CHRONOLOGIE

26. JUNI 1996

Bryant wird im NBA-Draft an 13. Stelle von den Charlotte Hornets gewählt und fünf Tage später im Rahmen eines vorbereiteten Deals an die Los Angeles Lakers getradet.

3. NOVEMBER 1996

Im Alter von 18 Jahren und 72 Tagen wird Bryant der jüngste Spieler, der je in einem NBA-Spiel eingesetzt wurde.

8. FEBRUAR 1998

Durch ein Votum der Fans avanciert Bryant zum jüngsten All-Star in der Geschichte der Liga und erzielte mit 18 Punkten die meisten für die Western Conference.

14. JUNI 2000

Nach einer Sprunggelenksverletzung in Spiel 2 der Finals gelingen Kobe drei Clutch Shots in Spiel 4, inklusive des entscheidenden Put-back-Layups, der den Overtime-Sieg über die Pacers besiegelt und in der Serie das 3:1 bringt. Fünf Tage später gewinnt Bryant seine erste Meisterschaft.

2001

Die Lakers schlagen die Philadelphia 76ers in fünf Spielen und gewinnen den zweiten Titel in Folge.

2002

L.A. erreicht erneut die Finals und macht den Three-Peat mit einem Clean Sweep gegen die New Jersey Nets perfekt.

FEBRUAR 2003

Bryant schafft in diesem Monat im Schnitt 40,6 Punkte pro Spiel.

2005

Die Lakers schaffen es zum vierten Mal in fünf Jahren in die Finals, verlieren aber in fünf Spielen gegen die Pistons.

22. JANUAR 2006

Bryant erzielt Karrierebestleistung: 81 Punkte beim Sieg gegen die Toronto Raptors.

2008

Bryant wird zum MVP der Liga ernannt, nachdem er die Lakers trotz einer Verletzung am Finger seiner Wurfhand zum Sieg in der Western Conference geführt hat. Dabei wird er zum besten Scorer aller Zeiten bei den Lakers. Die Lakers verlieren aber die Finals in sechs Spielen gegen die Celtics.

JUNI 2008

Bryant und das »Redeem Team« der USA holen in Peking die Olympische Goldmedaille.

2009

Die Lakers überrollen den Rest der Liga und holen die NBA-Meisterschaft, und zwar in fünf Spielen gegen die Orlando Magic. Bryant wird zum MVP der Finals ernannt.

2010

Am Ende einer beeindruckenden Serie tütet Bryant seine fünfte Meisterschaft und den zweiten Finals MVP Award ein. Trotz eines 13-Punkte-Rückstands zur Halbzeit holen sich die Lakers in Spiel 7 gegen die Celtics den Titel.

12. APRIL 2013

Bryant reißt in einem Spiel gegen die Warriors die Achillessehne.

14. DEZEMBER 2014

Bryant wird drittbester All-Time-Scorer der NBA, als er Michael Jordans 32.292-Punkte-Marke übertrifft.

29. NOVEMBER 2015

Kobe kündigt seinen Rücktritt zum Ende der Saison an.

13. APRIL 2016

Im letzten Spiel seiner Karriere erzielt Bryant bemerkenswerte 60 Punkte gegen Utah, davon 23 im Schlussviertel, und stellt damit den Sieg mit fünf Punkten über die Jazz sicher.

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Auf dem Feld mit Shaquille O’Neal in Spiel 2 der Finals, in dem Kobe sich böse den Knöchel verstaucht.

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L.: Auf dem Weg zum Korb gegen die Boston Celtics in Spiel 2 der Finals.
R.: Übergabe eines Trikots an Barack Obama zusammen mit Derek Fisher Im Weißen Haus.

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Unmittelbar nach dem Riss der Achillessehne im Spiel gegen die Golden State Warriors im Staples Center.

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NACHWORT

ALS KOBE ZU BODEN GING, WURDE ES IM STAPLES CENTER SO STILL WIE NIE ZUVOR.

Er hielt seine Ferse, zog an der Sehne, die nicht mehr da war, versuchte, sie wieder anzubringen. Es war, als sei Achilles selbst gefallen, in der Blüte seiner Jahre, eine Karriere vernichtet für immer. Aber wenn einer nach einer solchen Verletzung zurückkommt, dann Kobe. Nur Kobe. Seine Entschlossenheit und Fokussierung waren übermenschlich, seine Hingabe an das Spiel schon fast religiös. Oder welcher andere Spieler erzielt in seinem letzten Spiel 60 Punkte?

Im Oktober 1996 fotografierte ich Kobes Rookie-Porträt (Seite 205). Ein jugendlich frisches Energiebündel von 18 Jahren. Platzend vor Neugier. Kobe beobachtete alles und jeden. Und für sein Alter war er ungewöhnlich konzentriert und motiviert. Ich war 38, Vater zweier noch kleiner Kinder und durfte dabei sein, wie aus diesem jungen Mann, den viele für einen neuen Michael Jordan hielten, der einzigartige Kobe Bryant wurde.

Die drei Meisterschaften, die Kobe zusammen mit Shaq gewann: historisch! Männer gegen Jungs, die ein ganz anderes Spiel spielten. In dieser Ära konnte keiner die Lakers stoppen. Und im Wirbelsturm der Herrlichkeit – Rückschläge inklusive – reifte Kobe zum Mann.

Aus dem hitzköpfigen Rookie von 1996 wurde ein leidenschaftlicher Wettkämpfer. Er konnte nicht verlieren. Je weiter seine Karriere voranschritt, desto mehr entwickelte er auf der Grundlage seines unablässigen Strebens nach Perfektion – dieser akademischen Besessenheit – seine einzigartige Führungspersönlichkeit. Im Umkleideraum und der Halle immer lautstark, konnte sich Kobe aber auch in die Stille zurückziehen, um sich mental auf das kommende Spiel vorzubereiten. Als Elder Statesman im Team USA und in All-Star-Spielen heizte Kobe seinen Teamkollegen ein, stählte sich wie ein asiatischer Kampfmönch und gewann reihenweise Titel.

Nur wenige haben auch Kobes andere Seite gesehen, die eines Mannes, der nach fast jedem Heimspiel (und nach vielen Auswärtsbegegnungen) Wünsch-dir-was-Abende moderierte. Ich durfte einige dieser Abende dokumentieren, an denen Kobe ganz für die Kinder und ihre Familien da war – ein Held anderer Art, einer, der die tiefgehende Wirkung des Basketballs jenseits des Gewinnens und Verlierens verstanden hatte. Hinter Kobes eiserner Entschlossenheit stand sanftes Mitgefühl.

Es gibt nur ein paar Spieler, die Jahr für Jahr, Spiel für Spiel konstant dynamische und begeisternde Fotos lieferten, gerade mal drei: Magic, MJ und Kobe. Zu Beginn seiner Karriere war Kobe eine Dunkmaschine. Damals war ich enttäuscht, wenn ich nach einem Spiel nicht drei oder vier Dunkfotos im Kasten hatte. Diese Gier nach der großen, spektakulären Aktion ließ mit der Zeit nach. Kobe blieb ein erstklassiges Fotomotiv, aber das Vergnügen bestand nun eher darin, seine Intensität und Leidenschaft zu dokumentieren, die Details und die Raffinesse seines Spiels, die epischen Zweikämpfe, die ihn zu Spitzenleistungen trieben.

Jenseits des Feldes freute und freue ich mich über ein großartiges Verhältnis zu Kobe, das auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen beruht. 20 Jahre »Mäuschen zu spielen« ist eine lange Zeit, vor allem im Basketball. Aber Kobe wusste, dass es mein Job war, und ich respektierte sein Privatleben und den Raum, den er brauchte. Das Ergebnis ist ein einzigartiger Einblick in die Karriere einer Legende. Nach seinem Rücktritt vom Profibasketball präsentiert sich Kobe seinen Fans neu: Als Lehrer, der das Spiel, das er selbst entscheidend geprägt hat, in und auswendig kennt und seine hart erworbenen Weisheiten mit anderen teilt.

ANDREW D. BERNSTEIN

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ANDREW D. BERNSTEINs Fotos sind in und auf Tausenden Zeitungen und Magazin-Titelseiten in der ganzen Welt erschienen. Bernstein ist seit Jahrzehnten offizieller Fotograf der Los Angeles Lakers und Senior Photographer der NBA. 2018 wurde ihm der Curt Gowdy Media Award der Naismith Memorial Basketball Hall of Fame verliehen. Er tritt regelmäßig in der ESPN-Sendung SportsCenter und anderen TV- und Radiosendungen in den USA auf.

KOBE BRYANT ist einer der großartigsten und am gefeiertsten Sportler aller Zeiten. Im Laufe seiner 20 Jahre dauernden Karriere – immer mit den Los Angeles Lakers – gewann er u.a. fünf NBA-Meisterschaften, zwei Olympische Goldmedaillen, 18 All-Star-Nominierungen und vier All-Star Game MVP Awards. Bryant trat 2016 zurück. Er lebt mit seiner Frau Vanessa und den drei gemeinsamen Töchtern in Südkalifornien. Er behauptet nach wie vor, im Eins-gegen-eins nie geschlagen worden zu sein.

PROZESSE

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WENN ES UM BASKETBALL GING, HATTE ICH KEINE ANGST.

Was ich damit meine: Wenn ich meinem Spiel etwas Neues hinzufügen wollte, zögerte ich keine Sekunde. Was mir gefiel, versuchte ich sofort zu integrieren. Ich hatte keine Angst zu scheitern oder vor Peinlichkeiten, sondern dachte immer in größeren Zusammenhängen an das gewünschte Resultat. Ich wusste, ich musste etwas ausprobieren, um es mir anzueignen. Und sobald es mir gelang, hatte ich ein neues Werkzeug im Koffer. Viel Arbeit und ein paar verpasste Würfe nahm ich dafür gern in Kauf.

Als Kind arbeitete ich unermüdlich daran, meinem Spiel neue Elemente hinzuzufügen. Egal, wo ich es gesehen hatte, im Hinterhof oder in einem Film: Ich probierte es sofort aus, übte es am nächsten Tag noch intensiver und wendete es an, sobald ich es konnte. Als ich in der NBA ankam, hatte ich eine kurze Lernkurve: Ich sah etwas, lud es herunter und konnte es aus dem Effeff.

Ich wollte von Beginn an der Beste sein.

Ich hatte das ständige Verlangen, eine Sehnsucht, mich zu verbessern und der Beste zu sein. Ich habe nie Motivation von außen gebraucht.

In meinem Rookie-Jahr behaupteten einige Scouts, ich wäre nicht »tough« genug. In den ersten Spielen gab man mir beim Zug zum Korb gleich ein paar mit, und die Defense dachte, sie hätte mich. Aber schon im nächsten Match fing ich mir ein Offensivfoul ein – absichtlich. Sie sollten wissen, mit wem sie es zu tun hatten.

Ich brauchte gar keine Extramotivation, um gut – und »tough« – zu werden, ich wollte vom ersten Tag an der Beste sein. Mein Leitspruch: Ich durchschaue euch! Ob AI, Tracy oder Vince – oder in der heutigen Zeit LeBron, Russ oder Steph –, mein Ziel war, euch zu durchschauen. Und um die Puzzleteile zu finden und zusammenzusetzen, war ich bereit, mehr zu tun als jeder andere.

Das war mein persönliches Vergnügen.

ALS ICH IN DER NBA ANKAM, HATTE ICH EINE KURZE LERNKURVE.

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EISENHARTES KRAFTTRAINING

Ich habe mit 17 Jahren begonnen Gewichte zu stemmen. Nichts Ausgefallenes, nur Basics, bewährte Trainingsmethoden, die sich auf jeweils eine Muskelgruppe konzentrieren. In meiner aktiven Zeit, ob in der Saison oder im Sommer, absolvierte ich jeden Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag 90 Minuten Gewichtstraining. Und damit meine ich schwere Gewichte und Übungen, nach denen ich meine Arme kaum mehr spürte. Danach ging ich in die Halle und absolvierte mein Wurftraining.

Im Laufe der Jahre hat sich mein Programm ein wenig verändert, aber meine Philosophie blieb dieselbe. Wenn etwas bei anderen Topathlethen funktioniert hat und auch dir hilft, warum einer neuen Mode hinterherlaufen? Bleib bei dem, was klappt, auch wenn es unmodern ist.

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MEIN MITTER-NACHTSTRAINING IST ZUR LEGENDE GEWORDEN.

Es war immer zweckorientiert und speiste sich aus einem Mix aus Besessenheit und realer Verantwortung.

Keine Frage: Wenn ich meinen Tag früher beginne, kann ich mehr trainieren. Wenn ich erst um 11 loslege, habe ich ab 13 Uhr vier Stunden Pause, und von 17 bis 19 Uhr geht es weiter. Aber wenn ich schon von 5 bis 7 trainiere, kann ich von 11 bis 14 wieder und von 18 bis 20 Uhr nochmal ran. Der frühe Beginn ermöglichte mir jeden Tag eine Extraeinheit. Und über den Sommer verteilt ergibt das jede Menge Extraeinheiten.

Der frühe Beginn half mir auch, den Sport mit meinem normalen Leben in Einklang zu bringen. Wenn meine Kinder am Morgen aufwachten, war ich da. Sie hatten keine Ahnung, dass ich gerade aus dem Kraftraum kam. Am Abend konnte ich sie ins Bett bringen und danach wieder trainieren.

So musste ich weder meinen Beruf einschränken noch mein Familienleben opfern. Das einzige, was auf der Strecke blieb, war Schlaf. Aber das war es auch schon.

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DER FRÜHE BEGINN HALF MIR AUCH, DEN SPORT MIT MEINEM NORMALEN LEBEN IN EINKLANG ZU BRINGEN.

IM VIDEOSTUDIUM GEHT ES UM DETAILS.

Schon in jungen Jahren – in sehr jungen Jahren – habe ich Filme verschlungen und alles angeschaut, was mir in die Hände fiel. Für mich ein Riesenspaß. Manche Leute schauen ja gern auf eine Uhr, anderen macht es mehr Spaß herauszufinden, wie sie funktioniert.

Zuschauen und Lernen haben mir schon immer gefallen. Dazu gehört die wichtigste aller Fragen: warum?

Mit der Zeit verlagerte sich mein Schwerpunkt vom Sehen des Vorhandenen zum Betrachten des Fehlenden. Ich kam vom Anblick des Geschehens zur Analyse dessen, was hätte passieren können und sollen. Videostudium wurde schließlich zum Entdecken von Alternativen, Gegenmaßnahmen, Möglichkeiten – zusätzlich zu den begrenzten Details, warum manche Sachen funktionieren und andere nicht.

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ICH HABE NICHT NUR MEINEN KÖRPER, SONDERN AUCH MEINEN VERSTAND TRAINIERT.

Damit ich in der Lage war, die Details auf dem Feld aufzunehmen und für die Einzelheiten des Spiels offen zu sein, musste ich auch jenseits des Platzes meinen Geist trainieren und mich auf jedes Detail konzentrieren. Durch Lesen, Aufpassen in den Sitzungen und im Training und durch Mitarbeit baute ich meine Geistesgegenwart immer weiter aus, und kaum etwas konnte mich mehr vom Wesentlichen ablenken.

Genauso wichtig wie Lesen war die Pflege der Beziehungen zu großen Spielern der Vergangenheit. Zum Beleg sei die Gästeliste meiner Verabschiedung angeführt. Sie sagt viel darüber aus, wie ich es geschafft habe, dass mein Trikot unter der Decke hängt. Bill Russell, Kareem Abdul-Jabbar, Magic Johnson, Jerry West, James Worthy waren da, um nur ein paar zu nennen. Diese Männer haben mir Dinge vermittelt, die mir enorm weitergeholfen haben. Es ist sehr wichtig, solche Mentoren zu haben, Leitsterne, von denen du lernst und zu denen du aufschaust.

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WOLLTE ICH AGGRESSIVSEIN, HÖRTE ICH HARTE MUSIK.

MEINE MENTALE VORBEREITUNG VARIIERTE ICH JE NACH GEISTESZUSTAND.

Je nachdem, in welchem Zustand mein Kopf in einem speziellen Spiel sein sollte, wählte ich unterschiedliche Arten der Vorbereitung. Wollte ich aggressiv sein, hörte ich harte Musik. Wenn ich mich beruhigen wollte, hörte ich Lieder, die mich in meine Highschoolzeit zurückversetzten.

Sich in den passenden Zustand für das kommende Match zu versetzen, darum geht es. Manche Spiele forderten mehr Intensität, dann versuchte ich mich abzulenken. In anderen Spielen brauchte ich mehr Abgeklärtheit. Dann hörte ich keine Musik, sondern saß zuweilen in vollkommener Stille.

Der Schlüssel liegt darin, sich bewusst zu sein, wie man sich fühlt und wie man sich fühlen muss. Alles beginnt mit Wahrnehmung.

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