Peter Handke

Die Hornissen

Roman

Suhrkamp Verlag

»Du wirst gehen zurückkehren nicht sterben im Krieg«

Das Einsetzen der Erinnerung

Damals, sagte mein Bruder, sei ich vor dem Ofen gesessen und hätte in das Feuer gestarrt.

Er sei noch im Regen vor Tagesanbruch von hinten auf die Anhöhe gekommen; ohne zu schauen, sei er durch den Weidedraht in das Feld gestiegen, der Draht habe ihm ins Gesicht gekratzt, er sei weiter abwärts über den Acker gelaufen, das Feld sei damals schon brach gewesen, Schlamm und von den Bäumen gewehte verfaulte Blätter hätten sich im Laufen an seine Sohlen geklumpt, er sei darauf schrittweis über das Feld auf das Haus zu gegangen, vor den Bäumen sei er wieder in Lauf gefallen, er sei durch das Gras und über den Weg gelaufen, er habe diesseits des Wegs in das nasse Gras, ohne stehenzubleiben, mit den Füßen selbst links und rechts von den Sohlen die Wülste des Feldschlamms gestreift, er sei zugleich die Mauer entlang zu dem Holzstoß gegangen, er habe den Fuß in die Fugen des Stoßes gesetzt, er sei, zuerst gekrümmt Hals über Kopf, dann aufrecht Kopf über Hals, den Holzstoß hinaufgestiegen und habe im Steigen schon durch die doppelten Scheiben geschaut, habe hier drinnen etwas gesehen, habe etwas sitzen sehen, habe einen in einem Hemd vor dem Feuer sitzen sehen, habe hier drinnen mich auf dem Bett vor dem Feuer sitzen sehen.

Er sagte, ich hätte die Schultern unter dem langstreifig zerrissenen Hemd nach vorn zueinandergezogen, so daß die dunklere Haut zwischen den schmalen zugeschärften Stoffalten, die von dem gezackten, gebuckelten Rückgrat nach beiden Seiten bis über die oberen Teile der Arme ausstrahlten, mit dem hellen Stoff meinen Rücken scheckte, und die Arme waren so eng über der Brust verschränkt, daß Hans die Spitzen der Finger immer tiefer sich in das Hemd krallen sah, durch den Druck, mit dem ich den eigenen Rumpf umspannte, hell gestaut bis zur Mitte der fleckigen Nägel; da sie sich, wie er sagte, desto mehr in die Haut bohrten, je länger ich den Leib mit den Armen zusammenschnürte, zerrten sie mit dem Stoff auch die Haut zu den Rippen vor. Ich bewegte mich jedoch nicht; mit tief gesenktem Kopf und den Ohren sich nähernden spitzen Achseln saß ich halb in der Mulde des Strohsacks, halb auf der Kante des Betts, die Beine schief gegen den Rand der offenen Kiste gestemmt, auf deren Boden die Schaufel und die zerhackten Splitter der Kohle lagen, und starrte in die Glut.

Zuerst habe er mich für einen andern gehalten. Schnell suchte er mit den Augen die Bettstatt, auf der er vordem mit dem zweiten Bruder geschlafen; jedoch sie war leer. Lange Zeit schaute er das leere Bett an: in dem Polster, sagte er, schien der Eindruck eines Kopfes zu sein; aber es täuschten ihn wohl die Schatten des Feuers, indem sie über die Wände sprangen.

Seine Blicke gingen in die Augen, von denen sie ausgegangen waren, zurück und gingen wiederum aus und schauten wiederum mich an. Er schaute auf die sich vorwärts krallenden Fingerspitzen und auf die pechbefleckten Nägel. Die Haut der Hand sah er rissig von getrocknetem, aufgebrochenem Schlamm. Er schaute weg. Er schaute flüchtig zur Tür. Er flüchtete sich mit den Blicken zum Feuer. Er brach mit den Blicken ein in die Glut, die an ihren Rissen und Rillen in einem stetigen Wechsel von Wind und Windstille glühend den Luftzug ansog und ausstieß. Sogleich riß er die Blicke heraus und schleifte das Gesicht breitseits über die Scheibe zur Mauerkante, ohne daß aber durch das zweifache Fenster das Geräusch der geplätteten Wange auf dem Glas hier drinnen zu hören war.

Er hielt ein und schaute unter den Dachvorsprung hinauf, indem er den Kopf in den Nacken bog; seine Hand ergriff flugs das Gesims über dem Fenster und seilte den Körper daran empor, so daß er jetzt aufrecht auf dem Holzstoß kniete und durch die Schleifspuren der Finger und der Wange schräg durch das gedunsene Glas zu mir hereinschaute. Ich ruckte soeben die Füße vom Kistenrand und führte sie in einem halben Kreis, hell zuerst, dann dunkel gefärbt vor dem hellen offenen Feuer, dann wieder hell in dem finsteren Raum, zurück auf den Strohsack, den sie in der Berührung knisternd entzündeten. Einen Augenblick sah er so den Kopf des Sitzenden von der Seite; weil er mich kannte, erkannte er mich. Seine Hand glitt von dem Sims. Er fiel auf die Fersen und versteckte den Kopf hinter dem breiten mittleren Rahmen; er legte den Rücken der Hand gewölbt auf die Stirn, preßte ihn zwischen der Stirn und der Scheibe gerade und schaute mich an. Ich hätte indessen nur das Gesicht auf den Kalender über der leeren Bettstatt geöffnet; die Augen aber, deren Wölbung von der Seite er schimmern sah, seien blicklos gewesen. Die Haltung der Arme habe sich nicht verändert. Er erwartete jetzt die Gebärden vor dem Wiederanfang des Schlafs. Die Finger fielen vom Rücken und enthüllten ihre schweißige Spur auf dem Hemd, die Arme, ohne sich aus ihrer Verschränkung zu lösen, rutschten ab und auf den Bauch hinunter, der Oberkörper schwankte nach hinten auf das Gestänge zu. Während ich jedoch unverwandt zu dem Kalender hin schaute, kratzte mein Bruder mit dem Nagel des Daumens über die Scheibe.

Ich schaute nicht auf der Stelle zum Fenster. In der Zeit, da er sich duckte und flach auf den Holzstoß ausstreckte, saß ich betrunken vom Schlaf in dem knisternden Strohsack. Erst als er aufkniete und mit den Händen sich von der Teerpappe stützte, hörte ich, als sei jetzt erst der Schall über eine große Entfernung zu mir gekommen, das Kreischen des Nagels, der über die Scheibe strich: zuerst den dumpfen, widerhallosen Laut, mit dem der Nagel gegen das Glas stieß, darauf das lange krächzende Schleifen über das Fenster. Ein schwerer Schrank oder eine Kiste wurde über einen Holzboden geschoben. Ich drehte langsam den Kopf zu der Scheibe und schaute scheinbar dorthin, während mein Bruder mit der Faust den Dunst seines stoßweisen Atems abwischte. Er verharrte in seiner Bewegung. Ich schaute, wie ihm schien, auf das Fenster, und er schaute zu mir; als ich nun Atem holte, verengte sich mein Gesicht, aber nicht, weil mein Auge auf ihn fiel, sondern weil ich immer noch darauf horchte, daß der Schrank ertönte; dazu waren die Augen, deren gespannte Pupillen geradewegs auf ihn gestellt waren, einwärts zu dem Rauschen des Gehörgangs gerichtet.

Schon an diesem Morgen, sagte mein Bruder, hätte ich mit meinen zuckenden Lidern einem Blinden ähnlich geschaut.

Hinter dem Fenster nahm ich nur den finsteren Himmel wahr; aus den Teilen der Flecken ergänzte ich die Pappeln und hinter dem Feld auf der Anhöhe als Grenzzeile des Himmels den Weidezaun; ich sah jedoch nicht den Kopf des Bruders, der über dem Rand des Fensterbretts begierig nach meiner Antwort spähte.

Wieder nach einer Zeit, erzählte er, sei ich aufgestanden. Unvermutet sei ich jedoch nicht zum Fenster, sondern zur Tür gegenüber dem Fenster gegangen: den Schrank konnte man nur hier im Haus verschoben haben; es war mir, als sei das Geräusch aus der Kammer der Schwester gekommen.

Ich hätte den Riegel der Tür schnell aus der Fuge gezogen. Die andere Hand, die die Klinke schon geknutet hielt, schlug beim Öffnen ein Loch in den Flur. Die Stille verging und wurde hinter das Sausen des Holzes und das Knarren der Scharniere geklemmt. Sie zerbrach in dem Knall des Messings an dem Geländer der Treppe. Die Tür sprach laut und leiser und leise an das Geländer; schleifend rieb sich das Holz an dem Holz; dann strömte und kam die Stille wieder zu mir herein.

Ich rief in sie und in die Finsternis einen Namen, den ich, kaum daß ich ihn ausrief, schon nicht mehr verstand. Mein Bruder vernahm den Ton der Stimme, die rief; was es war, das ich rief, blieb ihm unbekannt; von neuem kratzte er antwortheischend über das Fenster. Unbewegt, ohne eigene Bewegung, blieb er an seinem Ort, ohne mich aus den angestrengt starrenden Augen zu lassen. Ich ging über die Schwelle der Tür auf den Beton, der durch die Kälte die nackten Füße erst nackt machte, und rief zu wiederholten Malen seinen unverständlichen Namen; dann rief ich lauter den unverständlichen Namen des andern vermißten Bruders, so als wäre das Verrücken eines Schrankes schon das Zeichen für ihre Rückkunft.

Er konnte nicht sehen, daß ich mich in dem Flur auf die Zehen stellte und mit den Fingerspitzen über die Wand nach dem Schalter suchte; jedoch er sah die Katze, die zwischen den Krampen und Schaufeln unter der Stiege gekauert hatte, auf das Schaben der Finger den Kopf erheben und durch das Erheben des Kopfes erwachen.

Mir fiel ein, daß ich das Summen des Zählers nicht hörte. Da erst wurde ich gewahr, daß das Vieh mit gerecktem Schwanz über die Schwelle ins Zimmer schlich; der Kopf war mit dem Leib auf das Fenster gerichtet. Jetzt erinnerte ich mich, daß in der Nacht die Bomber geflogen waren.

Mein Blick traf im Flur zunächst auf den getrockneten Schlamm, dessen Stapfen sich vom Haustor her auf den Betonschlieren im Verhältnis der wachsenden Zahl der weiter herein geschrittenen Schritte in ihrem Ausmaß verringerten, und sodann an den Stellen, auf die mein Vater in der Nacht zuvor bei der Heimkehr stampfend die Füße gesetzt hatte, in der Faust an dem Drahthalfter die Stallampe für die nutzlose Suche, auf die bräunlichen, an den Rändern noch von Bachglimmer glänzenden Lachen von seinen Stiefeln, die bis zu meiner Tür und, nachdem ich auf sein Klopfen, Brüllen und Trommeln die Türe entriegelt hatte, hinein in den Raum bis unter den von dem Luftstoß schwankenden Lampenschirm stießen, von wo meinem Vater, während ich still in dem Hemd neben ihm stand, der Blick frei gewesen war über das ganze Zimmer, in dem er außer mir niemanden antraf, so daß er nicht anders konnte, als mit der fuslig stinkenden Lampe, die ihm schlaff von der Hand hing, mitten in dem hohlen Raum mit schweren Augen über die Zeit auf dem Fleck zu stehen.

Jetzt, da ich schaute, waren dort die Stiefelabsätze scharf in den unterdessen verhärteten Bachschlamm gemodelt.  

Die Katze plärrte laut auf das Fenster hin.

Das Geräusch sog mich aus dem Gang zurück in den Raum; hinter den Scheiben sah ich das Gesicht meines Bruders, und weil ich ihn kannte, erkannte ich ihn.

Deine Haut war dreckig, sagte ich, und schwarz zerschrammt von dem Weidedraht. Jedesmal, wenn ich die Blicke einstellen wollte, löschten die hüpfenden Bilder des Feuers, in das ich gestarrt hatte, mir dein Gesicht aus.

Indessen bewirkte der regenvertreibende Schnee in dem Raum eine steigende Helligkeit, die stoßweise den Stößen der Schneeschwaden folgte. Er machte mir kein Zeichen. Auch ich machte ihm kein Zeichen. Gleichwohl wußten wir voneinander, daß einer den anderen sah. Ich schaute stumm auf den Kopf vor dem Feld, das diesem so nah war, wie wenn ich ihn durch ein Fernrohr anschaute.

Ohne die Stellung der seinerseits starrenden Augen zu ändern, sackte er schnell auf den Holzstoß hinab; in dem Anfang der Bewegung stiegen hinten am Scheitel des Kopfes die borstigen Haarsträhnen auf; sie klappten zurück, noch ehe das Gesicht aus dem Bereich meiner Blicke fiel.

Die Flucht

Oft im November fällt am Morgen der Schnee. Dieser Vorgang wird ungefähr folgend beschrieben: »Der Erwachende und Erwachte schaut in das Freie, um aus dem Maß der Helligkeit die Zeit zu gewinnen. Draußen sieht er den Schnee, der den Regen vertreibt. Die Dachpappe über dem Holzstoß, die schichtweise von den Scheitern gerutscht ist, weil sich etwa etwas von ihr im Sprunge entfernt hat, wird von dem wolligen Schnee überwuchert; an den Stellen, die noch erwärmt sind, weil darauf vielleicht ein warmblütiges Wesen gekniet ist, vergehen die Flocken noch immer; der Regen ist soeben erst in den Schnee übergegangen. Die Wolken sind verfallen und haben ihre Form verloren. Der Himmel ist einförmig. Hast du's gesehen, hast du's nicht gesehen, hat der Wind aufgehört, so daß du nichts mehr hören kannst. Die Pappeln am Feldrand, das Gras am Feldrand, die Halme des Grases am Feldrand sind von dem raschen Einfall des Schnees überrascht worden; auch diesem Scharpflug dort (es wären noch andere landwirtschaftliche Geräte zu nennen), der im Regen noch blinkend zu atmen schien, hat es den Atem verschlagen. Während der Schnee fällt, sind die Flocken unter den Wolken nicht zu sehen; dann siehst du sie einzeln vor der grindigen Rinde der Bäume, die mit der Verdichtung des Schnees an Dunkelheit zunimmt, darauf flaumig und ununterscheidbar über dem Feld«, wieder einzeln vor dem nassen schwarzen Rock des Kindes, das über die Furchen aufwärts, den Weg, den es gekommen ist, zum Horizont läuft, mit Armen, die, vom Körper abgehalten und in den Händen zu Fäusten gepackt, in dem Auf und Ab des Feldes auf und ab pendeln, mit Sohlen, die die schlammigen Klumpen beim Lauf in die Furchen einstampfen, »und zuletzt siehst du den Schnee, schon wieder unabsehbar, die von dem Pflug verschnittene Erde bewölken, die bis jetzt ihre Regenfarbe noch nicht gelassen hat«.

Dem Betrachter, der auf einem eilig herbeigeschleppten Stuhl am aufgeschlagenen Fenster steht, die eine Hand vor sich in dem Schneeflaum, geraten die Ebenen durch einen Schwindel in dem schon leeren Blick durcheinander: die weiße Ebene des Himmels schiebt sich durch die braune und gelbe Ebene des Feldes; die weiße Ebene des Feldes und die vergilbende gelbe Ebene des Himmels schiebt sich durch die weißen Ebenen der Dachpappenschichten, auf denen vor kurzem durch die Wärme eines Körpers der Schnee noch vergangen ist, und die weiße Ebene der Dachpappen, die weiße Ebene des Himmels und die weiße Ebene des Feldes, zerstochen nur von den Stichen der Pappeln, schieben sich scharf durch die weiße und leere Ebene der Augen und zerschneiden und zerstückeln die weiße und leere Ebene des Gehirns.

Die Verheimlichung der Nachricht

Der schwere Balken auf der Mauerkrone trudelte und hüpfte stapfenweise dem Helden näher, der mit seiner Nachricht die Stiege hinaufstieg; er rückte und ruckte näher der zu ihm gerichteten Netzhaut, er schwankte heran und herab, während er sich weitete und sich auftat vor dem sogenannten Klappern und Schleifen der hölzernen nägelbeschlagenen Pantoffel auf den hölzernen Stapfen der Stiege; anfangs, hier von unten erblickt, war mir, der ich hinanstieg, nur die eine senkrecht behauene Seite ersichtlich, von weitem so schmal wie von nahem die Latten darüber, von dem frischen Licht, das aus der Luke der Dachfront herüberfiel, mit den Schlagschatten der Sparren gestreift, so daß die abstehenden Späne, unter denen der Balken noch dunkler war, und die Unzahl der tupfigen schwarzen Bohrungen mit den vereinzelten Wällen des Holzmehls rundum dem vom Fuß der Stiege sich nähernden Blick noch verheimlicht wurden; dann aber, in dem Heranschwanken und Zittern des Balkens, sprangen diese Erscheinungen, die ich vordem nur gedacht und vorgestellt hatte, mit ihren Grenzen aus der unsicheren Sichtfläche vor, und es wurde auch die waagrechte Seite des Balkens schattenlos sichtbar, von der die Sparren schräg zum First hinauf führten, und an ihnen erkannte ich die Netze der Spinnen, in denen die Staubknollen und die verknäuelten, ausgesaugten Leiber der Fliegen hingen. Die Fäden, die ich im Gehen von den Ziegeln zog, legten sich klebrig über die Hand, während ich den Balken entlang mit der Nachricht oben unter dem Dach weiterstapfte und zu dem Gemach meiner Schwester gelangte.

»Den runden kleinen Spiegel verdeckten sogleich ihre sich spreizenden Finger; den Wandspiegel, in dem ich ihre Schultern sah, brauchte sie nicht zu verbergen.«

An diesem Morgen aber traf ich meine Schwester nicht in der Kammer. Ich wurde ihrer Gerüche erinnert, und ich erinnerte mich und prüfte sie alle. Ich prüfte den Leimgeruch des Nagellacks, den Geruch der Tinktur, mit der sie, sogleich nach dem Auftragen, den Nagellack wiederum abwusch, bevor sie ihn neu wieder auftrug, den Geruch des erkalteten Kamillentees, in dem sie die Augen glänzte, den Kuchengeruch aus den gesammelten leeren Puderdosen, den Geruch des Berühmten Wassers, mit dem sie das Zimmer besprengte, den Geruch jener zitronenähnlichen Äpfel, den Teergeruch der kriegszeitgemäßen Seife, die zwischen den geerbten Gewändern der Mutter in der Kommode lag.

Die Gegenstände des Raumes kamen mir farblos und ausgebleicht vor, so als hätte ich vorher lange unverwandt in die Sonne geschaut oder als wäre ich soeben erst erwacht und könnte noch nichts unterscheiden als Dunkel und Helligkeit; jedoch dann fiel mir ein, daß es unten in dem Zimmer das Feuer gewesen war, in das ich gestarrt hatte, und darauf der Schnee, durch den ich mit den Blicken meinem eilenden Bruder nachgeeilt war, die mich jetzt beide blind für die Farben machten, so daß es mir schien, als halte mich die farblose Ansicht der Gegenstände zum Narren, indem sie vielleicht, ohne daß ich es mit den durch die Flammen geblendeten, farbenblinden Augen wahrzunehmen vermöchte, mich darüber ungewiß ließ, daß die Gegenstände selber, je heller es etwa durch ein heimliches Öffnen der Tür hinter mir würde, einem unbefangenen Blick diesen Vorgang anzeigten, dadurch, daß sie mit den Farben zu spielen begannen und sich den schärferen Grenzen des wachsenden Lichtes anpaßten, das vielleicht durch eine lautlos hinter mir wachsende Türöffnung käme.

Die Unversehrtheit des Tisches, des Schrankes, der Kommode und des aufgebetteten Bettes nahm sich falsch aus.

Jedoch ich schaute nicht zurück; vielmehr holte ich Atem, um mit einem Ruf das Schweigen zu brechen.

Da vernahm ich von der Dachstiege her das Trippeln ihrer Pantoffeln. Was hatte sie unter dem Dach zu schaffen gehabt?

Ich trat schnell aus dem Gemach.

Sie blieb stehen und schaute von den hohen Pantoffeln zu mir herab. Sogleich schlugen wir beide die Blicke zu Boden und bewegten uns wortlos gegeneinander zu der Mündung der Erdgeschoßstiege.

Wortlos stieg sie voran. Ich stieg hinter ihr her und betrachtete ihren klappernden, fersenkippenden Gang. Ich sammelte die Worte, die mir ausgeblieben waren, als ich aus ihrer Tür trat.

Kann ich verhindern, daß sie so fort geht und daß sie verrichtet, was sie gewohnt ist?

Die Zeitung unter die Knie gebreitet, hockt sie auf diesen Fersen, die ich betrachte, oder in einer anderen Haltung in der Küche vor dem Herd, hält sich an der Stange im Gleichgewicht und wippt auf und ab, während sie das Feuer entfacht und mit dem Rücken der Hand das Auge auswischt. Dadurch aber, daß ich die Nachricht über die Lippen bringen würde, könnte ich diesen natürlichen Ablauf verändern, und es würde anders kommen. Die Worte fielen mir jedoch im Gehirn, bevor ich sie aussprach, zu Silben und Buchstaben auseinander, die ich zu fassen nicht mehr imstande war; ich konnte nicht voraussehen, was sie tun würde, wenn ich es ihr sagte, ich konnte weder die Gebärden ihres Erschreckens voraussehen, noch die Laute der hastigen Fragen, noch die Bewegungen, mit denen sie davonstürzen würde; und daß ich es nicht voraussehen konnte, mochte ich mir auch mit Worten die Bilder einreden wollen, ließ mich hinter ihr über ein so dünn vereistes Wasser gehen, daß ich die Nachricht verschwieg.

Während ich schwieg, und während die Schwester schwieg, und während sie mit ihrem fersenkippenden Gang die Stiege hinabstieg, und während ich hinter ihr her stieg, fuhr der Vater noch durch das Schilf.

Der Transport des ertrunkenen Bruders

Während der Vater des Erzählers durch das Schilf fuhr, gingen drei Männer über die Landstraße. Sie gingen, während seine Fahrt währte, von der Kirche der Ortschaft, wo der dritte, ein Gendarm, zu den zwei andern gestoßen war, bis heraus zu dem Haus, vor dem sie an einem Schweinekessel und auf den Haustorstufen zwei übernächtige Kinder fanden, traten hier ein und gingen dumpf durch den Flur und traten wiederum ein und setzten sich und saßen, einer neben dem andern, an der Wand in dem Zimmer, die Augen wartend zur Tür, während der Vater des Erzählers durch das Schilf fuhr, das er durch einen Pachtvertrag mit dem Staat sich zueignen konnte.

Als er noch selbst hier im Haus auf derselben Bank gesessen war, auf der dann die ortsfremden Männer saßen, und das eine Knie anhob und schnaufend den Stiefel hinten am Schaft über die Ferse zerrte, waren es erst die beiden ersten Männer gewesen, dem Stand nach Zivilpersonen, die vor und hinter einem der in dem Landstrich üblichen Karren, während der Morgen graute, von der Ortschaft Übersee über die Landstraße zu der Ortschaft Öd gingen. Der eine von ihnen weckte darauf in dem Ort den Gendarmen, als der Vater des Erzählers in der Tenne über dem Stall, die Sichel schon in der Faust, mit den Fingern im Finstern nach dem Rock und der blauen linnenen Hose suchte, welche regenkalt auf einem Nagel an der Bretterwand hingen; und als er die Hose auf den Leiterwagen geworfen und das Pferd aus dem Stall trieb und es an die Deichsel schirrte, kehrte der zweite Mann mit dem indessen geweckten Gendarmen zu dem Vorplatz der Kirche zurück.

Der Vater des Erzählers schwang sich den Rock auf die Schulter, bückte sich und beugte einmal und zweimal die Knie vor den Zügeln, die das Pferd, indem es ohne Geheiß den Wagen voranzog, neben sich her über die Hofsteine schleifte; er riß die Peitsche aus dem Schaft des Stiefels und schlug mit dem Stiel der Peitsche die Silben seines Fluchs in die Kufen, während der Gendarm dem Mann, der vor der Kirche den Karren bewacht hatte, die Fragen stellte, die nach dem Bericht des ersten noch fragwürdig waren. Der Gefragte, der schief, mit übergeschlagenen Beinen, an der Säule unter dem Vordach lehnte, antwortete in seinem fremden, ungefügen Dialekt, ohne bei seinen Worten die Haltung zu ändern. Sein Gefährte lüftete der Anordnung des Gendarmen gemäß den Sack von dem Karren, während der Vater des Erzählers, nachdem er das Pferd in Gang gesetzt hatte, vor dem sich nähernden Abhang die Kurbel der Bremse einschleifte. Die gebremsten Räder drehten sich schubweise und schleuderten dem Mann, der gekrümmt, die ächzende Kurbel treibend, hangabwärts hinter ihnen einherlief, Brocken und Lachen von Schlamm ins Gesicht, bis der Wagen, als die Räder festgezurrt waren, glatt hin und her flitzte und tanzend den Weg hinabglitt. Er streckte sich im Laufen, klaubte den Dreck aus dem Gesicht, bückte sich und kurbelte den Bremsgriff, zuerst langsam und mit großen, mühsamen Bewegungen des ganzen Körpers, sodann leicht und nur mit dem Handgelenk, klappernd in die andere Richtung, so daß der Wagen mit den gelockerten Rädern dem Pferd hintennach stieß, und bog, zur Mitte des Wagens nach vorn rennend und wild den linken der Zügel anreißend, nach rechts in die Landstraße ein.

Während der Vater des Erzählers von hinten den rollenden Wagen bestieg und sich quer zur Richtung der Fahrt, ohne Augen für das, was ihn umgab, auf eine der Leitern hinhockte, sagte der Gendarm vor dem Karren das Wort des Erkennens und nickte. Darauf wurde der Sack wiederum ausgespannt. Der Gendarm verrieb mit der Spitze des Stiefels in den Tuffstein, was er sich dachte; dann sagte er die Worte, die zu der Geste gehörten. Der erste Mann stieg in das Viereck von Deichsel und Zugstange. Er fing den Karren im Knick des Ellbogens ab, und der andere nahm das als Zeichen zum Aufbruch und legte auch hinten die Hand an.

Den Ohren begrenzbar polterten und klirrten die Räder über den Stein, befreit verströmte dann das Geräusch in den breiten, lehmigen Streifen neben der Straße und verging und verlor sich, je länger der Karren in die Richtung fuhr, in die auch der Vater des Erzählers gefahren war, ehe er den Weg zu dem Teich einschlug, in dem wirbelnden Schnee schwarz auf der Leiter hockend und mit dem Stiel der Peitsche im Stiefel den Knöchel kratzend.

Zu diesen zwei Orten der Handlung trat, während der Vater zum Teich fuhr, und während die Männer über die Landstraße gingen, noch ein dritter Ort der Handlung hinzu, in dem beschrieben wurde, wie der Erzähler aus dem offenen Haus in das Freie trat und von den Stufen in den Hof hinabschaute.

Er schaute dabei zu der Schwester, die vor ihm durch den Hof ging, und schaute ihr zu. Den leeren Korb unter dem Arm, ging sie eilig neben der Stallwand zum Schuppen. Unbedacht, während sie ging, führte sie plötzlich den Kopf zu dem Fenster des Stalls, stutzte, hielt ein und wendete auch den Leib zu dem Glas. Sie hob das Kinn. Sie ging in die Knie. Sie schaute sich an. Der Erzähler schaute ihr zu.

Während sie aber immer noch stand und schaute, und während der Erzähler ihr zuschaute, und während die drei Männer mit dem Karren über die Landstraße gingen, hatte der Vater des Erzählers die Zügel schon vorn um die Sprosse gewickelt, hatte die linnene Hose über die Stiefel und die andere Hose zum Bauch aufgerammelt, war durch das Schilfgras zum Baum hin gegangen, hatte die Bänder der Hose entknotet, hatte die Peitsche beiseitegeworfen, war sodann, die Finger knöpfend und knotend an den verschiedenen Hosen, nach der Verrichtung der Notdurft ins schaukelnde Boot eingestiegen, war dann vom Ufer gefahren und fuhr, nachdem er das Boot mit dem Ruder hinten vom Pflock gedrängt hatte, durch das gepachtete Schilf.

Während die drei Männer mit dem Karren über die Landstraße gingen, war der Vater des Erzählers vorne am Bug an den selbstgezimmerten Planken gekauert, die Knie in dem schwarzen wimmelnden Schlamm, der durch die undichten Planken quoll; er hatte, während sie unentwegt mit dem Karren über die Landstraße gingen, als ein schnellender Schilfhalm ihm ins Gesicht hieb, grollend unter Zähneknirschen Luft und Wasser und Erde verflucht, hatte mit der Sichel den schuldigen Halm aus dem Wasser gerissen, war durch diese Bewegung vornüber gerutscht, war vom Gürtel aufwärts über den Planken gebaumelt, hatte baumelnd die Halme gebündelt, hatte den Hasch (der in der fremden Mundart eine für das Vieh gut freßbare Wasserpflanze bedeutet) zu Bündeln gepreßt, hatte ihn in den klobigen Fäusten zu Büscheln gepreßt, hatte ihn krachend zu sich in das Boot gebogen, hatte schon ein anderes Bündel gefaßt, hatte es im schneidenden Sausen und Zischen der Sichel über die Planken gerissen, riß das Büschel über die Planken, riß das nächste über die Planken, hatte ein weiteres über die Planken gerissen, war bereits, während die Pflanzen hinter ihm in dem Boot milchig und grün seinen Rücken anfüllten, mit den wuchtigen Stößen des Ruders weitergefahren, hatte das knirschende Ruder gegen die Richtung der Fahrt gestellt, wurde durch das Bremsen nach vorne gestoßen, hatte sich wieder auf und zurück gesetzt, hatte sitzend, während seine Hände das Ruder festhielten, triefend und tröpfelnd vor Nässe das Ermatten des Schwappens erwartet, hatte sich auf die Knie gelassen, war dort gekniet, Schnee in der Krempe und im Knick seines Huts, Rauch vor den anteilslos paffenden Lippen; hockte hierauf, von dem Schnee überflirrt, schwarz in dem Haufen des Futters und hielt, während unentwegt die Männer mit dem Karren über die Landstraße gingen, seine Rast im Gewirre des Schilfs, in dem Schilfmeer, das den Erzähler immerfort taumelig machte, nah bei sich die klar gezeichneten Halme mit den braunen dickeren Knoten, dahinter ununterscheidbar nichts als den tiefen, fahlgrünen Raum, in den raschelnd und knisternd der Schnee fiel.

Während die Männer über die Landstraße gingen, war der Vater des Erzählers zurück durch das Schilf gefahren. Während die beiden Männer den Karren schoben und zogen, und während der Gendarm neben ihnen einherschritt, trug die Schwester des Erzählers durch den Hof in dem Korb für das Vieh die Kartoffeln herbei. Während der Erzähler stumm von den Stufen herabschaute, schaute der Vater des Erzählers auf die Egel in dem wimmelnden Wasser. Während die Männer mit dem Karren zu der Abzweigung kamen, bereitete das Mädchen am Kessel für die Schweine das Futter. Während sie mit den Kartoffeln den Kessel anhäufte, forschte der Vater des Erzählers im Schlamm des Boots mit der Hand nach den Blutegeln. Während der Vater die Finger ausspreizte und den gefangenen Egel anschaute, blieben die Männer vor der Abzweigung stehen und erkundigten sich, wie es weitergehe. Während der Gendarm wegweisend die Arme ausstreckte, streute der Vater des Erzählers aus der Tasche das bereitgehaltene Salz auf den Egel. Während der Erzähler von den Haustorstufen herab das Mädchen um eine Kartoffel bat, ruckten die Männer den Karren an und schlugen den Weg zu dem Haus ein. Während die Schwester des Erzählers aus dem Kessel dem Erzähler einen Knollen zuwarf, zückte der Vater im Boot die Klinge des Messers. Während der Erzähler die heiße Kartoffel von einer Hand in die andere rollte und die Finger anblies, schnitt der Vater den Egel an den Planken des Bootes in Stücke.

Während der Vater des Erzählers an der blauen linnenen Hose dann das Messer abwischte, sah der erste Mann durch den Schnee jetzt das Haus auftauchen, bestätigten die drei einander nickend die Reden, beschleunigten sie ihre Schritte, gelangten sie endlich zur Einfahrt des Hofs, brannte sich das Mädchen die Finger an dem brennenden Kessel, begannen im Stall vor Hunger die Kühe zu schreien, stimmten in einem anderen Stall auch die Schweine mit ein.

Während der Vater des Erzählers die Kette des Boots um den Pflock schlang, hörte der Erzähler auf den Haustorstufen vor dem Anblick des Karrens zu kauen auf.

Während der Vater durch das Schilf fuhr, trug sein Sohn, der in dem Karren lag, auf dem schlammbedeckten Gesicht einen Sack, der, wiewohl er nach vielem schmeckte, ihm nach gar nichts schmeckte.

Die Reden des Gendarmen

Der Gendarm besorgt die Vollziehung der Gesetze auf dem Land; hier ist ihm ein Teil der Staatsgewalt übertragen. Er behilft sich auch von außen in diese Gewalt, indem er, wo er auch geht, mit gewaltigem, festem Schuhwerk geht und bei schlechter Witterung hinter sich auf der Schulter den mächtigen Mantel herschleppt; die eine Hand legt er an die Schnalle über dem Kragen, die andre hebt er zu dem Gruß, der sich der Staatsform fügt wie die Uniform.

Von einem weiten Weg indes wird die Uniform aus der Ordnung gebracht; die braunen Flecken des Schlamms sind dunkler auf dem hellen Mantel zu sehen und heller auf den dunkleren Lederstiefeln. Das Geräusch der Stiefel, in denen er über den Hof nun herangeht, als ein zu amtliches ist bekannt; es scheint ihn aber, während er geht, zu verstören; denn er wechselt den Schritt und schreitet zur Vermeidung dieses Geräusches jetzt mit platten, schleifenden Sohlen, indem er die Gelenke der Zehen fortan nicht mehr einzieht. Seine Stiefel knarren jedoch noch immer.

Die zwei ersteren Männer stehen in der Einfahrt des Hofs, so wie sie gekommen sind. Die Schwester stellt man sich vor, wie sie unverändert gebückt neben dem Kessel in dem blinkenden schwarzen Kreis steht, in dem rings um das Feuer der Schnee schmilzt; Dampf treibt schief aus den Fugen des Kessels, aus dem mit Kartoffeln überhäuften Kübel zu ihren Füßen und aus der Hand von dem Schöpftopf, und nebelt sie ein.

Den abwesenden Vater stellt man sich vor, wie er das Pferd mit dem bockenden Wagen rücklings zwischen die Bäume am Teichufer keilt. Er stößt bis ins Gebüsch mit dem Wagen zurück, und wie dies ihm nicht paßt, jagt er mit der bloßen Faust das Pferd wieder vor. Darauf stößt er es mit dem Gefährt so schräg gegen den Weg, daß er wenden kann. Er tritt mit dem Absatz die Gabel in den Haufen des Hasch und lädt, indem er mit dem anderen Absatz und den Fäusten den Stiel der Gabel herabstemmt und andererseits die Zinken empordrückt und sie Stoß um Stoß aus dem verflochtenen Futter befreit, die triefende Last vom Boot auf den Wagen.

Während der Gendarm mit großen Schritten herankommt und auf den Erzähler zuschreitet, ordnet er lautlos die Lippen zu den Worten, die er sich auf dem Weg schon vorgenommen hat. (Ich lag einmal erwacht und hörte, wie mein Vater im Großen Zimmer nach Kräften die Mutter schlug; zuerst verstand ich die gewohnten Worte, die hinter der Mauer die Eltern austauschten, und ich unterschied gut das Klatschen der Schläge, obwohl neben mir auch die Brüder unter Johlen und Lachen einander nachäffend zu prügeln anfingen; dann aber wurde ich, als er kräftiger prügelte, gelähmt und lahm, und die Adern sprangen mir auf und betäubten mich, so daß ich für alle Geräusche taub wurde und nur noch das wütende Blut in mir hörte.)

Der Gendarm fragt mich, während ich betäubt seine Stimme überhöre, dreimal nach dem Namen, ehe ich ihn bejahe. Mein Vater ist zum Teich gefahren, gebe ich dann ungefragt die weitere Auskunft, um nicht still sein und über die Hofstatt schauen zu müssen: er muß bald zurück sein, setze ich fort: müßte, verbessere ich mich. Die heiße Kartoffel verbrennt meine Hand.

Der Vater des Erzählers schnürt die Zügel von der Sprosse, zieht sie mit sich den Wagen entlang, springt auf, besinnt sich noch im Sprung eines andern, steigt wieder ab, stapft durch das weich gepolsterte Gras zu dem Baum mit dem zwiebelgetürmten Mal der Notdurft an der Rinde, hebt die vergessene Peitsche auf, bohrt sie tief in den Stiefelschaft, ruckt sie, bevor er jetzt aufspringt, wieder heraus und treibt den Stecken erst in den Schaft zurück, als er über den eigenen ausgebreiteten Beinen oben auf dem Haufen des Futters sitzt. Das Pferd hat ihn und den Wagen schon aus den moorigen Furchen gehoben.

Die dort wegläuft, ist meine Schwester, ereifere ich mich. Der Gendarm winkt den Männern, indem er verkümmert die Hand dreht. Obwohl sie sich mit dem Karren nun vom Eingang des Hofs in Bewegung versetzen, scheinen sie dennoch sich nicht zu bewegen; vielmehr treibt sie das Drehen der Erde erstarrt mit dem Karren zu mir heran; je näher sie rollen, desto mehr trifft die wehrlosen Augen der Sack in dem Karren, der vom Schnee schon gefleckt ist.

Unverändert rattern und rumpeln die verschiedenen Räder der verschiedenen Wagen über die Steine und über den Knüppelweg.

Mein Vater klemmt den Kopf der Pfeife zwischen Zeigefinger und Daumen und stopft mit der Daumenkuppe der anderen Hand stückweis den feuchten Tabak hinein. Er neigt sich vor, hält als Köder von der Seite das entflammte Streichholz an den Tabak und schnappt die große, verzogene Flamme saugend unter der klumpig gewölbten Hand in den Pfeifenkopf. Ohne von den Bohlen unter den Rädern gerüttelt zu werden, hockt er dort auf dem Futter und pafft den waagrechten Rauch in den senkrecht fallenden Schnee. Er wird bald da sein, wiederhole ich, während dumpf hinter mir die Männer mit der verdeckten Last durch den Flur in das Zimmer gehen.

Der Vater zügelt indessen gegen meinen Willen das Pferd. Er klettert breitseits vom Wagen und untersucht, die Hände gespreizt auf den Schenkeln, mit verkniffenen Augen das Hinterrad. Beidarmig biegt und bricht er einen Ast aus dem Gebüsch und stochert den Schlamm von dem Bremsklotz, indem er den Ast als Hebel gebraucht.

Der Gendarm läßt nicht locker. Er strafft sogar seine Fragen, während er im Zimmer hin und zurück geht. Er stillt das Knarren der Stiefel dadurch, daß er sich in den Stand befiehlt. Als er im Stand seine fragende Stimme nicht mehr erträgt, befiehlt er sich ruhelos wieder zum Gehen und stört und übertönt die knarrenden Stiefel, indem er die knarrende Stimme aus der Kehle befreit, sie denen, die hören, eröffnet und großsprecherisch allseits ihre Wirkung verfolgt, ohne daß er jedoch die ortsfremden Männer, die sitzend mit ihren Rücken die Mauer verbergen, durch sie kann zum Aufstehn bewegen, oder dazu, daß sie, sich seiner erbarmend, durch zeitvertreibendes Reden ihm beispringen. So begnügt er sich, von den raspelnd sich aus der trockenen Faust entfaltenden Fingern vor mich hin seine Fragen zu werfen und mit den Fingern auch seine amtliche Macht zu entfalten: daß dies mein Bruder Matt sei, das sei ihm geläufig; neu sei ihm nur, daß mein Bruder Hans noch vermißt werde; wo ich, der Befragte, am Tage zuvor mich aufgehalten hätte, das berühre ihn nicht; seine Aufgabe, erklärt der Gendarm, sei es, herauszukriegen, weshalb die nachrichtenlose Abwesenheit der zwei Brüder ihm nicht sei zur tunlichen Kenntnis geworden; was mein Vater (oder wer auch immer es zur Verantwortung habe), schreit er streitlustig aus dem entferntesten Winkel des Zimmers, davon denke und halte, sei ausnahmslos unbeachtlich, komme überhaupt nicht in Frage und könne fraglos vernachlässigt werden. Als ob man denn nichts wäre! speit er unvermittelt den letzten Satz aus dem Mund, indes er die unruhigen Schritte einschränkt und sich zuletzt auf die Stelle sperrt. Als ob es nicht hätte anders kommen können! fährt er vergrämt wieder auf und bezeugt mit dem geballten Gesicht seinen Unwillen. Als ob es nicht Mittel und Wege gäbe! bricht er dann aus und verfällt sofort, kaum hat er vom Fenster diese verdächtigen Worte über die teilnahmslos hockenden Fremden geschleudert, in Starre und in ein Schweigen, in dem er, ängstlich um sich luchsend, mit den dösenden andern seine freien Gedanken verfolgt.