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So kann man mich in Köln öfter antreffen: beieiner entspannten Runde mit meinen Hunden und vierbeinigen »Klienten«.

WER ICH BIN

Als ältestes von drei Kindern wurde ich 1987 in Kabul in Afghanistan geboren, und bevor mich mein Weg 1994 im Alter von sechs Jahren schließlich nach Deutschland führte, lebte ich mit meiner Familie in Pakistan und Russland.

Auf dieser Reise meiner Kindheit hinterließen Hunde einen besonderen Eindruck auf mich. Die bewegenden Erlebnisse mit afghanischen Straßenhunden und verschiedenen Hunden in Russland und Deutschland beeinflussten mein späteres Leben maßgeblich. Der Wunsch, einen eigenen Hund zu haben, sollte sich aber viel später erfüllen.

2007 beendete ich mein Fachabitur und schlug mich zunächst mit Gelegenheitsjobs durch. Dann war es so weit: Ich bekam einen eigenen Hund. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, wie sehr dies meinen weiteren Werdegang ebnen sollte. Fortan nutzte ich jede Gelegenheit, um Hunde auszuführen, und beschäftigte mich mit ihrem Verhalten. Zunächst waren es Hunde von Freunden und Nachbarn, bis andere Hundehalter auf mich aufmerksam wurden und mir ihre Tiere anvertrauten. Ich wurde zum Dogwalker. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich bereits ehrenamtlich für verschiedene Tierschutzorganisationen und bot mich als Pflegestelle für schwer erziehbare Hunde an. So kam ich in Kontakt mit außergewöhnlichen Hunden und deren Geschichten.

Doch ich wollte mehr über Hunde und deren Verhalten wissen, als mir meine Intuition und die Fachliteratur bot. 2012 begann ich daher am Institut für Tierheilkunde in Limburg das Studium über die Verhaltenspsychologie von Hunden. Die Ausbildung umfasste zwei Jahre, basierte auf den neuesten Erkenntnissen des Hundeverhaltens und berücksichtigte das Lern- und Ausdrucksverhalten sowie rassespezifische Grundlagen und Problemverhalten von Hunden.

Zu dieser Zeit bekam ich meinen wohl schwersten Fall: eine äußerst aggressive Kangalhündin, die ich Mädchen nannte. Die Arbeit mit meinem Mädchen und der Prozess ihrer Resozialisierung formte maßgeblich meine Philosophie im Umgang und in der Arbeit mit verhaltensauffälligen Hunden. Heute arbeite ich deutschlandweit als Hundeverhaltenstherapeut, gebe Seminare und helfe Menschen, ihren Hund und sein Verhalten besser zu verstehen.

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(M)EIN LEBEN MIT HUNDEN

Wenn wir die Entscheidung treffen, unser Leben mit einem Hund zu teilen, bedeutet das erst einmal Veränderung. Wir müssen unseren Alltag umstrukturieren und stehen neuen Herausforderung gegenüber. Natürlich bedeutet ein Hund viel Freude, aber auch eine Menge Arbeit, vor allem weil er erfolgreich in den Alltag integriert werden möchte.

Heute, wo Hunde nicht mehr nur die Aufgabe haben, für den Menschen zu arbeiten und sie als Hütehund, Jagdhund oder auf andere Weise zu unterstützen, ist es umso wichtiger, eine gute Beziehung zu ihnen zu pflegen. Hunde sind mittlerweile echte Familienmitglieder. Ob zu Hause oder auf der Arbeit, unterwegs im Wald oder in der Stadt: Es ist unerlässlich, dass Hunde und Menschen sich aufeinander verlassen können. Doch wie kann man als Hundehalter die Bedürfnisse seines Hundes befriedigen, ohne seine eigenen zu vernachlässigen? Schließlich schafft man sich ja einen Hund an, um das Leben aufzuwerten, nicht, um es zu erschweren. Was kann man tun, damit alle zu ihrem Recht kommen und gemeinsam glücklich sind?

Zuhauf erlebe ich die Ratlosigkeit und Frustration der Hundehalter auf den Hundewiesen und Parkanlagen, wenn es dann doch nicht so läuft, wie sie es sich gewünscht haben. Man meint es gut, und dennoch gelingt es nicht. Was tun, wenn der eigene Hund einen Streit mit Artgenossen angefangen hat, so an der Leine zieht, dass er sich dabei fast selbst stranguliert, oder wegläuft und jeden Rückruf ignoriert?

In den eigenen vier Wänden kann es genauso schnell ungemütlich werden, etwa wenn Besuch vor der Tür steht und der Hund sich unangemessen verhält. Wenn man ein Kind erwartet, aber unsicher ist, wie der Hund darauf reagieren wird. Dann gibt es so viele Fragen – und noch viel mehr Meinungen …

Natürlich ist es wichtig, dem Verhalten auf die Spur zu kommen. Aber eines vergessen wir hierbei leicht: Dass der Hund sich auch auf uns einstellen muss. Einen glücklichen Hund bekommt man nur dann, wenn man ihn auch versteht. So kann man seine Bedürfnisse befriedigen, ohne die eigenen zu vernachlässigen. Im heutigen »Informationsdschungel« ist es jedoch äußerst schwierig, den richtigen Weg für sich zu finden. Und so mancher fragt sich, wie es eine Mutterhündin nur schafft, ihren Nachwuchs großzuziehen – ohne Google, Fachbücher oder Hundeschulen? Während wir Menschen schon häufig beim ersten Rückruf verzweifeln.

Die Lösung ist ganz einfach: Sie lautet Kommunikation! Deshalb hat die Hündin es einfacher als wir Menschen, ihre Jungen zu erziehen. Schließlich sprechen sie dieselbe Sprache. Wir dagegen müssen erst lernen, die Sprache unserer Hunde zu verstehen und ihnen – im Umkehrschluss – unsere Welt und unsere Kultur ins »Hündische« zu übersetzen. Tun wir das nicht gewissenhaft genug, können sich rasch einige Probleme entwickeln. Eines nämlich ist ununstößlich: Fast jedes Problem lässt sich auf ein kommunikatives Missverständnis zurückführen.

Genau hier beginnt meine Arbeit: Ich betreue deutschlandweit Hundehalter, die die Beziehung zu ihrem Vierbeiner verbessern wollen. Ich unterrichte sie darin, das natürliche Verhalten ihrer Hunde zu verstehen und sich darauf einzustellen. Aber auch darin, ihre eigenen Handlungen infrage zu stellen. Der Hund »erzählt« mir dabei ebenfalls seine Sicht der Geschichte. Meine Aufgabe besteht also letztendlich darin, zwischen Mensch und Hund zu vermitteln.

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Mein Mädchen, noch ganz jung! Mittlerweile sind wir ein perfekt eingespieltes Team.

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MEINE PHILOSOPHIE

Der Hund ist seit jeher der ständige Begleiter des Menschen, und vermutlich ist daher der Wunsch nach einem eigenen Hund so tief in vielen von uns verwurzelt. Er soll freundlich und verspielt sein, soll uns respektieren und gut hören, groß oder klein sein … Wir haben viele Erwartungen an den »besten Freund des Menschen«. Aber was erwartet der Hund eigentlich von uns? Wir haben eine genaue Vorstellung, was einen guten Hund ausmacht. Aber was genau macht einen guten Menschen aus? Zumindest für unsere Vierbeiner.

Ich bin, wie Sie wahrscheinlich auch, ein Hundemensch durch und durch. Um meine Verbundenheit zu den Hunden mit Ihnen zu teilen, habe ich dieses Buch geschrieben. Denn eine von vielen wichtigen Lektionen im Laufe meiner Arbeit mit Hunden ist: Ich kann nichts von meinem Hund verlangen, solange ich es selbst nicht leisten kann. Ich kann nicht von meinem Hund erwarten, dass er sich draußen entspannt verhält, solange ich selbst im Angesicht eines anderen Hundes in Panik verfalle. Und ich kann nicht wirklich den Rückruf verlangen, wenn ich ihn dem Hund nicht beigebracht habe.

Sollte mein Hund an der Leine pöbeln, bin ich sicher kein Vorbild als Krisenmanager, wenn ich mich ebenfalls aggressiv verhalte, an der Leine rucke oder mich mit anderen Hundebesitzern anlege. Und schlägt mein Herz jedes Mal hoch, wenn es an der Tür klingelt, wäre es unfair, mich über das unsichere Gebell meines Tieres aufzuregen.

Unsere Vierbeiner machen so einiges mit uns durch. Dabei ließe sich vieles leichter erleben, wenn wir zunächst unser Verhalten reflektieren würden. Der beste Freund des Menschen braucht ebenfalls einen besten Freund, und wie jede Beziehung muss auch diese gepflegt werden.

»Der Mensch beeinflusst maßgeblich das Verhalten des Hundes, indem er sich selbst entwickelt.«

Es ist schon eine ganze Weile her, aber als mein Mädchen zu mir kam, erwies sie sich als recht widerspenstig. Sie war äußerst aggressiv und konnte ihre Emotionen gegenüber Artgenossen nicht kontrollieren.

Ich verzweifelte ein ums andere Mal an ihrem unbändigen Verhalten. Während der langen Arbeit mit ihr lernte ich viel über mich selbst. Vor allem aber bemerkte ich, dass mein Verhalten maßgeblich ihr Verhalten beeinflusste. Somit musste ich mich immer wieder an meine eigenen Leitsätze erinnern.

Mädchen war eine strenge Lehrerin und ließ mich für jede meiner Unsicherheiten zahlen. So erteilte sie mir eine wichtige Lektion, die ich nie vergessen werde: Jede Veränderung beginnt in dir selbst. Ich war gezwungen, mich besser zu reflektieren, um bewusster zu kommunizieren. Nur so konnte ich aus meinen Fehlern lernen. Und erst ab dann war Mädchen bereit, mir zu vertrauen.

Heute ist Mädchen meine treue Gefährtin und hilft mir so gut wie jeden Tag, anderen Hunden zu helfen. Die Erkenntnisse aus der Arbeit mit ihr ziehen sich wie ein roter Faden durch meine Arbeit mit allen Hunden und helfen mir immer wieder, wenn einer meiner »Patienten« mal besonders große Probleme hat. Ohne Mädchen wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Danke!

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KOMMUNIKATION VERBINDET

WENN SIE RESPEKTVOLL MITEINANDER ­UMGEHEN, SIND MENSCHEN UND HUNDE EIN STARKES TEAM. DOCH DAZU MÜSSEN SIE ZUERST EINMAL VERSTEHEN, WAS SIE ­EIGENTLICH VONEINANDER WOLLEN.

KOMMUNIKATION IST DIE BASIS JEDER GUTEN BEZIEHUNG

Kommunikation ist nicht nur unter Menschen die Grundlage jeder Beziehung und ganz entscheidend für deren Qualität. Es ist dabei überhaupt nicht notwendig, für das Übertragen von ­Informationen ein akustisches Signal zu ­verwenden. ­Insofern stimmt es auch nicht, wenn wir sagen: »Es kann nur dem geholfen werden, der spricht.«

Es gibt sehr viel mehr Möglichkeiten, um sich mitzuteilen, als die Sprache. Wenn man beispielsweise in einem fremden Land nach dem Weg fragt, der Landessprache jedoch nicht mächtig ist, wird man wenn nötig Hände und Füße einsetzen, damit das Gegenüber einen versteht. Die Informationen müssen nur verstanden werden, ganz gleich, welches Instrument man dafür verwendet.

Wir Menschen haben gelernt zu improvisieren, wenn die Not es erfordert. Genauso haben wir gelernt zu fühlen, wenn wir zunächst nicht verstehen. Die Stimme dient schließlich lediglich dem Transport des Gefühls. Ebenso wie Mimik und Gestik hilft sie, Gefühle nach außen zu bewegen und das Gegenüber zu erreichen. Es ist dabei nicht von Bedeutung, ob wir und unser Gegenüber dieselbe Sprache sprechen. Das Gefühl der Freundlichkeit oder auch der Feindseligkeit versteht jeder. Nichtsdestotrotz kommt es zwischen zwei Menschen immer wieder zu Missverständnissen und Kommunikationsschwierigkeiten. Wie schwierig wird es dann erst, wenn wir die Spezies wechseln und mit einer anderen Art kommunizieren? Wenn es schon zwischen Mensch und Mensch nicht leicht ist, ist es gewiss nicht einfacher zwischen Mensch und Hund.

 

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Wenn ein Hund so gut ohne Leine laufen soll wie Mädchen, muss man ihm zuvor genug Zeit zum Üben zugestehen.

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Ich vertraue meinen Hunden blind. Deshalb muss ich auch nicht immer hinter ihnen laufen und alles im Blick behalten. Aber Vertrauen ­beruht auch auf Gegenseitigkeit.

FÜNF GRUNDREGELN DER KOMMUNIKATION

Der Kommunikationswissenschaftler und Psychotherapeut Paul Watzlawick befasste sich sein Leben lang intensiv damit, die Kommunikationsprozesse zwischen Menschen zu analysieren und zu verbessern. Eine seiner wichtigsten Errungenschaften sind die fünf Grundregeln der Kommunikation. Watzlawick beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, warum Menschen eigentlich in Streit geraten. Dasselbe könnte man sich bezüglich unserer Hunde fragen. Warum haben wir Probleme im Umgang mit ihnen?

Die wichtigste Regel von Paul Watzlawick lautet: »Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten, und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.« Stellen Sie sich nur einmal vor, Sie hätten einen Termin und würden am Bahnhof auf einen Zug warten, der mit Verspätung angekündigt wurde. Vermutlich würden Sie un­geduldig auf und ab gehen und im Sekundentakt auf die Uhr schauen – und je länger Sie warten müssen, desto unangenehmer würde das Gefühl. Und: Sie müssten nicht sprechen, um dieses Unwohlsein nach außen zu tragen. Man würde sie sehr wohl auch ohne Worte verstehen.

Genauso wenig muss ein Hund sprechen, wenn er ungeduldig vor ­seinem Napf wartet, während er Sie hypnotisierend anschaut und mehr oder weniger mitleiderregend fiept. Oder wenn er ungeduldig um Sie herumläuft, während Sie sich die Schuhe zubinden, weil er endlich nach draußen will. Für Zwei- und Vierbeiner gilt eben gleichermaßen: Wir alle können nicht nicht kommunizieren.

Watzlawicks zweite Regel: »Jede Kommunikation enthält einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei Letzterer den ersten beeinflusst.«

Unter dem Inhaltsaspekt versteht man das, was inhaltlich mitgeteilt wird. Der Beziehungsaspekt ist nicht weniger kommunikationsrelevant: Gestik, Mimik oder Tonfall können den Inhaltsaspekt derart ändern, dass er sich völlig unterschiedlich vermitteln lässt.

Mal angenommen, man ruft Sie bei Ihrem Namen: Klingt die Stimme dabei freudig oder überrascht, erwartet (und erwarten) Sie etwas völlig anderes, als wenn sie genervt klingt. Genauso bekommt zum Beispiel der Rückruf einen faden Beigeschmack, wenn Sie den Namen Ihres Hundes laut und mahnend rufen. Ich bezweifle daher sehr, dass ein strenger Ruf zu mehr Gehorsam führt. Dennoch kommunizieren wir häufig zweideutig und nehmen unserem eigentlichen Grundgedanken damit die Aussagekraft. Schade!

Die dritte Regel des großen Paul Watzlawick besagt: »Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe ­seitens der Partner bedingt.« Das bedeutet nicht anderes, als dass Kommunikation immer Ursache und Wirkung hat. Sie ist ein Wechselspiel aus Aktion und Reaktion. Beide Gesprächspartner reagieren ständig aufeinander, sodass die Kommunikation letztendlich kreisförmig verläuft. So wie bei einem Schüler, der schlechte Noten hat und zu Hause dafür bestraft wird – wodurch sich, aus Angst vor der Strafe und dem damit einhergehenden Druck, seine Noten weiter verschlechtern.

Diesen Teufelskreis erlebe ich ständig bei meinen Klienten. Viele von ihnen haben zum Beispiel ein Problem mit dem Rückruf und lassen ihre Hunde deshalb selten frei laufen. Darf der Hund dann doch mal von der Leine, wird er richtig Gas geben und sich wenig erfreut zeigen, wenn sein Mensch ihn irgendwann wieder anleinen möchte. Was diesen wiederum darin bestätigt, ihn noch seltener abzuleinen. Ergebnis: Mensch und Hund sind gleichermaßen frustriert. Um den Konflikt zu lösen, muss einer den negativen Kreislauf durchbrechen. Und das ist bestenfalls der Mensch, oder?

Die nächste watzlawicksche Regel lautet: »Menschliche Kommuni­­­kation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten« – was ­bedeutet, dass wir sowohl ohne Interpretationsspielraum verbal (digital) als auch mit Interpretationsspielraum und nonverbal (analog) miteinander kommunizieren können.

Die digitale Kommunikation ist im Grunde unmissverständlich. Nein heißt nun mal Nein. Was aber, wenn digital und analog nicht über­einstimmen. Wenn Ihr Gegenüber beispielsweise Nein sagt, dabei ­jedoch nickt. Dann wird Sie das verunsichern. Oder was würden Sie denken, wenn ein Freund lauthals Ihre Kochkünste rühmt, dabei aber die Nase rümpft?

Ich trainierte vor vielen Jahren einen Mann, der seinen Hund immer ziemlich genervt lobte, selbst dann, wenn es einen guten Grund fürs Loben gab. Dass das Lob für den Hund wenig Wert hatte, brauche ich Ihnen vermutlich nicht zu erzählen. Als ich ihn darauf hinwies, musste der Mann schmunzeln, und plötzlich freute sich auch sein Hund.

Auch Hunde kommunizieren sowohl digital als auch analog. Ein Hund, der das Gesicht seines Frauchens leckt, zeigt damit nicht automatisch seine bedingungslose Liebe. Er kann damit durchaus auch mal »sagen«, dass es nun genug Nähe ist und er sich etwas Abstand wünscht. Doch um das zu »hören«, muss man auf alle anderen Zeichen achten.

Die fünfte Regel des Paul Watzlawick schließlich lautet: »Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär.« Bei der symmetrischen Kommunikation befinden sich die Kommunikatoren auf Augenhöhe. Sie ist geprägt durch die Gleichheit der Parteien, so wie zum Beispiel in einer gleichberechtigten Partnerschaft. Dagegen ist die komplementäre Kommunikation von Hie­rarchien bestimmt, so wie zwischen Lehrer und Schüler. Wobei sich das Verhältnis je nach Situation ändern kann: Die Chefin meines Fahr­lehrers war auch schon meine Klientin.

Mit meinen Hunden verschiebt sich das Verhältnis ebenfalls passend zu Situation und Lage. Bin ich mit ihnen draußen, trage ich die Verantwortung für sie und die Gesellschaft, in der wir uns bewegen. Deshalb entscheide ich viel und teile diese Entscheidungen meinen Hunden verständlich mit. Sind wir zu Hause angekommen und entspannen nach getaner Arbeit, können wir auch gleichberechtigt rumalbern oder abhängen. Sie merken schon, dass Menschen und Hunde mehr gemeinsam haben, als man gemeinhin denkt.

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Unterwegs trage ich die Verantwortung. Das heißt auch, dass ich auf langen Spaziergängen zwischendurch mal Pause mache, damit keiner zu erschöpft ist.

KOMMUNIKATION IST DER SCHLÜSSEL ZU EINER GUTEN BEZIEHUNG

Ein Augenaufschlag, ein Lächeln, Arme, die sich anderen auffordernd entgegenstrecken: Lange bevor wir sprechen können, lernen wir, uns mit anderen zu unterhalten. Wir lernen, dass auf ein strahlendes Gesicht eine Liebkosung folgt, dass eine Falte auf der Stirn weniger Aufmerksamkeit bedeuten kann und dass Vorsicht geboten ist, wenn der erhobene Zeigefinger zum Einsatz kommt. Und wir lernen, dass es was Leckeres gibt, wenn wir nur laut genug schreien …

Babys, die im Mutterleib auf Stimmungsschwankungen der Mutter mit Unruhe reagieren, oder Zwillinge, die eine eigene Sprache entwickelt haben, um miteinander zu kommunizieren, zeigen uns, wie essenziell es ist, sich mitzuteilen. Sich-Mitteilen und Verstanden-Werden erhöht die Chance auf die eigene Unversehrtheit.

Die Fähigkeit zu kommunizieren ist angeboren und wird im Lauf des Lebens immer weiter ausgebaut. Denn unabhängig davon, in welcher Gesellschaft wir uns bewegen, ist eine klare und unmissverständliche Kommunikation der Schlüssel für ein zufriedenstellendes Zusammen­leben. Ob in der Partnerschaft, im Kreise der Kollegen oder beim Mannschaftssport: Gute Absprache ist unabdingbar. Und wie kann man erfolgreich ein Mensch-Hund-Team führen, wenn man sich nicht verständigen kann? Eben: gar nicht!

Unklare Botschaften durch widersprüchliche Handlungen

Kommunikation beginnt mit dem Moment der Geburt und endet erst dann, wenn unser Leben endet. Es ist uns ganz offensichtlich und wie schon gesagt einfach nicht möglich, nicht zu kommunizieren. Vermittelt doch jede Geste, jeder Gesichtsausdruck, jedes gesprochene, aber auch jedes verschwiegene Wort, was wir denken, was uns bewegt, oder auch, was uns nicht interessiert.

Kommunikation ist demnach keine Frage des Willens. Wir kommunizieren und treten damit in Beziehung: zu Menschen, die uns nahe stehen, ebenso wie zu allen anderen Lebewesen um uns herum. Im Laufe unseres Lebens und mit der Zunahme an Erfahrung lernen wir dabei, unsere Gefühle zu verschleiern. Ob wir in Gesellschaft weinen oder lachen, ob wir unsere Freude oder unser Unglück nach außen hin ­zeigen: Starke Emotionen sind in manchen Kulturkreisen unerwünscht.

»Männer weinen nicht.« »Frauen dürfen nicht in der Öffentlichkeit ­lachen.« Aus Rücksicht auf solche moralischen »Werte« (woher auch immer sie stammen mögen) unterdrücken wir nicht selten Gefühle, die doch eigentlich eindeutig frei sein möchten. Bei Kindern sieht das noch anders aus. Sie können (und dürfen) noch ungebremst leben und äußern, was sie fühlen – ohne die gesellschaftlichen Tugenden und moralischen Werte der Erwachsenen. Daher sind Kinder Experten der reinen, unverfälschten Kommunikation.

Entsprechend fällt Kindern das Kommunizieren besonders leicht. So wie sie sich selbst ganz natürlich und unverfälscht verhalten, reagieren sie auch auf ihre Mitmenschen: Wenn sie wütend sind, schreien sie »Nein!«, und wenn sie sich freuen, jemanden zu sehen, hört man ihr Juchzen schon von Weitem. Mit anderen Worten: Ihre Gedanken und Gefühle passen zu ihren Handlungen. Das macht ihre Botschaft klar und nachvollziehbar.

Mit jedem Jahr und jeder Erfahrung, die wir im Laufe unseres Lebens machen, wird unsere Kommunikation jedoch komplexer. Wir bekommen schnell mit, was Scham bedeutet, was man lieber offen aussprechen sollte und was nicht. Wir stellen uns darauf ein, Konflikte zu vermeiden – wenn nötig, durch eine Lüge. Oft verschleiern wir unsere wahren Gefühle, sei es aus Rücksichtnahme oder weil es uns unangenehm ist, unsere Gefühle so zu zeigen, wie sie sind. Ein Blick auf das eigene Verhalten macht es deutlich: wir tun oft nicht, was wir sagen, und denken anders, als wir handeln. Wenn man uns fragt, wie es uns geht, werden wir unserem Gegenüber sicher nicht jederzeit die Wahrheit sagen. Allerdings habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass mein Gegenüber die widersprüchlichen Botschaften fast immer bemerkt und das Ganze eher zu Verunsicherung führt. Im schlechtesten Fall versteht man uns ganz falsch. Sätze wie »Wir verstehen uns nicht mehr« oder »Ich habe bei ihm ein komisches Gefühl« kennt jeder. Sie tauchen auf, wenn die Kommunikation verfälscht, wenn das Gesprochene und das Gefühlte nicht übereinstimmen.

»Kommunikation ist an sich kinderleicht.
Trotzdem (oder auch gerade deswegen) fällt sie vielen Menschen umso schwerer, je älter sie werden.«

Hunde sind echte Kommunikationsexperten

Hunde sind diesbezüglich sehr sensibel, viel mehr als wir Menschen selbst. Sie verstehen nicht, was wir sagen, wenn wir es nicht auch ­genauso meinen. Sie lesen sehr bewusst zwischen den Zeilen und ­erahnen undeutliche Signale. Was aber das Wichtigste ist: Unsere ­widersprüchlichen Zeichen lassen uns auf sie unfähig wirken. Unfähig uns mitzuteilen, unfähig, Entscheidungen bewusst zu treffen.

Dass wir uns falsch verstehen, kann aber auch noch ganz andere Gründe haben, denn Kommunikation hat in jeder Kultur ihre eigenen Feinheiten und ungeschriebenen Gesetze. Persönlich musste ich diese Erfahrung zum ersten Mal mit fünf Jahren machen – und auch in den folgenden Kinder- und Jugendjahren war mein Leben geprägt von der Verständigung mit Fremden, von anderen Sitten und Gebräuchen. Meine Eltern zogen in dieser Zeit mit mir von Afghanistan erst nach Pakistan, von dort dann nach Moskau und schließlich in die Stadt, in der ich mich seit nun 24 Jahren zu Hause fühle: Köln.

Ich kann mich noch gut erinnern, dass in Afghanistan Besucher zuerst meinen Vater begrüßten und dann meine Mutter. Dass sich die Frauen unterhielten, während sie sich um die Kinder und das Essen kümmerten, wohingegen die Männer über die Arbeit sprachen und Tee tranken. Ich erinnere mich auch, wie aufgelöst meine Eltern waren, als man ihnen in Russland zum ersten Mal den erhobenen Daumen entgegenstreckte. Das war für sie wohl eine vulgäre Geste. Die Varietät ist eben vielfältig. Gesten können Zustimmung oder Ablehnung vermitteln, sie können ein Gruß sein oder einer politischen beziehungsweise religiösen Haltung Ausdruck verleihen. Oder einer sozialen Zugehörigkeit …

Kommunikation ist Überleben. Es geht darum, in einer bestehenden Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Es geht darum, verstanden zu werden und zu verstehen. Es geht um Integration. Und das gilt nicht nur für verschiedene Kulturen, sondern auch für verschiedene Spezies wie Mensch und Hund.

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Ich hatte schon immer eine ganz besondere Beziehung zu Hunden. Das hat mir letzendlich auch geholfen, Mädchens Herz zu erobern.

EINE BESONDERE VERBINDUNG – VON ANFANG AN

Bei den vielen und oft neuen Kontakten, die ich im Lauf meines Lebens hatte, gab und gibt es eine Beziehung, die mich von klein auf besonders berührte und beschäftigte: die zu Hunden. Schon als kleiner Junge in Afghanistan hatte ich einen besonderen Kontakt zu den Straßenhunden dort, und später in Deutschland war ich – zu der Zeit noch ohne eigenen Hund – bei unseren Nachbarn bald als der Hundejunge bekannt, was mir meinen ersten Job, als Dogwalker einbrachte.

Ich musste mich in meiner Kindheit immer wieder bemühen, verschiedene Sprachen zu lernen. Ich werde zum Beispiel nie vergessen, wie irritiert ich war, als ich von der Doppeldeutigkeit des Begriffs Eselsohr erfuhr. Als wir 1994 nach Deutschland zogen, bekam mein Vater nach wenigen Wochen mit, wie ich mich mit gleichaltrigen Nachbarskindern unterhielt. Er war irritiert, was genau ich da eigentlich sprach. Er hörte, dass es wenig mit der deutschen Sprache zu tun hatte. Wie auch, ich sprach, in welcher Form auch immer, Jugoslawisch mit ihnen. Allein auf mich gestellt lernte ich schnell bestimmte Begriffe – und das reichte aus, um mich im Spiel den anderen Kindern mitzuteilen. Mein Vater jedoch war sehr bemüht, dies zu unterbinden. Er wollte natürlich, dass ich schnell Deutsch spreche. So begann ich, in Deutschkursen und mit der Hilfe anderer deutschsprachiger Kinder, diese facettenreiche Sprache zu verstehen und zu benutzen. Gar nicht so einfach! Es war wesentlich leichter für mich, mit den Hunden zu kommunizieren. Ich fühlte einfach, um zu verstehen.

Dem Geheimnis auf der Spur

Die Hundehalter, die nicht selten das ein oder andere Problem mit ­ihren Vierbeinern hatten, waren erstaunt über mein entspanntes Verhältnis zu den Tieren, und ich wurde immer wieder gefragt, was denn mein Geheimnis im Umgang mit ihnen sei.