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GESUNDHEIT AUF DEM PRÜFSTAND

Würden Sie auf der Autobahn freiwillig ohne Gurt, mit Alkohol im Blut und in einem Auto ohne TÜV in die Gegenrichtung fahren, da es ja heutzutage gute Autowerkstätten und Krankenhäuser gibt? Viele von uns gehen tatsächlich mit ihrer Gesundheit so um. Sie unterziehen ihre Muskeln und Gefäße, Stoffwechsel, Kopf und Herz einem ständigen Stresstest. Wird schon gutgehen! Das tut es auch oft sehr lange, aber irgendwann gibt die Sollbruchstelle unweigerlich nach.

Als ich vor 27 Jahren als junger Arzt auf der Krebsstation der Uniklinik Köln anfing, kam ich schnell ins Grübeln. Sind schwere Krankheiten erst einmal ausgebrochen, stößt die Medizin oft an ihre Grenzen. Wäre es da nicht sinnvoller, frühzeitig vorzubeugen, um möglichst lang – am besten ein ganzes Leben lang – gesund zu bleiben? Damals beschloss ich, mehr über Prävention, also Vorsorge und Vorbeugung, zu lernen, und studierte noch zusätzlich Gesundheitswissenschaften (Public Health). Als ich anschließend im Institut für Gesundheitsökonomie der Uni Köln arbeitete, wurde es mir anhand unserer Analysen noch deutlicher: Das Pferd wird im Gesundheitswesen von hinten aufgezäumt. Statt ausreichend Geld in die Prävention zu investieren, lassen Politik und Krankenkassen den Löwenanteil in die Reparaturmedizin fließen.

Natürlich liegt es an jedem Einzelnen von uns, die eigene Gesundheit – laut allen Umfragen unser höchstes Gut – zu erhalten. Doch vielen ist gar nicht bewusst, wie sehr sie dies selbst in der Hand haben. Außerdem ist es oft nicht leicht, die einmal gefassten guten Vorsätze im Alltag zu verwirklichen.

Dass sich genau das aber lohnt, belegen zahlreiche Studien eindrucksvoll. So wären zum Beispiel 50 bis 70 Prozent aller Todesfälle, die auf Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen beruhen, durch vier einfache Maßnahmen vermeidbar: nicht rauchen, Normalgewicht bis höchstens leichtes Übergewicht halten, sich pro Woche 75 bis 150 Minuten bewegen und nicht mehr als 1 kleines Glas Wein oder Bier am Tag trinken. 

Was ist daran so schwierig? Nun, vieles ist uns dann doch kurzfristig wichtiger als die Gesundheit. Das ist einfach menschlich. Erfolg im Job, das nächste Level beim Computerspiel oder Chips und Bier vor dem Fernseher triggern das mächtige Belohnungszentrum im Gehirn. Das alles müssen Sie sich auch gar nicht verbieten. Damit es langfristig keine Nebenwirkungen hat, sollten Sie sich aber gute Rahmenbedingungen schaffen. Finden Sie heraus: Was ergibt für Sie aus gesundheitlicher Sicht Sinn und bereitet Ihnen zugleich wirklich Spaß und Genuss – sodass Sie langfristig dabeibleiben, ohne sich ständig selbst überwinden zu müssen?

Mir und den anderen Mitwirkenden an diesem Buch ist es ein Anliegen, Sie auf jeder Stufe der Prävention zu stärken:

Das eine Leben, das wir haben, wird mit der richtigen Vorsorge länger und schöner!

Ihr Prof. Dr. med. Thomas Kurscheid

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1 STRESS UND ENTSPANNUNG DIE KOSTBARE BALANCE

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Wer mitten im Leben steht, muss sich auch mal lang machen! Lesen Sie, wie Anti-Stress-Maßnahmen vor Überlastung und Burnout schützen, Gesundheit und Lebensfreude erhalten.

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GUT LEBEN IM GLEICHGEWICHT VON ANSPANNEN UND LOSLASSEN

Weniger Stress oder am besten gar keiner: Das wünschen wir uns vermutlich alle. Doch Stress im richtigen Maße ist ein wichtiger Lebensanreiz. Deshalb ist der Königsweg: gut leben mit dem Stress. Das geht, wenn man es schafft, die Balance zwischen Stress und Erholung zu halten. Auf den folgenden Seiten lesen Sie, wie das gelingen kann. Ich zeige Ihnen, wie Sie typische Anzeichen dafür, dass Ihre Gesundheit durch Belastungen im Alltag gefährdet ist, rechtzeitig erkennen. Das gibt Ihnen erste Anhaltspunkte dafür, wie Sie gegensteuern oder im Notfall auch die Reißleine ziehen können. Denn lang anhaltender Stress ohne Ausgleich – über Wochen, Monate oder gar Jahre – hat stärkere gesundheitliche Auswirkungen, als viele denken. Auf der anderen Seite wird oft vergessen, wie wirkungsvoll schon kleine, einfache Gegenmaßnahmen sind.

GAR KEIN STRESS IST AUCH KEINE LÖSUNG!

Gegensätze ziehen sich an und ergänzen sich. Genauso wie auf Stress eine Phase der Entspannung folgen muss, damit wir gesund bleiben, schützt ein gewisses Maß an Aktivierung und Aufregung vor krankmachender Langeweile. Denken Sie nur einmal an den typischen langen Strandurlaub: So schön es sein kann, einfach mal gar nichts tun zu müssen, sondern nur in der Sonne zu liegen und zu lesen – irgendwann kommt die Lust auf Bewegung wieder, auf Aktion, auf geistige Anregung. Solch positiven Stress (Eustress) erleben wir zum Beispiel auch, wenn wir verliebt sind, mit Freunden eine Reise planen, mit Feuereifer bei einem Kartenspiel dabei sind – oder in der Arbeit mit Freude eine neue Aufgabe angehen.

Ja, wer müde ist, braucht Schlaf, aber wer ausgeschlafen hat, sollte aufstehen. Damit Körper und Geist gesund bleiben, müssen wir sie benützen! In diesem Sinne kann auch zu wenig Anstrengung wiederum Stress bedeuten. Mehr dazu, wie Sie die Balance wiederherstellen, lesen Sie ab .

EINE INDIVIDUELLE SACHE

Wie genau die gesunde Balance zwischen Anstrengung und Erholung aussieht, ist bei jedem Menschen anders. Ihr Partner benötigt vielleicht weniger Schlaf als Sie oder umgekehrt.

Der eine Arbeitskollege werkelt von frühmorgens bis zur Mittagspause voller Elan und ohne jedes Anzeichen von Müdigkeit, der andere ist schon nach zwei Telefonaten reif für eine Pause.

Um herauszufinden, was es für Sie bedeutet, in Balance zu sein, können Sie den Test ab > nutzen. Er gibt wertvolle Anhaltspunkte, denn oft unterschätzen wir unser Tagespensum und können gar nicht verstehen, warum wir so erschöpft sind.

WENN ES ZU VIEL WIRD

Beobachten Sie sich einmal im Tagesverlauf und prüfen Sie, was von den folgenden Anzeichen auf Sie zutrifft:

Dies sind deutliche Anzeichen, dass negativer Stress (Distress) Ihr Leben im Griff hat und dass Sie für mehr Ausgewogenheit sorgen sollten. Erst recht gilt das, wenn auch auf der körperlichen Ebene bereits stressbedingte Beschwerden auftreten (siehe Kasten >).

»Nichts wird so oft unwiederbringlich versäumt wie eine Gelegenheit, die sich täglich bietet.«

Marie von Ebner-Eschenbach

MACHEN SIE DEN STRESSTEST!

Auf diesen Seiten können Sie sich gezielt bewusst machen, welche wichtigen Bereiche Ihres Lebens mehr oder weniger stark von Stress belastet sind. Kreuzen Sie jeweils an, was auf Ihren Alltag zutrifft. Für jedes »Stimmt« vergeben Sie 3 Stresspunkte, für jedes »Stimmt zum Teil« 1 und für jedes »Stimmt nicht« 0. Auf > finden Sie die Auswertung.

SCHLAF STIMMT STIMMT ZUM TEIL STIMMT NICHT
Es fällt mir schwer einzuschlafen, mir geht zu viel durch den Kopf und ich bin unruhig.
Ich kann nicht durchschlafen. Ich wache nachts auf und grübele.
Ich schlafe sehr unregelmäßig, je nachdem, wie viel zu tun ist.
Ich wache morgens schon müde auf.
Ich bin tagsüber oft müde und erschöpft, mir fehlt dann einfach der »Drive«.
ENTSPANNUNG STIMMT STIMMT ZUM TEIL STIMMT NICHT
Es gibt in meinem Tagesablauf kaum Zeiten ohne Verpflichtungen.
Freizeit und Urlaub kommen bei mir regelmäßig zu kurz.
Mir fehlt eine wirksame Entspannungsmethode.
Meine geistigen Interessen treten gegenüber meinen Pflichten in den Hintergrund.
Ich habe kaum Zeit für Familie und Freunde.
LEBENSEINSTELLUNG STIMMT STIMMT ZUM TEIL STIMMT NICHT
Ich befürchte jeden Morgen, mein Tagespensum nicht zu schaffen.
Ungewissheit macht mir Angst.
Überraschungen mag ich gar nicht, denn meist sind es keine guten.
Wenn Probleme auftreten, fürchte ich oft automatisch, keine Lösung zu finden.
Ich blicke generell eher pessimistisch in die Zukunft.
GESUNDHEIT UND FITNESS STIMMT STIMMT ZUM TEIL STIMMT NICHT
Ich leide unter Beschwerden wie Kopfweh, Bauchschmerzen, Übelkeit oder Rückenschmerzen.
Ich leide unter einer chronischen Krankheit.
Stress im Alltag macht meine Beschwerden regelmäßig schlimmer.
Mein Tagesrhythmus (Schlafen, Essen …) ist unregelmäßig.
Ich esse oft ungesund oder nebenbei.
Ich habe ungesunde Angewohnheiten wie Rauchen oder zu viel Alkohol.
Mir fehlt Bewegung. Ich komme schon beim Treppensteigen außer Atem.
BERUFSTÄTIGKEIT STIMMT STIMMT ZUM TEIL STIMMT NICHT
Ich kann bei der Arbeit wenig selbst entscheiden und gestalten.
Ich muss einem engen Zeitplan folgen.
Mein Tagespensum ist regelmäßig zu hoch.
Ich habe viele Dinge gleichzeitig zu tun und kann selten etwas abschließen.
Die äußeren Bedingungen an meiner Arbeitsstelle lassen zu wünschen übrig.
Der Umgang mit Kollegen, Auftraggebern oder Klienten raubt mir Kraft.
Ich habe wenig Freude an meiner Arbeit und wünsche mir eine andere Tätigkeit.
Ich bin arbeitslos oder habe ständig wechselnde Arbeitsstellen.
Ich mache mir Sorgen, wie ich finanziell über die Runden kommen soll.
PRIVATE BEZIEHUNGEN STIMMT STIMMT ZUM TEIL STIMMT NICHT
Ich fühle mich einsam.
Es gibt in meinem privaten Umfeld Konflikte, die mich stark belasten.
Ich gebe mehr, als ich bekomme.
Ich wünsche mir mehr Wertschätzung.
Mir fehlt jemand, mit dem ich reden kann.

AUSWERTUNG

Generell gilt: Überall dort, wo Sie drei Punkte haben, besteht Bedarf für eine bewusste Veränderung. Damit aus einzelnen Problemen keine hartnäckigen Belastungen werden, die umso schwerer aus der Welt zu schaffen sind.

0 BIS 7 PUNKTE

Glückwunsch! Ihre Work-Life-Balance scheint in Ordnung zu sein. Das ist heutzutage etwas Besonderes. Sie sind dementsprechend im Großen und Ganzen zufrieden mit Ihrem Leben. Einzelne Probleme können Sie mit Ihren Ressourcen gut ausgleichen.

Suchen Sie dennoch Lösungen für eventuell stressbelastete Bereiche, damit sich kleinere Probleme nicht zu großen auswachsen! Vergessen Sie nicht, sich regelmäßig gezielt zu entspannen. In diesem Buch finden Sie viele hilfreiche Tipps.

8 BIS 32 PUNKTE

In Ihrem Leben gibt es offenbar durchaus noch einige Bereiche, die nicht stark von Stress belastet sind. Dennoch gibt es auch Warnsignale dafür, dass Sie auf eine Überlastung zusteuern könnten.

Achten Sie darauf, sich regelmäßiger und häufiger zu entspannen, um nicht langfristig in den Burnout zu geraten. Überlegen Sie anhand Ihrer Antworten jeweils gezielt, wie Sie Ihren Alltag vereinfachen und gesünder leben können. In diesem Buch finden Sie zahlreiche Anregungen dafür.

33 BIS 108 PUNKTE

Achtung: Was Sie täglich an Stress wegstecken, ist dabei, Ihre Gesundheit und nicht zuletzt auch Ihre Lebensfreude zu gefährden – das gilt natürlich umso mehr für die Bereiche, bei denen Sie im Test die meisten »Stresspunkte« gesammelt haben.

Versuchen Sie, in kleinen Schritten vor allem die 3-Punkte-Stressfaktoren zu beheben oder zumindest abzuschwächen. Machen Sie öfter eine Pause, um durchzuatmen und sich wieder Ihrer kleinen und großen Lebensziele bewusst zu werden. Erlernen Sie eine wirkungsvolle Entspannungsmethode. Am besten, Sie melden sich gleich für einen Kurs an! Einige hilfreiche Buchtipps und Adressen finden Sie auf > und >.

Achten Sie auf ausreichenden und guten Schlaf. Dazu gehört vor allem auch, dass Sie nach Feierabend und vor dem Zubettgehen einen – oder mehrere – Gänge herunterschalten.

Suchen Sie gegebenenfalls das Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten, um gemeinsam einen Weg zu finden, wie sich der Arbeitsablauf zufriedenstellender und stressärmer gestalten lassen kann. Machen Sie deutlich, dass davon auf jeden Fall beide Seiten profitieren werden.

WAS EIN SMARTPHONE UND EIN TIGER GEMEINSAM HABEN

Um zu verstehen, warum ständiger Stress so schädlich sein kann, muss man wissen, was dabei eigentlich im Körper passiert.

Die Stressreaktion ist ein urzeitlicher Überlebensreflex. Unsere Ahnen mussten bei der Nahrungssuche auf die Jagd gehen und dabei auch noch mit gefährlichen Tieren wie dem Säbelzahntiger um die begehrte Beute streiten. Oft hieß es in Sekundenbruchteilen entscheiden: Beute machen, kämpfen oder fliehen? Für alle diese Reaktionen musste sich der Körper in der gleichen Weise bereit machen: sofortige Ausschüttung der Aktivitätshormone Adrenalin und Cortisol sowie von schmerzhemmenden Endorphinen, Anstieg von Blutdruck und Puls, Aktivierung der Muskulatur, Erweiterung der Pupillen, schärferes Sehen, beschleunigte, flache Atmung, schnellere Blutgerinnung für den Fall einer Verletzung. Gleichzeitig wurden alle Körperfunktionen, für die in der Stresssituation keine Energie verschwendet werden durfte, ruhiggestellt wie zum Beispiel das Verdauungssystem. Der gesamte Organismus war auf Höchstleistung getrimmt zum Zwecke des Überlebens.

BEI DER EVOLUTION NICHT MITGEMACHT

Was uns heute kaum bewusst ist: Die oben beschriebenen körperlichen Reaktionen laufen in Stresssituationen immer noch genauso ab. Nur dass heute selten ein wildes Tier der Auslöser ist – vielmehr sind es der kontrollierende Chef, der wenig hilfreiche Kollege, der Termindruck und all die kleinen und großen Aufgaben, die alle gleichzeitig erledigt werden wollen. Hinzu kommen die Quälgeister unserer Zeit wie Bildschirm-Pop-ups und Handygepiepse oder die verspätete, überfüllte U-Bahn. Auch bei der Schnäppchenjagd und im Straßenverkehr sind es immer die gleichen Symptome, die den Kampf um die Ressourcen kennzeichnen.

Wem ist der Wunsch nicht vertraut, in einer Stresssituation die Beine in die Hand zu nehmen und sich aus dem Staub zu machen oder mit voller Kraft um sich zu schlagen?

Während die Fluchtreaktion vielleicht noch im Privatleben durchgehen mag (die Anzahl der Singles in Großstädten steigt nicht von ungefähr kontinuierlich an) – aus dem Büro rennt trotzdem nicht so häufig jemand schreiend raus und lässt alles stehen und liegen. Auch dem Kampfreflex nachzugeben ist im Alltag doch eher unüblich, in jedem Fall gewiss nicht karriereförderlich.

Der Stress zeigt sich heute nicht mehr in Gestalt des Tigers. Stressauslöser (Stressoren) warten in unserer sich immer schneller drehenden digitalen Welt unaufhörlich auf uns. Konnte man sich vor ein paar Jahrzehnten für die Beantwortung eines Geschäftsbriefes auf dem Postweg oder als Fax noch mehrere Tage oder gar Wochen Zeit lassen, so geht es heute um Minuten. Der E-Mail-Eingang muss permanent abgearbeitet werden, der Kunde erwartet das Angebot noch heute, der Vorgesetzte eine sofortige Stellungnahme … Mehrere Stunden ungestört an einer Sache arbeiten zu können, wird zum Luxus.

Dass wir tatsächlich mehrere Dinge gleichzeitig tun können, ist ein Mythos. In Wirklichkeit schaltet unsere Aufmerksamkeit in Sekundenbruchteilen zwischen den Aufgaben hin und her. Als ob Sie mit der Fernbedienung im Techno-Rhythmus das Fernsehprogramm wechseln würden. Stress pur für das Gehirn!

Dieselbe Dynamik erzeugt die ständige Erreichbarkeit über das Handy. Früher verließ man das Büro oder fuhr in die Ferien und war dann mal weg – oft wochenlang. Heute geraten viele Menschen allein bei dem Gedanken daran, das Handy zu verlieren oder in eine Gegend ohne Mobilfunknetz zu reisen, regelrecht in Panik. Mit dem Smartphone in der Tasche sind wir quasi immer in Alarmbereitschaft. Wir Mediziner bezeichnen diesen Zustand als Dauerstress.

PAUSE MACHEN: MISSION IMPOSSIBLE?

Gesundheitsgefährdend ist der Dauerstress nicht nur durch die unaufhörliche Belastung, sondern auch durch den damit einhergehenden Mangel an echter Entspannung. Im Unterschied zu früher kämpfen wir heute mit den Langzeitfolgen von Stress. Denn unseren Vorfahren gelang es, die Stresshormone effektiv wieder abzubauen und den Organismus zurück in den Normalbetrieb zu schalten, denn das geschieht durch Bewegung automatisch. Darum hatte die Stressreaktion in der Steinzeit keine negativen Langzeitwirkungen. Im Anschluss an Flucht, Kampf oder Beutefang stellte sich ein Gefühl der tiefen Entspannung ein. Unsere Vorfahren kehrten zurück in den geselligen Kreis des Clans und im besten Fall versammelte man sich ums Lagerfeuer zum gemeinsamen Verspeisen der erbeuteten Nahrung. Dabei wurden auch noch die letzten im Körper kursierenden Stresshormone quasi von selbst abgebaut, die Blutgefäße weiteten sich wieder, der Blutdruck sank auf das Normalmaß, der Puls beruhigte sich und die Muskeln entspannten sich.

Im Vergleich mit dem typischen modernen Tagesablauf wird schnell klar, warum das Runterfahren heute kaum noch gelingt: Zum einen können wir auf eine Stresssituation selten mit ausgiebiger Bewegung reagieren, können weder wegrennen noch kämpfen. Zum anderen fehlt häufig die Entspannung nach der Anspannung. Der Hauptgrund ist, dass viele auch nach Feierabend ihr Smartphone nicht weglegen und den Abend wieder vor Bildschirmen verbringen statt etwa beim Plaudern und gemütlichen Speisen. Der digitale Säbelzahntiger zeigt seine Zähne permanent.

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TELEFONTERROR

Im Rahmen des Mental-Balance-Projektes werten der Psychologe Christian Montag und sein Team von der Universität Bonn seit 2014 das Verhalten von 60 000 Smartphonenutzern in Deutschland aus. Aktueller Stand: Jeder Nutzer schaut 88-mal am Tag auf sein Handy, alle 12 bis 18 Minuten wird das Smartphone gecheckt und die Tätigkeit unterbrochen, mit der man gerade zugange ist. Das lässt nach Feierabend nicht nach, im Gegenteil: 82 Prozent der Deutschen benutzen ihr Handy intensiv zwischen 18 und 24 Uhr. Die Grenze zwischen Büro und Zuhause ist längst verschwommen, der Körper bleibt im Arbeitsstressmodus. Spätestens wenn man irrtümlich glaubt, einen Signalton gehört zu haben, und das Mobiltelefon panisch zückt, ist es Zeit, etwas zu ändern.

ZWEI ENTSPANNUNGSMYTHEN

»Pause – jetzt erst mal eine Zigarette!« Hilft die aber wirklich dabei, Stress abzubauen, oder ist der entspannende Effekt von Nikotin sowie auch von Alkohol nur eine Illusion?

ZIGARETTEN: ZU RECHT »OUT«

Das Gehirn eines Rauchers hat gelernt, Entspannung mit Nikotinzufuhr zu verknüpfen. Was könnte die Zigarette ersetzen, die es ermöglicht, für einen Moment den Arbeitsplatz zu verlassen, einen Kaffee zu trinken oder einen Plausch zu halten? Auch nach Feierabend symbolisiert die Zigarette bei einem wohlverdienten Drink Erholung. Doch diese gaukelt das Nikotin dem Raucher nur vor. Der Entspannungseffekt beim erneuten Griff zur Zigarette beruht lediglich darauf, dass die Anspannung nachlässt, die durch den Entzug entstanden ist. Rauchen ist also ein zusätzlicher Stressfaktor, dem wir uns aussetzen.

Zigaretten machen – neben ihren sonstigen schädlichen Wirkungen, auf die wir noch eingehen werden – körperlich wie psychisch stark abhängig, dafür ist das Nervengift Nikotin in Verbindung mit anderen Stoffen im Tabakrauch verantwortlich. Etwas günstiger zu beurteilen sind E-Zigaretten, da sie statt mit Verbrennung mit Verdampfung funktionieren. Das spart schon mal mindestens 80 Prozent der eingeatmeten Schadstoffe. Allerdings gibt es dazu noch keine Langzeitstudien. Am besten ist ein kompletter Verzicht.

ALKOHOL: HAPPY HOURS?

Mit Sekt wird auf einen Erfolg angestoßen, zum Drei-Gänge-Menü gehört eine Flasche Wein und zum Feierabend ein Bier. Die entspannende, beruhigende Wirkung von Alkohol beruht darauf, dass er die Erregung bestimmter Nervenzellen dämpft sowie die Ausschüttung von Stresshormonen herunterreguliert. Außerdem werden Endorphine freigesetzt, also Glückshormone. Allerdings hält die Entspannung nur zwei Stunden nach dem Genuss an, danach kehren Körper und Geist auf ihre vorherigen Stresslevel zurück. Besonders in stressigen Zeiten ist die Verführung groß, nachzufüllen und den Pegel wieder zu heben. Doch Achtung: Neben all seinen schädlichen Wirkungen für den Körper, auf die wir noch eingehen, verändert ein regelmäßig zu hoher Alkoholkonsum die Persönlichkeit. Wenn Abschalten nur noch mit Alkohol möglich ist, drohen Sie in den Burnout zu schlittern.

Mein Rat: Mäßigen Sie gegebenenfalls Ihren Kaffeekonsum, eventuell benötigen Sie Alkohol als Gegenmittel zum aufputschenden Koffein. Genießen Sie Alkohol nur als besonderes Extra und nutzen Sie zur Entspannung lieber Sport, Yoga oder Meditation.

ERNEUERBARE ENERGIE

Leben ohne Pause bedeutet, dass Sie mit zu hoher Drehzahl durchs Leben sausen und den Fuß auch dann nicht vom Gaspedal nehmen, wenn Sie zurück in der heimischen Garage sind. Wie den Automotor verschleißt das auch den menschlichen Organismus vorzeitig. Körper und Geist müssen die Möglichkeit haben zu verstehen, dass sie sich nach einem arbeitsreichen Tag erholen können. Das Rentier ist sozusagen erlegt, die Fressfeinde sind besiegt und das Feuer ist angeschürt. Alles, was heute zu schaffen war, ist geschafft. »Heute kann ich nichts mehr reißen, morgen früh geht‘s weiter« – wer das verinnerlicht, kann loslassen. Das klingt so einfach, ist es aber nicht immer. Zu viele Gedanken, Grübeleien und Stresshormone begleiten uns noch.

Weil das tägliche Runterschalten nicht nur gesundheitsförderlich, sondern geradezu überlebensnotwendig ist, sollten Sie ein passendes Ritual finden: um den See joggen, einen flotten Spaziergang durch den Park machen oder einfach mit dem Fahrrad von der Arbeit nach Hause fahren. Ist auf diese Weise der Stresslevel durch die Bewegung erst einmal heruntergefahren, entspannt es sich bestens auf dem Balkon, mit Zeitung oder Buch auf der Couch, am schön gedeckten Esstisch (ob gemütlich allein, romantisch zu zweit, mit Freunden, Nachbarn oder der Familie). Muße und Zeit – das klingt zu schön, um wahr zu sein? Nur Mut! Die tägliche Auszeit schenkt Ihnen so viel Energie, dass Sie am nächsten Tag Ihre Aufgaben fast in der halben Zeit schaffen. Mehr praktische Tipps zu diesem Thema finden Sie ab >.

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Achten Sie auf Erschöpfungssignale wie die folgenden und legen Sie rechtzeitig Pausen ein, um nicht langfristig in den Burnout zu steuern:

> Herzrasen, das nicht nach einer Weile wieder nachlässt.

> Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Hörsturz.

> Flacher Atem bis hin zu Atemnot.

> Magenschmerzen, Bauchweh, Verdauungsbeschwerden.

> Ein verändertes Essverhalten und Übergewicht oder ungewollter Gewichtsverlust, Abmagerung.

> Konzentrationsmangel, schnelle Ermüdbarkeit.

> Gefühl der Leere im Kopf, Nervosität, unbestimmte Ängste.

> Reizbarkeit, Aggressivität.

> Gedrückte Stimmung, Teilnahmslosigkeit, Verlust an Lebensfreude.

Pflegen Sie einen verantwortungsvollen Umgang mit Ihren Kräften, das ist übrigens auch im Interesse Ihres Arbeitgebers. Bei Beschwerden, die über einen längeren Zeitraum auftreten, sollten Sie den Arzt zur Abklärung aufsuchen, bei sehr heftigen, akuten Beschwerden sofort!

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LIFELINE STATT DEADLINE: SCHÜTZEN SIE SICH VOR DEM DAUERSTRESS

Stress bewirkt, wie auf > beschrieben, eine Freisetzung von Hormonen im Körper. Zuständig dafür sind Hypothalamus – die Schaltzentrale im Gehirn –, Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und Nebennieren. Kurzfristig ist die Hormonausschüttung sinnvoll, leistungssteigernd und lebensnotwendig. Körper und Geist sind hellwach und imstande, für eine gewisse Zeit außergewöhnliche Leistungen zu erbringen. Das half den Steinzeitmenschen beim Überleben und ist auch heute wichtig. So manche Theaterpremiere würde ohne Stressreaktion wegen Lampenfieber abgesagt, Deadlines würden nicht erreicht. Doch wir übertreiben es und wollen den Hochleistungszustand beibehalten. Die Stresshormone tun uns den vermeintlichen Gefallen und bleiben dauerhaft im Körper. Das lässt auf lange Sicht die Leistungskurve abfallen und zerstört unsere Gesundheit.

ARTERIOSKLEROSE UND DIE FOLGEN

Wenn ständig Stresshormone im Körper kursieren, sorgt das für einen dauerhaft erhöhten Blutdruck und ein dauerhaft aktiviertes Blutgerinnungssystem. In Verbindung mit einem auch stressbedingt ungesunden Lebensstil (zu wenig Bewegung, ungesunde Ernährung, Übergewicht ) führt das in vielen Fällen langfristig zu Arteriosklerose. Dies ist eine Verengung und Verhärtung von Blutgefäßen durch Ablagerungen an den Gefäßinnenwänden. Besonders häufig betroffen sind die Herzkranzgefäße (koronare Herzkrankheit). Die Folge ist ein stark erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Weitere Risikofaktoren wie Diabetes und erhöhte Cholesterinwerte erhöhen die Gefahr nicht nur zusätzlich, sondern werden auch selbst zur Bedrohung.

SCHLEICHENDE GEFAHR

Eine Arteriosklerose entwickelt sich nicht plötzlich, sondern über Jahre und Jahrzehnte. Wenn ihr frühzeitig entgegengesteuert wird – vor allem mit Ausdauersport, einer gesunden Ernährung und effektiver Entspannung –, können die Veränderungen in den Arterien noch umgekehrt werden. Die Blutgefäße gewinnen dann ihre Elastizität zurück und können ihre Aufgabe, den Körper mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen, wieder in ausreichendem Maße wahrnehmen.

KLEINE SCHRITTE, GROSSE WIRKUNG

Sie sehen: Ein Risikofaktor kommt selten allein. Alle Faktoren bedingen und verstärken einander (siehe metabolisches Syndrom, ab >). Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass schon kleine Veränderungen im Lebensstil – zum Beispiel ein täglicher Spaziergang, bei dem die Stresshormone abgebaut werden – große Wirkung haben können. Eine positive Veränderung zieht weitere nach sich, etwa einen ausgeglichenen Blutzuckerspiegel und dadurch weniger Hunger und eine gesündere Ernährung (siehe ab >).

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KRANK MIT ÜBERSTUNDEN

In einer großen Übersichtsstudie wurden 2015 Daten von über 600 000 Menschen hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen langer Arbeitszeit und koronarer Herzerkrankung sowie Schlaganfall untersucht. Die eindeutige Aussage der im hoch angesehenen Medizinjournal The Lancet veröffentlichten Ergebnisse lautet: Das Risiko vor allem für einen Schlaganfall steigt mit zunehmender Wochenarbeitszeit (41 bis 48 Stunden beziehungsweise über 50 Stunden) deutlich an.

Eine japanische Studie mit 5 000 Mitarbeitern ergab, dass nach fünf Stunden Arbeit am Computer ohne Pausen die Depressionskurve ansteigt. Schuld scheinen vor allem die vielen Informationen und das ständige Switchen bei der Onlinearbeit zu sein, sie überfordern den Geist. Er wird müde und frustriert. Vor allem bei Multitasking sinkt die Leistungskurve rapide ab.

PRÄVENTION VON HERZ-KREISLAUF-ERKRANKUNGEN

Dr. med. Anselm K. Gitt, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Interventionelle Kardiologie, Intensivmedizin; Herzzentrum Ludwigshafen.

WARUM SIND HERZ-KREISLAUF-ERKRANKUNGEN SO VERBREITET UND SO GEFÄHRLICH?

Weltweit sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Tat die häufigste Todesursache im Erwachsenenalter. Ganz besondere Bedeutung hat die koronare Herzerkrankung (KHK), bei der es infolge von Verengungen der Herzkranzgefäße, die den Herzmuskel mit sauerstoffreichem Blut versorgen, zu einer Mangeldurchblutung des Herzens kommt. Die Verengung der Herzkranzgefäße wird durch die sogenannte Arteriosklerose (der Fachbegriff heißt Atherosklerose) verursacht, eine krankhafte Einlagerung von Fettstoffen in die innere Wandschicht der arteriellen Blutgefäße. Ab einem gewissen Grad der Verengung führt diese zu einer Mangeldurchblutung des Herzens – zunächst nur bei körperlicher Anstrengung –, die von den Patienten als Engegefühl in der Brust oder auch als Kurzatmigkeit empfunden wird. Akute Komplikationen der koronaren Herzerkrankung sind der akute Myokardinfarkt (Herzinfarkt) und der plötzliche Herztod. In Deutschland gibt es derzeit rund 6 Millionen Patienten mit bekannter koronarer Herzerkrankung und die Häufigkeit wird mit der steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung in Zukunft aller Voraussicht nach weiter zunehmen.

WAS SIND DIE RISIKOFAKTOREN DER KORONAREN HERZERKRANKUNG?

Es gibt vielfältige Risikofaktoren, dabei unterscheiden wir zwischen beeinflussbaren und nicht beinflussbaren Faktoren.

Von uns nicht zu beeinflussende Faktoren: Dies sind das zunehmende Alter und eine genetische Veranlagung. Letztere wird angenommen, wenn Angehörige ersten Grades vorzeitig von einer Herz-Kreislauf-Erkrankung betroffen waren. »Vorzeitig« bedeutet hier: bei männlichen Angehörigen in einem Alter jünger als 55 Jahre und bei weiblichen Verwandten in einem Alter jünger als 65 Jahre. Eine genetische Untersuchung ist nicht notwendig.

Beeinflussbare Risikofaktoren: Neben Umwelteinflüssen wie Luftverschmutzung oder auch starker Lärmbelastung sind die Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung einer koronaren Herzerkrankung vor allem im Lebensstil zu finden. Eine internationale Studie (INTERHEART) an nahezu 30 000 Menschen in 52 Ländern weltweit konnte zeigen, dass zirka 90 Prozent aller Herzinfarkte durch einen ungesunden Lebensstil verursacht sind.

Zu einem ungesunden Lebensstil gehören neben Mangel an Bewegung vor allem eine ungesunde Ernährung, die häufig viel Fleisch-, Wurst- und Fastfoodgerichte enthält, ebenso wie Weißmehlprodukte und Zucker vor allem in Softdrinks und Süßigkeiten, aber auch in Fertiggerichten, und natürlich das Rauchen. Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung zusammen führen zu Übergewicht, das wiederum weiteren Bewegungsmangel bedingt und damit zur frühzeitigen Entwicklung eines metabolischen Syndroms (stammbetonte Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, Diabetes) führen kann. In Deutschland sind derzeit zirka zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen übergewichtig, auch bei den Kindern ist die Zahl in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Aber auch Stress kann, wenn er zur Dauerbelastung wird, zu wachsender Erschöpfung, erhöhtem Blutdruck und häufig zu Schlaflosigkeit führen und damit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen weiter erhöhen.

WAS KANN JEDER SELBST FÜR EINEN BESSEREN LEBENSSTIL TUN?

Änderungen des Lebensstils sind in der Regel gar nicht so einfach umzusetzen, denn es braucht schon etwas Disziplin und Durchhaltevermögen – und auch die Bereitschaft, auf bislang Gewohntes zu verzichten.

Rauchentwöhnung: Auf das Rauchen sollte vollständig verzichtet werden. Bei Menschen die mit anderen Rauchern zusammenleben, sollte gemeinsam versucht werden, das Rauchen einzustellen. Es gibt kein Patentrezept für die Raucherentwöhnung, jedoch können Programme wie »Rauchfrei« der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine Hilfestellung bieten (www.rauchfrei-info.de). Gegebenenfalls können Nikotinersatz-Therapien wie zum Beispiel Nikotinpflaster oder Nikotinspray helfen, diese sollten jedoch in Absprache mit dem behandelnden Arzt eingesetzt werden. Eine Hoffnung, dass die derzeit immer weitere Verbreitung findenden E-Zigaretten eine Brücke zur Raucherentwöhnung bilden könnten, wurde in neueren Beobachtungsdaten widerlegt, daher können sie zu diesem Zweck nicht empfohlen werden.

Körperliche Aktivität: Mehr körperliche Bewegung ist ein enorm wichtiger Baustein in der Prävention. Dabei sollte überprüft werden, wie mehr körperliche Aktivität in den individuellen Alltag integriert werden könnte, zum Beispiel durch regelmäßiges Treppensteigen anstelle der Nutzung von Rolltreppen oder Aufzügen. Zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei gesunden Erwachsenen aller Altersklassen reichen in der Regel mindestens 150 Minuten gemäßigtes Ausdauer-Fitnesstraining in der Woche (je 30 Minuten an 5 Tagen der Woche) oder 75 Minuten intensives Ausdauer-Fitnesstraining pro Woche (je 15 Minuten an 5 Tagen der Woche). Regelmäßige körperliche Aktivität hat viele positive Wirkungen. Sie verbessert die körperliche und auch die geistige Leistungsfähigkeit, trägt zum besseren Wohlbefinden bei, das Gewicht wird günstig beeinflusst und gegebenenfalls werden erhöhte Blutdruckwerte gesenkt.

Gesunde Ernährung: Eine gesunde Ernährung zeichnet sich dadurch aus, dass sie ausgewogen und abwechslungsreich ist. Besonders zu beachten bei einer ausgewogenen Ernährung sind, basierend auf den Angaben der kardiologischen Fachgesellschaften, die folgenden Beschränkungen und Empfehlungen:

WANN SOLLTE EINE BEWERTUNG DES RISIKOS FÜR HERZ-KREISLAUF-ERKRANKUNGEN ERFOLGEN?

Die kardiologischen Fachgesellschaften empfehlen eine systematische Bewertung des kardiovaskulären Risikos unter Verwendung eines Risikoabschätzungssystems bei Männern über 40 Jahre sowie bei Frauen über 50 Jahre. Dazu werden die weiter oben besprochenen Risikofaktoren mittels einfacher Multiple-Choice-Fragen erhoben. Die Deutsche Herzstiftung bietet im Internet für Patienten viele hilfreiche Informationen zu diesem Thema an, siehe unter www.Herzstiftung.de > Service für Patienten.

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Wenn wir nebenbei essen, um den Heißhunger zu besänftigen, kommen keine Sättigungssignale im Gehirn an, sodass es bald Nachschub verlangt.

DIE GEFAHR DIABETES

Das Stresshormon Cortisol vermindert die Wirkung des blutzuckersenkenden Hormons Insulin. Dieses schleust die Zuckermoleküle aus dem Blut in die Zellen, wo der Zucker zur Energiegewinnung verbrannt werden kann. Wenn es diese Aufgabe nicht ausreichend erfüllt, kursiert zu viel Zucker (Glukose) im Blut. Die Bauchspeicheldrüse ist nicht zufrieden und erhöht ihre Insulinproduktion. Hält der Stress und damit die Insulinflut über lange Zeit an, werden die Rezeptoren an den »Türen« der Zellen unempfindlich für das Schlüsselhormon Insulin. Man spricht dann von einer Insulinresistenz. Irgendwann ist die Bauchspeicheldrüse überfordert und erschöpft, sie muss passen. Ein Diabetes Typ 2 (erworbener Diabetes, siehe ab >) ist entstanden. Auch an diesem Prozess sind weitere Risikofaktoren beteiligt: Im Stress essen wir oft ungesund und nebenbei, sodass ständig Glukose im Blut zirkuliert. Zudem fehlt es uns dann meist an Bewegung, die den schnelleren Abbau des Blutzuckers fördern würde.

Eine Hauptursache von Diabetes ist Übergewicht. Das hat zum einen damit zu tun, dass Übergewicht die Insulinresistenz verstärkt. Zum anderen sorgt das Essverhalten Übergewichtiger dafür, dass der Blutzuckerspiegel nicht zur Ruhe kommt. Schuld daran ist unser Gehirn – ein Hochleistungscomputer, der permanent Treibstoff in Form von Zucker (Glukose) benötigt. Die Gehirnzellen verbrennen zirka 14 Esslöffel Glukose am Tag (140 Gramm). Das entspricht der Hälfte unseres täglichen Kohlenhydratbedarfs. Das ist umso erstaunlicher, als unser Gehirn mit 1,2 bis 1,4 Kilogramm nur einen kleinen Anteil des Körpergewichts ausmacht.

Der Lübecker Hirnforscher Achim Peters fand in einer Studie 2014 heraus, dass das Gehirn unter Stress noch einmal bis zu zwölf Prozent mehr Energie benötigt: »Zehn Minuten psychosozialer Stress verbrauchen mehr Energie, als in anderthalb Brötchen stecken.« Das führt dazu, dass das Gehirn permanent sofortigen Nachschub fordert. Der schnellste Energielieferant ist Glukose. Zwar kann der Körper sie aus verschiedenen Lebensmitteln herstellen. Allerdings besteht das »egoistische« Gehirn bei Glukosemangel darauf, dass wir nicht etwa eine ballaststoffreiche Scheibe Vollkornbrot mit Frischkäse essen – der Körper braucht eine Weile, um daraus Glukose herzustellen. Nein, der Schokoriegel muss es sein, denn der bietet schnell verfügbare Glukose, die ohne Umwege ins Gehirn gelangt. Dass Schokolade als Nervennahrung gilt, liegt also nicht nur an dem enthaltenen beruhigenden Wirkstoff Theobromin …

Wenn man also bei Stress zum Schokoriegel greift, füttert man vor allem das Gehirn. Die Menge an Zucker, die auf dem Weg zum Gehirn ist, muss für die restlichen Organe und Zellen irgendwie anderweitig besorgt werden. Das bedeutet wiederum Stress für den Körper. Der Pegel der Stresshormone steigt, der Teufelskreis nimmt seinen Lauf.

VERTEILUNGSSTÖRUNGEN

Einige Menschen nehmen unter Stress ab, denn das Gehirn holt sich bei ihnen die Energie aus Muskeln und Fettgewebe. Andere nehmen bei Stress weiter zu. Warum ist das so?

Man weiß, dass der Zugriff des Gehirns auf die Energiespeicher bei übergewichtigen Menschen nicht richtig funktioniert. Bei diesen Menschen beobachtet man, dass sie essen müssen, damit ihr Gehirn anhaltend gut versorgt ist. Sie füttern quasi zu Recht ihr Gehirn (es braucht ja Nahrung), nehmen aber in Kauf, dass sich die aufgenommenen Kalorien auch auf den Hüften festsetzen.

Zusätzlich bringt uns das Belohnungssystem im Gehirn dazu, immer wieder zwischendurch zu essen: Schließlich ist Essen lebensnotwendig und damit ist jeder Griff zu Essbarem eine legitimierte Pause. Wir verbinden Essen mit Entspannung, ob bewusst oder unbewusst. Auch deshalb ist es so wichtig, Entspannungsmöglichkeiten »ohne Nebenwirkungen« zu finden und regelmäßig zu nutzen.

Studien deuten darauf hin, dass Erwachsene, die als Kinder großem Stress ausgesetzt waren, in stressigen Zeiten bevorzugt zu Süßigkeiten greifen. Diese führen zu einer überschießenden Insulinausschüttung. In der Folge sinkt der Blutzuckerspiegel rapide (siehe >). Ein niedriger Blutzuckerspiegel aber fordert weiteren Nachschub.

WENIGER ÜBERGEWICHT

Weniger Stress ist eine der wichtigsten Vorsorgemaßnahmen gegen Übergewicht und Diabetes, denn dann braucht das Gehirn erstens weniger Zucker und zweitens werden andere Belohnungsmechanismen aktiviert. Maßnahmen zur Stressreduktion (siehe ab >) unterstützen also auch das Abnehmen.

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AUS MEINER PRAXIS

Herr Fischer ist ein gefragter Mann, im Beruf überaus engagiert und auch in der Freizeit stets erreichbar. Viertelstündlich checkt er sein Smartphone und antwortet natürlich umgehend. Auch in Familie und Bekanntenkreis ist er stets mit Rat und Tat zur Stelle. In den seltenen Ruhepausen wird zur Entspannung der Fernseher angeschaltet. Das Highlight des Tages ist für Herrn Fischer das Abendessen. Da kommt er innerlich zur Ruhe bei einem guten Stück Fleisch und Pasta mit einem Glas Wein oder zwei. Gegen einen Nachschlag wehrt er sich nicht. Diese Erholungsgewohnheiten haben Spuren hinterlassen, in den letzten zehn Jahren hat Herr Fischer 15 Kilo zugelegt. Als ich ihm erläutere, dass die überschüssigen Pfunde mit seinem Dauerstress zusammenhängen, sieht er mich ungläubig an …

AUSSER BETRIEB: DIE GESTRESSTE IMMUNABWEHR

Das Stresshormon Cortisol schwächt die Immunabwehr. Es unterdrückt Entzündungsreaktionen und Fieber – wichtige Waffen des Körpers bei der Abwehr von Krankheitserregern. Darum ist es nicht ungewöhnlich, dass viele Menschen »rechtzeitig« zum Urlaub oder wenn ein terminlich enges Projekt zu Ende geht krank werden. Zuvor hatte der Stress die gesunde Immunreaktion unterdrückt, in den Körper eintretende Viren oder Erreger wurden nicht erfolgreich oder nicht ausreichend bekämpft, sondern gewissermaßen eine Zeit lang geduldet – der Körper hatte schließlich anderes zu tun. Diese Krankheitserreger befinden sich womöglich immer noch im Körper. Lässt der Stress endlich nach, wie im Urlaub, kann die Krankheit doch noch ausbrechen und dann auch bekämpft werden.

Hier zeigt sich wieder die Zweischneidigkeit der Stressreaktion: Zum einen ist es manchmal nötig, dass wir über einen gewissen Zeitraum ganz auf Aktivität eingestellt sind und nicht krank werden. Zum anderen hat das oft den Preis, dass wir in den wohlverdienten Ruhephasen krank werden. Es empfiehlt sich also, auch während stressiger Zeiten immer wieder gezielt für Entspannung zu sorgen. Wie Sie sich Inseln im Alltag schaffen können, lesen Sie ab >.

KOPF- UND RÜCKENSCHMERZEN

Wer fliehen, jagen oder kämpfen muss, sollte sich auf seine Muskeln verlassen können. Die machen sich bereit für die Aktion und entspannen sich, wenn die sichere Höhle erreicht ist, ob mit oder ohne Beute. Bei Stress stehen wir unter permanenter Hochspannung, das betrifft auch unsere Muskeln. Unserem heutigen Lebensstil fehlt aber die Phase der Muskelentspannung. Hinzu kommt, dass die Anspannung der Muskeln oft einseitig ist, etwa wenn wir am Schreibtisch die Schultern nach oben ziehen – ein ebenfalls urzeitlicher Schutzreflex. Die Folgen sind harte, schmerzhafte Verspannungen der Muskulatur (oberer und unterer Rücken, Schultern, Nacken) und Haltungsschäden, unter denen besonders die Wirbelsäule leidet. Die Nacken- und Schulterverspannungen sind auch eine der Hauptursachen von stressbedingten Kopfschmerzen.

MAGEN-DARM-STÖRUNGEN

Die von unseren Ahnen geerbte Stressreaktion unterdrückt die Ausscheidungsfunktionen. Wer fliehen muss, hat keine Zeit, zur Toilette zu gehen. Wer sich diese Zeit nur ungern nimmt, der bekommt sehr häufig Verdauungsprobleme. Durchfall oder Verstopfung können daher stressbedingt sein.

Dass Stress auf den Magen schlägt, macht schon unser Sprachgebrauch deutlich: »Wenn ich daran denke, was ich heute noch alles schaffen muss, dreht es mir den Magen um.« Hinzu kommen oft vermehrter Kaffee- oder auch Nikotinkonsum unter Stress, der die Magensaftproduktion anregt. Fehlt zeitgleich Nahrung im Magen, für deren Zerkleinerung der Magensaft benötigt wird, greift die Säure die Magenschleimhaut an. Auch wenn wir nebenbei, hastig und zu fettreich essen, greift das die Schleimhaut von Speiseröhre und Magen an. Oft kommt es dann zu Sodbrennen und einer schmerzhaften Magenschleimhautentzündung bis hin zum Magengeschwür.