainings tatsächlich so sinnlos? Was denken Sie, wie viel von dem, was im Training gelernt wird, wird tatsächlich umgesetzt? Ganz grob über den Daumen geschätzt – in Prozent. Viele PersonalentwicklerInnen, TrainerInnen oder auch TeilnehmerInnen schätzen, dass es nur 10 bis 30 % sind. Tja, und genau das ist auch die Einschätzung der TransferforscherInnen. Auch TransferforscherInnen gehen davon aus, dass nur 10 bis 30 % des im Training Gelernten tatsächlich gewinnbringend am Arbeitsplatz angewandt wird.2 Das ist nicht gerade das, was man sich als Return on Investment wünscht, oder?

Trainingstransfer ist das Ausmaß, zu dem Teilnehmende Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen, die sie im Trainingskontext erworben haben, im Arbeitskontext effektiv einsetzen.3

Besonders einprägsam bringt es Professor Robert O. Brinkerhoff, einer der führenden Experten im Bereich Wirksamkeit und Evaluierung, auf den Punkt. Im Schnitt gelingt nur zwei von zwölf Teilnehmenden der Transfer des Erlernten in den Alltag. Acht versuchen, das Gelernte anzuwenden, scheitern aber. Und zwei probieren es gleich gar nicht.4 Angesichts der enormen Investitionen müsste und sollte der Transfererfolg deutlich höher liegen!

Abb. 1: Im Schnitt gelingt nur zwei von zwölf Teilnehmenden der Transfer des Gelernten in die Praxis

Sind Trainings einfach ineffizient?

Muss das so sein? Kann es vielleicht einfach nicht mehr, das Instrument Training? Sollten wir überhaupt darauf verzichten? In vielen Fällen ist genau das eine sehr gute Idee. Denn wie jedes Instrument ist auch das Instrument Training kein Allheilmittel für alle organisationalen Probleme und Herausforderungen. Wenn die Umsatzzahlen nach unten gehen, braucht es manchmal kein Training, sondern ein besseres Produkt. Und wenn die Burnout-Raten nach oben schießen, ist es häufig nicht ein Stressmanagement-Training, das zum Ziel führt, sondern vielleicht zusätzliches Personal, andere Organisationsstrukturen oder der Abbau unnötiger Bürokratie.

Und doch gibt es sie, die Herausforderungen, für die Trainings die optimale Lösung sind (auf die Frage: „Wann sind Trainings die richtige Lösung?“ kommen wir beim Stellhebel Anwendungsmöglichkeit zurück, siehe s. S. 199 ff.). Es gibt sie, diese Trainings, die Enormes bewirken! Bestimmt haben auch Sie dies bereits erlebt: als TeilnehmerIn, als PersonalentwicklerIn oder als TrainerIn: ein geniales Training, in dem Sie den entscheidenden Impuls bekommen oder gegeben haben, der wirklich etwas verändert hat. Es sind einprägsame Erlebnisse für Trainer, wenn viele Jahre später ein Teilnehmer auf einen zukommt, der sagt: „Ihr Training war es! Ihr Training hat was gebracht! Noch heute nutze ich Ihr Modell XY.“ Ja, das sind die Sternstunden als Trainer! Da kommt man ins Schwärmen! Solche Erfahrungen zeigen: Trainings können sehr wohl effizient und wirksam sein! Und das bestätigt uns auch die Wissenschaft. Die Effektstärken von Trainings auf verschiedene Ergebnis-, Verhaltens- und Wissenskriterien schwanken enorm (von d = -1,5 bis d = 5). Das bedeutet also, Trainings können viel bewirken, gar keinen Effekt haben oder sogar unerwünschte negative Effekte haben. Die Frage ist also: Woran liegt es? Wovon hängt die Transferwirksamkeit ab? Und wie kann man Trainings effizient machen?

Die Quintessenz der Transferforschung

An dieser Frage tüfteln die Transferforscher seit mehr als 100 Jahren. Sie führen empirische Studien durch, in denen sie immer wieder bestimmte Faktoren manipulieren und dann messen, wie sich Transfererfolg verändert. Große Einigkeit besteht darüber, dass es drei Bereiche sind, die für die Transferwirksamkeit entscheidend sind: Teilnehmer, Trainingsdesign und Organisation.

Abb. 2: Drei Bereiche müssen zusammenwirken um Trainings transferwirksam zu machen

In diesen drei Bereichen finden sich jeweils verschiedene Faktoren. Eine Menge verschiedener Faktoren! Transferforscher sind wirklich hart arbeitende Menschen. Es wurden schon an die 100 Faktoren identifiziert, die den Transfererfolg beeinflussen.5 Vielleicht sind Sie nun versucht, dieses Buch gleich wieder beiseite zu legen? 100 Faktoren – was soll ein Praktiker damit! Sie haben völlig recht. Mit so vielen Faktoren lässt es sich nicht gut und schon gar nicht wirksam arbeiten. Und das müssen Sie auch nicht! Viele diese Faktoren sind „nice to know“, aber nicht wirklich praktisch, wenn es um die Steuerung der Transferwirksamkeit geht. Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen. Nehmen wir eine der Determinanten aus dem Bereich der Teilnehmenden. Zahlreiche Studien belegen beispielsweise, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen Intelligenz und Transfererfolg gibt.6 Aber was bedeutet diese Information für uns in der Praxis? Sollen wir nun vor jedem Training einen Intelligenztest durchführen und nur jene ins Training lassen, deren IQ hohe Transfererfolge verspricht? Wohl eher nicht! Sie sehen, einige dieser Faktoren, die die Transferforscher so er- und beforscht haben, sind interessant zu wissen, aber wenig hilfreich, wenn es darum geht, JETZT ein transferwirksames Training zu gestalten. Warum? Weil wir diese Faktoren nicht, zu wenig oder zu langsam beeinflussen können. Was wir in der Praxis brauchen, sind jene Faktoren, die wir beeinflussen und fördern können, und zwar nur eine Handvoll, nur die wichtigsten, damit es auch noch machbar bleibt. – Gerne! Denn genau das sind die 12 Stellhebel der Transferwirksamkeit!

Abb. 3: 12 Stellhebel der Transferwirksamkeit

Wer bedient die Stellhebel?

Wessen Aufgabe ist es, die Stellhebel auf „transferwirksam“ zu stellen? Als PersonalentwicklerIn könnten Sie sich fragen: „Was gehen mich Dinge wie das Trainingsdesign an, das ist doch Trainersache!“. Und als TrainerIn denken Sie möglicherweise: „Auf die Stellhebel der Organisation habe ich ja sowieso keinen Einfluss, warum sollte ich mich also damit beschäftigen!“. Können Sie je nach Ihrer Rolle darauf verzichten, sich über die Stellhebel zu informieren, und einfach nur das gestalten, was in Ihren „Zuständigkeits- und Einflussbereich“ fällt? An dieser Stelle die klare Empfehlung: Nein! Tun Sie das nicht! Einer der Hauptgründe für ausbleibenden Transfererfolg ist nämlich genau das: Es gibt keine klaren Zuständigkeiten für Transfer. Transfererfolg ist stets ein Gemeinschaftserfolg. Es braucht mehrere, die an einem Strang ziehen und ihren jeweiligen Beitrag leisten, einen Beitrag, der organisiert und gemanagt werden will. Viele Stakeholder sind für Transfer verantwortlich und genau das birgt ein Risiko. Wenn viele gemeinsam verantwortlich sind, fühlt sich oft keiner mehr verantwortlich. Jeder geht davon aus, dass der jeweils andere schon dafür sorgt, dass getan wird, was getan werden muss. Insbesondere dann, wenn es keine klar definierten Aufgaben gibt beziehungsweise sich Aufgaben nicht klar einzelnen Personen oder Rollen zuordnen lassen. Und genau das ist beim Thema Transferförderung der Fall. Wessen Aufgabe ist es, die richtigen Inhalte für das Training zu definieren und auszuwählen? Wer entwickelt und implementiert Maßnahmen, die sicherstellen, dass die Vorgesetzten den Transfer unterstützen? Wer kann und soll fördern, dass die Teilnehmenden motiviert sind, das Gelernte umzusetzen und auch im Arbeitsalltag an ihren Vorhaben dranzubleiben? Wenn Sie diese Fragen verschiedenen Personen stellen, werden Sie ganz verschiedene Antworten bekommen. Diese Fragen und Zuständigkeiten bleiben ungeklärt, werden häufig gar nicht angesprochen oder auch nur angedacht. Der Transferprozess bleibt ungesteuert und ungemanagt – und der Transfererfolg bleibt aus. Das wird Ihnen nicht passieren! Denn Sie kennen die Stellhebel der Transferwirksamkeit und bringen die entscheidenden Fragen auf den Tisch. Sie haben den Überblick darüber, worauf es ankommt, und eine Werkzeugkiste voller Ideen für entsprechende transferfördernde Maßnahmen und Interventionen.

Für Sie als PersonalentwicklerIn lohnt es sich, alle Stellhebel der Transferwirksamkeit zu kennen, weil Sie so gezielter nach genau den TrainerInnen Ausschau halten können, die Ihrem Transferanspruch gerecht werden. Außerdem wird es Ihnen mit diesem Modell im Background noch leichter fallen, den Führungskräften in Ihrer Organisation ihre Rolle beim Transfererfolg bewusst zu machen und ihr Mitwirken einzufordern. Zudem ist es mit den Stellhebeln der Transferwirksamkeit einfach, Commitment für das Thema Transfer in Ihrer Organisation zu bekommen und die Entscheidungsträger davon zu überzeugen, Budgets für Trainings und insbesondere Transfermaßnahmen und -interventionen bereitzustellen.

Für Sie als TrainerIn lohnt es sich, alle Stellhebel der Transferwirksamkeit zu kennen, weil Sie damit ein starker Sparring- und Entwicklungspartner für Ihre Auftraggeber werden. Sie können diese darauf hinweisen, worauf es ankommt und wer involviert werden muss, um Transfererfolge erzielen zu können. Sie machen damit deutlich, dass die Transferverantwortung nicht bei Ihnen allein liegt, sondern auch die Organisation ihren Beitrag leisten muss. Damit stärken Sie sich nicht nur nach und nach Ihren Ruf als TrainerIn mit ganz besonderem Transferanspruch und -ergebnis, sondern sichern sich auch Zusatzverkäufe. Denn als Berater und Partner für transferwirksame Entwicklungsarchitekturen haben Sie natürlich auch entsprechende Tools, Maßnahmen und Interventionen im Gepäck.

Letztlich ist die Frage, welche Stellhebel für Sie relevant sind, eine Frage Ihres Rollenverständnisses und eigener Positionierung: Verstehen Sie sich als PersonalentwicklerIn als OrganisatorIn von Seminaren? Oder als Business-Partner, der zum Unternehmenserfolg beiträgt? Das Zweite impliziert, dass Sie selbstverständlich auch für das Transfermanagement, die Koordination des Transfererfolgs und damit alle Stellhebel zuständig sind. Und verstehen Sie sich als TrainerIn oder Trainingsanbieter als jemand, der bestimmte Inhalte in methodisch-didaktisch ansprechender Form vermittelt? Oder als Entwicklungsbegleiter und -ermöglicher den Anspruch hat, Teilnehmende und Unternehmen in ihrer Praxis weiterzubringen? Dann brauchen auch Sie nicht nur einzelne Stellhebel, sondern alle.

Kritisch provokant auf den Punkt gebracht: Wann immer Sie sich beim Lesen der Stellhebel fragen: Ist das hier für mich als TrainerIn, als TrainingsanbieterIn bzw. als PersonalentwicklerIn wirklich relevant? Dann ist es eine gute Gelegenheit, das eigene (vielleicht zu eng gegriffene) Rollenbild zu hinterfragen.

Der erste Schritt zu transferwirksamen Trainings

Kommen wir ins Tun! Was ist der erste Schritt für mehr Transferwirksamkeit? Die Antwort: Ziele! Doch stopp, wenn Sie versucht sind, jetzt gleich weiterzublättern. Jaja, natürlich beginnen wir mit Zielen, das ist für uns so selbstverständlich, dass wir diesem Schritt nicht die nötige Aufmerksamkeit und die nötige Sorgfalt zukommen lassen.

Wie definieren wir Ziele so, dass sie transferwirksam sind? Sehen wir uns die Definition von Transfer kurz an. Trainingstransfer bedeutet: im Training erworbenes Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen in der Praxis anzuwenden. Wissen erlangen alleine ist also noch nicht Transfer und damit auch nicht das Ziel von Trainings. Das brachte schon Goethe auf den Punkt: Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug zu wollen, man muss es auch tun. Ein transferwirksames Ziel (kurz Transferziel) beschreibt genau dieses Tun. Ein Transferziel beschreibt eine Handlung, die zum angestrebten Unternehmenserfolg führt – ein erfolgskritisches Verhalten („critical behavior“), wie es der Evaluierungsgroßmeister Kirkpatrick nennt. Und wenn wir Transferziele so beschreiben, also als Handlungen, gewinnen sie ganz automatisch an Klarheit. Schauen wir uns das anhand eines Beispiels an. In den Trainingsbeschreibungen zu Verkaufstrainings finden wir nicht selten Zielformulierungen wie: „Sie steigern Ihre Verkaufskompetenz“ oder „Sie werden souveräner im Umgang mit Kunden“. Sind diese Ziele eindeutig? Ist aus ihnen klar ersichtlich, wann sie erreicht wurden? Und sind sie so klar, dass alle Transfer-Beteiligten (Teilnehmende, TrainerInnen, Führungskräfte etc.) dasselbe darunter verstehen? Können wir solche Ziele messen? Eher nicht. Neuer Weg: Wir formulieren ein sichtbares erfolgskritisches Verhalten, ein Transferziel. Beispielsweise könnte es im Fall eines Verkaufstrainings lauten: „Die Teilnehmenden steigern ihre Abschlussquote um 20 %, indem sie Abschlusstechniken im Verkaufsgespräch einsetzen.“ Damit ist klar, was das Ergebnis, der Nutzen für das Unternehmen und die Teilnehmenden ist (+ 20 % – genial!) und durch welches konkrete Verhalten dies erreicht wird (die Abschlusstechniken). Transferziele stellen sicher, dass für alle Transfer-Beteiligten klar ist, wo die Reise hingeht und wozu sie gut ist. Und genau das ist der Ausgangspunkt eines transferwirksamen Trainings.

Time for Transfer! So fördern Sie Ihren persönlichen Transfererfolg

Was für unsere Teilnehmenden im Training gilt, gilt auch für Ihren ganz persönlichen Transfererfolg aus diesem Buch: Es ist nicht genug, nur zu wissen, man muss es auch anwenden! Und es ist nicht genug, nur zu lesen, man muss es auch tun! Am transferwirksamsten ist dieses Buch für Sie, wenn Sie das Gelesene gleich ausprobieren und umsetzen. Und zwar nicht abstrakt oder fiktiv, sondern ganz konkret an einem Beispiel aus Ihrer eigenen Praxis. So nützen Sie Ihre wertvolle Zeit doppelt (zum Lesen und zum Konzipieren) und können sofort für sich überprüfen, ob das, was Sie hier lesen, in ihrem Fall auch wirklich funktioniert. Nehmen Sie sich also ein ganz konkretes Training vor oder ein Trainingsprogramm, das Sie gerade planen oder weiterentwickeln möchten, und entwickeln Sie gleich während des Lesens das Transferkonzept, Stellhebel für Stellhebel! Welches Training oder Trainingsprogramm wird das bei Ihnen sein?

Während ich dieses Buch lese, werde ich für dieses Training oder Trainingsprogramm ein Transferkonzept entwickeln:

Los gehts mit dem ersten entscheidenden Schritt: den Transferzielen. Was soll durch das Training in der Praxis erreicht werden? Was machen die Teilnehmenden mit Hilfe des Trainings in der Praxis anders oder besser? Was ist das erfolgskritische Verhalten und zu welchem Ergebnis wird es führen? Notieren Sie ganz spontan Ihre ersten Gedanken und Stichworte dazu.

Transferziel(e) meines Trainings:

 

 

 

 

Sollten Sie nun merken, dass Ihre Transferziele noch nicht so klar und eindeutig sind, ist das bereits eine wichtige Erkenntnis. Sie werden im Laufe des Buchs noch verschiedene Tools und Interventionen kennenlernen, um die Ziele zu schärfen (beispielsweise den Transferziele-Workshop oder die Bedarfsklärung, siehe S. 204 ff.). Wenn sie bereits klar, konkret und scharf sind – umso besser! Starten wir also los und finden heraus, von welchen Stellhebeln die Transferwirksamkeit abhängt und mit welchen Tools und Interventionen Sie den Transfererfolg Ihres Trainings steigern werden.

 

1 In Deutschland werden rund 27 Mrd. Euro jährlich in betriebliche Weiterbildung investiert, schreiben Gris, R., & Gutbrod, A. 2009 in ihrem Artikel Weiter bilden, weiter lügen? Warum entgegen aller Erkenntnisse ein Großteil der Beratungs- und Trainingsarbeit immer noch Verschwendung ist. Organisationsentwicklung, 28(3): S. 52 – 57. In Österreich liegen die Investitionen bei rund 1,4 Mrd. Euro. Für Details und Vergleiche der EU-Mitglieder siehe die regelmäßige Erhebung der Eurostat (Vocational education and training statistics – CVTS) sowie deren nationale Berichte des statistischen Bundesamts in Deutschland bzw. der Statistik Austria.

2 Zu den Schätzungen zum Transfererfolg siehe beispielsweise Baldwin, T. T., & Ford, J. K. 1988. Transfer of Training – A Reveiw and directions for future research. Personnel psychology, 41(1): S. 63 – 105 oder Kauffeld: S. 2010. Nachhaltige Weiterbildung. Betriebliche Seminare und Trainings entwickeln, Erfolge messen, Transfer sichern: Springer: S. 4.

3 Diese in der Transferforschungsdebatte gängiste Definition stammt von Baldwin, T. T., & Ford, J. K. 1988. Transfer of training: A review and directions for future research. Personnel psychology, 41(1): S. 63 – 105.

4 Brinkerhoff, R. O. 2006. What If Training Really Had to Work? http://www.iap-association.org/getattachment/Conferences/Annual-Conferences/Annual-Conference-2014/Conference-Documentation/19AC_P3_Discussion_Note_Pauline_Popp_Madsen.pdf.aspx (1.12.2016). Die Werte basieren auf langjährigen persönlichen Evaluierungserfahrungen von Prof. Robert Brinkerhoff. Mehr Infos zu seiner Arbeit finden Sie auf www.brinkerhoffevaluationinstitute.com

5 Eine sehr umfassende Darstellung der Transferdeterminanten finden Sie beispielsweise bei Meißner, A. 2012. Lerntransfer in der betrieblichen Weiterbildung: Theoretische und empirische Exploration der Lerntransferdeterminanten im Rahmen des Training off-the-job, Josef Eul Verlag GmbH: S. 96ff.

6 Zur Intelligenz (kognitiven Fähigkeiten) als Determinante des Transfers siehe beispielsweise die Metaanalysen von Colquitt, J. A., LePine, J. A., & Noe, R. A. 2000. Toward an integrative theory of training motivation: A meta-analytic path analysis of 20 years of research. Journal of Applied Psychology, 85(5): 678 – 707. sowie die Metaanalyse von Blume, B. D., Ford, J. K., Baldwin, T. T., & Huang, J. L. 2010. Transfer of Training: A Meta-Analytic Review. Journal of Management, 36(4): S. 1065 – 1105.

DIE STELLHEBEL BEI DEN TEILNEHMENDEN

I want – I can – I will
In the end, transfer is a trainee’s decision

Stellhebel 1
Transfermotivation

Stellhebel 2
Selbstwirksamkeitsüberzeugung

Stellhebel 3
Transfervolition

In diesem Teil lesen Sie,

• wie Sie Teilnehmende zum Transfer motivieren können,

• was die magische Vier-Minuten-Meile mit Transfer zu tun hat,

• wie unser Willensmuskel funktioniert

• und was Sie tun können, um die Stellhebel des Teilnehmers auf „transferwirksam“ zu stellen.