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ISBN 978-3-492-99203-9
© Piper Verlag GmbH, München 2018
Covergestaltung: FAVORITBUERO, München
Covermotiv: Boris Lehfeld
Datenkonvertierung: Uhl + Massopust GmbH, Aalen

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Inhalt

EINLEITUNG

ES IST IMMER …

LeFloid, was bist du definitiv nicht?

Siehst du dich als eine Art »moralische Instanz«?

DAS WAR NUN …

Was willst du nicht sein, Florian Mundt?

Du bist öfter rausgeflogen?

WÄRE DIESES BUCH …

Warum bezeichnest du dich selbst als Meinungsfetischisten?

Das klingt einfach und komplex zugleich.

Also geht es dir auch darum, wo die Meinung herkommt?

Also reden wir von Meinung aufgrund von Fakten und Beweisen? Oder reden wir von Meinung durch Manipulation?

MEMPHIS MAFIA …

Wie hältst du es mit Freunden, Feinden und Soldaten?

Höre ich da raus, dass zu deinem engeren Kreis nicht so viele Leute dazugekommen sind, seit du erfolgreich bist?

»Die meisten« sind nicht alle …

ES KLINGT IMMER …

Mit welchen drei Begriffen würdest du deine Schulzeit zusammenfassen?

Dagegen sein, um dagegen zu sein? Das klingt, mit Verlaub, auch stark nach Pubertät.

GROSSE MACHT BEDEUTET …

Du hast durch deinen Output eine Verantwortung – ob du sie nun willst oder nicht.

Du kannst aber nicht nur andere YouTuber empfehlen, sondern auch Meinungen …

DIE SOGENANNTEN »INFLUENCER« …

Influencer – wie geil findest du dieses Wort?

WER SICH IN …

Wo sind die Graustufen hin?

Wie könnte man die Graustufen wieder zurück in die Diskussion holen?

Also dringst du auch immer wieder mal durch?

DEUTSCHLAND IST IMMER …

Was sagt der Digital Native LeFloid zum Thema »Digitalisierung in Deutschland«?

WAS IM PRINT …

»Er wollte nur sehen, welche Videos von LeFloid die meisten Klickzahlen haben, aber was er dann entdeckte …«

VON PERSÖNLICHEN DINGEN …

Kannst du dich über solche Dinge noch freuen?

Oder einen übermotivierten Kameramann, der sich so lange über alles an dir hochfreut, bis du deine eigene Triefnasigkeit erkennst?

IM JAHR 2017 …

Bist du froh, dass 2017 jetzt hinter dir liegt?

Und das überträgt sich dann hoffentlich wiederum auf dich?

VERMUTLICH WIRD DER …

Wie wird man YouTube-Star?

Das sind hilfreiche Ratschläge, wie man erfolgreich bleibt. Aber wie wird man erfolgreich?

FLORIAN MUNDT HAT …

Wenn du Psychologe geworden wärst, welches Berufsfeld hättest du dir ausgesucht?

Du warst eher der, der denen, die Leben retten sollen, den Kaffee kocht?

Und ich schließe daraus messerscharf, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Dunning-Kruger-Effekt und deiner Karriere gibt?

YOUTUBE BEZIEHUNGSWEISE GOOGLE …

Wie gehst du um mit den Themen Leistungsschutz und Urheberrecht?

NEBEN GEMA UND …

Was sagst du als YouTuber denn zum Thema »öffentlich-rechtlicher Rundfunk«?

WENN MAN FLO …

Würdest du dein Verhältnis zum WWW als ambivalent bezeichnen?

NACH DEM ERSTEN …

Was ist für dich der Unterschied zwischen richtig, falsch und Wahrheit?

Ich bin auf jeden Fall beeindruckt, wie du dich bislang recht unterhaltsam um die eigentliche Frage herumgedrückt hast.

»DARF DER DAS?« …

Soll man im Netz über alles Witze machen dürfen?

DAS INTERNET IST …

Was ist deine Haltung zum »Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken«, das seit September 2017 steht?

Ich zitiere aus einem öffentlich zugänglichen Foreneintrag, in dem wohl du gemeint bist:

Mal abgesehen davon, dass der Autor dieser Zeilen »offline« mit »abschnur« übersetzt und YouTube in diesem wahnchristlichen Forum konsequent »DuRöhre« genannt wird – warum bist du für diesen Menschen Satan?

Wo wir gerade dabei sind: Glaubst du an Gott?

AUF FACEBOOK FINDET …

War früher alles besser?

Kannst du dich denn in Menschen reinversetzen, die sagen, »früher war alles besser«?

MIT »FAKE NEWS« …

Du bist ein paarmal auf Fake News reingefallen …

Und Trump bereitet trotzdem seine zweite Amtsperiode vor.

AM 13.07.2015 VERÖFFENTLICHTE …

Würdest du die »fucking« Bundeskanzlerin gerne noch einmal interviewen?

FLO SETZT SICH …

Geht wählen, weil …?

FLO IST GEBORENER …

Du findest Berlin so gut, dass du jetzt nach Brandenburg aufs Land ziehst?

FLO HAT NICHT …

Du bist kein Chirurg geworden, und selbst wenn du das heute noch wolltest …

SEINE BACHELORARBEIT, MIT …

Das Thema Cybermobbing treibt dich auch Jahre nach deiner Bachelorarbeit um. Hat sich denn was geändert?

Du kannst jetzt auf jeden Fall mit diesem Buch Leute erreichen …

ALS LEFLOIDS YOUTUBE-KANAL …

»Sie haben einen Höhlentroll«, sagt Gandalf in »Der Herr der Ringe«. Damals war es nur einer …

Und dann kamen die Trolle …

EIN AFOL IST …

Es wird so viel gespielt wie nie. Werden Erwachsene immer kindlicher – oder werden sie nur normaler?

Die Frage könnte also auch lauten: Ab wann ist man wirklich erwachsen?

Was steht denn außer Rückwärtseinparken können und sich den Spieltrieb bewahren sonst noch so auf deiner Checkliste fürs Erwachsensein?

DAS BUCH EINES …

Was war das Erste, was du auf dem Commodore geschafft hast?

DIE DREHARBEITEN ZU …

Für deine Generation bist du mit Anfang dreißig ja eher spät dran mit dem Reisen. Andere legen nach dem Schulabschluss erst mal ein Work and Travel-Jahr in Neuseeland ein …

Und was war der seltsamste Dreh, den du auf dieser Reise erlebt hast?

Zurück zu deiner Reise, das hört sich nach einem ziemlich irrwitzigen Kontrastprogramm an …

FLOS MUTTER IST …

Was antwortest du auf »Ich find’ dich voll witzig, LOL.«?

LEFLOID IST EIN …

Woran denkst du beim Thema Zukunft?

Wie du gerade richtig gesagt hast: Mit 31 Jahren gehörst du zwar noch zur jüngeren Generation, bist aber eben auch schon ziemlich erwachsen. Wenn der zwölfjährige Flo den großen Flo sehen würde, was würde er denken?

EINLEITUNG

Ich bin ein glücklicher Schweinehund. Das muss man ganz einfach mal so sagen. Viele Dinge, die ich im Leben erreichen wollte, habe ich schon geschafft: Ich bin mein eigener Chef, durfte unglaublich viel reisen und habe irgendwann auch gelernt, mich selber ganz okay zu finden. Außerdem schaffe ich mit Anfang dreißig immer noch einen Heelflip auf dem Skateboard, ohne dabei Material für ein Fail-Video abzuliefern. Das alles macht mich unglaublich froh und dankbar und ich bete jeden Abend zum fliegenden Spaghettimonster, dass das auch so bleibt.

Aber eine Sache habe mich erst jetzt getraut, weil ich bislang immer zu viel Ehrfurcht davor hatte: ein Buch über mich selbst zu schreiben. Dazu musste ich von meinem Freund, Geschäftspartner und Manager Boris mit sanfter Gewalt überredet werden. Er hatte die Idee, dass sein Kumpel, der Autor, Comedian und Filmemacher Tommy Krappweis und ich dieses Buch zusammen machen könnten. Tommy kannte ich bereits – allerdings nicht persönlich, sondern als Comedian bei RTL Samstag Nacht und als geistigen Vater von Bernd das Brot. Zumindest hoffe ich, dass er nur der geistige Vater und nicht der leibliche Vater von Bernd das Brot ist, aber das klären wir vielleicht mal in einem anderen Buch …

Beim ersten Treffen war sofort klar, dass Tommy und ich komplett auf einer Wellenlänge liegen. Wir haben den gleichen bescheuerten Humor, für uns ist die Gamescom die geilste Zeit im Jahr und in unseren Köpfen kreisen die weirdesten Gedanken. Deshalb haben wir uns einen Raum, zwei Stühle, drei Kameras und tausend Packungen Gummibärchen geschnappt und geredet, geredet, geredet.

Tommy ist zwar »Ich glaube nicht, dass es jemals ein grafisch beeindruckenderes Spiel als Wing Commander geben wird«-Jahre alt und mir deshalb haushoch überlegen, wenn es um Lebenserfahrung geht. Grade deshalb war er aber so ein großartiger Gesprächspartner. Immer wieder hat er neugierig nachgefragt und unerbittlich nachgebohrt, wenn er bei seinen oft persönlichen Fragen gespürt hat, dass er auf der richtigen Fährte ist. Das war hin und wieder ziemlich hart, aber gerade dadurch bin ich zu Erkenntnissen über mich selbst gekommen, die ansonsten hinter meiner mit Stacheldraht bewehrten Schutzmauer verborgen geblieben wären.

Mir ist in diesen Gesprächen erst so richtig bewusst geworden, wie sehr mein bisheriger Lebensweg von unzähligen Kurven, Sackgassen und Umwegen geprägt wurde. Ich hatte ein Leben vor YouTube, ich hab eins online, eins offline und dann gibt’s da noch den Typen, den ihr aus den Videos kennt. Deshalb kommt auf den folgenden Seiten mal LeFloid, mal Florian Mundt und mal Flo zu Wort. Das klingt nach Mindfuck Deluxe und das ist es auch! Aber Tommy hat sich echt den Arsch aufgerissen und meine Gedanken sortiert, mit kurzen Intros versehen und kommentiert – und darum lass ich euch das jetzt lesen.

Also, kommt rein in meinen Kopf, es ist eigentlich ganz schön da drin. Und vielleicht findet ihr in meiner Birne auch ein paar Sachen, die euch in eurem eigenen Leben weiterhelfen.

Euer Florian Mundt

ES IST IMMER schwierig, zu erklären, wer und wie man selbst so ist. Das überlässt man lieber anderen Leuten. Während die über einen reden, sitzt man dann daneben, nickt ab und zu oder schüttelt den Kopf und verdreht genervt die Augen. Um rauszufinden, wie sich jemand selbst sieht, fragt man ihn zum Einstieg besser andersherum.

LeFloid, was bist du definitiv nicht?

In Artikeln über mich steht unter dem Foto meistens: »LeFloid, alias Florian Mundt, macht Nachrichten für Jugendliche auf YouTube«.

Das ist hübsch, kurz, knackig, prägnant … und falsch. Wenn ich etwas definitiv nicht bin, dann Nachrichtensprecher.

Mir ist natürlich schon klar, woher das kommt: Wenn du als YouTuber in der Lage bist, dich halbwegs vernünftig zu artikulieren, fällst du für viele Menschen schon mal aus der Reihe. Für Leute, die mit diesem Internetz nix am Hut haben, sind YouTuber halbhirnige Kiddies, die Spültabs fressen, naiven Teenies Ramsch verkaufen, sich gegenseitig Fürze anzünden und dabei irgendwas Unverständliches brüllen.

Spricht man aber in ganzen Sätzen, die auch noch Sinn ergeben – und das, ohne währenddessen im IKEA eingesperrt zu sein –, dann ist die Überraschung groß: »Oh, guck mal, das kann ja reden! Und irgendwas mit News? Verrückt, das is ein Nachrichtensprecher-YouTuber! Guck ma, die Augenringe, hihi!«

Nun bin ich bestimmt alles Mögliche – aber kein Nachrichtensprecher. Ich bin auch kein Infoportal, kein Newsfeed und auch keine Satzbausteinschleuder der großen Nachrichtenagenturen. Stattdessen würde ich das, was ich tue, so beschreiben: Alles, was du in den letzten drei Tagen zu diesem Thema gehört hast, reflektiere auf meinem Kanal noch mal. Aber Achtung, ich habe dazu eine Meinung, die sich vielleicht von dem unterscheidet, was du bisher dazu gesehen oder gelesen hast. Und ich will wissen: Was sagst du dazu?

Denn unter meinen Clips kann man Kommentare hinterlassen, auf die ich täglich viel Zeit verwende. Ich lese, was ihr sagt, denke darüber nach und schreibe zurück. Außerdem gibt es da ja noch die Community, die untereinander diskutiert und so einiges beizutragen hat. Und da kann es dann auch mal passieren, dass ich nicht recht behalte; oder dass sich meine Meinung zu einem Thema ändert, weil mich jemand mit seinen Argumenten überzeugt hat. Und wenn das so ist, dann sag ich das auch laut.

Klar haben auch Nachrichtensprecher eine Meinung, aber es geht bei den Tagesthemen nicht um Gesprächsangebote, sondern um möglichst neutral präsentierte Infos. So soll das ja auch sein. Bei mir dreht sich’s aber um das, was danach kommt. Was machst du mit der Info? Was sagst du dazu?

Siehst du dich als eine Art »moralische Instanz«?

Nein, ich will keine moralische Instanz sein. Wirklich nicht. Das klingt nach erhobenem Zeigefinger, und solche Typen haben mich schon immer genervt. Klar, auch ich halte meine Grundhaltung für nicht ganz falsch: Leben und leben lassen. Und natürlich schwingt da oft auch Moral mit, vor allem, wenn es um Themen geht, denen man meiner Überzeugung nach mit Toleranz begegnen muss. Okay, Leben und leben lassen – das klingt jetzt fast ein wenig carpe-diem-instagram-fotospruch-simpel … aber hey, irgendwie ist es ja auch ganz einfach. Leben und leben lassen. So, fettich!

Richtig schwierig wird es allerdings dann, wenn man in die Details geht. Wie weit reicht meine Toleranz bei Intoleranz? Nehme ich Rücksicht auf Menschen, die sich rücksichtslos verhalten? Wie soll ich Meinungen akzeptieren und hinnehmen, die anderen schaden? Auch darüber müssen wir immer und immer wieder diskutieren, denn das ist jedes Mal anders, neu, aktuell und wichtig. Diese Unterschiede möchte ich herausarbeiten, denn okay, ich fasse das jetzt mal zusammen: Ich will keine Denkanleitung sein. Viel lieber bin ich Denkanstoß.

DAS WAR NUN LeFloid, der hier gesprochen hat. Doch was denkt Florian Mundt, der Mann dahinter, eigentlich so? Dass die Grenzen zwischen Person und Persona fließend sind, ist erst mal völlig logisch, denn genau das macht die Authentizität vieler YouTube-Persönlichkeiten aus. Trotzdem – oder gerade deswegen – gilt die nächste Frage ausdrücklich Florian Mundt:

Was willst du nicht sein, Florian Mundt?

Vieles von dem, was ich nicht sein möchte, habe ich schon hinter mir. Und durch diese Erfahrungen erst gelernt, was genau ich nicht sein möchte. Zum Beispiel will ich kein Wendehals sein. Ein schönes, altes Wort – aber das trifft’s. Dazu muss ich ausholen: Ich bin als Kind verdammt oft umgezogen und war auf ziemlich vielen verschiedenen Schulen. Daran war ich nicht ganz unschuldig, aber ich bin auch oft umgezogen worden und konnte mir nicht immer aussuchen, ob ich an der Schule bleiben wollte oder nicht. Jetzt mal vorsichtig formuliert.

Du bist öfter rausgeflogen?

Hm, ja, so kann man das auch ausdrücken. Ich kam nach der vierten Klasse aufs Gymnasium, dann wechselte ich vor der achten Klasse nach einem Umzug die Schule, dann noch einmal nach der Achten, die musste ich dann auch noch wiederholen … Ich war also immer wieder der Neue in der Schule, der strange Typ, den keiner kannte, und oft auf mich allein gestellt. Da ich das hasste, habe ich schnell gelernt, wie man sich assimiliert. Ich hatte immer sofort raus, wer in der »schulischen Gesellschaft« welchen Stellenwert hatte, wie ich mich zu integrieren, was ich zu tun und zu lassen hatte, um akzeptiert und respektiert zu werden. Und diese Fähigkeit hab’ ich dann genutzt, um meinen Platz zu finden. Ich hatte also nie Probleme, Freunde zu finden. Das Problem war vielmehr das, was dieses ständige Auschecken, Adaptieren und Anpassen mit mir gemacht hat.

Der jugendliche Flo hat eine ganze Weile gebraucht, bis er überhaupt reflektiert hat, warum er sich immer so »off« fühlte, obwohl er doch immer mittendrin im Geschehen war. Irgendwann habe ich dann verstanden, dass ich mir eben nicht täglich eine Maske aufsetzen will. Ich hatte einfach keinen Bock mehr, dauernd so zu tun, als wäre ich jemand anderes. Und mir wurde klar, dass mir das, was wir im »Freundeskreis« so angestellt haben, überhaupt nicht guttat. Ich war eben ein »Wendehals« geworden, der bei jedem Scheiß dabei war, obwohl ich es im Grunde nicht richtig fand. Wer ich eigentlich war und was ich wirklich dachte, das wusste keiner. Das war ein einschneidender Moment in meinem Leben – diese Selbsterkenntnis: So will ich nicht sein. Und dem bin ich seitdem treu geblieben – auch wenn das bedeutet, dass ich mit einer Entscheidung durchaus mal alleine dastehe.

Klar, Freunde sind mir wichtig, aber nicht um jeden Preis. Wer mich so nicht will, wie ich bin, der soll sich jemand anders suchen. Ich werde mich nie wieder für einen Haufen Leute verbiegen, nur um dazuzugehören. Und mir geht’s verdammt gut damit.

WÄRE DIESES BUCH ein Soundtrack, dann wäre der Begriff »Meinung« das Main Theme. Flo kommt immer wieder darauf zurück, wie wichtig es ihm ist, dass sich die Menschen untereinander austauschen – und wie komplex dieser im Grunde simple Wunsch ist, sobald man ins Detail geht.

Warum bezeichnest du dich selbst als Meinungsfetischisten?

Weil ich einer bin. Perspektivensammler, Diskussionsjunkie, Debattenfreak – wie auch immer du das beschreiben willst. Aber mir geht’s nicht darum, dass sich alle in die Haare kriegen, bis der Lauteste gewinnt. Das wäre im Zweifel sowieso immer ich, denn auf meinem Kanal hab’ ich die Macht von Castle Grayskull. Mir geht’s aber auch nicht ums Gewinnen oder um didaktisches Vermitteln von Fakten im Frontalunterricht, sondern um Meinungsbildung durch Austausch. Und wenn am Ende dann auch noch ein Fazit rauskommt, mit dem wir alle leben können, dann ist das die Kür.

Um das alles auf die Kette zu kriegen, braucht es aber zunächst mal eine Sache, die mir extrem wichtig ist. Du hast ja vorhin nach der »moralischen Instanz« gefragt, und ich habe deutlich gesagt, dass ich mich nicht so sehe. Aber weil Ausnahmen zum Leben gehören wie Curry zur Wurst, gibt es eben doch etwas, das ich tatsächlich predige: Mehr Toleranz. Betrachtet man den lateinischen Ursprung des Wortes, wird einem schnell klar, wo dabei der Haken ist: tolerare bedeutet nämlich aushalten oder ertragen. Ich muss es tatsächlich erst mal aushalten, dass jemand nicht meiner Meinung ist. Und erst, wenn ich das ertragen kann, dann kann ich auch diskutieren.

Also müssen wir uns zuallererst darauf einigen, dass jeder seine Meinung haben und die auch vertreten darf. Jeder darf sich ein Bild machen. Von allem. Und jeder darf das dann auch sagen. Nicht ohne Grund haben wir ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Die Phrase »Das wird man wohl noch sagen dürfen« ist Schwachsinn.

Wer diese Floskel verwendet, hat meistens nicht das Problem, dass er etwas nicht sagen darf, sondern dass er etwas auf eine bestimmte Art nicht sagen darf. Zum Beispiel, weil er damit andere beleidigt, herabwürdigt oder deren Rechte verletzt. Gerade Neonazis muss man immer wieder erklären: Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist kein Recht auf ignorantes Arschlochtum.

Und wenn das geklärt ist, dann können wir diskutieren, Wissen austauschen, Fakten abgleichen, Emotionen abholen und so hoffentlich irgendwann einen Konsens herstellen.

Das klingt einfach und komplex zugleich.

Na klar, es ist auch für mich in der Praxis immer wieder eine Herausforderung. Mal ganz ehrlich, man sagt doch am Anfang immer erst mal gerne: »Komm, lass mal deine Meinung hören, und wir diskutieren sachlich darüber.«

Dann kommt aber das erste Statement, und du willst dich nur noch erbrechen: »Würg, okay, verpiss dich.« So als würde man sagen: »Also, deine Meinung hab’ ich mir jetzt aber echt ganz anders vorgestellt!«

Der Missbrauch der Meinungsfreiheit ist ja nicht nur bei Neonazis und solchen, die es werden wollen, zu beobachten. Auch meine Freunde mit dem Alu-Hut legen die Forderung nach »eigenständigem Denken« in ihrem Sinne aus: »Wach auf, Schlafschaf! Denk doch mal nach! Informier dich mal anhand von wahren Fakten!« Und wenn man dann auf ihre lustigen Links klickt, die wirren Videos anschaut und nachvollzieht, woher ihre »wahren Fakten« stammen, dann wird schnell klar, dass sich diese Art der Meinungsbildung von meiner Art der Meinungsbildung – vorsichtig gesagt – fundamental unterscheidet.

Und trotzdem bleibe ich dabei: Zu Beginn einer Diskussion müssen beide Haltungen gleichwertig behandelt werden. Ist man nach dem ersten Austausch sofort auf hundertachtzig und würde den anderen am liebsten quer durch die Kommentarspalte prügeln, muss man eben entscheiden, ob sich die Diskussion überhaupt lohnt. Eventuell kommt da letztlich nur noch mehr Geschwurbel, Hass und Getrolle dabei raus. Es ist völlig legitim, sich zu fragen: Besteht überhaupt die Chance, dass da ein Gespräch zustande kommen könnte?

Klar, das kann bisweilen auch auf eine Art erhellend, entlarvend oder gar unterhaltsam sein, keine Frage – es bringt uns aber nicht wirklich weiter.

Also geht es dir auch darum, wo die Meinung herkommt?

Genau! Will man nur stattfinden, oder hat man eine wasserdichte Meinung? Hat man die Fakten auf seiner Seite oder nur eine halb gelesene Schlagzeile, die man beim Drüberscrollen nicht verstanden hat? Folgt man in den sozialen Medien einem Einflüsterer, der vor der Naziflagge oder einer Wand mit Fotos vom World Trade Center, der angeblich gefälschten Mondlandung, Reptiloiden und Obama als Satan steht?

Also reden wir von Meinung aufgrund von Fakten und Beweisen? Oder reden wir von Meinung durch Manipulation?

Bei dieser Frage bin ich radikal. Denn auch eine Meinung, die auf Manipulation beruht, ist zuerst mal eine Meinung. Die Frage ist vielmehr, wie es weitergeht.

In meiner täglichen Interaktion mit solchen Menschen brauche ich für diesen Grundrespekt eine Menge Nerven, die ich mir eigentlich für den restlichen Wahnsinn des Lebens aufsparen wollte.

Trotzdem möchte ich mich dafür starkmachen, nicht immer gleich die erste Ausfahrt zu nehmen, dem anderen noch schnell einen Gag hinzuknallen und sich dann zu verabschieden.

Klar, ich mag anderer Meinung sein, aber oft kann ich dann doch den Menschen hinter der konträren Haltung erkennen und sein eigentliches Anliegen verstehen. Und dann kann ich endlich sagen: Okay, und jetzt lass uns mal einen Konsens finden, mit dem es uns allen besser gehen könnte. Das sind dann die geilsten Momente in meinem komischen Job.

MEMPHIS MAFIA – so nannte man den inneren Kreis um Elvis Presley: Eine irre Mischung aus Familie, Freunden, Bodyguards, Doktoren, Köchen, Tieren und Jasagern. Wenn man so im Rampenlicht steht, wie das auch bei Flo der Fall ist, kann es irgendwann schwerfallen, neue Freundschaften zu schließen und alte zu erhalten. Wann mutiert der bestehende Freundeskreis zur Memphis Mafia?

Wie hältst du es mit Freunden, Feinden und Soldaten?

Boah, das ist ein ganz schwieriges Thema. Interessanterweise hatte ich darüber vor Kurzem mit meinem besten Freund eine lange Diskussion. Wir haben uns gefragt: Was ist wichtiger: Loyalität oder Ehrlichkeit?

Man denkt immer, beides ginge miteinander einher, aber das muss gar nicht so sein. Trump scheint es bei seinem Gefolge zum Beispiel kaum um Ehrlichkeit zu gehen. Dafür spricht er laufend von Loyalität. Für mich wirkt das so, als hätte er lieber willenlose loyale Zombies um sich als irgendwen, der ihm einen wirklich hilfreichen Rat geben könnte.

Also, so wichtig mir Loyalität auch ist, die Ehrlichkeit toppt es. Man darf und soll natürlich hinter dem stehen können, was man tut, als Freund, Partner, Kollege, und dennoch muss es in jeder Beziehung möglich sein, zu kritisieren, zu hinterfragen oder zu korrigieren. Das Schwierige daran ist – auch für mich persönlich –, dass man ein solches Umfeld erst mal schaffen muss, auch wenn es manchmal für einen selbst unbequem ist. Es hilft nichts, wenn ich sage: »Hey, sag mir alles, was du denkst«, und sobald dann mal Kritik kommt, werf’ ich brüllend Fernseher aus dem Fenster und den Kumpel oder Mitarbeiter gleich hinterher.

Eine der größten Gefahren in meiner beruflichen Situation ist das, was ich »schleichenden Stillstand durch Unehrlichkeit« nenne. Im Grunde ist mein Angstszenario dasselbe wie im uralten Märchen »Des Kaisers neue Kleider«. Keiner sagt einem mehr die Wahrheit darüber, ob etwas kacke ist, oder ob man selbst scheiße ist – weil alle entweder Angst davor haben, es einem ins Gesicht zu sagen, oder weil sie sich um ihre eigenen Interessen sorgen. Und irgendwann glaubt man dann jeden noch so haarsträubenden Quatsch und denkt: »Hö, so geil. Ich bin so geil.«

Ich weiß es natürlich nicht sicher, aber ich kann mir gut vorstellen, dass das bei George Lucas an einem bestimmten Punkt so gewesen sein könnte. Anders kann ich mir das mit den Prequels zu »Star Wars« nicht erklären. Gab es da niemanden mehr, der laut gesagt hat: »Ähm … George … das is’ jetzt vielleicht gar nicht soooo lustig mit diesem JarJar Binks, und magst du nicht vielleicht mal weniger Planeten zeigen und ein bisschen mehr die Protagonisten …?« Und so ist er eben ein bisschen ausgetickt mit seinem Digitalfetisch, der Trade Federation, dem Lava-Videogame und so weiter. Wie gesagt, ob es wirklich stimmt, weiß ich nicht, das ist nur so eine Theorie von mir, aber sie passt auch auf Peter Jackson und den Hobbit oder die Matrix-Sequels. Je erfolgreicher du bist, desto mehr Menschen wollen an dir mitverdienen und desto weniger Leute sagen dir die Wahrheit.

Darum lege ich viel Wert auf mein privates Umfeld aus Freunden und Familie. Ganz vorne steht meine Frau. Die habe ich vor mittlerweile fast dreizehn Jahren kennengelernt – also lange bevor die YouTube-Gaudi ein Erfolg, geschweige denn ein monetärer Erfolg wurde. Das sind alles Leute, die ich schon lange kenne und die ehrlich zu mir sind.

Höre ich da raus, dass zu deinem engeren Kreis nicht so viele Leute dazugekommen sind, seit du erfolgreich bist?

Ich gebe zu, dass ich im Lauf der letzten Jahre vorsichtiger geworden bin. Auf jeden Fall sortiere ich die Menschen um mich herum noch mehr in Freunde und Kollegen. Außerdem gibt es da noch Bekannte, enge Freunde, logischerweise auch Mitarbeiter, Partner oder Leidensgenossen, die mir irgendwie nahe sind, weil sie das Gleiche erlebt haben wie ich, aber deswegen nicht zwangsläufig zu den besten Freunden werden.

Die Blase mit den Bekannten ist wahrscheinlich die größte. Direkt danach kommen Kollegen, mit denen man ein freundschaftliches Verhältnis hat. Die sind für bestimmte Dinge genau die richtigen Gesprächspartner, aber zu persönlich muss das für mich nicht werden. Ich würde mir da zum Beispiel eher keine Beziehungstipps oder Erziehungsratschläge abholen. Find ich aber auch gar nicht schlimm. Warum muss ich denn der beste Freund von jedem sein? Und ich weiß, dass das die meisten in meinem professionellen Umfeld genauso sehen.

»Die meisten« sind nicht alle …

Ja, klar. Wenn sich die persönliche Ebene mit der beruflichen vermischt, wird es manchmal ungemütlich. Zum Beispiel kommt dann so was wie: »Ey, du folgst mir nicht auf Twitter? Hast du ein Problem mit mir?« Ich muss dann immer erklären, dass ich gerade mal 149 Leuten auf Twitter folge. Und wenn ich ehrlich bin, interessieren mich von den 149 Leuten eigentlich nur 100. Wenn jemand interessante Dinge zu sagen hat oder ich gerne auf dem Laufenden gehalten werden will, dann folge ich der Person oder dem Organ auf Twitter. Sonst eben nicht. Nicht jeder, den ich sympathisch oder angenehm finde, haut mich automatisch auch mit seinen Tweets vom Stuhl. Jemandem bei Twitter, Instagram und Co. zu folgen ist kein Liebesbeweis. Die »Freundschaftsanfrage« auf Facebook ist zwar clever benannt, aber wir wissen doch alle, dass kaum jemand 4.899 echte Freunde hat.

ES KLINGT IMMER wieder durch: Die Schulzeit war für Flo ein Kampf an mehreren Fronten – gegen Form und Formeln, Erwartungen und Pflichten genauso wie gegen manche Lehrer, Mitschüler oder eben gegen sich selbst.

Mit welchen drei Begriffen würdest du deine Schulzeit zusammenfassen?

Ich brauch nur zwei: Dummheit und Trotz. Damit meine ich aber nicht die Schulen, sondern mich. Beispielsweise stand bei mir in der zehnten Klasse im Fach »Kunst« auf dem Zeugnis eine 6, also wirklich null Punkte. Und zwar deswegen, weil ich das Werkstück, das am Jahresende abgegeben werden sollte und aus dem die Note generiert wurde, nicht abgegeben habe. Das zu tun war Dummheit. Nichts abzugeben, obwohl ich mein Werkstück fertig hatte, das war purer Trotz.

Ich hab das gemacht, weil ich es zum Kotzen fand, dass Kunst mit Noten bewertet wird. »Was bildet diese Lehrerin sich ein?«, dachte ich mir, und darum bin ich an dem Tag der Abgabe einfach nicht in die Schule gegangen. Ich finde es heute noch seltsam, dass in der Schule Kunst benotet wird. Andererseits ist mir natürlich schon klar, dass man sich auch in diesem Fach auf irgendwas einigen muss, was in einer Schulnote mündet, wenn man auf einer Schule ist, die mit Noten arbeitet. Man kann ja zumindest das technische Handwerkszeug bewerten.

Die Nummer, die ich damals abgezogen habe, zeigt aber ganz gut, wie ich so drauf war. Ich war so unfassbar abgefuckt von allem.

Dagegen sein, um dagegen zu sein? Das klingt, mit Verlaub, auch stark nach Pubertät.

Ja schon, aber das muss man ja nicht unbedingt bis zur Volljährigkeit durchziehen. Ich wollte aus Prinzip keine Erwartungen erfüllen und nichts tun, nur weil man es halt so macht. Regeln, Autoritäten, Disziplin – das hat mich alles genervt. Im Grunde nervt es mich heute manchmal immer noch und zwar dann, wenn es hohl ist. Wenn Regeln nur befolgt werden, weil es sie gibt, und nicht, weil sie sinnvoll sind.

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