Findeisen, Janina Mein Zimmer im Haus des Krieges

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Motto

Kein Mensch bekämpft die Freiheit;
er bekämpft höchstens die Freiheit der anderen.

Karl Marx

Vorwort

Inzwischen bin ich seit über zwei Jahren aus Syrien zurückgekehrt. Genug Zeit, um mich wieder an das Leben in der Komfortzone zu gewöhnen. Die Fragen, ob meine Lebensmittel bio oder Küken für meine Eier gestorben sind, ob meine Zahnreinigung zusatzversichert und mein Netflix-Account mit dem WLAN verbunden ist oder ob ich mit meinem Diesel bald nicht mehr durch die Innenstadt fahren darf, sind langsam wieder relevant für mich geworden, aber es hat lange gedauert.

Jeder Journalist, der in Syrien war, hatte in erster Linie ein Anliegen: über die Situation in Syrien zu erzählen, von der anderen Seite zu berichten. Jeder Journalist, der die Grenze überschritten hat, wollte, davon gehe ich aus, die Wahrheit herausfinden. Unabhängig davon, ob er oder sie überlebt hat oder nicht.

Wir Journalisten sind nicht die Geschichte, um die es eigentlich gehen sollte. Es geht um Syrien und vor allem darum, die Syrer selbst wieder in den Fokus zu rücken. Das Interesse für Syrien ist leider gering. Es sei denn, es passiert uns aus dem Westen etwas vor Ort. Doch das Leben eines Syrers ist so viel wert wie unseres.

Wo einst eine arabische Revolution startete, ist diese in einen grausamen Bürgerkrieg umgeschlagen, der von internationalen Playern mit schmutzigen Methoden instrumentalisiert und inzwischen von radikal-dschihadistischen Milizen angeführt wird. Ich bin nach Syrien gereist, um über die Hintergründe berichten zu können. Doch nun muss ich leider eine ganz andere Geschichte erzählen.

PROLOG

Entführt zu werden ist, wie ins Koma zu fallen: Das Leben drum herum geht weiter, nur ohne dich. Du bist plötzlich nicht mehr dabei, aber du bist trotzdem noch bei vollem Bewusstsein. Bloß kannst du nichts mehr tun, und keiner kann dir mehr helfen. Gefangen zu sein, das ist, wie in einen Strudel unter Wasser hinabgezogen zu werden, in die Tiefe des Ozeans. Alles ist in Schlieren. Ungreifbar, trüb und einsam. Keiner hört dich mehr, weil niemand mehr da ist, der dir zuhören kann. Du bist auf dich selbst zurückgeworfen, auf deine Erinnerung. Du lebst in einer anderen Realität als der Rest der Welt. Die Vergangenheit und alles, was bis dahin war, existiert von einem auf den anderen Moment nicht mehr. Sie ist ausgelöscht und unerreichbar. Wie ein Leben unter Tage. Du bist auf stumm geschaltet. Jedes Gespräch, jeder Traum, jede Erinnerung, jede Idee, alles ist nicht stofflich und fluid, ungreifbar und findet nur noch in deinem Kopf statt, weil der Bezug zu deinem echten Leben weg ist.

Doch du fällst nicht wirklich ins Koma, sondern du erwachst nach einer kurzen Zeit der Betäubung wieder. Und du erwachst in einer grausamen Realität: der Gefangenschaft mit ungewissem Ausgang. Nur im Traum kannst du noch frei sein. Du bist tagsüber eingemauert, aber nachts in deinen Träumen kannst du alles tun, bist zurück in deinem alten Leben, triffst deine Liebsten und deine Freunde. Und nach Monaten der Gefangenschaft kannst du nicht mehr zwischen Träumen und Realität unterscheiden.

Wenn du entführt wirst, dann sind alle Brücken gekappt, du stehst alleine im Dunkeln, es ist tiefe Nacht, und der schlimmste Albtraum deines Lebens wird mit einem Mal wahr. Von einem auf den anderen Moment ist er deine neue Wirklichkeit. Die Qualen, die Einsamkeit, die Demütigung, die Hoffnungslosigkeit, die Lebensfeindlichkeit im Krieg, das sind nur einige der Dinge, die mich zeitweise bis an den Rand der Verzweiflung gebracht haben. Es war die schwerste Prüfung meines Lebens, und ich bin froh, dass mein Sohn und ich diese Reise überlebt haben. Ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich wieder zu Hause in Deutschland bei meiner Familie und meinen Freunden bin. Nach Syrien hat eine neue Zeitrechnung für mich begonnen.

Manche Momente im Leben sind teurer als andere, denn sie werden in einer anderen Währung bezahlt. Währung und Preis kennt nur, wer es bezahlen musste.

Und obwohl ich jetzt schon seit einer Weile zurückgekehrt bin, ist nichts wie vorher. Meine Zeitrechnung unterscheidet die vorsyrische, die syrische und die nachsyrische Zeit. Es sind die kleinen Dinge im Leben, auf die es für mich inzwischen ankommt. Ich konzentriere mich auf das Jetzt. Die Zeit, die ich durch meine Rückkehr gewonnen habe, nicht jene Zeit, die ich verloren habe.

Jede Geschichte hat ihren Anfang. Alles beginnt irgendwo, an einem spezifischen Punkt im Universum, zu einer spezifischen Zeit und an einem spezifischen Ort. Die Leben mancher Menschen kreuzen sich, manche Wege gehen wir ein Stück gemeinsam, einige Wege und Menschen haben Bedeutung, andere zerfallen im Kontinuum der Zeit, wie ein atomarer Stoff, der qua Naturgesetz kontinuierlich abgebaut wird. Aber manche Menschen prägen uns viel mehr, als wir das vielleicht jemals für möglich gehalten hätten, und beeinflussen dadurch unseren Weg.

Diese Geschichte beginnt mit meiner Freundschaft zu Laura, meiner alten Schulfreundin. Laura war eine von uns, bevor sie zum Islam konvertierte. Mit ihrer Konversion sollte sich vieles ändern. Unsere Freundschaft begann in der Grundschule und entwickelte sich zu einem Sandsturm, in dem ich unterging. Seit ihrer Ausreise aus Deutschland habe ich mich auf die Suche nach ihr begeben und versucht zu rekonstruieren, was geschehen war. Was hat Laura, meine Freundin seit der Grundschulzeit, zur radikalsten Lebensform des Islams gebracht? Welche Gründe haben zu ihrer Abkehr von unserer Gesellschaft geführt? Und warum hat sie für sich und ihre Kinder die Entscheidung getroffen, im Krieg zu leben? Warum kommt sie nicht nach Deutschland zurück? Letztere ist vielleicht eine der wichtigsten Fragen, die ich beantworten werde.

Als ich Laura das erste Mal seit ihrer Ausreise im Frühjahr 2009 wiedersah, war ich ihrer Gruppe vollkommen ausgeliefert. Ich war mir dessen nur noch nicht bewusst. Es war diese Freundschaft aus Bonner Zeiten, die mich fast mein Leben und das Leben meines Sohnes kostete. Mit meiner Reise nach Syrien wurde ich in die Falle gelockt. Meine Sicherheitsgarantie löste sich in Luft auf, und jene Gruppe, die eben noch für meine Sicherheit eingestanden hatte, entführte mich im nächsten Moment. Das Gefährlichste an Syrien ist die Unberechenbarkeit, doch dies und vieles andere habe ich zu spät begriffen. Ich bin erst viel später in diesem Krieg angekommen. Es hat Monate gedauert, bis ich akzeptiert habe, dass ich in Syrien bin und bis auf Weiteres nicht nach Deutschland zurückkehren werde. Ich dachte, ich könne eine kurze Reise nach Syrien machen, für eine kurze Weile in das Leben von Laura eintauchen und anschließend einfach zurückkommen, nach einigen Tagen Recherche.

Die Entführung hat mein Leben aus den Angeln gehoben, meine Welt auf den Kopf gestellt – sie war die größte Prüfung meines bisherigen Lebens: die tägliche Kriegshölle, der Zweifel, das Kopfkino, die Angst, die Verzweiflung, die Hoffnungslosigkeit und auch die Bitterkeit. Ich weiß nicht, ob man sich einsamer und verlorener fühlen kann, als ich das getan habe, wahrscheinlich kaum. Es war ein Kampf gegen die Zeit. Ein Kampf um jede Minute, die vergehen musste. Ich habe nicht nur die Tage gezählt, sondern die Stunden und irgendwann auch die Minuten. Und ich habe versucht, mich an jeden vergangenen Tag minutiös zu erinnern. Ich lebte in meinen Erinnerungen und für sie. In meinen Träumen war ich frei und konnte meine Liebsten treffen, wenn ich aufwachte, war da ein verschlossenes Zimmer – mit mir darin. Sonst nichts. Später, nachdem mein Sohn geboren worden war, war alles leichter und schwerer zugleich. Ich habe versucht, das Beste aus jedem Tag zu machen. Für meinen Sohn glücklich zu sein und mit ihm.

Ich habe mich in einem Moment in Syrien dazu entschieden, mich nicht unterkriegen zu lassen. Sondern mich meinem Schicksal zu ergeben. Ich habe versucht, das Beste aus meiner widrigen Situation zu machen, ich habe versucht, allen Zweifeln, die mich zerreißen wollten, zu widerstehen und an das Gute zu glauben, an das persönliche Happy End meines Lebens. Ich habe an jedem der 351 Tage, die ich gefangen gehalten wurde, an meine Rückkehr geglaubt. Obwohl es unwahrscheinlich schien, jemals nach Deutschland zurückzukehren. Syrien war so unmittelbar und real und Deutschland wie ein weit entferntes Land in einem Märchen. Es war die bitterste Zeit meines Lebens, aber ich habe niemals aufgegeben, ich habe mich gegen die Entführer gestellt, ich habe versucht, das schwarze Loch, das sich um mein Leben herum gebildet hatte und mich verschlingen wollte, zu besiegen. Man kann einen Menschen innerhalb von wenigen Stunden brechen, doch glücklicherweise hat niemand versucht, mich zu brechen.

Vor meiner Reise war ich blauäugig, ich dachte, dass meine Sicherheitsgarantie halten würde. Eine Sicherheitsgarantie in muslimischen Gesellschaften hat einen hohen Stellenwert, das gegebene Wort gilt wie ein Vertrag und untersteht einem Ehrenkodex. Ich glaubte, dass ich geschützt sei, dass ich unantastbar sei. Aber das war ich nicht. Ich war offensichtlich eine leichte Beute in einem großen Spiel. Ich habe die Situation falsch eingeschätzt. Und doch war ich in gewisser Hinsicht geschützt. Viele Dinge, die Frauen in den Gefängnissen jeden Tag erleben, sind mir erspart geblieben. Ich war eine Marionette der Entführer und irgendwann ein Schatten meiner selbst.

Meine Entscheidung, schwanger mit einer Sicherheitsgarantie in ein Land einzureisen, in dem Krieg herrscht, ist heute nicht mehr zu begreifen. Es war verantwortungslos, leichtsinnig und falsch. Ich bedauere diesen Schritt zutiefst, doch ich kann meinen Fehler weder ungeschehen machen noch verbergen oder vergessen. Er ist Teil meiner Lebensgeschichte. Ich habe mich jeden Tag damit gequält, warum ich nach Syrien gereist bin, und meine ausweglose Situation verflucht. Ich habe mich selbst verflucht, dass ich nicht wachsam und achtsam genug war, und in den Krieg gereist bin wegen einer Geschichte über eine alte Schulfreundin. Oft habe ich mich in Gefangenschaft gefragt: Warum bin ich hier? Und warum bin ich eigentlich hier? Warum habe ich mir und meinem Kind das angetan? Warum dieses Risiko? Wozu? Warum dieser unnötige Schmerz? Diese Frage drehte sich die ganze Zeit über in meinem Kopf wie ein Mühlrad. Was hat mich dazu gebracht, diese vollkommen falsche Entscheidung zu treffen? Ich hatte alles in Berlin. Ein Leben, Freunde, Arbeit. Und bin trotzdem das Risiko eingegangen, alles zu verlieren. Das ist für mich heute, nachdem ich zurückgekehrt bin, nicht mehr nachvollziehbar. Wollte ich mir selbst etwas beweisen? Woher kam der Druck?

Es war nicht alleine meine Naivität. Am Ende haben viele Faktoren zu dieser Entscheidung geführt. Es war ein Geflecht aus Personen, Orten, Umständen und Worten, die Menschen gesagt haben oder nicht gesagt haben. Viele Kontrollinstanzen haben versagt, auf Produktionsebene und auf menschlicher Ebene.

Ob ich konvertiert oder übergelaufen bin? Ich wäre sofort konvertiert, wenn es mir geholfen hätte. Aber ich habe in keinem einzigen Moment den Vorteil gesehen. Natürlich wurde ich oft danach gefragt, sowohl von Laura als auch von den Entführern. Deshalb habe ich darüber nachgedacht. Warum bin ich nicht konvertiert? War nicht genug Zeit dafür? Gab es nicht genug Möglichkeiten? War es nicht das, was viele erwartet haben? Die Sicherheitsbehörden, die Dschihadisten? Vielleicht sogar einige meiner Freunde und meine Familie? Ja, natürlich war es zu erwarten, aber es ist nicht geschehen, weil mich meine Zeit in Syrien eher vom Islam entfernte, als ihn mir nahezubringen. Auch wenn ich mich mit aufrichtigem Interesse mit dem Koran beschäftigte, hat der Text »nicht zu mir gesprochen«, sosehr ich mich auch in die Textzeilen vertieft habe. Auch die muslimische Lebenspraxis fand ich während meiner Entführung eher abschreckend als einladend, besonders die Rechte und Stellung der Frau.

Ich ging als Journalistin und Freundin nach Syrien und kehrte als Fremde zurück. Nach Syrien war nichts mehr, wie es einmal war. Das Erlebte bleibt sehr präsent. Das bringt ein Jahr im Krieg mit sich. In meiner Zeit der Gefangenschaft habe ich mir immer wieder gesagt: Die Liebe wird alles besiegen. Omnia vincit amor. Es sollte zu meinem Motto während der Gefangenschaft werden. Und es sollte sich bestätigen. Ich habe dem Tod ins Auge gesehen, und ich hatte Glück. Jetzt, wenn ich mit meiner Familie zusammen bin, wenn ich an der Spree stehe und in die Nacht schaue, nun, da ich zurückgekehrt bin, scheinen die Dinge wertvoller zu sein, als sie vorher je hätten sein können, weil ich sie nicht mehr hatte und eine zweite Chance bekommen habe. Jeder einzelne Moment für sich genommen, jedes einzelne Lachen meiner Freunde und die Nähe meiner Familie. Unser freies und doch so sicheres Leben in Deutschland und Europa. Mein Überleben verdanke ich in erster Linie der Liebe zu meinem Kind. Mein Sohn gab mir die Stärke, diese Zeit zu überstehen. Ihm verdanke ich alles.

Ich habe während der unendlichen Tage und Nächte in Syrien immer geschrieben. Meine Tagebücher sind verloren gegangen, aber auch das ist Teil der Geschichte, die ich hier rekonstruiere. Ein weißes Blatt liegt vor mir auf dem Tisch. Ich bewege den Stift in meiner Hand. Das Aufschreiben mit Zettel und Stift hilft mir, mich an die Zeit in Syrien zu erinnern. Es fällt mir nicht leicht. Meine Erinnerungen an die Gefangenschaft sind, so erzählen es auch andere Geiseln, die freigekommen sind, in meine Gehirnwindungen eingebrannt. Nur die Details verblassen langsam. Das Grundgerüst bleibt als Konstante unauslöschbar in meinem Bewusstsein erhalten, auch wenn mir alles hier und heute sehr fremd erscheint: Zu anders ist das Leben in Syrien gewesen, zu unterschiedlich sind die Parameter der beiden Welten, zu einsam waren die Erfahrungen dort.

Noch eine allgemeine Bemerkung: Ich erzähle in diesem Buch meine Version der Geschichte, aber natürlich waren viele Menschen in die Geschehnisse involviert. Zum Schutz von Personen habe ich manche Namen und Orte verändert.

TEIL I

TÜRKEI –
DER BEGINN DER REISE

INSIDE TURKEY

Laura schreibt mir per Mail: »Liebe Janina. Du sollst nach den Eid-Tagen nach Antakia kommen, dort ein Hotelzimmer nehmen und dich bei mir melden. Werde dir noch Einzelheiten schreiben, nur dass du dich schon mal bereit machst. LG, Umm Leila«

Nach dem Flug ohne Zwischenstopp von Berlin nach Istanbul ist die Ankunft in der Metropole hektisch. Wir landen am 26. September 2015 auf dem nach Atatürk benannten Flughafen auf der europäischen Seite, Durchsagen schallen über die Lautsprecher. Überall wimmelt es von Menschen. Die Fahrt in die Innenstadt dauert über eineinhalb Stunden, es herrscht viel Verkehr. Von Istanbul aus soll es nach ein paar Tagen mit dem Flugzeug weitergehen nach Antakya, ins Grenzgebiet zu Syrien. Eine Sonderzone, für die man eine Extradrehgenehmigung braucht. Ich werde dorthin reisen, denn in Nordsyrien, vielleicht nur wenige Dutzend Kilometer hinter der Grenze, ist Laura. Ich bin auf dem Weg zu einem Dreh für einen Dokumentarfilm über meine Freundschaft zu ihr.

In Antakya soll der Schleuser mich abholen, der mich nach Nordsyrien bringen soll. Als ich mit meinem Kamerateam dort ankomme, checken wir zunächst ins Hotel ein. In Antakya gibt es nur zwei Hotels, die überhaupt für Ausländer zugelassen sind. Sie liegen einander direkt gegenüber. Wir nehmen das größere der beiden, ein Boutiquehotel. Die Atmosphäre ist wie in einem Ex-Sowjethotel: überdimensioniert, bombastisch, geschmacklos, leer. Es wirkt dunkel, die Flure sind lang und braun. In der Lobby, die protzig-düster daherkommt, wirkt alles seltsam ausgestorben. Kein einziger anderer Gast ist zu sehen. Nirgendwo. Es scheint, als seien wir tatsächlich die Einzigen hier.

Durch das Fenster ist der Muezzin zu hören, der zum Morgengebet ruft, dem Fadjr. Steh auf, Gebet ist besser als Schlaf. Der erste Tag beginnt mit einem kräftigen Frühstück: Omelette und Tee mit Milch. Wir sitzen auf der Terrasse, es ist schwül, Autos hupen. Unweit des Hotels beginnen die Berge. Es gibt nur zwei Gründe, überhaupt ins Grenzgebiet zu Syrien zu fahren: Man will in den Dschihad. Oder: Man will über den Dschihad schreiben.

Antakya ist eine alte Stadt, aber ihre Geschichte wurde immer auch von ihrer Lage geprägt. Sie war einst eine Handelsmetropole, und auch heute ist in der Altstadt und auf dem großen Basar noch einiges von der Handelstradition vergangener Tage spürbar. Wir sind zur Mittagszeit in der Altstadt. Alles hupt, Motorräder drängen durch die Gassen, Zweitaktmotoren knattern. Im Basar sind allerlei Verkaufsstände nebeneinander aufgereiht. Ein alter Mann schleppt ein Dutzend Teppiche, Kinder verkaufen Süßigkeiten. Am Straßenrand grillt ein Händler Kebab-Spieße auf Holzkohle. Es wird frischer Ayran, das türkische Joghurtgetränk, in weißen Plastikbechern angeboten.

Rauchschwaden steigen auf, es duftet nach scharf gewürztem Fleisch. Zwei junge Männer schieben einen Handkarren, eine Frau mit blumengemustertem Kopftuch sitzt auf dem Asphalt. Heute erzählt man sich Geschichten vom Krieg, der im benachbarten Syrien herrscht. Ein grausamer Krieg mit Millionen von Flüchtlingen und Flüchtigen. Es ist eine undurchsichtige Situation. Antakya ist die türkische Großstadt, die den Schlachtfeldern des Antiterrorkrieges am nächsten liegt, eine Stadt, in die der Krieg längst mit seinen blutigen Händen hineingreift. Wir machen eine Fahrt durch die Stadt und zur Kirche. Antakya mit seinen über 200 000 Einwohnern ist nicht so chaotisch und unüberschaubar, wie ich es angenommen habe, sondern durchgeplant. Außerdem ist Antakya christliches Kernland. Ich laufe über den Vorplatz der Kirche. Sie befindet sich hoch oben auf einem Berg nahe der Stadt, ist Teil unserer christlich-abendländischen Geschichte. Antakya ist der Geburtsort der christlichen Kirchen. Auf einem Berg ein wenig außerhalb der Stadt befindet sich die älteste christliche Kirche der Welt, vom Vatikan zertifiziert, es ist die St.-Petrus-Grotte. Die Höhlenkirche, die direkt im Fels liegt, stammt aus dem 1. Jahrhundert nach Christus und soll von Weggefährten Christi als Treffpunkt und Ritualort genutzt und von dem Apostel Petrus selbst geweiht worden sein.

Wir drehen am Abend in der Altstadt. Plötzlich werden wir von drei Motorrädern umzingelt. Dann kommen rund zehn Zivilbeamte dazu. Wir sind umringt. Es tritt ein kräftiger Mann auf uns zu, ebenfalls in Zivil. »Was macht ihr hier?« Wir erklären ihm die Situation. Sie wollen jetzt, etwas bestimmter, unsere Papiere sehen. Wieso? Weil er von der türkischen Polizei sei. Und er kontrolliere alle Ausländer. »Wieso?«, frage ich ihn erneut. Wir werden allesamt aufgefordert, in ihre beiden Autos zu steigen. Zur Polizeistation. Wir fahren zuerst zum Hotel und holen dort unsere Ausweise, dann fahren wir weiter zur Polizeistation. Während der Fahrt sagt einer der Polizisten: »Mein Cousin lebt auch in Deutschland!« »Wo denn?« »In Duisburg.«

Der Polizist lächelt nicht, als er uns in einen Raum bittet. Er hat einen grauen Schnauzbart und eine Halbglatze. Er bittet uns einzutreten, und wir setzen uns auf die Stühle, die vor seinem Schreibtisch aufgebaut sind. Die Polizeistation ist ruhig und groß.

Wir werden bei den Dreharbeiten festgenommen, das fängt ja gut an, denke ich, während wir unsere druckfrischen Presseausweise auf den Tisch legen.

Dann kommt ein weiterer Polizist dazu und setzt sich an unseren Tisch, es scheint sein Vorgesetzter zu sein. Er trägt ein rotes Poloshirt und hat einen harten Blick. Er sagt, dass wir keine Drehgenehmigung hätten. Spät in der Nacht dürfen wir die Polizeistation wieder verlassen.

Am nächsten Morgen beim Frühstück entdecken wir ein gepanzertes Fahrzeug vor dem Hotel. Überall auf der Straße sind Beamte in Zivil unterwegs, die uns auf der Terrasse vom Hotel beobachten. Wir gehen zurück in die Hotelzimmer und dann hinaus nach Antakya.

Während wir gerade beim Mittagessen sitzen, klingelt mein zweites Telefon. Das bedeutet, dass der Kontaktmann von Laura anruft. Es klingelt weiter. Die Melodie tönt durch den Raum. Wie in Trance stehe ich auf und nehme das Telefon in die Hand. Langsam schaue ich auf das leuchtende Display.

Eine türkische Nummer blinkt auf, während es weiter klingelt, die Dschihadisten benutzen häufig türkische SIM-Karten, wenn sie sich in der Grenzregion aufhalten. Der Kreis schließt sich. Niemand hat diese Nummer, die ich mir gestern zugelegt habe. Außer Laura, der ich sie am Abend mailte. Sie und ihre Kontaktleute.

Das Telefon klingelt immer noch. Ich schaue auf die Uhr. Es ist zehn nach zwölf. »Hallo?«

Ist es ein Kontaktmann? Ist es Laura? Wer will mich anrufen? Es ist ein Anruf aus einer anderen Welt. Und es ist auch eine gefährliche Welt. Denn wenn dieses Telefon klingelt, dann ruft das Taxi nach Syrien an. »I will kill you in one hour«, verstehe ich. »I will tell you in one hour«, meint er hoffentlich. Die Stimme dieses Mannes klingt aufgeregt. Es ist nicht Laura. Ich höre nur Rauschen in der Leitung und dann abgehackte arabische Wortfetzen, die durch die Leitung huschen. Dann reißt die Verbindung mit einem Mal ab, und es ist nur noch ein Tuten in der Leitung zu hören. Es war ein Anruf von al-Qaida.

Einige Stunden später klingelt mein Telefon erneut. »Hallo!« Diesmal ist die Verbindung besser, und es ist ein anderer Mann am Telefon. Seine Stimme klingt ganz ruhig. Der Mann am anderen Ende der Leitung spricht unerwartet gut Deutsch mit einem nordarabisch-frankophonen Akzent, ein Relikt aus der Kolonialzeit. »Ich bin der Kontaktmann«, gibt er mir zu verstehen. Es durchzuckt mich. Irgendwie hatte ich nicht daran geglaubt, dass der Kontakt zu ihr zustande kommen würde. Ich hatte immer gedacht, dass es nicht möglich sein könne. Nun ist es plötzlich anders.

»Der Schleuser ist in Antakya«, sagt er mit fester Stimme. Mein Herz rast. Ich bin angespannt. Es rauscht in der Leitung. »Komm zum großen Krankenhaus«, fährt der Anrufer fort. Nun ist das Tor plötzlich offen. Nun ist alles mit einem Mal real geworden. In diesem Moment denke ich, dass diese Tür wahrscheinlich nur einmal aufgehen und sich danach direkt wieder verschließen wird. »Wir rufen später noch mal an«, sagt der Anrufer, dann legt er auf. Ich bin wie benommen, als ich das Tuten in der Leitung höre.

Nachdem ich mich gesammelt habe, fasse ich die Situation noch einmal für mich zusammen: Bei dem Telefonat haben die Dschihadisten gesagt, dass ein Treffen mit Laura arrangiert werden könne. Doch wie realistisch ist eine solche Möglichkeit? Von einer Reise nach Syrien sollte man immer absehen. Es gibt drei Faktoren, die die Lage in Syrien so gefährlich machen: Die größte Gefahr sind die Dschihadisten. Es gibt allein in Syrien rund 60 unterschiedliche Gruppen, die zum Teil alte Fehden pflegen und untereinander verfeindet sind. Selbst wenn man den Schutz einer Gruppe genießt und bei ihr zu Gast ist, dann heißt das nicht, dass andere Gruppen nicht andere Interessen verfolgen. Das ist der Grund dafür, dass immer wieder Ausländer entführt werden, zuletzt waren das Journalisten. Sie wurden in Nordsyrien und weiter im Süden entführt und anschließend in den Irak oder andere Gegenden verschleppt und an eine der dschihadistischen Gruppen verkauft. Nun wollen sie Lösegeld von den Staaten erpressen. Und mit den Videos des Islamischen Staats, in denen die Enthauptung von Journalisten gezeigt wird, ist eine neue Qualität der Erpressung und Gewalt erreicht. Manche Entführte kommen, wenn überhaupt, erst nach vielen Jahren zurück. Es klingt beängstigend und furchtbar.

Der zweite Grund ist die syrische Armee vor Ort, die einzelne Stützpunkte über das Land verteilt hat. Diese kontrollieren die Straßen in und aus Nordsyrien. Auf jeder Straße sind mehrere Checkpoints. Es ist für einen Ausländer, sei er Tourist oder Journalist, nicht erlaubt, nach Syrien einzureisen. Der Staat hat das Gebiet gesperrt. Wenn man es aber doch irgendwie schafft, an der türkischen und syrischen Armee vorbeizukommen, dann befindet man sich im Niemandsland.

Die Gefahr geht zudem von den Bomben der syrischen Armee, der Russen und Amerikaner aus. Die Daten, die zum Angriff führen, könnte ich selbst liefern, wenn ich dorthin reise und dann in ein Internetcafé gehe oder telefoniere. Keiner weiß genau, wie die Daten erhoben werden, die dann zum Schuss führen. Wenn ich mich in der Nähe von Zielpersonen aufhalte, kann das zur ganz konkreten Gefahr werden.

Der Tag ist schnell vergangen. In dieser Nacht bin ich unruhig. Ich liege im Hotelzimmer und wälze mich von einer Seite auf die andere und versuche abzuwägen. Doch was gibt es da eigentlich noch abzuwägen? Der Plan kann nicht aufgehen, denke ich. Es ist zu gefährlich. Endlich ertönt der Muezzin. Ein Hund bellt, und sein Bellen hallt durch die Straßen.

SAFEHOUSE IN ANTAKYA

Noch bevor ich Deutschland verlassen hatte, hatte Laura mich per E-Mail vorbereitet: »Die Fahrt bis zur Grenze ist komplett sicher. Habe noch nie gehört, dass da was passiert ist. Da du auch keine dschihadistische Kämpferin bist, droht dir im schlimmsten Fall, dass du zurückgeschickt wirst. Beim Grenzübergang gibt es verschiedene Arten, je nachdem, was gerade offen ist. Für Muslime, die Arabisch sprechen, gibt es sogar die Möglichkeit, offiziell durchzufahren. Dann gibt es Grenzübergänge, die eigentlich nicht offiziell sind, aber die Polizisten erhalten Schmiergeld und lassen einen durch. Und es gibt Wege mit ca. 20 Minuten Fußweg. Deshalb immer festes Schuhwerk dabeihaben.« Sie versucht, mich zu ermutigen: »Wenn du die Grenze überquert hast, ist es gar nicht mehr gefährlich, außer natürlich, dass du dich im Kriegsgebiet befindest. Aber Polizei ist hier natürlich keine. Entweder ich bin dabei, wenn du abgeholt wirst auf unserer Seite, oder du wirst zu mir gebracht.« Sie beschreibt die Situation vor Ort: »Auf den Wegen gibt’s alle paar Kilometer Grenzposten. Keine Panik, die gucken immer nur kurz ins Auto oder winken einen sogar direkt durch, wenn sie den Fahrer kennen. Der Bruder, der dich fahren wird, ist vertrauenswürdig. Da musst du dir keine Gedanken machen. Was vor Ort passieren KANN, siehst du nahezu täglich im Fernsehen, aber wie gesagt, die Brüder sind sehr vorsichtig in Bezug auf die Muhajireen (Anm: die ›Auswanderer‹) und bringen sie immer zu den sichersten Orten.« Und weiter: »Aber du bist eine Frau. Du musst dich draußen in Syrien bedecken, die Leute werden sich gar nicht um dich kümmern. Wären wir auf der Seite von ISIS, wäre das eine andere Sache.« Sie spricht auch über die Ausreise: »Rein- oder rauskommen ist kein großer Unterschied. Und täglich bewegen sich Leute. Wenn du reingekommen bist, sehe ich keine große Gefahr mehr. Das Risiko einer Bombardierung ist immer gegeben, wird aber gering gehalten. Und ich hab’s ja immerhin sechseinhalb Jahre durchgehalten …« Dann geht es um die Sicherheitsgarantie: »Eine Garantie, dass dir nichts angetan wird und du bestens behandelt wirst, habe ich schon von den Brüdern bekommen. Somit hast du auch eine mündliche Garantie über mich von ihnen. Wirklich krass verfeindete Gruppen gibt’s hier nicht. Entgegenkommen in die Türkei kann ich dir natürlich nicht.« Sie beendet ihre E-Mail mit den Worten: »So, das war’s erst mal. Morgen fahren wir ein bisschen weiter zu einer Freundin mit Pool. Da können die Kinder schwimmen, und gegrillt wird auch. Richtiger 5-Sterne-Dschihad hier. Ich bin gespannt, was kommen mag … LG, Umm Leila.« So kenne ich Laura, humorvoll. Jetzt nennt sie sich Umm Leila. Das bedeutet »Mutter von Leila«.

Am 2. Oktober mache ich mich alleine auf den Weg zum Krankenhaus, dort treffe ich das erste Mal den Schleuser. Sein Name ist Waleed, Laura hat den Kontakt zu ihm hergestellt. Er ist groß und hager, hat ein ovales Gesicht und trägt seine Haare mittellang, sodass seine dunklen Locken zu sehen sind, die er mit Gel frisiert hat. Seine braunen Augen wirken freundlich, wenn er spricht. Er trägt ein schwarzes T-Shirt und eine blaue Jeans. Immer wenn Waleed lächelt, sieht man seine weißen Zahnreihen blitzen, sein linker Eckzahn steht etwas zurückversetzt. Er hat wohl keine Zahnspange getragen, denke ich – anders als Laura und ich. Waleed und ich gehen zu einem Taxi. Der Taxifahrer, der uns von dem Krankenhaus zum Safehouse bringt, erzählt uns, dass die Benzinpreise immer weiter gestiegen seien.

Er schaut uns misstrauisch im Rückspiegel an, als Waleed nicht auf Türkisch, sondern auf Arabisch antwortet. Ich schaue aus dem Fenster, Antakya zieht vorüber.

Die Wohnung, zu der wir fahren, gehört Waleeds Schwager Said. Sie befindet sich im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses, das ein wenig außerhalb vom Stadtzentrum Antakyas in einer Seitengasse liegt. Das Haus ist weiß und hat eine braune massive Holztür. Es hat drei Stockwerke, jeweils mit Balkon. Links daneben ist eine Bäckerei, in der es ab dem frühen Morgen nach frisch gebackenem Brot riecht. Im anderen Nachbarhaus an der Ecke ist ein Restaurant mit weißen Plastikstühlen und roten Tischdecken, wo gegrilltes Fleisch und Linsensuppe angeboten werden. Gegenüber liegt ein türkisches Regierungsgebäude. In dieser Nacht sind die Sirenen eines Krankenwagens zu hören, der einen Notfall einliefert. Sonst ist die Nacht ruhig in Antakya.

Seit drei Tagen bin ich jetzt im Safehouse. Ich warte auf die Einreise nach Syrien. Ich schlafe auf der Couch im Wohnzimmer. In beiden Nächten konnte ich kaum schlafen, ich habe mich unruhig hin und her gewälzt, kam nicht zur Ruhe, die Gedanken ratterten ununterbrochen in meinem Kopf. Es ist Nachmittag, und es ist draußen heiß, hier drinnen surrt der Ventilator vor sich hin. Ich solle mich nicht am Fenster blicken lassen, das könnte die Nachbarn misstrauisch machen, ermahnt mich Said. »Nicht mal zum Wäscheaufhängen. Nur mit Niqab, sonst stellen sie Fragen«, ergänzt er. Ich ziehe vorsichtig die weiße Gardine zur Seite und schaue auf die Straße. Dort spielen Kinder mit einem roten Fußball. Eine Nachbarin sitzt auf dem Balkon im Nachbarhaus und schält Kartoffeln. Hier ist zwar noch kein Krieg, aber hier hat die heile Welt schon erste Risse.

Als ich ins Wohnzimmer komme, spielt der Junge mit einem Tablet-Computer. Alles scheint normal zu sein, beinahe westlich. Bei Said und seiner Frau steht ein Fernseher im Wohnzimmer, er läuft häufig im Hintergrund. Saids Frau heißt Fatima. Sie kocht, bringt mir Essen. Wir essen Hummus, Hühnchen, Salat und Baklava zum Nachtisch. Ihr kleiner Sohn heißt Mohammed, er ist sechs Jahre alt. Er hat lockige schwarze Haare, große Kulleraugen und lacht mich freudig an. Er scheint sich über Besuch zu freuen. Er erzählt mir stundenlang etwas auf Arabisch und schaltet zwischendurch grinsend mit der Fernbedienung durch die Programme. Der Sender Al-Quds erscheint auf dem Bildschirm, Männer in Kampfmontur laufen durch das Bild. Dann kommen arabische Nachrichten auf Al Jazeera. Mohammed schaltet weiter bis zu einem Cartoon: Tom und Jerry, auf Arabisch synchronisiert. Er kichert, als die Maus vor der Katze wegläuft und sie austrickst.

Fatima traut sich erst nach einiger Zeit, auf Englisch mit mir zu reden. Zuerst sagt sie nur ein paar Worte, aber dann kommt sie ins Erzählen. Sie spricht besser Englisch als ihr Bruder und ihr Mann. »Antakya ist ein sehr alter Ort«, erklärt sie mir. »Hier wurde bereits im 4. Jahrtausend vor Christus Handel betrieben. In der Bronzezeit lag in der Nähe das Handelszentrum Alalach. Und an dieser Stelle trafen sich die Handelsstraßen, die von Aleppo, Mesopotamien und Palästina nach Anatolien und dann weiter Richtung Mittelmeer führten. Durch den Fluss Orontes war die Stadt direkt mit dem Mittelmeer verbunden. In der Antike befand sich an gleicher Stelle die Metropole Antiochia.« Sie wischt sich mit ihrer kleinen Hand eine Strähne aus dem Gesicht. Fatima hat langes braunes Haar. In der Wohnung trägt sie weder Kopftuch noch Niqab. Sie hat dünnes Haar am Ansatz, das fällt mir auf.

»Was bist du von Beruf?«, will ich wissen. »In Syrien bin ich Koranlehrerin für Kinder gewesen«, erzählt sie. Ich bin überrascht, dass sie einen so religiösen Beruf hatte. Sie erzählt, dass sie in der Türkei nicht alleine rausgehe, nur mit einem Mahram, einem männlichem Begleiter, wie ihrem Mann oder Bruder. Sie fühle sich nicht wohl. Es gefalle ihr hier nicht, sagt sie. Aber in Syrien habe die Familie nicht mehr sicher leben können. Sie schaut zu Boden, ich sehe, wie sie sich eine Träne von der Wange wischt. Abends, als Mohammed schläft und wir alleine auf dem weich gepolsterten Sofa mit Blumenmuster in ihrem Wohnzimmer sitzen, erzählt sie vom Krieg in Syrien und von ihrer Angst während des Bombenhagels. »Wir sind aus Latakia wegen der Bomben von Assad geflohen, das liegt im Westen Syriens am Mittelmeer. Unser ganzes Viertel wurde dem Erdboden gleichgemacht.« Aus ihrem Blick spricht eine tiefe Traurigkeit. »Bum-bum-bum«, mit ihrer Hand imitiert sie die fallenden Bomben und deren Einschlag. Ich glaube für einen Moment die Angst in ihrem Blick zu sehen, die sie damals empfunden hat. Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken herunter. Auch Mohammed sei ganz verängstigt gewesen, fügt sie hinzu. Beide seien in der Türkei wegen ihres Traumas behandelt worden. »Geh nicht nach Syrien, es ist zu gefährlich«, rät sie mir. Ich winke ab. »Ich habe eine Sicherheitsgarantie von meiner Freundin«, entgegne ich ihr. »Geh nicht«, wiederholt sie ihre Worte, die eine Mischung aus Rat und Bitte sind, dabei schaut sie mich mit ihren weit aufgerissenen braunen Augen an.

In mir läuft alles auf Autopilot. Ich dusche mich, wasche meine Haare. Das Wasser strömt aus der Duschbrause und fließt in einem Strudel den Abfluss hinab. Ich reinige mich für die anstehende Reise, die Station im Safehouse ist wie die Ruhe vor dem Sturm. Ich schreibe in mein schwarzes Tagebuch, das ich mir einige Wochen vor der Reise gekauft habe: »Die Einreise nach Syrien steht kurz bevor. Haben uns an einer Straßenecke in Antakya verabschiedet. Dann habe ich ein Taxi genommen, um den Schleuser zu treffen. Er hat mich zum Haus seines Schwagers gebracht. Ich soll mich nicht mehr in der Stadt bewegen. Zu gefährlich. Waleed und ich sind zum Basar in Antakya gefahren. Waleed ist ein freundlicher Typ. Und doch habe ich schreckliche Angst.«

Said bedeutet auf Arabisch »der Glückliche«. Sein Name passt zu ihm: Wenn er lacht, steht sein großer Mund weit offen, und sein ganzes Gesicht formt sich zu einem freundlichen Smiley. Er hat diese Art von Lachen, die für andere ansteckend ist. Er ist untersetzt, hat eine Halbglatze, dazu trägt er einen leicht gestutzten schwarzen Vollbart. Mit dem rechten Bein humpelt er. Said und ich sitzen bei süßem Schwarztee zusammen und essen frittierte Teigrollen. Plötzlich schaut er mich ernst an und setzt sich auf dem Sofa auf. »Ich habe jeden Tag starke Schmerzen. Besonders schlimm ist es morgens nach dem Aufstehen.« Sein Gesicht ist dabei schmerzverzerrt. Er hebt vorsichtig sein T-Shirt hoch und zeigt mir seinen Rücken. Lange tiefe Narben sind dort zu sehen. »In Syrien hat mich eine Bombe erwischt. Was du siehst, sind die Reste der Granatsplitter, die sie mir herausoperiert haben«, erklärt er mir. Aber es sei immer noch nicht besser geworden. »Die medizinische Versorgung hier ist zwar besser als in Syrien, aber sie konnten mir in der Türkei auch nicht helfen. Ich habe immer noch starke Schmerzen, deshalb humpele ich auch.« Er hält kurz inne, dann atmet er tief ein und fährt fort: »Kannst du uns helfen, nach Deutschland zu kommen? Wir wollen unbedingt nach Deutschland. Dort habt ihr doch so gute Ärzte, und die können mir vielleicht helfen.« Er schaut mich dabei fast flehend an. Ich überlege, wie ich ihm helfen kann. »Ich werde es versuchen, sobald ich aus Syrien zurück bin«, antworte ich ihm. Ich gebe ihm meine E-Mail-Adresse. Für alle Fälle. Er solle sich bei mir melden, wenn ich zurück bin, falls wir uns nicht mehr sehen.

FAHRT ZUR SYRISCHEN GRENZE

Am Nachmittag kommt Waleed zurück, es herrscht Aufregung in der Wohnung. Endlich soll es einen Weg über die Grenze geben, eine Möglichkeit, nach Syrien einzureisen, anders als die letzten beiden Tage. Immer wieder spricht Waleed von einem Tarik, Arabisch für »Weg«. Fatima läuft hektisch durch die Wohnung. Dann näht sie noch zwei Knöpfe am Ärmel meines quadratmetergroßen Überwurfs an, damit ich die Kutte am Handgelenk befestigen kann, die sie zuvor gewaschen hat. Rasch packe ich meine letzten Sachen zusammen. »Wohin fahren wir?«, frage ich Waleed. »Nach Al-Dana«, antwortet er mir. »Im Nordwesten von Idlib.«

Ich ziehe alles zurecht, zurre, schaue in den Spiegel, schaue erneut in den Spiegel. Der Niqab ist recht schwierig zu tragen für eine Anfängerin, wie ich es bin. Wir gehen die Treppe hinunter und verlassen das Haus. Waleed packt meine Tasche in den Kofferraum des weißen klapprigen Toyota-Kombi. Wir steigen ein und fahren durch Antakya. Die Temperaturen sind Anfang Oktober mild am südlichsten Zipfel der Türkei, was gleichzeitig auch der südlichste Zipfel der Zivilisation ist, wie wir sie kennen: Shoppingmalls, Frauen in kurzen Röcken und mit tiefem Ausschnitt, Polizei, Militär, Krankenhäuser, Latte macchiato und alles andere, was wir unter Moderne oder westlichem Lebensstil verstehen. Auf der anderen Seite spürt man den Einfluss der Region, daher werden das Straßenbild und die Atmosphäre auch von Moscheen, Frauen im Niqab und Kunafah, der palästinensischen Nachspeise aus Teigfäden und Zucker, und natürlich von türkischem Kaffee geprägt. Auf den ersten Blick wirkt die Universitätsstadt westlich orientiert, und sie kommt harmlos daher. Das ist jedoch nur der oberflächliche Eindruck. Darunter spinnt sich ein ganzes Netzwerk von illegalem Grenzverkehr, Import und Export von Waffen, Personen, Öl und anderen Gütern. Das ganze Programm. Offiziell werden nur Lebensmittel und Medikamente eingeführt. Die Stadt liegt in der südtürkischen Provinz Hatay. Seit dem Beginn des Krieges kamen zu der Bevölkerung Zehntausende von syrischen Flüchtlingen hinzu. Sie prägen das Straßenbild, arbeiten in Restaurants, sitzen in den Fußgängerzonen und betteln, sie stehen in den Krankenhäusern Schlange. Sie sind ein Teil der Türkei geworden, aber sie werden als Menschen zweiter Klasse behandelt. Sie sind hilflos, mittellos, gestrandet, und manche betteln, viele arbeiten im Hintergrund. Sie leben in Armut. Es sind Kriegsverletzte, körperlich und seelisch.

Die Region Hatay hat eine enge Verbindung zu Syrien behalten. Seit der Gründung der Türkei durch Atatürk wurde Hatay von Syrien getrennt. Sie behielt jedoch einen Sonderstatus innerhalb des Waren- und Grenzverkehrs. So weist die Region elf Grenzübergänge auf, die zum Teil für Personen und Fahrzeuge sind, zum Teil sind es auch Eisenbahnübergänge. Die Grenze verläuft entlang der alten Strecke der Bagdadbahn, die zwischen 1903 und 1918 gebaut wurde. Sie führte durch das damalige Osmanische Reich von Konya, das auf dem heutigen Gebiet der Türkei liegt, bis nach Bagdad im Irak.

Der Wagen rollt durch ein paar ruhige Seitenstraßen in Richtung Rehanlı, dem türkischen Gebiet nahe der syrischen Grenze. Neben mir auf der Rückbank sitzt Fatima mit Mohammed auf dem Schoß. Waleed sitzt auf dem Beifahrersitz. Wir fahren nach Osten in Richtung syrisches Grenzgebiet, durch Antakya hindurch, hinaus auf die Ausfahrtsstraße. Wir nehmen die kleinen Schleichwege, nicht die großen offiziellen Straßen. An einer Ecke sitzt ein alter Mann auf einer Bank, er trägt einen braunen Hut und stützt sich auf einen Stock. In seiner Hand hält er eine Gebetskette. Wir bewegen uns jetzt auf einer staubigen Landstraße entlang, die Sonne brennt. Tagsüber klettern die Temperaturen in dieser Gegend noch auf über 30 Grad Celsius. Fatima fächert sich mit einem Papier Luft zu. Andere Autos überholen uns mit höherem Tempo. Wir fahren an einem Steinbruch vorbei, Lastwagen transportieren Steinhaufen ab. Ortsschilder auf Türkisch. Auf einem lese ich: Beşaslan.

Fast alle der deutschen Dschihadisten haben von der Türkei aus die Grenze nach Syrien überquert. Der Grenzübertritt hängt von der jeweiligen Situation und dem Netzwerk der Rekruten ab. Es gibt nächtliche Transporte über die Grenze. Früher gab es auch »offizielle« Wege, die durch die Zahlung von Schmiergeld an türkische Grenzbeamte ermöglicht wurde. Das Netzwerk der Dschihadisten funktioniert »länderübergreifend«. Viele deutsche Rekruten sind von der türkischen Region Hatay in Richtung Syrien aufgebrochen, andere über die Route durch Gaziantep zum Islamischen Staat gereist. Immer wieder werden Anlaufstellen für Rekruten sogar in Istanbul genannt. Im Schatten der Großstadt hat sich auch dort kontinuierlich ein Netzwerk etabliert. Aber nicht nur in Istanbul, sondern auch in der Grenzregion zu Syrien sind die Netzwerke der Dschihadisten aktiv.

Die Nachmittagssonne brennt. Obwohl es Oktober ist, ist es immer noch so heiß wie in Deutschland nur an manchen Tagen im Hochsommer. Wir kommen zu einer abgewrackten Tankstelle in einer abgelegenen Gegend, dem verabredeten Treffpunkt mit den türkisch-syrischen Schleusern. Waleed und Said steigen aus dem Wagen und gehen hinüber zur Tankstelle. Sie kommen mit Wasser, Cola, Plastikbechern und Schokoriegeln zurück. Wir essen und trinken. Hin und wieder fährt ein Auto vorbei. Sonst passiert nichts. Schließlich beginnt Waleed zu beten. Er schließt die Augen und murmelt eine Sure leise vor sich hin. Ich denke über seine Absicht nach. Seine wahre Absicht. Irgendwie beruhigt es mich, dass er betet. Das bedeutet, dass er sich an die Regeln hält, wenigstens an islamische Regeln. Besser, als wenn er nicht beten würde, denke ich bei mir.

Ich schaue aus dem Fenster des Autos, dort ist direkt neben der Tankstelle ein Olivenhain. Ein Falke kreist am Himmel und beobachtet seine Beute. Vielleicht eine Maus oder einen kleineren Vogel. Der Falke fliegt aus der Höhe im rasanten Sturzflug hinab. Er verschwindet für einen Augenblick zwischen den Olivenbäumen. Kurze Zeit später taucht er aus dem Olivenhain wieder auf und fliegt mit einer Maus im Schnabel davon.

Plötzlich hält ein Auto links neben unserem Wagen, zwei bärtige Männer steigen aus. Das müssen die Schleuser sein. Die beiden sprechen mit Waleed Arabisch und untereinander Türkisch. Sie wirken bereits auf den ersten Blick eher wie Gangster und nicht wie Islamisten. Zwei muskulöse Typen. Der Kräftigere von beiden trägt ein weißes Muskelshirt, und auf seinem rechten Oberarm ist ein Adler eintätowiert, der seine Schwingen ausbreitet. Der andere hat Jogginghosen an, er ist etwas schmaler, aber trägt dafür eine umso größere goldene Kette um den Hals. Zwei zwielichtige Gestalten, aber wie stellt man sich schon die letzten Schleuser vor der Grenze vor? Als ich Fatima fragen will, wann wir über die Grenze gehen, unterbricht sie mich. »Tschhhhh«, zischt sie. »Jetzt kein Wort mehr«, sagt sie zu mir und hält sich den Zeigefinger vor ihren Mund, über dem der schwarze Stoff ihres Gesichtsschleiers hängt. Redeverbot für mich. Sonst fliegt meine Tarnung sofort auf. Von der kleinen Tankstelle kommt einer der Schleuser mit zwei Flaschen Heineken zum Auto zurück. Dschihadisten, die ein kühles Bier am Nachmittag trinken und eine Zigarette nach der anderen rauchen? Eher unwahrscheinlich.

Wir folgen dem Wagen der beiden Schleuser. Sie wohnen in einem kleinen Dorf direkt an der Grenze zu Syrien. Auf einem Straßenschild am Eingang steht Cilvegözü. Es liegt in einer bergigen Region, umgeben von grünen Wäldern, der Grenzturm ist in Sichtweite. Hoch oben auf einem Berg weht die türkische Flagge in der Sonne. Der weiße Halbmond mit dem Stern auf rotem Hintergrund, der »Mondstern«, wie er auf Türkisch heißt. Es ist ein verschlafenes Dorf. Einige ältere Leute sitzen in der Mittagshitze im Schatten einer Markise vor ihren Geschäften. Dort werden Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs verkauft. Orangen, Wassermelonen, Äpfel sowie Tomaten, Gurken und Spinat liegen in der Auslage, daneben stehen mehrere große Säcke mit Kartoffeln. Keine Fußgänger sind unterwegs, die Bürgersteige wie leer gefegt. Kinder spielen Ball auf einem Platz neben der Straße. Bei jedem ihrer Schritte wird Staub aufgewirbelt, der in der Nachmittagssonne glitzert und zu Boden fällt.

Unser Auto hält neben einem kleinen weißen Haus mit Vorgarten. Ein paar Kinder huschen an unserem Wagen vorbei, schauen neugierig durch die Scheiben. Die Männer stehen auf der Veranda und diskutieren. Fatima, ihr Sohn und ich warten auf der Rückbank im Wagen. Die beiden Schleuser versuchen, einen Weg zu finden, aber es scheint Probleme zu geben. Wir sollen am Abend wiederkommen, wenn es dunkel ist, das sei sicherer, raten die Männer uns. Waleed und sein Schwager steigen wieder in den Wagen. Was für ein verschlafenes Örtchen das ist, denke ich noch, während wir auf dem Rückweg durchs Dorf fahren, doch dann versperrt ein grüner Militärpanzer die Straße. Die Luke des Fahrzeugs ist aufgeklappt, und der Oberkörper eines Soldaten in olivgrüner Uniform schaut heraus. Er trägt sein Maschinengewehr im Anschlag und blickt sich grimmig um. In diesem Moment wird klar, dass die Türkei die Grenze zu Syrien im Blick hat und niemand einfach hindurchschlüpfen kann, egal, auf welchem Schleichweg oder zu welcher Tages- oder Nachtzeit man es auch immer versucht. Said parkt den alten Wagen am Rand der Straße einige Meter weiter. Die beiden diskutieren. Waleed steigt aus, kommt nach ein paar Minuten wieder. Wir sollen den Bus nehmen, entscheiden sie. Eine Kontrolle würde uns sofort auffliegen lassen. Es scheint ihnen zu riskant zu sein bei Tag im Grenzgebiet. Die Soldaten kontrollieren Autos, Personen, Lastwagen und Fußgänger. Vor allem Fremde fallen in diesem Nest auf.

Um keinerlei Verdacht zu erregen, steigen Waleed und ich also aus dem Auto seines Schwagers aus und nehmen für einige Stationen einen Minibus, ich als seine Frau oder Schwester verkleidet. Als wir einsteigen, sitzen dort schon einige Leute. Es sind Frauen mit Kopftüchern, Taschen und Kindern. Aber ich bin die einzige vollverschleierte Frau. Einige halbstarke Jugendliche mit Smartphones steigen ein. Nach und nach füllt sich der Bus. Ein älteres Ehepaar und einige Männer mit gestutztem Bart steigen ein, einer von ihnen trägt mehrere Einkaufstüten mit Lebensmitteln. Schließlich ist der Wagen fast bis auf den letzten Platz besetzt. Der Minibus setzt sich in Bewegung, und wir verlassen den Parkplatz. Nach rund 15 Minuten steigen wir an einer Haltestelle an der Schnellstraße aus. Wir warten in der gleißenden Nachmittagshitze, dann stoppt Saids Wagen neben uns. Waleed öffnet die Tür, und ich setze mich auf die Rückbank. Der erste Anlauf, am Tag nach Syrien einzureisen, funktioniert nicht. Wir brechen ab und fahren zurück in Richtung Antakya. Wir fahren mit dem Wagen zur Wohnung von Said und seiner Frau zurück. Dort warten wir bis zum späten Abend.

Es ist schnell Nacht geworden in Antakya. Plötzlich stürmt Waleed ins Wohnzimmer und ruft: »Der Weg ist offen. Heute Nacht gibt es eine Möglichkeit, nach Syrien einzureisen.« Jetzt wird es ernst, das spüre ich. Die Fahrt am Nachmittag zur Grenze scheint wie eine Generalprobe gewesen zu sein. Vor der Abfahrt trinken wir noch einen starken Kaffee. Mein Magen knurrt. Ich habe am Abend vor Aufregung kaum etwas gegessen. Mir ist mulmig zumute. Ich streife den Niqab