ÜBER DEN AUTOR

Dr. Thomas Böhm studierte Rechtswissenschaft, Anglistik und Pädagogik für das Lehramt Sekundarstufe II in Bonn und Bochum. Er ist seit vielen Jahren als Dozent für Schulrecht und Rechtskunde am Institut für Lehrerfortbildung in Essen-Werden tätig, leitet Fortbildungen für Lehrer, qualifiziert Schulleiter für ihre Tätigkeit und führt bundesweite Seminare durch. Er ist Gründungsherausgeber der Zeitschrift SchulRecht sowie Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Schulrecht. Sein Buch Nein, du gehst jetzt nicht aufs Klo! über die Rechte von Lehrern erschien 2017 beim mvg Verlag.

SCHLUSSBEMERKUNGEN

Die gesetzlichen Vorgaben suggerieren teilweise eine vorrangige Verpflichtung der Lehrer und der Schule, heben aber die gesetzlichen Pflichten der Eltern und Schüler zur Zusammenarbeit mit den Lehrern nicht auf. Gesetzliche Vorgaben wie die Verpflichtung zur individuellen Förderung, dem Erstellen von Förderplänen bei drohender Nichtversetzung und der Festlegung der Versetzung als Regelfall suggerieren eine weitreichende Verantwortung der Lehrer für den Lernerfolg der Schüler, die Eltern zu der Fehleinschätzung verleiten kann, auf ihre Anstrengungen und die ihres Kindes komme es nicht entscheidend an. Auf diesem Weg wird der Lernerfolg nicht gefördert, sondern verhindert.

Entscheidend für den Lern- und Bildungserfolg der Schüler sind weder die Schulausstattung, die Digitalisierung oder die Schulentwicklung, obwohl sie in der öffentlichen Diskussion im Vordergrund stehen und nicht vernachlässigt werden dürfen, sondern die Eltern. Die wichtigste Grundlage für die Lösung fundamentaler Probleme des Schulwesens besteht nicht in Geld, sondern in der Unterstützung durch die Eltern. Teil der Lösung und nicht Teil des Problems sind Eltern, wenn sie ihre eigenen Rechte und Pflichten und die ihres Kindes kennen und nicht vorrangig nach Ansprüchen suchen, die sich dann häufig als nicht so weitreichend herausstellen wie erhofft. Eltern und Lehrer, die sich ganz auf die Suche nach eigenen Rechten und den Pflichten der anderen konzentrieren, suchen das Trennende und können schwerlich vertrauensvoll im Interesse der Kinder zusammenarbeiten. Erst die Frage nach dem ausgewogenen Verhältnis der eigenen Pflichten und der Pflichten anderer sowie den eigenen Rechten und denen der anderen verbindet und ermöglicht es, das gemeinsame Ziel anzustreben: das Wohl der Schüler.

Die Schulgesetze fordern eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Eltern und Lehrern. Die Bedeutung dieses Adjektivs darf nicht unterschätzt werden. Ohne gegenseitiges Vertrauen ist eine erfolgreiche, langfristige Zusammenarbeit nicht möglich. Vertrauen ist eines der wichtigsten, vielleicht sogar das wichtigste soziale Bindemittel. Vertrauen wächst auf dem Boden von Kultur und Erfahrung. Es kann nicht per Gesetz geschaffen werden, da das Recht und die Gesetze selbst auf kulturelle, gesellschaftliche und politische Quellen angewiesen sind – und doch tragen Gesetze zur Vertrauensbildung bei. Sie schaffen eine für alle geltende Handlungsgrundlage und bieten Regeln für die Konfliktlösung. Das Schulrecht fordert kein blindes Vertrauen, sichert Eltern und Lehrern Handlungsmöglichkeiten zu, zieht Grenzen, regelt Konflikte und schützt sie vor Willkür. Es bietet die Sicherheit, die Voraussetzung für Vertrauen ist.

Die Wertschätzung von Wissen, Leistung und Bildung durch die Eltern ist eine der stärksten Triebfedern für den Bildungserfolg. Obwohl die entscheidenden Faktoren des Bildungserfolgs damit nicht finanzieller Art sind, kostet die Unterstützung ihrer Kinder Eltern Zeit, Kraft und Geld. Eine vom ökonomischen Denken beherrschte Gesellschaft muss die Frage beantworten, wie viel ihr familiäre Bildungsleistung wert ist.

Das Schulrecht erweitert den Blick der Eltern über das eigene Kind hinaus und fördert damit ein Handeln zum Wohl des Kindes. Bei Fehlverhalten des eigenen Kindes auch die Perspektive des Opfers einnehmen zu können und zu wollen sowie die Auswirkungen auf das Zusammenleben in der Schule zu bedenken, ist Teil des elterlichen Erziehungsauftrags. Das Recht kann die Fähigkeit, in diesem Sinne zu handeln, nicht schaffen oder die Bereitschaft dazu erzwingen. Eine Betrachtung schulischer Situationen aus der rechtlichen Perspektive fördert eine solche Haltung aber in hohem Maße. Denn eine rechtliche Betrachtung setzt voraus, die Perspektive aller Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und jedes Handeln an überindividuellen Maßstäben zu messen. Die Folgen des eigenen Handelns für die Gemeinschaft sind ein entscheidendes rechtliches Beurteilungskriterium. Die Berechtigung eines Anspruchs muss im Einzelfall anhand der Gesetze geprüft werden. Bei der Entscheidung, ob ein Anspruch grundsätzlich akzeptabel ist, hilft die Frage, ob er von allen Eltern und Schülern erhoben werden könnte, ohne zu inakzeptablen Konsequenzen zu führen.

Die Auswirkungen auf andere und die Allgemeinheit bei eigenen Entscheidungen und Handlungen zu berücksichtigen, entspricht wichtigen, in den Schulgesetzen genannten Erziehungszielen wie der verantwortlichen Teilnahme am sozialen Leben und dem Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl. Die Überbetonung individueller Ansprüche schädigt die Schule als soziale Gemeinschaft, erschwert die Erziehung und den Lernerfolg und den Zugang zur Bildung. Ein individueller Mensch in seiner Einzigartigkeit hat ebenso wenig die Bildungsgüter wie die materiellen und sonstigen Lebensgrundlagen geschaffen. Wenn Schüler lernen sollen, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen und ihr eigenes Leben zu gestalten (so zum Beispiel Paragraf 2 Abs. 4 Satz 3 Schulgesetz NRW), nehmen sie an etwas teil und gestalten ihr Leben in Zusammenhängen, die Generationen vor ihnen geschaffen haben.

Das Wohl der Kinder ist das gemeinsame Ziel des Handelns von Eltern und Lehrern. Doch dieses Wohl darf nicht mit individuellen Wünschen und Bedürfnissen gleichgesetzt werden, wenn man die Aufgabe der Schule und die Verantwortung der Eltern und Lehrer richtig verstehen will. Schüler sollen zu selbstverantwortlichen Mitgliedern der Gesellschaft werden (BVerfG, Az.: 1 BvR 147/75). Die schulische Bildung trägt entscheidend zur Integration der Kinder in eine Kultur, eine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung und einen Staat bei. Das Bundesverfassungsgericht betont die Integrationsaufgabe der Schulen als wesentlich für die Rechtfertigung der Schulpflicht (BVerfG, Az.: 1 BvR 436/03). Kinder können nur zu berufsfähigen Menschen, verantwortungsbewussten Mitgliedern der Gesellschaft und entscheidungsfähigen Bürgern des Staates werden, wenn diese Aufgabe nicht allein den Schulen überlassen wird, sondern die Eltern ihren Kindern vermitteln, eigene Interessen und kurzfristige Bedürfnisse zurückzustellen und über sich selbst hinauszuwachsen. Schüler werden damit nicht fremden Zwecken unterworfen, sondern durch die Erweiterung ihres Horizonts zur Mündigkeit befähigt.

Eltern und Lehrer sollten sich nicht gegenseitig vorzuschreiben versuchen, wie der jeweils andere seine Rechte wahrzunehmen und in seinem Aufgabenbereich zu handeln hat. Eltern können rechtmäßiges Handeln der Lehrer einfordern und Lehrer können von Eltern verlangen, die rechtlichen Regeln zu akzeptieren. In den rechtlich nicht eindeutig geregelten Fragen dient es der Zusammenarbeit in gegenseitigem Respekt, erfolgsorientiert zu denken, statt dem anderen vorschreiben zu wollen, wie er zu handeln hat. Die wichtigste Elternfrage im Hinblick auf den Unterricht sollte erfolgsorientiert lauten: »Lernt mein Kind etwas?« und nicht prozessorientiert: »Machen Sie abwechslungsreichen Unterricht?« Die Erfolgsorientierung lässt dem anderen viele Freiheiten und vermeidet ergebnislose Grundsatzdiskussionen. Lehrer sollten daher im Hinblick auf die Unterstützung der Eltern für den Lernerfolg fragen: »Hat das Kind zu Hause gelernt?« und nicht: »Sitzen Sie bei den Hausaufgaben neben ihrem Kind?«

Ein Gespräch über den richtigen Weg zum Lern- und Erziehungserfolg ist damit keineswegs ausgeschlossen, hat aber nicht den Charakter einseitiger Belehrung, sondern den eines Erfahrungsaustausches und einer gemeinsamen Suche.

Würde die Lektüre dieses Buches einen Beitrag leisten zur Anerkennung der großen Bedeutung der Eltern für den Bildungserfolg der Schüler und zur Förderung der Bereitschaft der Lehrer und Eltern, vertrauensvoll zum Wohl der Kinder zusammenzuarbeiten, entspräche das meinem zentralen Anliegen.

1 ELTERNRECHT

Viele Eltern sehen ihr Verhältnis und das ihrer Kinder zur Schule als das zweier Herrschaftsbereiche: Zu Hause haben die Eltern recht und Rechte, in der Schule die Lehrer. Verbunden werden die beiden Sphären durch die Befürchtungen oder Ansprüche der Eltern. Betrachten Eltern die Schule vor allem als staatliche Institution, befürchten sie Eingriffe in ihre Rechte und die ihrer Kinder, die es möglichst abzuwehren gilt. Sehen Eltern die Schule vorrangig als Dienstleistungsunternehmen, erheben sie weitreichende Ansprüche. Beide Grundhaltungen verkennen das Elternrecht und die Rechte der Schüler in der Schule. Sie erfassen aber jeweils einen Aspekt des Rechtsverhältnisses der Eltern zur Schule und zeigen das Interesse der Eltern an ihren Kindern und deren schulischer Bildung.

GEMEINSAME ERZIEHUNGSAUFGABE

Eltern, die eine Abwehrhaltung der Schule gegenüber einnehmen, nehmen die rechtlich starke Stellung der Schule und der Lehrer wahr, verkennen aber ihre eigene verfassungs- und schulrechtliche Stellung im Verhältnis zur Schule. Das Elternrecht ist nicht vorrangig ein Abwehrrecht gegen die Schule, sondern eine Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Schule.

Das Elternrecht ist ein Grundrecht: »Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht« (Art. 6 Abs. 2 GG). Es unterscheidet sich von allen anderen Grundrechten durch seinen Doppelcharakter als Recht und Pflicht. Wie ungewöhnlich ein Grundrecht als Pflicht ist, wird bei der Umformulierung anderer Grundrechte im Sinne einer Pflichtbindung deutlich: »Jedermann hat das Recht und die Pflicht, seine Meinung frei zu äußern.« Das klingt nicht nur merkwürdig, sondern nähme den Bürgern auch die Freiheit zu entscheiden, ob sie ihre Meinung kundtun wollen, und würde eine »Bekenntnispflicht« einführen, wodurch die Freiheit der Meinungsäußerung vernichtet würde, zu der wesentlich gehört, seine Meinung zu einem Thema nicht zwingend äußern zu müssen.

Die im Grundrechtskatalog einmalige Verbindung von Recht und Pflicht beruht auf der ebenfalls einmaligen Situation eines Grundrechts, das nicht vorrangig der Freiheit und Selbstverwirklichung des Grundrechtsträgers selbst, sondern dem Wohl eines Dritten dient: Das Elternrecht dient dem Wohl des Kindes.

Neben den Eltern hat auch der Staat in Gestalt der Schule einen eigenen, ebenfalls im Grundgesetz gewährleisteten Erziehungsauftrag: »Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates« (Art. 7 Abs. 1 GG). Dieser schulische Erziehungsauftrag wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht von den Eltern auf den Staat übertragen, sondern ist dem elterlichen Erziehungsrecht gleichgeordnet (BVerfG, Az.: 1 BvR 95/71).

Das Erziehungsrecht der Eltern und das des Staates können also nicht unverbunden nebeneinander existieren, mit der Zuständigkeit der Eltern für das private Leben und der Zuständigkeit des Staates für die Schule, da die Persönlichkeit eines Kindes nicht aus einem privaten und einem schulischen Teil besteht. Eltern und Lehrer müssen also bei der Verwirklichung der Bildungs- und Erziehungsziele partnerschaftlich zusammenwirken, wie es die Schulgesetze ausdrücklich vorschreiben und wie es das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont: »Diese gemeinsame Erziehungsaufgabe von Eltern und Schule, welche die Bildung der eigenen Persönlichkeit des Kindes zum Ziel hat, lässt sich nicht in einzelne Kompetenzen zerlegen. Sie ist in einem sinnvoll aufeinander bezogenen Zusammenwirken zu erfüllen« (BVerfG, Az.: 1 BvR 95/71).

Eltern und Lehrer schulden dem Kind, wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont und die Schulgesetze es ausdrücklich vorschreiben, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, da grundsätzliche Differenzen das Kind in unlösbare Konflikte stürzen und den Erziehungserfolg vermindern oder sogar verhindern können. Das gilt nicht nur für die Erziehung, sondern auch für den Unterricht, da der Lernerfolg ohne Unterstützung der Eltern gering bleiben wird.

Eltern- und Lehrerrechte sind dabei keine widerstreitenden Rechte, sondern komplementäre oder übereinstimmende Pflichten, weil die Eltern die Entwicklungsrichtung des Kindes einschließlich der religiösen und weltanschaulichen Erziehung und der Wahl des Bildungsgangs, die nur wenige Länder beschränken, prägen, während der Staat die erforderlichen schulischen Qualifikationen, die Qualifizierung für das Berufsleben und die staatsbürgerliche Bildung dominiert. Eltern und Staat sind dabei zur Zusammenarbeit zum Wohle der Schüler verpflichtet.

IST DAS MEIN KIND ODER IHRES?

Nicht nur eine grundsätzliche Abwehrhaltung der Erziehungsberechtigten verstößt gegen die auf dem Elternrecht beruhende Elternpflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit, sondern auch eine Anspruchshaltung, die Schulen für Dienstleistungsunternehmen hält. Verweigert die Abwehrhaltung vor allem das Vertrauen, verweigert die Anspruchshaltung vor allem die Mitarbeit.

Die Frage: »Ist das mein Kind oder Ihres?« spiegelt – je nachdem, von wem sie in welcher Absicht gestellt wird – alle Facetten der Beziehung der Eltern zur Schule und zu ihrem Kind wider. Stellen Lehrer Eltern diese Frage, kann das ein Hinweis auf die Anomalie sein, dass ein Lehrer, der sein Geld damit verdient, die Kinder anderer zu erziehen und zu unterrichten, einen größeren persönlichen Einsatz und eine tiefere emotionale Betroffenheit zeigt als die Eltern. Die Frage kann auch die Aufforderung an die Eltern sein, ihre starke Stellung zu nutzen und einen Erfolg zu erreichen, den Lehrer nicht erreichen können. Richten Eltern diese Frage an Lehrer, kann sie der Zurückweisung unzulässig weitreichender Einwirkungen dienen. Lehrer, die Vorgaben für die Ernährung machen (»Regelmäßig Brokkoli stärkt die Konzentrationsfähigkeit«), Freizeitaktivitäten kritisieren (»Die Mitgliedschaft in einem Kampfsportverein verträgt sich nicht mit der Erziehung zu friedlicher Konfliktlösung«) oder in Persönlichkeitsfragen eingreifen (»Schmuck ist bei einem Mädchen schön und gut, aber nicht so viel«), überschreiten ihre Kompetenzen.

Allein die Frage – »Ist das mein Kind oder Ihres?« – ist jedoch schon ein Grund für vorsichtige Zuversicht, da sie ein Gespräch und die gemeinsame Bezugnahme auf das Kind voraussetzt. Ihre größte Ohnmacht erleben Lehrer und Eltern, wenn dem jeweils anderen das Interesse an ihrem Kind überhaupt oder an dessen schulischem Erfolg fehlt.

Die Rechte der Lehrer sind bei genauerer Betrachtung Pflichten, die sie den Schülern gegenüber zu erfüllen haben. Daher nutzen Lehrer, die Gebrauch von ihrer rechtlich starken Stellung machen, den Schülern und Eltern. Ihre Pflichten den Schülern gegenüber können Lehrer aber nur unzureichend ohne die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern erfüllen. Die Eltern sind dabei keine Erfüllungsgehilfen, sondern Partner. Das Elternrecht ist nicht auf den privaten Bereich beschränkt und es schwächt die Schule nicht. Mit den Rechten der Eltern verhält es sich wie mit den Rechten der Lehrer. Eltern, die ihre Rechte wahrnehmen, nutzen den Schülern und Lehrern, da das Elternrecht im Kern aus der Verantwortung für die Kinder und Pflichten gegenüber den Kindern besteht.

SCHULGEMEINSCHAFT

Die Rechtsbeziehung zwischen Eltern, Schülern und Lehrern ausschließlich als ein Verhältnis von Rechten und Pflichten einzelner Eltern und Schülern auf der einen und den Lehrern auf der anderen Seite zu sehen, verkennt die große Bedeutung der anderen Eltern und Schüler für diese Rechtsbeziehung. Die Schule ist eine Gemeinschaft. Das bedeutet, die Wünsche, Bedürfnisse und Rechte einzelner Schüler und Eltern werden nicht nur durch die Lehrer begrenzt, sondern vor allem durch die Wünsche, Bedürfnisse und Rechte der anderen Schüler und Eltern.

Die Lehrer sind verpflichtet, die Rechte aller Eltern und Schüler in der Schule gleichermaßen zu beachten. Die wichtigsten Rechtsgrundlagen zur Erfüllung dieses Auftrags sind der Anspruch auf Gleichbehandlung und der Anspruch auf Schutz durch die Schule. Eltern können also beispielsweise nicht fordern, dass der Lehrer ihrem Kind für dieselbe Leistung eine bessere Note geben soll als einem Mitschüler, da alle Schüler einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Bewertung ihrer Leistungen haben. Schlägt ein Schüler zum Beispiel einen Mitschüler, muss die Schule das Opfer schützen und gegen diesen Eingriff in dessen Recht auf körperliche Unversehrtheit vorgehen. Hinter zahlreichen Konflikten zwischen der Schule und den Eltern verbergen sich Konflikte zwischen Schülern, deren Lösung die Schule nicht den Eltern oder Schülern überlassen darf. Die Eltern eines benachteiligten oder geschädigten Kindes haben der Schule gegenüber ein Recht auf Schutz. Dieses Recht einzufordern, schwächt die Schule nicht, sondern stärkt sie. Die Schule kann die Eltern des schlagenden Schülers fragen, ob sie die Forderung der Eltern des geschlagenen Schülers nach Schutz durch die Schule für unberechtigt halten und selbst nicht erheben würden. Bei einer Überprüfung der schulischen Maßnahme durch die Schulaufsicht stärkt ein Hinweis auf die Stellungnahme der Eltern des geschlagenen Schülers die schulische Position.

Fehlt eine Übereinstimmung der Eltern und der Schule beim richtigen Weg zum gemeinsamen Ziel, sind für die Konfliktlösung die jeweilige Zuständigkeit und vor allem eine konstruktive Absicht entscheidend.

Bei einer Elternversammlung der Grundschulklasse wies die Lehrerin auf Folgendes hin: Die Eltern sollten zwar Interesse an den Hausaufgaben zeigen, den Kindern aber nicht helfen, insbesondere sollten sie in den Texten keine Rechtschreibfehler korrigieren, da das die Kreativität und Lernfreude der Schüler beeinträchtige.

Die Unterstützung bei den Hausaufgaben und die beste Art des Schriftsprachenerwerbs werden seit vielen Jahren pädagogisch kontrovers diskutiert. Die Eltern können daher sachliche Gründe für ihre Entscheidung anführen. Eltern, die Ratschläge ignorieren, verstoßen demnach weder gegen das Wohl des Kindes noch gegen ihre Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Schule. Der Lehrerin wird eine ihr richtig erscheinende Unterrichtsgestaltung, die den rechtlichen Vorgaben entspricht, nicht unmöglich gemacht, und die Eltern können sich auf ihr Recht berufen zu entscheiden, wie ihr Kind zu Hause lernt. Eltern dürfen ihre eigene Lernwelt schaffen. In der Schule entscheiden die Lehrer über die Methode, zu Hause die Eltern.

Die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit stellt kein Verbot von Meinungsverschiedenheiten und Konflikten dar, sondern besteht im Vertrauen auf den guten Willen des jeweils anderen, zum Wohl des Kindes zu handeln, in der fortbestehenden Gesprächsbereitschaft und der Akzeptanz einer unerwünschten, aber rechtmäßigen Entscheidung.

»Grüß Gott«, begrüßte ein Schüler seine Lehrer und Mitschüler. Ein Lehrer verbot ihm den Gruß, da die Gesamtkonferenz/Schulkonferenz beschlossen habe, es sei alles zu unterlassen, was die Gefühle anderer verletzen könne, und der Gruß könne die Gefühle nicht religiöser oder nicht christlicher Menschen verletzen.

Welche der regional allgemein üblichen Grußformeln ein Schüler verwendet, ist seine Entscheidung und entspricht in der Regel der elterlichen Erziehung. Die Rücksichtnahme auf die Gefühle anderer gehört zum schulischen Erziehungsauftrag. Einen Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern und die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Schülers kann nur eine plausibel nachvollziehbare, nicht unerhebliche Gefühlsverletzung rechtfertigen, die in diesem Fall offensichtlich nicht vorliegt. Der Lehrer hat aus dem Konferenzbeschluss rechtswidrige Konsequenzen gezogen. Hätte der Konferenzbeschluss den Gruß »Grüß Gott« ausdrücklich verboten, wäre auch dieser rechtswidrig, da er die Grenzen des schulischen Erziehungsauftrags überschritte.

VEREINBARUNGEN

Das Verhältnis der Eltern und Schüler zur öffentlichen Schule beruht nicht auf einem Vertrag, sondern auf Gesetzen. Eltern schließen einen Vertrag mit einer Betreuungseinrichtung, die von den Kindern nach Unterrichtsschluss besucht wird, aber nur äußerst selten mit der öffentlichen Schule. Selbst mit der Unterschrift unter die Erklärung, die Kosten für eine Klassenfahrt zu übernehmen, wird kein zivilrechtlicher Vertrag, sondern ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen (VG Braunschweig, Az.: 6 A 149/04).

Zu den seltenen vertraglichen Vereinbarungen, deren Inhalt und Verbindlichkeit nicht auf einem Gesetz, sondern auf den Willenserklärungen der Eltern und Lehrer beruhen, zählt die medikamentöse oder medizinische Versorgung von Schülern. Dazu sind die Lehrer gesetzlich nicht verpflichtet, können diese Aufgabe aber in einer Vereinbarung mit den Eltern als Rechtspflicht übernehmen, etwa bei der Überwachung der Medikamenteneinnahme während einer Klassenfahrt.

Trotz dieser Rechtslage ist an Schulen häufig von Vereinbarungen – juristisch ein anderes Wort für Vertrag – zwischen Lehrern und Schülern oder Eltern die Rede.

Häufig nicht gemachte Hausaufgaben waren der Grund, warum ein Lehrer den Eltern eines Schülers der 6. Klasse eine schriftliche Vereinbarung vorschlug. Die Eltern sollten zusichern, die Hausaufgaben zu kontrollieren, und der Lehrer versprach, die Eltern über nicht gemachte Hausaufgaben unverzüglich zu informieren.

Schriftliche Absprachen, die von Eltern und Lehrern als »Vereinbarung« bezeichnet werden, haben keinen Vertragscharakter. Bei dieser Hausaufgabenvereinbarung handelte es sich also lediglich um die Verdeutlichung und Präzisierung ohnehin bestehender gesetzlicher Verpflichtungen, die in einigen Schulgesetzen ausdrücklich vorgesehen sind. Das gilt auch für mit einer Klasse vereinbarte Klassenregeln, deren Geltung nicht auf einer Vereinbarung zwischen Lehrern und Schülern beruht, sondern auf dem Schulgesetz. Die Klassenregeln dienen allenfalls der Konkretisierung gesetzlicher Verpflichtungen. Aus dem gesetzlichen Verbot, den Unterricht zu stören, und der gesetzlichen Verpflichtung, sich aktiv am Unterricht zu beteiligen, wird dann: »Wir rufen nicht dazwischen und melden uns.« Jede Konkretisierung ist klarer, aber zu eng, um alle möglichen Fälle zu erfassen. Sie ist auch deshalb kein Ersatz für die gesetzliche Grundlage.

Der fehlende Vertragscharakter tritt offen zutage, wenn eine Seite die Vereinbarung ablehnt oder nicht vom Gesetz gedeckte Inhalte vorschlägt.

Einmal im Monat freitags für eine Wochenendfahrt beurlaubt zu werden, so lautete die Bedingung der Eltern für ihre schriftliche Zusicherung, regelmäßig Vokabeln abzufragen und den Lernprozess selbst oder durch Nachhilfelehrer zu unterstützen.

Die grundsätzliche Verpflichtung der Eltern, den Lernprozess des Kindes zu unterstützen – in welchem Ausmaß und welcher Form entscheiden die Eltern –, beruht auf dem Elternrecht und den Schulgesetzen (zum Beispiel »Eltern sorgen dafür, dass ihr Kind seine schulischen Pflichten erfüllt« Paragraf 42 Abs. 4 Satz 2 SchulG NRW). Sie besteht also auch, wenn die Eltern die Vereinbarung nicht unterschreiben, und mit einer Unterschrift entsteht keine Rechtspflicht, Vokabeln abzufragen oder einen Nachhilfelehrer zu engagieren. Eine Beurlaubung als Gegenleistung für eine besondere Unterstützung des Schülers beim Lernen durch die Eltern darf nicht vereinbart werden, da eine Beurlaubung in jedem Einzelfall geprüft werden muss und keine Belohnung für die Förderung des Lernerfolgs durch die Eltern sein darf.

Die Schulgesetze der meisten Länder sehen Bildungs- und Erziehungsvereinbarungen vor, in denen die Schule, die Schüler und Eltern sich auf gemeinsame Ziele verständigen und wechselseitige Rechte und Pflichten festlegen. Das geschieht entweder im Rahmen der vorgegebenen gesetzlichen Rechte und Pflichten oder bezieht sich auf Handlungen vorwiegend in der Erziehung, zu denen die Eltern, Schüler oder Lehrer sich nur freiwillig verpflichten können. So könnten Eltern zusagen, ihr Kind wegen eines Fehlverhaltens in der Schule in seiner Freizeit eine gewisse Zeit lang in einer gemeinnützigen Einrichtung arbeiten zu lassen oder nach einem Drogenkonsum in der Schule eine Therapie zu beginnen. Derartige Zusagen sind aber keine einklagbaren Verträge. Sie stärken die Zusammenarbeit und sind von der Schule bei eigenen einseitig möglichen Entscheidungen zu berücksichtigen. Eine Entlassung von der Schule wegen Drogenkonsums in der Schule könnte beispielsweise unverhältnismäßig sein, wenn die Eltern schriftlich eine Therapie zusichern.

Vereinbarungen zwischen Lehrern, Eltern und Schülern können ein gutes Mittel der Zusammenarbeit sein, indem durch sie in Gesetzen sehr allgemein formulierte Rechte und Pflichten konkretisiert werden. Lehrer, Eltern und Schüler werden so zu aktiven Partnern bei der Erfassung und Lösung von Problemen. Entscheidend ist dabei das Bewusstsein, auf gesetzlicher Grundlage und dem Geist der gesetzlichen Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit entsprechend zu handeln. Allen Beteiligten wird dabei schnell deutlich werden, »wes Geistes Kind« der jeweils andere ist.

INFORMATIONS- UND MEINUNGSFREIHEIT

Eltern können sich in allen schulischen Angelegenheiten an die Lehrer wenden und um Informationen bitten. Ihr Erziehungsrecht können die Eltern nur auf der Grundlage schulischer Informationen wahrnehmen, so wie die Lehrer auf eine gute Information durch die Eltern angewiesen sind. Die Schulgesetze verpflichten daher Lehrer und Eltern zu gegenseitiger Information. Eine Auskunft dürfen Lehrer nur in Ausnahmefällen mit sachlicher Begründung verweigern. Das gilt vor allem bei sehr umfangreichen, ungewöhnlich häufigen, sinnlosen oder schikanösen Informationsansprüchen, etwa der Forderung, jeden Tag persönlich per Mail über Hausaufgaben informiert zu werden, oder detaillierte schriftliche Informationen zu Unterrichtsmethoden, Unterrichtsinhalten und den Kriterien der Leistungsbewertung zu erhalten (OVG Niedersachsen, Az.: 2 ME 451/12). Den Zeitpunkt der Information bestimmen die Lehrer, da Eltern ihnen nicht vorschreiben können, zu welcher Zeit sie welche ihrer dienstlichen Pflichten zu erfüllen haben. Selbstverständlich muss ein von Lehrern vorgeschlagener Zeitpunkt für Eltern zumutbar sein wie auch ein von Eltern gewünschter Zeitpunkt den Lehrern.

Lehrer sind verpflichtet, Eltern unaufgefordert über alle für den Bildungsweg und die Erziehung wichtigen Ereignisse und Beobachtungen zu informieren, »… deren Verschweigen die Ausübung des individuellen elterlichen Erziehungsrechts beeinträchtigen könnte« (BVerfG, Az.: 1 BvR 845/79). Dazu gehören zum Beispiel sich plötzlich verschlechternde Leistungen, gravierende Verhaltensänderungen oder Drogenkonsum.

HÖCHSTPERSÖNLICHES RECHT

Der Elternsprechtag beruht auf dem Informationsrecht der Eltern und soll sie zur Zusammenarbeit mit der Schule befähigen. Das Informationsrecht ist ein höchstpersönliches Recht. Die Eltern können also keine andere Person wie einen Rechtsanwalt oder Verwandten mit dessen Wahrnehmung beauftragen. Wollen sie in Begleitung einer weiteren Person informiert werden, kann diese Person zwar von den Lehrern zum Gespräch zugelassen werden, wenn sie zum Beispiel als Dolmetscher fungieren soll, sie kann aber auch abgelehnt werden, da sie kein gesetzliches Recht zur Teilnahme am Elternsprechtag hat. Die Gesetze und Vorschriften verpflichten die Lehrer, »die Eltern« zu informieren (zum Beispiel »Eltern … sind in allen grundsätzlichen und wichtigen Schulangelegenheiten zu informieren und zu beraten« Paragraf 44 Abs. 1 SchulG NRW), und beschränken das Informationsrecht damit auf diese.

Beim Elternsprechtag verweigerte die Lehrerin die Teilnahme des Schülers, den seine Eltern mitgebracht hatten, damit er unmittelbar zu Äußerungen der Lehrerin Stellung nehmen konnte.

Die Eltern können die Teilnahme ihres Kindes an dem Gespräch nicht gegen den Willen der Lehrerin durchsetzen. Lehnt die Lehrerin die Teilnahme des Kindes ab, genügt es nicht, zur Begründung darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut der Gesetze und Vorschriften kein Teilnahmerecht verleiht. Das Gesetz verbietet eine Teilnahme auch nicht, sodass die Lehrerin das Kind zu dem Gespräch zulassen dürfte. Zur Begründung könnte die Lehrerin auf Gesprächsinhalte verweisen, die offen und problemlösend nur bei Abwesenheit des Kindes besprochen werden können.

Mit ihren schlechten Sprachkenntnissen begründeten Eltern ihren Wunsch, einen Verwandten als Dolmetscher zum Gespräch über ein Fehlverhalten des Kindes mitzubringen. Die Schulleiterin stimmte zu, gewann aber schnell den Eindruck, der angebliche Dolmetscher rede wesentlich länger als die Eltern. Er schien kein Übersetzer, sondern eine Art Bevollmächtigter zu sein. Sie ermahnte den »Dolmetscher« nach kurzer Zeit, nur zu übersetzen und keine eigenen Stellungnahmen abzugeben. Als der vermeintliche Dolmetscher sich weigerte, forderte sie ihn auf, den Raum zu verlassen.

Die Schulleiterin durfte dem angeblichen Dolmetscher die weitere Teilnahme am Gespräch untersagen. Haben Lehrer das Kind oder eine dritte Person zum Gespräch zugelassen und beeinträchtigt diese Person das Gespräch, statt es zu fördern, kann sie durch den Widerruf der Erlaubnis vom weiteren Gespräch ausgeschlossen werden.

ELTERNGREMIEN

Über die Personalausstattung, die Anzahl der Inklusionsschüler, ihre Verteilung auf die Jahrgangsstufen und die Art des Förderbedarfs sollte die Schulleiterin auf Beschluss der Schulelternvertretung berichten. Die Schulleiterin teilte mit, sie könne wegen ihrer Verschwiegenheitspflicht die Eltern nicht informieren.

Die Schulelternvertretung als höchstes Elterngremium der Schule hat nach den Schulgesetzen der Länder das Recht, über alle wichtigen Angelegenheiten der Schule zu beraten, und einen Anspruch auf die erforderlichen Informationen. Die angefragten Informationen im Fallbeispiel waren erforderlich, da ohne sie einer Erörterung der Personalausstattung und der Inklusion die Tatsachenbasis fehlte. Am Datenschutz konnte die Information nicht scheitern, da keine Namen oder persönliche Daten mitgeteilt würden. Bei Angelegenheiten, die einer vertraulichen Behandlung bedürfen, unterliegen die Eltern als Mitglieder eines schulischen Gremiums ohnehin der Verschwiegenheitspflicht. Die erbetenen Informationen zur Personalausstattung und zur Inklusion bedürfen jedoch keiner vertraulichen Behandlung, da sie nicht einzelne Lehrer oder Schüler betreffen. Selbst wenn das der Fall wäre, schlösse es die Information des Elterngremiums nicht aus, sondern würde die Mitglieder zur Verschwiegenheit verpflichten. Die Schulleiterin musste daher die Eltern informieren.

Eltern und Schüler wirken über schulische Gremien und Konferenzen an der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schule mit. Gremien, in denen allein Eltern und Schüler vertreten sind, haben Informations- und Beratungsrechte, ohne für die Schule verbindliche Entscheidungen treffen zu können. Die Elternvertretung einer Klasse kann beispielsweise die Schulleitung nicht zur Genehmigung einer Klassenfahrt verpflichten oder eine Genehmigung beschließen. Ihr Beschluss ist aber keineswegs irrelevant, da die Schulleitung ohne Zustimmung der Elternvertretung eine Klassenfahrt nicht genehmigen kann.

Die Vertretungen der Eltern und Schüler haben vor allem Beratungsrechte in allen wichtigen Schulangelegenheiten und Auskunftsansprüche an die Lehrer oder die Schulleitung. Sie dürfen zwar nur wenige Entscheidungen selbst treffen, sind aber berechtigt, Anträge an die Schulkonferenz, die als oberstes Beschlussorgan der Schule verbindliche Beschlüsse fassen kann, zu stellen, und können damit die Initiative für wichtige Entscheidungen ergreifen.