Osborne, Lawrence Welch schöne Tiere wir sind

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Das Zitat von Konstantinos P. Kaváfis zu Beginn stammt aus: Griechische Lyrik des 20. Jahrhunderts. Herausgegeben von Danae Coulmas. © Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2001, S. 19.

 

Aus dem Englischen von Stephan Kleiner

 

ISBN 978-3-492-99342-5
Deutsche Erstausgabe
© Piper Verlag GmbH, München, 2019
© Lawrence Osborne, 2017
Published by arrangement with Hogarth, an imprint of the Crown Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC
Titel der englischen Originalausgabe: »Beautiful Animals« bei Hogarth, New York, 2017
Covergestaltung: zero-media.net, München
Covermotiv: Stocksy/ Alexey Kozma

 

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Für Kelley

 

Nach anderen Orten – hoffe nicht – gibt es
kein Schiff für dich, es gibt keinen Weg.
Wie du dein Leben hier auf diesem kleinen Fleck verwüstet hast, so hast du es auf der ganzen Welt zerstört.

Konstantínos P. Kaváfis

Hydra

Eins

Hoch oben am Berghang über dem Hafen verschliefen die Codringtons die trockenen Junimorgen in ihrer von Zypressen und über den Türen hängenden Markisen verdunkelten Villa. In pyjamagewandeter Pracht lagen sie inmitten ihrer byzantinischen Ikonen, umgeben von Gemälden hydriotischer Kapitäne, und wussten nicht, dass ihre Tochter begonnen hatte, frühmorgens schwimmen zu gehen, dass sie sich eine Stunde vor Sonnenaufgang in der Kühle ihres Zimmers ankleidete, halb gespiegelt in einem antiken Kippspiegel. Sie zog ein Batisthemd mit Umschlagmanschetten an, legte eine dünne Lederhalskette um, warf sich eine kleine Strandtasche aus Jeansstoff über die Schulter und ging dann die gekalkten Stufen hinunter, die unterhalb des Hauses ihres Vaters verliefen. Eine enge Spirale führte sie über Treppenabsätze mit eisernen Gittern und unvermitteltem Ausblick aufs Meer, wo die steinernen Bögen die nächtliche Kühle speicherten, zum Hafen hinab; die verwilderten Grundstücke mit den Poleitai-Schildern und den Doppelschlafzimmern waren jetzt dem Himmel preisgegeben und von reglosen Schmetterlingen bevölkert.

Unten im Ort ging Naomi am Hotel Miranda vorbei, vor dem ein Anker an seiner Kette aufgehängt war und eine Tür zu einem geheimen, in blauem Bleiwurzschimmer versunkenen Garten führte. Ein Priester, der auf den Stufen saß, als wartete er auf etwas, nickte ihr zu. Sie kannten einander, ohne den Namen des anderen zu wissen. Der heilige Bart, der immer gleich aussah, das Mädchen, das Sommer für Sommer mit leisen Schritten dahinging, als könnte es nichts um sich hören. In dem kleinen Hafen umrundete sie die überteuerten Jachten, ohne in die Cafés einzukehren. Sie ließ den Touristenhafen hinter sich und beschritt einen Pfad oberhalb des Meeres, geräuschlos in ihren Espadrilles, bis sie anfing, zu singen und im Gehen ihre Schritte zu zählen. Sie kam an einer Reihe von Kanonen vorbei, die in eine Mauer eingelassen waren, und an dem Denkmal für Antonios Kriezis, hinter dem sich vom Wind zerrupfte Agaven wie Totempfähle vom Hang abspreizten. Sie umrundete die Insel in nördlicher Richtung auf einem Weg, der zu der kleinen Bucht namens Mandraki führte, in der sich, wie ihre griechische Stiefmutter oft sagte, das Wasser nicht bewegte. Sie hatte nie herausgefunden, warum sich am Wegrand rostiger Schrott auftürmte, Boiler und Eisenträger, vor langer Zeit zwischen die Blumen gekippte Zementmischer.

Auf der Bergkuppe über Mandraki standen einige imposante, von langen Mauern umgebene Villen, deren Türklopfer wie das Haupt der Athena geformt waren. In der Bucht lag ein heruntergekommenes Resort namens Mira Mare, wo man ein kleines Wasserflugzeug an den Strand gehievt und die Fenster mit Sichtblenden verkleidet hatte. Strohlose Sonnenschirmgerippe waren über das Grundstück hinter dem Strand verstreut, doch von Mandraki an wurde der Weg sauberer. Er schlängelte sich durch hügeliges Buschland auf Zourva zu, und dort fegte ein brennender Wind über weite Steinfelder zum Wasser hinunter. Es war kalt und fast schwarz, solange die Sonne nicht hoch genug stand, um es zu erhellen. Hier schwamm Naomi immer, bis ihr kalt war und ihre Finger taub wurden.

Ihrem Vater und Phaine erzählte sie nie von ihren morgendlichen Schwimmausflügen, und es gab auch keinen Grund dazu. Was hätten sie gesagt? Das Alleinsein war etwas, das ihnen nichts bedeutete. Sie hätten nicht verstanden, dass Naomi jeden Morgen die gleiche lustlose und diffuse Erwartung hatte, auf die gleiche Weise unzufrieden war mit dem Tempo der Welt, wie sie sie kannte. Manchmal dachte sie, sie habe diese ewige Enttäuschung von Kindesbeinen an verinnerlicht, ohne dass sie den Grund dafür hätte benennen können. Vielleicht war es auch die Insel selbst. Die nicht enden wollenden Sommer, die für rein animalische Aktivitäten zu heißen Nachmittage. Und schlimmer noch, die steinalten Bohemiens, mit denen ihre Eltern Umgang pflegten. Die überwältigende Leere langweilte Naomi nicht einmal; sie fühlte sich dadurch nur dem Hedonismus wie dem Tourismus überlegen, ohne sich selbst eine Alternative bieten zu können.

Nach dem Schwimmen trocknete sie sich, von Wespen umgeben, auf dem steinigen Hang ab. Sie schrieb in ihr kleines Tagebuch, das sie bei sich trug, während der lange und vielversprechende Schatten des Festlands auf die gegenüberliegende Seite der Meerenge fiel. Hinter dem Nebel lagen die Argolis und der Landungssteg von Metochi, beides außer Sichtweite. Wenn sie nach Mandraki zurückgelaufen und auf der Suche nach einem Kaffee in das Resort spaziert war, war es meist gegen acht. Hoch über der Bucht reckten raue Berghänge ein weißes Kloster in die ersten Sonnenstrahlen. Als Kind hatte sie sich immer vorgestellt, dass dort Heilige lebten, windgegerbte Einsiedler. Doch sie hatten sich nie gezeigt. Unter den Jungen, die die Schirme und die zugeteilten Liegestühle über den Sandstreifen schleiften, war sie inzwischen bekannt. Die Flirtversuche hatten nachgelassen, und sie betrachteten sie zunehmend mit verdrossener Skepsis, weil sie ihre Avancen hundertundeinmal zurückgewiesen hatte.

Es dauerte nicht lange, bis ihr Blick auf die Reihen marineblauer Badetücher fiel, die die Jungen in der Hitze auf den Sonnenliegen ausgebreitet hatten. All dies war schäbig, aber abgeschieden; manchmal war Ersteres der Preis für Letzteres. Die Bucht war so klein, dass das Meer davor im Vergleich zu dem eingeengten Strand eine weitwinklige Grenzenlosigkeit besaß. Unterdessen waren dort schon zwei Frauen angekommen und stiegen mit ihren Strandtaschen von dem Pfad herab; bei jeder Bewegung erzitterten ihre Strohhüte mit der besonnenen Behändigkeit von Käfern.

Sie besetzten zwei Sonnenliegen, und die Jungen brachten ihnen Tabletts mit Eiswasser; es war offensichtlich, dass sie oft hierher kamen und das Personal sie gut kannte. Wahrscheinlich bestellten sie Frühstück und Mittagessen, dazwischen reichlich alkoholische Getränke, denn im Verhalten der Griechen lag eine gewisse Vertrautheit. Das Resort starb, da waren zahlende Nichtgäste nicht weniger wichtig als Gäste. Diese hier, eine ältere und eine junge Frau, waren offenbar Mutter und Tochter. Aber Naomi kannte sie nicht von den endlosen Partys, zu denen ihr Vater und ihre Stiefmutter eingeladen wurden und die auch sie über sich ergehen ließ, weil es auf der Insel sonst nichts zu tun gab. Also waren sie nicht berühmt, gehörten nicht zu den Reichen und Schönen, und Jimmie und Phaine kannten sie vermutlich auch nicht. Trotzdem waren sie hier, tranken ihren Kaffee aus großen blauen Bechern und vertrieben die Fliegen mit – ausgerechnet – tropischen Fliegenwedeln. Das Mädchen war bemerkenswert zart, gertenschlank, seine Haare wie gesponnenes Gold, zu blass für diese Sonne, was seinen Augen einen noch wild entschlosseneren und begierigeren Ausdruck verlieh. Wenn das Licht auf sie fiel, erfüllte sie das unmenschliche Leuchten blauer Edelsteine. Die Wedel waren amüsant, und innerlich zollte Naomi den beiden selbst dann noch Respekt, als ihre Akzente zu ihr herüberwehten und nahelegten, dass es sich um Amerikanerinnen handelte. Das waren sie tatsächlich, und noch bevor sie ihre Kaffeebecher geleert hatten, schauten sie zu dem englischen Mädchen mit seinem Joghurt und dem Honig auf einer hölzernen Spirale herauf, und in ihren Augen leuchtete eine leichte, heimelige Neugierde. Du auch hier in Mandraki?

 

Die weibliche Hälfte der Familie Haldane hatte die Bucht gleich am ersten Tag entdeckt, an dem sie mit dem Schiff aus Piräus angekommen waren. Sie hatten einen langen Spaziergang um die Insel unternommen, ohne Mr Haldane, und wenn Amy darüber nachdachte, musste sie sich eingestehen, dass sie die besten Entdeckungen immer dann machte, wenn ihr Mann nicht dabei war, um sie ihr zu verderben.

»Samantha hat sie gefunden – sie hat die Putzfrauen im Hotel gefragt, was sehr schlau war. Aber ich glaube, du warst schon vor uns hier.«

»Ich komme seit Jahren her«, sagte Naomi mit bewusst matter Stimme.

»Dann kennst du –«

Das andere Mädchen war jünger als Naomi mit ihren vierundzwanzig Jahren, vielleicht neunzehn oder zwanzig. Ein steter, kühler Blick: Wahrscheinlich erforschte sie wie Naomi selbst die Menschen und ihre Miseren.

»Wohnst du hier?«, unterbrach sie ihre Mutter seelenruhig.

»Mein Vater hat hier ein Haus. Es gehört ihm seit den Achtzigern.«

»Herr im Himmel«, sagte die Mutter. »Wir sind auf eine Expertin gestoßen. So lange ist er schon hier? Dann musst du dein ganzes Leben auf dieser Insel verbracht haben.«

»Nur die Sommer.«

»Sommer auf der Insel. Wir haben ein Ferienhaus auf einer Insel in Maine, die fast so schön ist wie die hier. Aber wir kommen aus New York. Vielleicht kennen wir deinen Vater?«

Sie war etwas übereifrig, und Naomi musste ihr einen Dämpfer verpassen.

»Ich glaube nicht. Mein Vater und meine Stiefmutter sind ziemlich zurückhaltend.«

»Mein Mann, weißt du ... er kuriert eine Verletzung aus. Er ist hergekommen, um gesund zu werden, was keine schlechte Idee zu sein scheint. Es geht ihm schon besser, meinst du nicht, Sam?«

»Er kann den schlimmen Fuß beim Gehen schon wieder belasten.«

Naomi ging zu der Liege neben ihnen. Sie streckte sich aus, und in der Art und Weise, wie sich ihr Körper entfaltete, lag etwas, das Aufmerksamkeit auf sich zog. Eine Narzisstin, dachte die Mutter.

»Ich spreche Griechisch«, sagte Naomi lächelnd. »Ich kann euch alles bestellen, was ihr möchtet. Sie haben einige Sachen, die nicht auf der Karte stehen.«

Die Mutter schaute zu den Kellnern an der Bar hinauf, den Mund unschlüssig verzogen.

»Wie wär’s mit Joghurt?«, murmelte sie und zeigte auf Naomis halb verspeistes Frühstück. »Gegen ein bisschen Joghurt hätte ich nichts einzuwenden.«

»Yaourti «, rief Naomi mit schneidender Stimme nach oben. »Me meli

Die Hitze kroch ihnen in den Nacken, und als sie sich einmal hinter ihren Ohren niedergelassen hatte, weigerte sie sich, ihren stillen Griff zu lockern. Zwei Bäume schwebten auf der Kuppe des Berghangs und loderten in ihrem eigenen grauen Licht. Die Frauen spürten Hunde, die noch unter ihnen schliefen, konnten sie aber nicht sehen, und Naomi fragte leise, was Mr Haldane denn zugestoßen sei.

»Er ist im Zoo in einen Käfig mit Waranen gestiegen«, antwortete das Mädchen ausdruckslos. »Einer von ihnen hat ihm in den Fuß gebissen. Er hat die Sehnen durchtrennt, und die Viecher haben Bakterien im Speichel.«

»Sam, bitte.«

In Wahrheit war er beim Anstreichen eines Gewächshauses in der Nähe von Blue Hill von der Leiter gefallen.

»Es ist peinlich. Jeffrey kann einfach nicht mit Leitern umgehen. Um genau zu sein, hat er sich die Hüfte und den Fuß gebrochen.«

»Keine Warane?«

Amy wandte sich ihrer Tochter zu. »Nicht dass ich wüsste.«

»Er saß für einen Monat im Rollstuhl«, sagte Samantha, »und jetzt ist er auf einer Insel ohne Autos oder Fahrräder. Er meinte, das sei ja der Sinn der Sache – hier sei er zum Laufen gezwungen. Aber jetzt, wo wir da sind –«

»Sitzt er den ganzen Tag in seinem Sessel und malt.«

»Na ja«, sagte Naomi und blickte zum Himmel hinauf. »Hier gibt es sonst nicht viel zu tun. Ich male auch.« Das war gelogen, aber die beiden Frauen schienen es nicht zu merken, und falls doch, war es ihr auch gleich.

 

Sie unterhielten sich eine Zeit lang. Es war das Geplauder von Menschen, die einen ähnlichen sozialen Rang haben, auf dezente Weise getrennt durch eine gemeinsame Sprache. Seevögel kreisten über ihnen, es gab keine Musik. Noch wurde die Bouzouki für die Touristen nicht gebraucht.

Sie hörten nur die Bewegungen des Wassers an den Steinen und die ersten Zikaden, die sich regten, als sich die Sonne über den Berghang ergoss. Die Hitze störte alle Lebewesen auf. Amy lehnte sich schließlich zurück und versank in ihrem komatösen Sonnenbad, während die beiden jüngeren Frauen beschlossen, gemeinsam zu den Felsen der äußeren Bucht hinauszuschwimmen. Im gleißenden Sonnenschein, der jetzt ihre Gesichter verbrannte, gingen sie zum Wasser hinunter und stiegen langsam zusammen hinein.

Sie schwammen nahezu geräuschlos, und während ihre Hände unter der Wasseroberfläche nach vorn glitten, erschien es Naomi, als hätten sie sich, ohne es zu merken, vom ersten Augenblick an freundschaftlich aneinander gerieben. Wie so etwas kam, ließ sich schwer sagen, aber Samantha – sie könnte sie auch einfach Sam nennen, ihre Mutter tat es schließlich auch – war auf eine Art lässig und trocken, die Naomi neu war. Sie war das ältere Kind eines wohlhabenden Mannes, ein Journalist im Ruhestand und zudem ein vermögender Erbe. Ihr fünfzehnjähriger Bruder war ebenfalls in der gemieteten Villa geblieben und spielte mit Mr Haldane Schach. Sam räumte ein, sie habe eigentlich nicht mitkommen wollen, doch ihre Mutter habe wie immer nicht lockergelassen. Über Freunde in New York hatten sie das perfekte Haus gefunden.

»Es ist in der Nähe von Vlichos, du kennst es bestimmt. Im Garten gibt es einen Esel.«

»Einen Esel?«

»Na ja, er kommt und geht.«

»Ich glaube, das kenne ich – es ist das Haus von Michael Gladstone.«

»Das ist es. Es gehört ihm seit Jahren. Dad sagt, es ist das beste Haus, das er je gesehen hat. Aber ich glaube, er meint, es ist das beste Haus, in dem er je invalide war. Und ihr?«

»Unser Haus liegt hoch oben über dem Hafen. Meine Eltern haben es gekauft, als sie jung waren und Leonard Cohen noch darin wohnte.«

»Das war schlau von ihnen.«

»Sie haben es gut durchgerechnet«, antwortete Naomi. »So macht man das bei uns.«

Sie schwammen an einem Steg vorbei, der sich seitwärts ins Wasser neigte und von Treibgut umgeben war: kunstvoll geformten Eisenpfosten, hellgrünen Fischernetzen und Drahtgittern. Es war, als wären ganze Dörfer von heftigen Winden verwüstet und der Schutt über die Küste verteilt worden. Wo der Pfad um die erste Ecke bog, türmte sich wieder der Schrott auf. Dort stiegen sie aus dem Wasser, legten sich auf einen kleinen Vorsprung aus Bruchstein und blickten zum Strand hinüber. Die düsteren Reihen der Sonnenliegen sahen aus wie ausrangierte Spielzeuge oder Maschinen, identisch mit den Trümmern hinter ihnen. Es war merkwürdig, so als sollte dieser Ort für immer aufgegeben werden. Die umgekippten Wegweiser, die mineralischen orangefarbenen Flecken auf den Felsen. Selbst die wiedererbaute Festung über ihnen – falls es sich um eine solche handelte – wirkte wie etwas, das man in den Wind geschrieben hatte. Und doch erstrahlte darüber das weiße Heiligendomizil im Licht der Sonne.

Sams Mutter war endlich von einem der Jungen angesprochen worden und lächelte ihn, während sie mit ihm redete, übertrieben an. Bei Müttern wusste man nie. Naomis eigene Mutter war schon lange tot, und die Frau, die in diesem Moment hoch oben in den Bergen in den Armen ihres Vaters schlief, war ein Thema für sich. Doch Amy hatte anfangs normal gewirkt, und nun flirtete sie mit den beschürzten Strandjungs. Lag es daran, dass ihr Mann den Sommer über einen verkrüppelten Fuß hatte?

Naomi wandte sich zu Sam um.

»Du verstehst dich gut mit deiner Mutter – ich bin neidisch. Meine ist nur meine Stiefmutter. Sie ist nicht verkehrt, aber eben auch nicht meine Mutter. Und manchmal kann sie wirklich anstrengend sein.«

Nachdem Sam ihr mit einem »Das tut mir leid« entgegengekommen war, erzählte Naomi ihr in wenigen Sätzen die Geschichte. Ihr Vater war Kunstsammler und Philanthrop. Da er viele Leute kannte und viele Kunstwerke kaufte, erregte er oft Aufmerksamkeit. Ihre Stiefmutter war Griechin, sie stammte aus Kifisia bei Athen, aber die Kyriakous hatten schon immer in South Kensington gelebt.

»Sie ist jünger als deine«, fuhr Naomi fort, »und hat eine illustre Ahnenreihe von Militärfaschisten vorzuweisen. Ich mag deine Mutter. Sie sagt, was sie denkt.«

»Ist das gut?«

»Es ist nicht schlimm. Oder es gibt Schlimmeres. Sagst du denn, was du denkst?«

»Nicht immer. Sagen Militärfaschisten etwa nicht, was sie denken?«

Naomi ließ sich leicht ein Lächeln entlocken, doch es zeigte sich nie ganz. Sie schien es zurückzuhalten, wie ein Kind einen Drachen an einer langen Schnur hält.

Sam blickte in den gleichförmigen Himmel hinauf. An dieser Stelle konnte man das winzigste Geräusch aus der Ferne hören. Die Regungen einer Zikade in einem anderthalb Kilometer entfernten Mauerspalt, den Widerhall von Wellen in einer nicht einsehbaren Bucht. Doch wenn sich der Wind plötzlich erhob, löschte er alles andere aus, und man hörte nur noch das melancholische Pfeifen des Salbeis, der die Berghänge bedeckte und erzitterte, wie durch einen ängstlichen Gedanken der beiden bewegt. Die Haldanes würden bis zum Ende des Sommers hierbleiben, und Sam würde während der gesamten Zeit die Minuten und, ja, auch die Sonnenuntergänge zählen. Vielleicht würde sie auch einen Jungen finden, eine kleine Sommerliebe. Meist kam es so. Wenn nicht, würde sie, falls sich keine Freundschaft mit Naomi ergab, einfach allein bleiben und in ihrem kleinen weißen Zimmerchen hinter Kamini hundert Romane lesen. Sollte es so kommen, würde sie das auch nicht stören. Alles war besser als ein Sommer in der Stadt, ein Besuch bei den Großeltern in Montauk, das Leben von einem Tag auf den anderen, das das Lesen in Bibliotheken immer mit sich brachte. In der Stadt schloss sie selten neue Freundschaften, und der alten war sie längst überdrüssig. Was sie dort ganz sicher nie finden würde, war eine Freundin mit Ecken und Kanten. Die Mädchen in ihrem Alter waren alle gleich, es war zum Verzweifeln, so als hätte sie eine Menschenfabrik in der Landesmitte nach einem bewährten Muster gefertigt. Unvermittelt hatte Sam jemanden gefunden, der anders war.

Irgendwann standen sie auf und schlenderten wieder zu dem Café unter dem Strohdach hinunter, wo auf einem gedeckten Tisch im Schatten eine Flasche Santorini und ein Tomatensalat mit schwarzen Oliven standen. Die Mutter hatte sie bestellt. Wieder ließ der Wind alles ein wenig unheilvoll wirken. Sam lehnte das angebotene Brot leicht theatralisch ab. Sie habe eine Glutenunverträglichkeit.

»Eviva«, sagte Amy und erhob ihr Glas. »Das habe ich gestern unten am Hafen gelernt. Prost, stimmt’s?«

»Eviva«, entgegnete Naomi und stieß mit ihr und Sam an. »Es gibt noch einen Spruch, den ihr kennen solltet: Na pethani o charos – möge der Tod sterben. Tod dem Tod!«

Sie aßen einige Baklava, tranken dazu schwarzen Kaffee und beschlossen dann, gemeinsam zum Hafen zurückzugehen. Tatsächlich waren die Schatten der Zypressen inzwischen weitergewandert, und als sie so liefen, waren sie froh, kein Wort sprechen zu müssen, bis sie um eine Ecke bogen und die ersten Häuser von Hydra erblickten.

Zwei

»Ich bin mir über den Ausblick nie ganz schlüssig geworden«, sagte Jimmie Codrington zu seiner Frau, als das Hausmädchen mit ihren Gin Tonics und einer Schüssel in Öl eingelegter Kalamata-Oliven auf die Terrasse trat. Man hörte sie immer erst im allerletzten Augenblick, und dann erschien ihr Liebreiz wie durch Zufall, sodass man Notiz davon nehmen musste. »Findest du nicht, dass er im Laufe der Jahre verloren hat? Das Merkwürdige ist, dass ich nicht sagen könnte, woran es liegt. Er scheint einfach kleiner und schäbiger geworden zu sein.«

»Vielleicht sind wir ja auch größer und prachtvoller geworden.«

Jimmie gefiel der Gedanke, aber es stimmte nicht. Der Hafen war noch immer da, ganz wie zu Beginn ihrer gemeinsamen Vergangenheit, das Meer funkelte noch immer bis nach Thermisia, die Kapitänshäuser mit ihren Palmen, Miniaturkanonen und angestrichenen Kleiderschränken gehörten noch immer Mitgliedern der feinen Gesellschaft, und die Glocken der Kirchen hoch über den Straßen sandten ihr Läuten herab und störten die Ruhe der Plätze, auf denen sich gebrechliche Katzen versammelten, um jede einzelne Abenddämmerung zu bezeugen.

»Oder wir sind selbst kleiner und schäbiger geworden. Aber der Gedanke ist mir auch schon gekommen, Funny, der Gedanke ist mir auch schon gekommen. Du könntest recht haben.«

Phaine sprach auf Griechisch mit dem Hausmädchen.

»Bereitest du für heute Abend etwas vor, oder sollen wir auswärts essen?«

»Ganz wie Sie wünschen, Madame. Ich kann Psarosoupa machen.«

»O Gott, nicht schon wieder. Wir essen auswärts, Carissa. Du kannst gehen, wenn du die Drinks abgeräumt hast.«

»Sehr wohl, Madame.«

Phaine wandte sich wieder ihrem Mann zu, während das Mädchen davonging und seine schwarze Uniform einen erotisch aufgeladenen Strich in das Weiß der Terrasse schnitt.

»Wollen wir zum Hafen hinuntergehen und Oktopus essen? Das wäre doch schön.«

»Nobbins hat angerufen.« Das war Jimmies Kosename für seine Tochter. »Sie sagt, wir sollen ins Sunset kommen, um ein paar Amerikaner kennenzulernen. Sie hat sich mit jemandem angefreundet.«

»Ach?«

»Irgendein Journalist und seine Familie. Ich habe noch nie von ihm gehört.«

»Wie lästig. Sollen wir sagen, wir hätten Sodbrennen?«

»Nein, ich finde, wir sollten hingehen. Ich will Nobbins nicht immer vor den Kopf stoßen. Ich finde, wir sollten uns Mühe geben und etwas gesellig sein, so wie eine richtige Familie, meinst du nicht auch? Außerdem ist es gut, dass sie Leute kennenlernt.«

»Nun ja, Leute kennenzulernen war nie ihr Problem, Jimmie.«

»Es geht nicht immer um Probleme. Und selbst wenn sie einige hat, ist sie damit wohl nicht allein. Jeder hat Probleme.«

»Das ist, als würde man sagen: Jeder bekommt mal Kopfschmerzen.«

Ein altes Gespräch, es war schon so oft geführt worden, und seine offensichtliche Sinnlosigkeit brachte ihn leicht auf.

»Sei nicht so streng mit ihr«, protestierte er. »Sie hat schwere Zeiten durchgemacht. Ich glaube nicht, dass irgendwer in ihrem Alter den Tod der eigenen Mutter leicht verkraften würde. Aber genug davon. Gehen wir essen.«

Sie willigte ein, war aber äußerst verärgert.

»Also gut. Darf ich mich betrinken?«

»Nicht im Mindesten, du Monster. Bestes Betragen, wenn es dir nichts ausmacht. Wenn sie mich nach deinem Namen fragen, sage ich, du heißt Funny, und warte ab, was sie erwidern. Das wird sehr aufschlussreich.«

»Meinetwegen. Ich gehe sowieso früh schlafen.«

Er schnaubte und griff nach den Oliven. Als ehemaliger Eigentümer der Fluggesellschaft Belle Air konnte er sehr wohl einschätzen, was seine Frau am Ende eines Abends tun oder nicht tun würde. Schlaf war der letzte Posten auf diesem umfangreichen Menü, und so brachten sie einen gewohnheitsmäßigen Toast aus:

»Wer ist besser als wir, Funny?«

»Niemand!«

Das Hausmädchen verharrte in der Mitte der weiträumigen Terrasse und lauschte halb unsichtbar auf sein Stichwort. Außer ihm hörte kein Mensch die Schwalben pfeifend um die Steinpfeiler herumschießen, welche die äußere Begrenzung der Terrasse bildeten. Sie waren nahezu allein hier in den Bergen, die letzte Villa am Hafen mit ihrer eigenen schwindelerregenden Treppe, durch uralte, mit Vorhängeschlössern versperrte Türen und Eisengitter mit Eleganz und Nachdruck gegen die übrigen Exemplare ihrer Spezies abgeriegelt. Hier fühlte sich das Meer näher und wirklicher an als die Häuser unter ihnen. Die einzige andere Villa auf der gegenüberliegenden Seite des Stegs war verrammelt; die griechischen Eigentümer hatten im Zuge der Finanzkrise Bankrott gemacht. Bezahlte Gärtner pflegten die Zypressen und Olivenbäume im Garten, doch davon abgesehen, war es ein Geisterhaus. Es waren vor allem die Ausländer auf der Insel, die nach wie vor zahlungskräftig blieben, die weiterhin ihren Sommer hier verbrachten und dafür sorgten, dass ihre Türen stets ordentlich gestrichen wurden. Als Einheimische hatte Carissa ein ganzes Leben lang verfolgt, wie sie sich veränderten. Zuerst die Dichter und Schriftsteller, die für zehn Dollar im Monat Fischerhütten gemietet hatten. Dann die wohlhabenden Städter mittleren Alters, dann die Flugunternehmer mit Kunstgeschmack. In ihren Augen waren sie alle barbarische Eindringlinge.

Codrington hatte sein Haus sogar »Belle Air« getauft, was nicht nur ziemlich albern, sondern auch grammatikalisch falsch war (»Bel Air« hätte allerdings nicht an seine Fluglinie denken lassen), und er hatte es mit Kunstwerken von Leuten angefüllt, die im Laufe der Jahre zu seinen Freunden geworden waren. Das Mädchen wusste nicht, was er an diesen Objekten fand, mit denen jeder einzelne Raum vollgestellt war. Im Wohnzimmer stand die Keramikbüste eines rauchenden Hitlers, über die sie jedes Mal lachten. Alle sprachen sie von ihrer Ironie. Aber worin lag der Witz? Ihr Vater war Kommunist und sagte immer, den Engländern sei nicht zu trauen.

»Und selbst wenn«, fuhr Codrington fort und hielt die Hand seiner Frau. »Der Sommer ist nicht so übel dieses Jahr. Ich wünschte nur, Naomi hätte etwas mehr Freude daran.«

»Wohin geht sie denn nur jeden Morgen? Sie steht im Morgengrauen auf und verschwindet. Ich habe Carissa gefragt, aber sie behauptet, sie wisse es nicht.«

Nochmals wandte sie sich dem Mädchen zu und sprach wieder Griechisch.

»Wo geht Naomi morgens hin? Kochst du ihr Kaffee?«

»Ja, Madame.«

»Und sie sagt es dir nicht?«

»Nein, Madame.«

Phaine wechselte wieder ins Englische.

»Sie ist sowieso nur hier, um keine Miete zahlen zu müssen. Was ist denn in London passiert?«

Jimmie gestand, er wisse es nicht genau.

»Sie hat bei Fletcher and Harris gekündigt, hat aber nur etwas von einer Meinungsverschiedenheit gesagt. Sie erzählt mir gar nichts mehr. Schon seit sie fünfzehn ist.«

Es war die Stunde der Schwalben. Codrington wurde stets melancholisch, wenn er an seine Tochter dachte. Vielleicht lag es daran, dass die Schönheit seiner ersten Frau in ihr Spuren hinterlassen hatte. Solange es Naomi gab, war Helen nicht tot. Ein Teil der Mutter lebte in der Tochter fort. Doch ein kaputtes Zuhause zerstört alle Gewissheiten, mehr, als er geahnt hatte, mehr, als je irgendjemand ahnt. Naomi, dachte er, die beim Krebstod ihrer Mutter ein Teenager gewesen war, hatte sich nie davon erholt. Ein kaputter Teenager wird niemals wieder ganz. In jedem Fall war die Rechtswissenschaft die falsche Wahl für sie gewesen, sie entsprach nicht ihrem Temperament. Er vermutete, dass die Tätigkeit als Prozessanwältin für ein großes Unternehmen für sie ein Rollenspiel gewesen war, eine Form der Imitation. Aber konnte man die eigenen Kinder zur Authentizität zwingen? Schließlich verstand niemand so recht, warum die Jungen liberale oder linke Positionen einnahmen, die ganz eindeutig nicht zu ihren eigenen Vermögensverhältnissen passten, sie sogar untergruben oder ihnen zuwiderliefen. Anfangs konnte man es ihrer Jugend zuschreiben. Wer mit zwanzig kein Sozialist ist, der hat kein Herz und so weiter. Was aber, wenn man es nun mit einer Generation zu tun hatte, die in ihre Dreißiger hineinsegelte, ohne dass diese verzerrte Weltsicht von irgendjemandem, den sie respektierte, korrigiert wurde? Nicht, weil es solche Menschen nicht gegeben hätte – sie waren leicht zu finden –, sondern weil die Betroffenen sie aufgrund von Gruppenzwang und Konformismus gewissermaßen aus ihrem Bewusstsein ausblendeten. Es lag daran, so hatte er entschieden, dass diese Generation verweichlicht und verwöhnt war, dass sie in der wirklichen Welt nie etwas erlebt hatte. Ja, sie glaubte nicht einmal an eine wirkliche Welt. Ihr Bewusstsein war durch die Medien geformt, nicht durch das Leben.

Die Codringtons gingen die steilen Stufen zum Hafen hinab, und die Abenddämmerung bezauberte Jimmie. Die Häuser hatten hohe Mauern, Relikte aus einer Zeit, in der Fehden und Vendetten gewütet hatten. Selbst zur Mittagszeit waren die geweißten Plätze jetzt mitunter wie leer gefegt, als erinnerten sie sich noch an die Pest. Die Fuchsien und Zikaden, die blendende Kalkfarbe, die Esel, die sich mit ihren Glocken die Steinstufen hinaufmühten, schienen der modernen Welt durch eine nostalgische Sturheit schlicht enthoben zu sein.

Aufgrund von Jimmies Alter – er war siebzig und nicht mehr so trittsicher wie früher – kamen sie nur langsam voran, und auf dem Weg nach unten begegneten sie einem anderen Exilanten, einem alten Amerikaner, der sich in entgegengesetzter Richtung hinaufkämpfte.

»Sieh nur«, flüsterte Phaine, »da kommt der steinalte Beatnik!«

»Abend, Jeremy«, rief Codrington ihm zu, als sich ihre Wege auf einem weißen Platz kreuzten. Der Amerikaner hob die Hand, es waren keine weiteren Worte vonnöten. So war das nach einigen Jahren. Man hob einfach eine Hand, und damit war alles gesagt. Das Winksignal der Gezähmten.

Sie erreichten den Hafen, als gerade die letzte Fähre zurück zum Festland ablegte. Einige Soldaten standen mit geschulterten Gewehren am Kai und starrten reglos und stumm auf das hellenische Schiff, das mit strahlenden Lichtern und von Touristenmusik belebten Decks ausfuhr. Auf dem kleinen Berg zur Linken des Hafens pochte Jimmies Gehstock auf das Pflaster, und sie erreichten die erste Wegbiegung, an der die Klippen steil zum Wasser hin abfielen und sich junge Menschen wie prähistorische Tiere an die Felsplatten unter ihnen schmiegten. Tische mit dunkelblauen Tischdecken standen auf Terrassen, sonnengebräunte slawische Frauen mit geöltem Haar rekelten sich mit ihren Drinks auf Sofas. Über der Terrasse eines Restaurants stand eine der alten Windmühlen der Insel, weit über die frustrierten und gehetzten Kellner in ihren Schürzen erhaben. Sich wie riesige Bonsais neigende Pinien beschatteten die Terrasse bei Sonnenschein. An der Außenwand mit den aufgereihten Kanonen saßen schon die Haldanes und Naomi, ein erstaunliches Arrangement auf Eis gelegter Meeresfrüchte zwischen sich, und eine angenehme Energie ging von ihnen aus. Jimmies Blick fiel sofort auf das junge Mädchen neben seiner Tochter: the Huckleberry Friend, dachte er mit innerer Zustimmung und nickte sich selbst anerkennend zu.

Die Tische um sie herum waren von britischen und französischen Familien besetzt: Hier und dort saßen vermögende Athener, die vor ihrer nationalen Tragödie flohen und vielleicht froh waren, endlich wieder unter ihresgleichen zu sein. Den Paaren, die jeden Sommer kamen, den Männern mit den Jachten, die für die Dauer eines Monats anlegten und dann wieder verschwanden. Sam bemerkte Jimmies Blick und taxierte ihn. Er wirkte wie ein Nachtclubsänger auf dem absteigenden Ast. Dass Naomis Stiefmutter ein fürchterlicher Snob war, merkte man auf Anhieb. Sie waren eines dieser Paare, das die potenziellen Freunde der Tochter auf Herz und Nieren prüfte, und sei es nur mit einem einzigen Blick.

Bald jedoch beruhigte sich die Lage, und alles floss wieder ruhig dahin, denn es war unter Reichen Gesetz, dass die Muße im Sommer wie ein breiter und anmutiger Strom dahinfließen sollte. Es galt, eine gute Zeit zu haben und sich auf der leuchtenden Oberfläche treiben zu lassen. Niemand durfte kneifen oder irgendeine Schwäche zeigen. Das Ganze unterschied sich nicht sehr vom Schrecken der Hamptons, nur dass dies hier weniger prätentiös und etwas weniger seelenlos war. Sam begann, diese Menschen zu mögen. Immerhin interessierten sie sich für Fremde; sie löcherten das Mädchen mit Fragen, lechzten nach Einblicken in seine rätselhafte Generation. Jugend war hier keine rein körperliche oder sexuelle Qualität, sie speiste die Neugierde anderer Menschen – was dachte sie, was wollte sie später einmal werden, wie war ihre Einstellung den Alten gegenüber? Sie hörten ihr amüsiert zu. Und es amüsierte sie, weil es bedeutsam war.

Sam beantwortete derlei Fragen nie ganz wahrheitsgemäß. Während sie unter dem wachsamen Blick ihrer Mutter einige Gläser Wein zu sich nahm, drangen weniger angenehme Gedanken auf sie ein. Obwohl sie noch jung war, war sie zu dem Schluss gekommen, wenn sie irgendeinen beliebigen Moment noch einmal erleben könnte, würde sie das Angebot ausschlagen. Doch warum war das so? Es könnte tausend Sommer wie diesen geben, jeder so schön wie der vorangegangene und dennoch nicht wert, ihn ein zweites Mal zu erleben. Ein erstaunlicher Gedanke.

Naomi und Sam verständigten sich durch stumme Blicke. Das ältere Mädchen zog sie auf diese Weise an sich heran, und einen Moment lang hatte Sam das Gefühl, diesmal der Drachen zu sein. Jimmie war ein Anekdotenerzähler, das Schlimmste, was es gab. Naomi wandte sich halb zu ihr, und in ihrem eingefrorenen Lächeln lag Geringschätzung. Ist das nicht schrecklich?, fragte der Blick ihrer neuen Freundin. Ist er nicht schrecklich? Sie genossen diesen Augenblick der gemeinsamen Verachtung, doch Sam war nicht ganz so abschätzig wie sie. Sie fand den alten Herrn eher vergnüglich – und ein wenig billig.

Also geht es Naomi wie mir, dachte Sam. Sie wird gequält.

Naomi beugte sich zu ihr herüber und flüsterte ihr ins Ohr: »So geht das stundenlang. Wer weiß, wen er dabei niedermäht. Er ist wie ein Schneepflug ohne Getriebe. Soll ich etwas sagen? Deine armen Eltern.«

Aber Amy litt kein bisschen. Faszinierend, dachte sie. Ein Mann mit Feuer!

Nach dem Abendessen trennte sich Naomi am Sunset von ihrem Vater und Phaine, um die Haldanes noch zu ihrem Haus in Vlichos zu begleiten. Kurz vor Kamini stieg der Weg an und führte zu einer Reihe von Plateaus und Stufen und einem Restaurant namens Kodylenia, dessen Terrasse noch geöffnet war. Einige alte Männer hockten dort mit ihren Ouzo-Gläsern, umgeben von einer Aura zeitloser Geduld. Aus den Lautsprechern dröhnten alte Tsitsanis-Lieder, und die an einem Spalier hängenden Öllampen schaukelten im Takt vor und zurück. Tagsüber, so erinnerte sich Naomi, wurden hier hauptsächlich Mahler und Ausgesuchtes von Rossini gespielt. Von den Griechen blickte keiner auf, nur eine betuchte französische Familie.

Danach gelangten sie nach Kamini hinunter, wo Boote im Sand lagen. Auf der anderen Seite des Strandes gab es ein zerstörtes Café, blutrot, mit eingeschlagenen Fensterscheiben und einem alten Schild, auf dem in griechischen Buchstaben Mouragio Café-Bar zu lesen war. Über dem vertrockneten Berg ging ein Halbmond auf, in dessen Licht allmählich die Umrisse von Pferden auf den Feldern sichtbar wurden. An den Geruch von Menschen gewöhnt, standen sie völlig reglos da.

Das Haus lag über dem Weg zu ihrer Linken – ein Stück vor Vlichos –, und die Felder darunter fielen zu tückischen Klippen und dem Meer ab. Doch selbst dort, auf diesen gefahrvollen Weiden, standen Pferde und machten sich still über das feuchte Gras her. Es war eines der üblichen weißen Häuser mit ägäisblauen Fensterrahmen und Säulen, umgeben von Zitronenbäumen. Überall lagen aufgequollene Früchte unbeachtet im Gras herum.

»Kommst du noch auf einen Tee mit rauf?«, fragte Amy, als sie die Außenmauer der Villa erreicht hatten und das Tor aufschwang.

Sie gingen zu ihrer Terrasse hinauf, wo sie Jeffrey mit seiner Pfeife und einer Streichholzschachtel stehen sahen. Sein überraschter Blick schien nicht nur ihnen zu gelten. Vielleicht, dachte Naomi, schaute er immer so. Eine Überraschung dem Leben gegenüber oder einfach eine Art liebenswerter Unfähigkeit. Er zündete die Öllampen an, schaltete aber auch noch die helleren elektrischen Lampen mit den orangefarbenen Glasschirmen ein. Es gab zwei Schaukelstühle und zwei Rattansofas, dazwischen stand ein mit getrockneten Zierschwämmen bedeckter Glastisch. Die Insel war einst das Zentrum des griechischen Schwammhandels gewesen. Sie verteilten sich auf die Kissen, und Naomi dachte, der Abend gehe weit besser zu Ende, als er begonnen hatte. Die Haldanes waren entspannter, wenn sie unter sich waren, fernab der einschüchternden Scheinwerfer ihres Vaters und seines überwältigenden Selbstbewusstseins, das sie auf eine subtile und nicht greifbare Weise niedergedrückt hatte, ohne dass sie sich dessen vollends bewusst waren.

Sam hockte am Rand der Terrasse, und ihre Haare peitschten im Wind. Ihre Augen bewegten sich langsam und nahmen alles auf, während ihr Vater redete.

»Hat dein Vater uns wirklich angeboten, auf seiner Jacht mitzufahren?«, fragte er und stieß Rauch aus. »Ich würde nicht mitkommen, aber Sam und Chris fänden es herrlich

»Ja«, antwortete Naomi. »Er hat es angeboten. Wir können einmal um die Insel segeln. Das machen wir oft. Dort draußen kann man gut schwimmen.«

»Ich fände es in der Tat herrlich«, sagte Sam, allerdings ganz unaufgeregt.

»Hättest du Lust, Amy?«

»Natürlich. Ich würde gern die wilde Seite der Insel sehen.«

»Da kommt man zu Fuß nicht hin, oder?«

Naomi schüttelte den Kopf. »Kaum.«

»Ich mache mir nichts aus den wilden Seiten von Inseln«, sagte Jeffrey. »Auch wenn ich mich manchmal selbst gern von der wilden Seite zeige. Ich bleibe hier und wälze mich mit meinem verkrüppelten Fuß herum, aber die anderen ...«

»Dann organisiere ich alles«, sagte Naomi.

»Können wir speerfischen?«, fragte Sam.

»Ich wüsste nicht, was dagegenspräche.«

Sam wollte gar nicht speerfischen, sie wollte nur wissen, ob es in diesen unbekannten Gewässern möglich wäre.

»Du wirst nur Delfine sehen«, warf ihre Mutter erhaben ein. »Und die kann man nicht aufspießen.«

»Wieso bleibst du nicht über Nacht, Naomi?«, schlug Amy schließlich vor. »Wir haben zwei leerstehende Zimmer, die Betten sind gemacht. Bis zu eurem Haus ist es ein weiter Weg. Ruf doch deinen Dad an und gib ihm Bescheid.«

»Das ist eine gute Idee«, sagte Sam leise. »Bleibst du?«

Naomi überlegte kurz und gab schließlich nach.

»Gut, einverstanden.«

Sam führte sie in eines der Gästezimmer hinauf. Es lag auf der Ostseite, mit Blick auf die abfallenden Felder. Die dunkelblauen griechischen Fensterläden waren aufgeklappt, und auf den Tischen standen Gläser mit getrockneten Kräutern. Auch die Bücher des Hausherrn befanden sich hier: Seferis und Kazantzakis in etwas in die Jahre gekommenen englischsprachigen Ausgaben. Disteln lagen auf dem Schiffsplankenboden verstreut. Das Bett war eisern, knarzend und hoch wie zu alten Zeiten, als die Menschen erhaben und voller Vertrauen auf ein Nachleben darin gestorben waren. Es gab einen weißen Tisch mit einem Waschbassin und einem Krug, einige Zitronen mit ersten Anzeichen des Verfalls. Es war ein Zimmer, in dem Sam manchmal allein las.

Sie saßen eine Zeit lang auf dem Bett, die Knie unter sich angewinkelt, und plauderten über den Abend. Naomi erkundigte sich nach Sams bockigem Bruder Christopher, der in seinem Zimmer war. Er trat gerade in die launische Phase der Pubertät ein und zog sich oft ins Reich seiner Computer und Onlinespiele zurück. Naomi hatte sich immer gefragt, wie es wohl wäre, einen Bruder zu haben. Es musste mitunter sehr anstrengend sein, allein schon wegen des Konkurrenzdenkens und der damit einhergehenden Feindseligkeit.

»Dafür ist er zu lieb«, sagte Sam. »Die meiste Zeit nervt er bloß.«

Naomi legte den Kopf auf die Arme. Ihr Blick war langsam und sarkastisch, er ließ vom Gegenstand seiner Aufmerksamkeit nie eine Sekunde zu früh ab.

»Nerve ich dich?«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Ich bin Einzelkind. Einzelkinder sind immer ein bisschen ... Wir sind wie Kreisel, weißt du.«

»Wirklich?«

»Dein Bruder hat dich gerettet.«

»Vor dem Kreiseldasein?«

»Wir brauchen jemanden, der uns kreiseln lässt.«

Sam zog die Knie an, und sie begannen, sich wie Schwestern zu fühlen.

Sie erkundigte sich nach Phaine. Hieß sie wirklich Funny?

»Selbstverständlich nicht. Das ist ein Scherz.«

»Dann ist Phaine ein griechischer Name?«

»Natürlich.«

»Ich finde deinen Dad zum Schießen«, sagte Sam.

»Die Inselbewohner nennen ihn ein ›Original‹. Ich habe das ja immer als Beleidigung empfunden.«

Sam rollte sich auf den Rücken, und ihre Glieder waren entspannt und locker wie die eines Kindes, das sich den Bauch mit Schokoladenkuchen vollgeschlagen hat.

»Mir hat gefallen, dass er eine Krawatte trug. Mein Dad würde nie eine Krawatte tragen.«

»Aber ich mag deinen Vater«, sagte Naomi. »Sollen wir tauschen? Mir macht es nichts aus, wenn er keine Krawatten trägt. Ich finde, wir sollten früh aufstehen und bis ans Ende der Insel laufen. Ganz ans Ende.«

Es klang eher nach einer entschiedenen Empfehlung oder gar Anordnung als nach einem zwanglosen Vorschlag, und Sam zuckte innerlich kurz zusammen. Doch sie antwortete nicht. Es ließ sich nicht leugnen, dass sie sich zu einer Person hingezogen fühlte, die plötzlich den Ablauf des kommenden Tages bestimmte, weil sie dergleichen noch nie erlebt hatte. Normalerweise taten die Leute ohne Widerspruch, was sie sagte, nicht umgekehrt, und nun fragte sie sich, ob sie einfach mitspielen oder kleinlich sein und sich dagegen wehren sollte. Doch sie merkte gleich, dass es ihre Selbstbehauptung war, die sie so langweilte. Naomi hatte etwas anderes zu bieten – sie strahlte aus, längst zu wissen, was sie wollte, bevor es irgendwer sonst tat.

»Früher oder später«, sagte Naomi jetzt leise, »wirst du merken, dass ich alles kenne, was diese Insel zu bieten hat. Ich weiß, was am meisten Spaß macht. Ich weiß es, weil ich es alles hundertmal gemacht habe. Du sparst viel Zeit, wenn du mir die Führung überlässt.«

»Das klingt ziemlich arrogant, aber ich habe nichts gegen einen Guide.«

»Ein Guide ist Gold wert. Aber nur, wenn man ihn will.«

Sie sah Sam verschmitzt an, und ihr Lächeln war wie ein Zügel, der an der Kandare eines Pferdes zieht.

»Klar will ich.«

»Dann sind wir uns einig.«

Als sie sich eine gute Nacht gewünscht hatten und Sam schließlich allein war, konnte sie lange nicht einschlafen. Sie lag auf ihrem Bett, und die rostigen Scharniere der weit geöffneten Fenster knarrten im Wind, der immer wieder auf sie einschlug. Sam drehte sich eine Zigarette, die sie in Ruhe am Fenster genoss, damit die anderen den Rauch nicht witterten. Es war so vieles auf einmal passiert, aber sie wusste noch nicht genau, was. Die Codringtons waren eine Sache für sich, und schon jetzt war sicher, dass sie sie niemals zum Tee in ihre erhabene Villa einladen würden. So etwas taten sie nicht. Manche Planeten waren der Sonne näher als ihr eigener, sie hatten andere Umlaufbahnen. Doch Naomi würde herunter zum Hafen kommen und ihr Zerstreuung bieten, ihrem endlosen Sommer einen Sinn geben. Sie hatte etwas Beunruhigendes an sich. Es war aber auch denkbar, dass Naomi selbst durch die Begegnung mit Sam plötzlich verändert worden war – und sei es nur ein kleines bisschen. Da ist der Kreisel, und da ist das Mädchen, das ihn anpeitscht, doch sie sind beide in einer Bewegung vereint.

Drei

Sie standen früh auf, verzichteten auf die Pfannkuchen, die Amy wie so oft zubereitet hatte, und gingen nach Vlichos hinunter, um im Four Seasons Resort zu frühstücken. Es war ein kleines Hotel, anderthalb Kilometer hinter dem Dorf an einem einsamen Weg gelegen, der weiter nach Palamidas führte. Schon um halb sieben umtänzelten Schmetterlinge die schiefen Zaunpfähle, schwirrten über Hänge voller schimmernder Pferdefeigen und lösten sich in Luft auf, wenn ihnen der Sinn danach stand. Opuntien wuchsen wie primitive Rüstungen an den niedrigen Mauern entlang, feine Netze aus winzigen Spinnweben umfingen ihre Triebe. Selbst um die Häuser herum war es still. Sie konnten frisches Heu und Kaffee riechen, und von den Buchten tönten die geisterhaft wiederkehrenden kleinen Wellen herüber.

Sie trugen schlaffe Strandtaschen mit Bikinis, Handtüchern und Sonnencreme über den Schultern. Zwischen üppigen Agaven hindurch kamen sie zu einem Restaurant namens Castello und stiegen dort zu einem über dem Strand gelegenen Plateau auf, an dessen Rand verfallene Holztore mit Vorhängeschlössern die Gespenster verlassener Häuser ankündigten. Wo das flache Wasser plötzlich tiefer wurde, zeichneten sich unregelmäßige Formen aus schwarzem Opal wie die Umrisse regloser Haie ab, und weiter draußen schimmerten dunkelgrüne Massen, die eine brütende Energie suggerierten, welche den oberen Luftschichten immer vorenthalten sein würde. Ein Malariaanfall, dachte Sam, ohne zu wissen, weshalb. Ein malariahafter Traum aus Schwämmen und überschwemmten Felsen. Vor dem Ufer ragte eine kahle kleine Insel mit einer weißen Kapelle aus dem Wasser, vor der sich eine fragile, in Richtung der beiden Höcker von Dokos kreuzende Jacht abzeichnete. Doch die Wellen, die der Wind über die Oberfläche des Meeres sandte, waren schneller als ihr Kielwasser. In Vlichos blickten sie auf einen freudlosen Strand mit aufgereihten Strohschirmen inmitten eines Gewirrs von Stromkabeln hinab – der Weg verlief genau darüber – und sahen, wie sich große griechische Männer schon in Position brachten, um die ersten über das Meer schießenden Sonnenstrahlen aufzufangen. Der ganze Strand war in eine Bucht hineingezwängt. Sie stiegen zu einer alten Steinbrücke hinab und überquerten sie. Unter ihnen fuhr ein Mann auf seiner Esellokomotive dahin, ohne ein einziges Mal zu den beiden Mädchen aufzuschauen; der märchenhafte Schnurrbart aus einem anderen Jahrhundert, die hohen Stiefel, die Hände eines Würgemörders. Er schleuderte Menschen, die sie nicht sehen konnten, ein »Yassas« entgegen.

Im Four Seasons mit seiner von tief herabhängenden Ästen bedeckten Schattenterrasse waren die Russen, für die das Hotel bekannt war, noch nicht aufgestanden. Das Hauptgebäude wirkte verschlossen und auf gleichgültige Weise leer. Dennoch waren die Türen offen, und sie konnten einen Blick auf die kultivierte Inneneinrichtung aus willkürlich zusammengestellten Antikmöbeln erhaschen. Klassische Musik wehte herüber. Anders als in Mandraki standen die Strohschirme hier ordentlich bereit, der Sand war geharkt. Sie setzten sich an einen Strandtisch im Schatten und bestellten schwarzen Kaffee, einen bitteren Sketos für Naomi und einen süßeren Metrios für Sam. Der Schweiß trocknete allmählich auf ihrer Haut, aber Sam vermochte sich nicht vorzustellen, wie es gewesen wäre, diesen Weg in der Mittagssonne zurückzulegen. Es wäre die Art von Folter, der sich nur die gut situierten Arbeitslosen freiwillig unterzogen.

Sie tranken je drei Tassen und ließen etwas Marmeladentoast für Naomi und Schüsseln mit griechischem Joghurt und Nüssen kommen. Sam sagte, dies sei ganz im Ernst die beste Marmelade, die sie je gekostet habe. Naomi sagte, sie könnten auch eine Kleinigkeit rauchen, niemand würde es bemerken. Etwas Kif am Morgen sei genau das Richtige. Sie drehte einen Joint, und die jungen Frauen zogen abwechselnd daran. Also hat sie Gras, dachte Sam gelassen. Sie kann sogar hier welches auftreiben. Sie ist wirklich raffiniert.

Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, erklärte Naomi es ihr.

»Ich kriege es von einem Mädchen aus der Gegend, das immer mit einem Vorrat um die Insel rudert. Sie kommt später noch dort vorbei, wo wir hingehen.«

»Ist das dein Ernst?«

»Das wissen hier nur die Eingeweihten. Sie bekommt das Zeug aus der Türkei. An Touristen verkauft sie nur auf Empfehlung. Sag Christopher auch nichts davon.«

Sie wurden langsam high, aber nicht high genug, um richtig albern zu sein. Eine Stunde später stiegen sie, der Hitze trotzend, den Berg hinauf. Der Weg schlängelte sich an steilen Hängen entlang, und unten strudelte das Meer um die Klippen herum. Der Weg nach Palamidas. Eine Hochspannungsleitung verlief daneben, die Masten leicht verschoben und schief.