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Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH, Stuttgart

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Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem, säurefreiem und alterungsbeständigem Papier

Print: ISBN 978-3-7910-4424-8 Bestell-Nr. 10448-0001
ePDF: ISBN 978-3-7910-4426-2 Bestell-Nr. 10448-0150
ePub: ISBN 978-3-7910-4425-5 Bestell-Nr. 10448-0100

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© 2019 Schäffer-Poeschel

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Umschlagentwurf: Goldener Westen, Berlin

Umschlaggestaltung: Kienle gestaltet, Stuttgart

Bildnachweis (Cover): ©zorandim75, fotolia

Lektorat: Barbara Buchter, extratour, Freiburg

Satz: Claudia Wild, Konstanz

April 2019

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

Geleitwort

Die zentrale Anforderung an die heutigen Lernkonzeptionen in Unternehmen sind in folgender Beschreibung treffend zusammengefasst:

»Wie entwickeln unsere Mitarbeiter Werte und Kompetenzen für die Bewältigung heutiger Aufgaben, aber auch für Herausforderungen, die gegenwärtig noch gar nicht existieren, für die Nutzung von Technologien, die noch gar nicht entwickelt sind, um Probleme handlungssicher zu lösen, von denen wir heute noch nicht wissen, dass sie entstehen werden?«

Youtube »Shift happens 2018«

Damit wird deutlich, dass die Mitarbeiter mit dem bisherigen »Vorratslernen« nicht auf die zukünftigen Herausforderungen vorbereitet werden können. Sie benötigen vielmehr Werte und Kompetenzen, um mit diesen zukünftigen Herausforderungen selbstorganisiert umgehen zu können. Dies gilt in besonderem Maße für den Vertrieb, da die Veränderungsdynamik in diesem Bereich besonders hoch ist.

Im Zuge der digitalen Transformation und der daraus verstärkten Kompetenzorientierung des Corporate Learning gewinnen auch Werte an Bedeutung, da die Mitarbeiter zunehmend selbstorganisiert entscheiden und handeln müssen. Dies setzt jedoch Ordner des Handelns, also verinnerlichte Werte, voraus.

Je offener die Zukunft, desto wichtiger werden Kompetenzen und damit Werte!

Immer mehr Entscheider – Vorstände, Geschäftsführer oder Bereichsleiter – spüren, dass die heutigen seminaristischen Bildungskonzeptionen mit einem Wirkungsgrad von weniger als 10 Prozent den Lernbedarf in einer digitalisierten, agilen Arbeitswelt nicht mehr gerecht werden. Sie benötigen eine zukunftsorientierte Corporate-Learning-Strategie, es fehlen ihnen jedoch meist die Erfahrungswerte, da die neuen Lernkonzeptionen einen Paradigmenwechsel erfordern:

Diese Veränderungen gelten in besonderem Maße für die Kompetenzentwicklung im Vertriebsbereich. Offene und dynamische Situationen, in denen Entscheidungen gefragt sind, gehören im Vertrieb zum Alltag. Um in diesen oft schwer überschaubaren Situationen kreativ und trotzdem effektiv zu handeln, braucht es mehr als Wissen: Es zählen die erworbenen Kompetenzen.

Vertriebsmitarbeiter brauchen also Kompetenzen! Nur: Was sind Kompetenzen? Und: Wie können wir sie im Alltag und am Arbeitsplatz erwerben? Diesen Fragen geht Bernd R. Stelzer in seinem praxisorientierten Werk zukunftsorientiert und anschaulich nach. Er hat dabei nicht nur ein weiteres Lehrbuch entwickelt, sondern eröffnet vielmehr vielfältige Denkanstöße und Anregungen zur Umsetzung in der Bildungspraxis.

Berlin im November 2018

Prof. Dr. Werner Sauter

Vorwort

Schon in der Nachkriegszeit, in den 1950er-Jahren, entstanden erste Verkaufstrainings. So richtig ins Rollen kamen sie jedoch erst mit dem massiven Wandel vom Verkäufermarkt zum Käufermarkt in den 1970er-Jahren. Die Verkaufstrainings der 1970er-Jahre unterscheiden sich inhaltlich und didaktisch von den Trainings heute kaum, wenn man von der Trainingsdauer einmal absieht. Während ein Verkaufstraining vor 50 Jahren über ein Jahr verteilt noch sechs bis zehn Tage dauerte, werden heute ähnliche Inhalte in ein bis drei Tagen abgehandelt. Da Lernen bekanntlich Zeit braucht, sind die Verkaufstrainings folglich qualitativ eher schlechter als besser geworden. Entscheidender ist allerdings, dass sich die Welt des Verkaufens in den letzten Jahren immer schneller dreht und dadurch neue Herausforderungen für Verkaufsmitarbeiter mit sich bringt. Verkaufstrainings, die wie früher der behavioristischen Lerntheorie entspringen – und das dürfte heute noch der allergrößte Teil sein –, zeigen in der Welt der agilen Transformation immer weniger Wirkung. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen und Ursachen, über die in der Literatur nicht allzu viel zu finden ist.

Deshalb entstand dieses Buch: ein theoretisches und ein praktisches Buch zugleich, das aufzeigt, warum die Weiterbildung von Vertriebsmitarbeitern mit herkömmlichen Verkaufstrainings nicht mehr gelingen kann, das aber auch erfolgreiche Wege in der Vertriebsweiterbildung aufzeigt. Darüber hinaus macht das Buch deutlich, dass auch die Führungs- und Lernkultur im Unternehmen zur effizienteren Weiterentwicklung von Vertriebsmitarbeitern beitragen kann.

In der heutigen Zeit reicht es nicht mehr aus, Wissen zu vermitteln. Menschen haben nicht gelernt, wenn sie etwas wissen, Menschen haben gelernt, wenn sie etwas Neues können, denn das Können ist entscheidend.

Ein wichtiger Aspekt ist aber auch, Verkaufstrainings besser messbar zu machen, damit der Erfolg einer Maßnahme sichtbar wird. Andernfalls sehen sich die nach wie vor notwendigen Verkaufstrainings schnell dem Vorwurf gegenüber, nichts zu nützen. Es ist also an der Zeit, sich Gedanken darüber machen, wie die Weiterentwicklung von Verkaufsmitarbeitern methodisch, didaktisch und vom gesamten Lerndesign her gestaltet sein muss, damit sich Erfolge einstellen, damit Erfolge messbar sind und damit Erfolge nachhaltig werden.

Das gelingt nur, wenn wir uns der konstruktivistischen Lerntheorie zuwenden und kompetenzbildende Weiterbildungsmaßnahmen für Verkaufsmitarbeiter ge•stalten. Diese Veränderung erfordert einen Changeprozess in Sachen Weiterbildung, an dem Verkäufer selbst, Führungskräfte, Personalentwickler und Trainer, aber auch Trainerausbilder teilnehmen müssen. Wir müssen deshalb die Perspektive wechseln und lernen, dass wir für die Zukunft entwickeln und nicht für die Vergangenheit. Otto Scharmer, dessen Theorie U in diesem Buch im Zusammenhang mit Führungskräftetraining beschrieben wird, sagt, dass jeder Mensch eigentlich aus zwei Menschen besteht, einem, der aus der Vergangenheit kommt, und einem, der in die Zukunft will. Für die Vergangenheit brauchen wir verständlicherweise keine Mitarbeiterentwicklung, aber umso mehr für die Zukunft.

Ihr

Bernd Stelzer M.A.

[1]Teil 1

[3]1 Was sind Kompetenzen im pädagogischen Sinne

»Im 21. Jahrhundert wird sich mehr verändern, als die letzten 10.000 Jahren vorher.« Mit diesen Worten begann 2017 die Vorlesung des bekannten Universitätsprofessors Rolf Arnold an der TU Kaiserslautern. Die Veränderungsgeschwindigkeit nimmt von Jahr zu Jahr zu. Das, was wir agile Transformation nennen, ist in vollem Gange. Die digitale Transformation, die am meisten von sich reden macht, ist nur ein Teil der agilen Transformation und umfasst nur die Digitalisierungsprozesse im Rahmen von Veränderungen. Mit der agilen Transformation kommen aber alle Räder mächtig ins Rollen und sorgen dafür, dass im Unternehmensbereich Vertrieb die agile Transformation am stärksten spürbar wird. Der Vertrieb, der weit über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinausgeht, sieht sich der Situation gegenüber, dass sich Kunden permanent verändern. Alles was im eigenen Unternehmen an Veränderungen stattfinden kann, findet auch in mehr oder minder intensiver Form bei jedem einzelnen Kunden statt. Kunden verändern ihre Unternehmensprozesse und ihr Produkt-/Dienstleistungsportfolio, was massive Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Kunden haben kann. Wenn z. B. ein Kunde in der Produktion Metallteile durch Kunststoffteile substituiert, kann das für einen Lieferanten, der bisher Metallteile geliefert hat, das Aus für die Belieferung dieses Kunden bedeuten. Oder es kommt vor, dass ein Kunde seine Prozesse und seine Organisation umorganisiert und dadurch andere Abteilungen oder andere Ansprechpartner für den jeweiligen Verkäufer zuständig sind, möglicherweise Personen, zu denen bisher kaum eine Beziehung bestand. Vielleicht findet aber auch im Rahmen einer Reorganisation eine Lieferantenstraffung statt, bei der z. B. 40 % aller Lieferanten durch das Raster fallen und so den Kunden verlieren. Daneben gibt es noch viele andere Möglichkeiten und Risiken, die Veränderungen im B2B-Kundengeschäft mit sich bringen.

Doch die Digitalisierung macht sich nicht nur bei B2B-Kunden bemerkbar, im Zuge der digitalen Transformation verändern auch private Endverbraucher in immer kürzeren Zyklen ihr Kaufverhalten. Durch Innovationen, die der Markt schnell annimmt, können Produktbereiche oder Dienstleistungen für ein Unternehmen innerhalb kürzester Zeit wegbrechen. Dafür gibt es genügend Beispiele [4]aus dem Telekommunikationsbereich, beispielsweise den schnellen Niedergang von SMS oder Fax. Darüber hinaus sind auch die jeweiligen Mitbewerber ständig in Bewegung und machen Verkäufern im großen Transformationsmix zu schaffen. Zusammenschlüsse, Übernahmen, Fusionen und Geschäftserweiterungen von Mitbewerbern sind Aspekte, mit denen Verkäufer zu rechnen haben und mit denen sie zurechtkommen müssen. Aber auch Strukturveränderungen und Änderung der Geschäftsprozesse, neue Investoren und andere Einflüsse bei den Mitbewerbern können zu überraschenden Auswirkungen führen.

Und schließlich verändert sich auch das Unternehmen, für das Sie tätig sind, ständig, passt sich durch neu gestaltete Prozesse der Marktsituation an oder prescht mit Innovation nach vorne. In diesem mächtigen Veränderungsumfeld bewegen Sie sich als Verkäufer und es wird von Ihnen erwartet, dass Sie Ziele, meist in Form einer Umsatzsteigerung, erreichen. In den Internetforen wird unterdessen heftig darüber diskutiert, was einen guten oder einen Spitzenverkäufer ausmacht. Dabei hat jeder Forenschreiber seine eigenen Vorstellungen und betrachtet die Situation von seinem Standpunkt aus.

Ein klares Bild entsteht dadurch allerdings so gut wie nicht, weil Verkäufer ganz unterschiedliche Aufgabenbereiche oder Berufsbilder haben. Es gibt Verkäufer für komplexe, kundenindividuelle Investitionsgüter, z. B. Industrieanlagen, und Verkäufer für einfache standardisierte Investitionsgüter, wie z. B. Kehrmaschinen. Ebenso finden wir Verkäufer von Software, die standardisiert oder individuell anbieten, Verkäufer, die regelmäßige Verkäufe im B2B-Markt tätigen, wie z. B. Rohstoffe, Hilfsstoffe oder Bürobedarf. Wieder andere verkaufen an den Groß- oder Einzelhandel, es gibt Verkäufer, die direkt an das Handwerk und an den Handwerker verkaufen und so z. B. den Heizungsbauer zum Absatzmittler ihrer Produkte machen. Darüber hinaus haben wir die breite Front der Verkäufer des Handels, die entweder an den Einzelhandel oder an private Endverbraucher verkaufen. Und last but not least haben wir Verkäufer aus der Industrie und aus Dienstleistungsunternehmen, die direkt an private Endverbraucher verkaufen, z. B. die große Heerschar der Versicherungsverkäufer.

In all diesen Berufsfeldern funktioniert der Verkauf anders, ist anderen Veränderungen unterworfen und entsprechend entwickeln sich die Anforderungen an Verkäufer unterschiedlich. Die Folge davon ist, dass alle Unternehmen und alle im Verkauf beschäftigten Mitarbeiter, Manager und Führungskräfte unterschiedliche Verkaufsphilosophien vertreten, die sie gerne nach ihren Vorstellungen in die Praxis umsetzen möchten.

Jedes Unternehmen hat folglich eigene Vorstellungen davon, wie der Verkauf vonstattengehen sollte und welche Anforderungen die Verkäufer dafür erfüllen müssen. Hier kommen sehr unterschiedliche Konstrukte der Arbeitsweise, der Führung und der Vertriebssteuerung zum Tragen, die letztlich das Handeln, die [5]Motivation, die Einstellung und das Engagement der Verkaufsmitarbeiter nachhaltig beeinflussen. Das hat mit Vorgaben, Handlungsspielräumen und der damit verbundenen Flexibilität der Verkaufsorganisation zu tun.

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Abb. 1: Beziehungsgeflecht und Changepotenzial für Verkäufer

Dieses Geflecht beeinflusst als Ganzes die Arbeit eines Verkaufsmitarbeiters und damit auch seinen Erfolg. Die Vorstellung, dass Verkaufen nach bestimmten Gesetzen zu erfolgen hat, wird in diesem Zusammenhang immer abwegiger. Verkaufen erfordert heute mehr denn je die volle Bandbreite an Flexibilität und Kreativität des Verkäufers. Dennoch sehen sehr viele Unternehmen den persönlichen Verkauf in erster Linie als eine Verrichtungsfunktion, das bedeutet, der Verkaufsmitarbeiter soll Kunden kontaktieren, Verkaufsgespräche führen und Verkaufsabschlüsse erzielen.

Durch die eingangs beschriebene permanente Veränderung im Marktgeschehen wandelt sich der Verkaufsvorgang mehr hin zu einer Gestaltungsfunktion, die natürlich andere Anforderungen an Verkäufer stellt.

Mit den neuen Anforderungen, die also auf Verkäufer zukommen, verändern sich auch die Maßnahmen zur Verkäuferentwicklung und damit verbunden die Verkaufstrainings. Mit dem Kunden gemeinsam erarbeitete Konzepte zur Problemlösung gewinnen in vielen Berufsfeldern an Bedeutung.

[6]BEISPIEL

Ein Kunde kauft zu 80 % sogenannte C-Artikel ein, das sind Produkte mit einem geringen Einkaufsvolumen. Diese Artikel binden allerdings den größten Teil der Arbeitszeiten von Mitarbeitern im Einkauf. Das bedeutet, der Einkauf von C-Artikeln verursacht sehr hohe Prozesskosten. Wichtiger als zwei bis drei Prozent beim Einkauf über Produktkosten zu sparen, ist es in diesem Fall, für den Kunden die Prozesskosten deutlich abzusenken. So sind einige Hersteller von C-Artikeln längst dazu übergegangen, mit den Lieferanten gemeinsam Prozesskostenanalysen durchzuführen, um hier deutliche Einsparungen bei den Kosten des Beschaffungsprozesses zu erzielen.

In der neuen Welt der agilen Transformation geht es in vielen Bereichen darum, dem Kunden mehr Produkt- und Dienstleistungsflexibilität zu bieten. Schon heute sind z. B. Pkw auf dem Markt, bei denen der Kunde unter mehreren tausend Ausstattungsvarianten wählen kann. Diese Flexibilität wird künftig auch in anderen Bereichen von Kunden erwartet werden, wer sie bieten kann, hat einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. Dadurch werden sich Fertigungsprozesse verändern und es kann leicht passieren, dass damit verbunden ein Lieferant plötzlich nicht mehr attraktiv erscheint oder bei den weiteren Überlegungen eines Unternehmens völlig außen vor bleibt, weil er die neuen Anforderungen nicht erfüllen kann.

In diesem sich rasch änderten Marktgeschehen wird von Verkäufern zunehmend erwartet, gemeinsam mit dem Kunden neue Lösungen zu gestalten. Für diese sich entwickelnde Gestaltungsfunktion benötigen Verkäufer nicht nur Gesprächsführungs- und Abschlusstechniken, sondern immer stärker Problemlösekompetenzen, um dem Kunden gute Lösungen anbieten zu können.

Gesprächsführungs- und Abschlusstechniken greifen daher im Verkauf immer kürzer, und zwar unabhängig davon, in welchem Berufsfeld sich ein Verkäufer bewegt. Es wird aus den genannten Gründen dringend notwendig, die Kompetenzen der Verkaufsmitarbeiter zu entwickeln, damit diese die immer wieder neu entstehenden Herausforderungen, die sich vonseiten der Kunden stellen, besser und souveräner meistern können. Die Fundamente für gute Verkaufsarbeit verlagern sich mehr in die Vorstufen des Verkaufsprozesses.

Die heute praktizierten klassischen Verkaufstrainingsprogramme sind für den agilen und digitalen Wandel völlig unbrauchbar geworden; sie sind vorwiegend vergangenheitsorientiert ausgerichtet und versuchen Zukunft mit Elementen der Vergangenheit zu gestalten. Ein großer Teil der bisherigen Verkaufstrainings ist somit sogar kontraindiziert, weil nur eine klare Zukunftsorientierung zu besseren Weiterbildungsergebnissen führen kann. Moderne Verkäuferqualifizierungen müssen neben der Ausrichtung auf die Unternehmensstrategie in der Lage sein, die Kompetenzen zu entwickeln, deren es für die Meisterung neuer Herausforde[7]rungen, die noch in der Zukunft liegen, bedarf. So wird z. B. das Thema Informationsbeschaffung und Informationsverwertung zwar von Verkäufern zunehmend gefordert und könnte durch ausgefeilte CRM-Systeme auch gesteuert und begleitet werden. Allerdings lassen diese Systeme die Aufnahme und Verarbeitung von nonfaktischen Informationen gar nicht zu, aber gerade die zunehmende Wichtigkeit von konzeptioneller Kundenarbeit lässt sich ohne nonfaktische Informationen, die aussagen, was der Kunde will, was er beabsichtigt und wie er denkt, gar nicht bewerkstelligen.

Im B2B-Business, in dem Buying-Center mit bis zu 30 Personen an Kaufentscheidungen beteiligt sind, treffen faktische Entscheidungen auf alle Beteiligten zu, nicht aber die nonfaktischen. Diese können sehr vielfältig und von Entscheider zu Entscheider ganz unterschiedlich sein. Während der eine Kaufbeeinflusser bei seiner Entscheidung eher das altbewährte bevorzugt, steht ein anderer mehr auf Innovation und technischen Fortschritt. Welcher Kaufentscheider welche Ansicht und Philosophie vertritt, ist letztlich für den Kauf von Bedeutung und der Verkäufer sollte die unterschiedlichen Meinungen der Mitentscheider, ihre Philosophie und ihre Vorstellungen sehr gut kennen, um besser verhandeln und um geeignete Lösungen vorschlagen zu können. Der Verkäufer muss hierbei in der Lage sein, die neuen Herausforderungen selbst gesteuert zu meistern.

Um gute konzeptionelle Arbeit leisten zu können, benötigt er faktische und nonfaktische Informationen über den Kunden und über dessen Organisation. Nur wer gute Konzepte hat, kann auch gut überzeugen. So entwickeln sich Verkaufsverläufe zu dreistufigen Prozessen, bestehend aus Information, Konzeption und Überzeugung.

Sicher war das schon immer so, nur lag in der Vergangenheit der Fokus immer auf dem Überzeugungsprozess. Verkaufstrainings wurden hauptsächlich entlang von Verkaufsstufen durchgeführt, die sich im Wesentlichen darauf konzentrierten, den Kunden zu überzeugen. Dass die vorgelagerten Stufen Information und Konzeption für den Verkaufsprozess wichtiger geworden sind, ist von vielen Entscheidern und Trainern noch nicht erkannt worden.

Die heute durchgeführten Verkaufstrainings gehen weder auf die Forderung ein, Information und Konzeption konform zur Unternehmensstrategie zu entwickeln, noch auf die Forderung nach zukunftsorientierter Gestaltung und der Entwicklung von Kompetenzen. Für die Zukunft haben jedoch sowohl die didaktische Gestaltung als auch die Ausrichtung an der Unternehmensstrategie eine große Bedeutung.

Trainingsprogramme für Verkäufer sind im Laufe der letzten Jahre nicht besser geworden: erstens, weil die Inhalte noch dieselben wie in den 1970er-Jahre sind und sie sich auf die Veränderungen der Märkte, Kunden und Mitbewerber nicht eingestellt haben; zweitens, weil die Maßnahmen in den letzten Jahren immer [8]kürzer geworden sind und weil die Erkenntnisse der Bildungswissenschaft nicht in die Trainingsprogramme übernommen wurden. Noch immer sind Verkaufstrainings reichlich behavioristisch und kognitivistisch ausgestaltet, obwohl die seit 1995 existierenden konstruktivistischen Ansätze überzeugende Erkenntnisse geliefert haben, die nicht nur nachgewiesen sind, sondern die auch die Wirksamkeit behavioristischer und kognitivistischer Ansätze infrage stellen. So konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass nur kompetenzentwickelnde Trainings zu einer akzeptablen Nachhaltigkeit führen können.

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Abb. 2: Verkaufsprozess

Offensichtlich finden jedoch diese Erkenntnisse bei vielen Trainern noch zu wenig Beachtung. Da viele Führungskräfte, die letztlich darüber entscheiden, ob ein Training durchgeführt wird, kaum über pädagogische Fachkompetenz verfügen, wird auch kein konstruktivistisches kompetenzentwickelndes Training nachgefragt. Mit anderen Worten, Kompetenztrainings für Verkäufer werden zu wenig nachgefragt und folglich auch zu wenig angeboten. Die Gründe dafür sind, so paradox es klingen mag, fehlende Kompetenzen aufseiten der Beteiligten und der Entscheider.

[9]BEISPIEL

Zu Beginn meiner Vertriebsleitertätigkeit war eine Trainingsmaßnahme für den Verkaufsaußendienst geplant. Die Verhandlungen mit externen Trainern sollten von mir geführt werden. Also sprach ich mit mehreren Verkaufstrainern. Der Erste, der kam, fragte mich, welche Elemente das Verkaufstraining enthalten solle – eine Frage, die ich zunächst nicht sinnvoll beantworten konnte. Also stellte ich diese Frage zurück und teilte mit, dass ich das schriftlich nachreichen würde. Die anderen Trainer, mit denen ich Gespräche führte, stellten diese Frage nicht, sondern gingen auf meine Anfrage ein und unterbreiteten schnell einen entsprechenden Vorschlag. Nach der unternehmerischen Zielsetzung unseres Unternehmens fragte seinerzeit keiner der Trainer.

Seit einigen Jahren nimmt allerdings die Ansicht, »Verkaufstrainings bringen nichts«, seitens der verantwortlichen Führungskräfte deutlich zu und tatsächlich überzeugen die Wirkung bzw. der Outcome immer weniger. Deshalb werden die Budgets für Trainingsmaßnahmen im Verkauf zwar nicht gestrichen, aber doch klein gehalten. Und damit tritt eine weitere Verschlechterung des Outcomes ein. Es wäre also dringend an der Zeit zu verstehen, dass Verkaufstrainings den agilen und digitalen Wandel im Markt ebenfalls abbilden müssten, um deutlich nachhaltigere und bessere Ergebnisse hervorzubringen. Genau genommen müsste diese Anregung von den Trainern selbst kommen, die ja alle laut ihrer eigenen Werbung äußerst kompetent und effizient sind. Doch leider trifft das alte Sprichwort zu: »Die Schuster haben die schlechtesten Schuhe«. Wenn seitens der Trainer seit 25 Jahren keine Impulse für die Ausrichtung moderner, konstruktivistisch geprägter Verkaufstrainings kommen, wird es für die Vertreter der Unternehmen Zeit, das Thema selbst in die Hand zu nehmen und sich durch moderne Verkäuferentwicklung einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu sichern.

Abbildung 3 zeigt, dass Kompetenzlernen outcomeorientiertes Lernen ist, weil Wissen im pädagogischen Sinne nicht gleichbedeutend mit Kompetenzen ist. Kompetenzen kann man nicht wie Faktenwissen vermitteln. Kompetenzen sind vielmehr die Fähigkeiten, in der Zukunft liegende neue Herausforderungen kreativ und selbst gesteuert zu meistern. So definiert John Erpenbeck (Erpenbeck/Sauter, 2016), Professor an der Steinbeis Universität, den Begriff Kompetenzen. Diese können nur durch gezieltes handlungsbezogenes und weitgehend selbst gesteuertes Lernen, im konstruktivistischen Sinne, entstehen und wachsen. Das kann nicht in einer einzigen Weiterbildungsveranstaltung geschehen, es bedarf neuer, langfristig angelegter Mitarbeiterentwicklungskonzepte, die darauf ausgelegt sind, dass nicht die Vermittlung von Wissen, sondern die Entwicklung von Kompetenzen im Fokus stehen. Die derzeitigen praktizierten Formen der Verkäuferentwicklung eignen sich dagegen zum größten Teil nicht für die Entwicklung [10]von Kompetenzen. Viele Verkaufstrainings, die eigentlich solche Entwicklungsprozesse in Gang setzen sollen, stehen diesen manchmal sogar entgegen, sind also eher kontraproduktiv. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen:

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Abb. 3: Kompetenzlernen ist outcomeorientiertes Lernen

  1. Die vorrangig noch immer in Form von Präsenzseminaren durchgeführten Verkaufstrainings sind punktuelle Kurzzeitveranstaltungen, die Verkaufsgesprächsführung in den Vordergrund stellen. Dabei werden die Inhalte meist durch die vom Trainer entwickelten Techniken bestimmt, die die Teilnehmer bitteschön übernehmen sollen. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Es steht nicht zur Debatte, ob der einzelne Teilnehmer die Vorgaben des Trainers mit seinen bisherigen Erfahrungen vereinbaren kann. Es wird einfach nur erwartet, dass die Teilnehmer einheitlich das Vorgehen genauso umsetzen, wie der Trainer es vorgibt. Diese Vorgehensweise wurde von dem brasilianischen Pädagogen Pauolo Freire (2009) als »Kübeltechnik der Pädagogik« beschrieben. Der Trainer kommt mit einem vollen Wissenskübel und jeder Teilnehmer soll das herausnehmen, was im Kübel vorhanden ist. Die Praxis zeigt zwar, dass das noch nie gut funktioniert hat, es wird allerdings immer noch täglich hundertfach praktiziert. Die Frage lautet deshalb, warum das so ist. Vermutlich hängt es damit zusammen, dass wir Lernen durch die Erfahrungen in unserer Schulzeit gar nicht anders gewöhnt sind, obwohl es zunehmend Kritik an dieser Form des Lernens in Schulen gibt.
  2. Der zweite Grund liegt in der Lernkultur der Unternehmen selbst: Hier sind meist keine Konzepte für kompetenzenerwerbendes Lernen vorhanden. So schreibt der Dortmunder Professor für Personalentwicklung, Jens Rowold ([11]2011, S. 31): »Die meisten Unternehmen wissen gar nicht, was gute und was schlechte Weiterbildungen sind.« Das sind harte Worte, die jedoch immer wieder in Gesprächen mit verantwortlichen Unternehmensvertretern bestätigt werden. In den meisten Unternehmen werden den Fachbereichen fertige Trainingsprodukte angeboten, bei denen es sich um Weiterbildung von der Stange handelt. Die Personalentwicklung recherchiert Trainingsangebote und erstellt einen Katalog, aus dem Fachbereiche Trainings für bestimmte Mitarbeiter auswählen können. Diese Angebote sind allerdings in strategischer und konzeptioneller Richtung selten auf dem neuesten Stand, sondern basieren in erster Linie auf Wissensvermittlung statt auf Kompetenzentwicklungen. Außerdem haben diese Angebote kaum einen Bezug zu der unternehmensstrategischen Ausrichtung oder der praktischen Arbeit der Teilnehmer.

Kompetenzentwicklung kann nur dann stattfinden und forciert werden, wenn Lernarchitekturen im Unternehmen geschaffen werden, die bisherige wissensvermittelnde Weiterbildungssysteme in Form von Katalogbetrieb etc. ablösen. Das wird seit einigen Jahren vor allem in größeren Unternehmen erkannt und soll durch die Implementierung sogenannter HR Business-Partner gelöst werden. HR Business-Partner sind für die Personal- und Führungskräftebetreuung verantwortlich, sie sollen die Führungskräfte durch Coaching unterstützen und hinsichtlich der Mitarbeiterentwicklung beraten.