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Marko Roeske / Willibald Spatz / Bernhard Wucherer

Das Beste aus dem Allgäu

Inhalt

Impressum

Vorwort

Unterallgäu

Rathaus in Memmingen

1  Das Tor zum Allgäu

Memmingen: die Mau-Stadt

2  Die spannendsten Konzepte

Memmingen: MEWO-Kunsthalle

3  Engagierte Bühne in der Provinz

Memmingen: Landestheater Schwaben

4  Einmal London und zurück

Buxheim: Kartause

5  Eine Kulturoase im Günztal

Sontheim: Dampfsäg

6  Der prächtigste Renaissance-Bau

Kirchheim: Zedernsaal

7  Kultur und Genuss

Mindelheim: die Stadt der Museen

8  Die Plattform der lokalen Szene

Türkheim: Filmhaus Huber

9  Amüsement

Bad Wörishofen: Skyline Park

10  Südseeurlaub mit Gesundheitsbonus

Bad Wörishofen: Therme

11  Barocke Pracht und Ordensleben

Ottobeuren: Basilika und Kloster

Westallgäu

Wurzacher Ried

12  Der Maler aus dem Haus der Aussätzigen

Bad Wurzach: Leprosenhaus und Schloss

13  Eines der größten Moorgebiete Mitteleuropas

Bad Wurzach: Wurzacher Ried

14  Die Moorpackung

Bad Wurzach: Vitalium-Therme

15  Der Ort der bemerkenswerten Museen

Wolfegg: Bauernhaus-Museum

16  Humorvoller Rundgang

Wangen: die Altstadt mit witzigen Brunnen

17  Wo die klugen Köpfe tagen

Lindau: die Stadt der Nobelpreisträger

18  Auf den Spuren spannender Urlaubslektüre

Simmerberg: Bräustatt und Taverne

19  Das hässliche Gesicht einer heilen Welt

Stiefenhofen: Pestkapelle

20  Die Natur unter der Brücke

Maierhöfen: Eistobel

21  Statuen und Schatten

Isny: Kunsthalle im Schloss

Ostallgäu

Hohenschwangau

22  Eine blutige Höhle

Obergünzburg: Geotop Teufelsküche

23  Ein Ort mit einer bewegten Geschichte

Irsee: Kloster

24  Besinnen entlang des Sonnengesangs

Kaufbeuren: Klosterberggarten St. Crescentia

25  Ein Badespaß, der sich bescheiden gibt

Kaufbeuren: Jordan Badepark

26  Runterkommen in der Kurfürstenallee

Marktoberdorf: Schlossberg

27  Kunst erleben

Marktoberdorf: Künstlerhaus

28  Spaß für die Familie

Marktoberdorf: Anton-Schmid-Hallenbad

29  Die Wunder von Kohlhunden

Kohlhunden: Kindlekapelle

30  Ensemble mit Geschichte

Bernbeuren: Auerberg mit römischer Siedlung

31  Ein Lieblingsplatz in der Mitte

Wald: Weiher

32  Die Vermarktung der Schönheit

Seeg: Schwaltenweiher mit Schloss

33  Die Pracht neben dem Dorfladen

Seeg: Kirche St. Ulrich

34  Der Blick der Könige

Schwangau: Kristalltherme

35  Es gibt auch noch andere

Hohenschwangau: Museum der bayerischen Könige

36  Die Heimat des guten Klangs

Füssen: die Geigenbauerstadt

37  Ein sagenhaftes Gewässer

Füssen: Alatsee

38  Ganz nah dran an der Natur

Füssen: Lechfall und Ziegelwies

39  Versunkene Häuser und verschwundene Musicals

Füssen: Forggensee und Festspielhaus

40  Das Bad im Stroh

Pfronten: der Ort der Heukur

41  In die Berge hineinschwimmen

Pfronten: Alpenbad

Oberallgäu

Umgebung von Bad Hindelang

42  Das Blaue Wunder

Altusried: Hängebrücke über die Iller

43  Grüße auch an Erika

Altusried: Kluftinger-Führung

44  Reise in die Vergangenheit

Wiggensbach: Heimatmuseum

45  Wind of Change

Wildpoldsried: das Energiedorf

46  In allen Wipfeln ist Ruh

Betzigau: Baumhaushotel Allgäu

47  Am Ende einer langen Reise

Kempter Wald: Naturdenkmal Dengelstein

48  Natur nach Plan

Kempten: Hofgarten

49  Ruhm durch Rom

Kempten: Archäologischer Park Cambodunum

50  Grünes Land in Bürgerhand

Kempten: Burghalde

51  Kunst von allen für alle

Kempten: Künstlerhaus

52  Weltenwanderung

Buchenberg: Planetenweg

53  Steinernes Vermächtnis

Weitnau: Ruine Alttrauchburg mit Burggaststätte

54  Zeitlos im Zeitenwandel

Waltenhofen: Allgäuer Trachtenschneiderei

55  Wem Dank gebührt

Waltenhofen: Mariengrotte

56  Ein kleines Stück vom Paradies

Sulzberg: Kreislehrgarten Oberallgäu

57  Im Angesicht des Todes

Oy-Mittelberg: Pestfriedhof in Petersthal

58  In den Baumwipfeln

Oy-Mittelberg: Kletterwald Grüntensee

59  Wo die wilden Mädchen wohnen

Wertach: Bärbeletag

60  Von Blüten, Beeren und Zirbenzapfen

Wertach: Allgäuer Gebirgskellerei

61  Ein Stück Tirol im Allgäu

Jungholz: eine österreichische Enklave

62  Bier vom Berg

Rettenberg: Brauerei »BernardiBräu«

63  Sanfte Begleiter

Rettenberg: Lama-Wanderung

64  Zurück zur Natur

Immenstadt: Werdensteiner Moos

65  Erlebtes Wissen

Immenstadt: Allgäuer Bergbauernmuseum

66  Vom blauen zum grünen Allgäu

Missen-Wilhams: Carl-Hirnbein-Museum

67  Im Wandel der Zeit

Immenstadt: Heimatmuseum Hofmühle

68  Nüchtern betrachtet

Immenstadt: Skulptur »Biertrinker« und Bräuhausplatz

69  Wandern und Wassersport

Immenstadt: Großer und Kleiner Alpsee

70  Der Herrgottsbeton gab dem Naturpark seinen Namen

Naturpark Nagelfluhkette

71  Dem Himmel ein ganzes Stück näher

Steibis: Hochgratbahn

72  Einst imposanter Lebensretter in schlimmer Zeit

Osterdorf: Wasserfall

73  Ein düsterer Zufluchtsort aus vergangenen Zeiten

Wiedemannsdorf: Schatzloch-Höhle

74  »So ein Käse!«, sagt man hier nicht, man macht ihn selbst

Thalkirchdorf: Käseschule im Dorfhaus

75  Deutschlands modernste AchterGondelbahn heizt richtig ein

Hinterstaufen: Hündlegebiet mit Erlebnisbahn

76  Ein Haus mit bitterem und süßem Beigeschmack

Oberstaufen: Alte Propstei

77  Ein »Kulturraub« verschönert das Ortszentrum

Oberstaufen: Platz vor dem Haus des Gastes

78  Und soll uns vereinen nach altem Staufner Brauch

Oberstaufen: Staufener Fasnatziestag am Kirchplatz

79  Krummes Holz

Weißach: Alphornbauer Josef Wagner

80  Hier hat nicht der Teufel den Schnaps gemacht

Weißach: Schaubrennerei Zur Höll

81  Alles auf Anfang

Oberstaufen: Urgemeinde Zell

82  Nur einer von 40 Steinen hat die Zeit überdauert

Gschwend: Königsegger Wappenstein

83  Ein Schmugglersee auf der Grenze

Oberstaufen: Eibele-Wasserfall

84  Wo die Wirtsleute selbst musizieren

Steibis: Berggasthof Auwinkel 

85  Auf 1.286 Metern gedeihen Heilkräuter besonders gut

Auf dem Falken: Michels Kräuter-Alp

86  Captain’s Dinner

Blaichach: Restaurant und Gästehaus Zum Schiff

87  Glück auf!

Burgberg: Erzgruben-Erlebniswelt am Grünten

88  Nachhaltige Naturheilkunde

Gunzesried: Kräutergarten

89  Alles unter einem Dach

Sonthofen: Heimathaus

90  Kein Hexenwerk

Sonthofen: Egga-Brunnen am Rathausplatz

91  Der gute Ton

Sonthofen: Allgäuer Keramik

92  Hochkultur

Bad Hindelang: Kunsthaus und Atelier Lipp

93  Die Welt ist eine Scheibe

Ofterschwang: Disc-Golf-Parcours

94  Miteinander Schlitten fahren

Ofterschwang: Winterrodelbahn

95  Am rauschenden Bach

Bad Hindelang: Heimat- und Handwerksmuseum Obere Mühle

96  Berg- und Talfahrt

Bad Hindelang: Aussichtspunkt Kanzel

97  Etappenziele

Von Oberjoch nach Wertach: Sebaldweg

98  Wo schon Luitpold sich gesund badete

Hinterstein: Prinze Gumpe

99  Die Holzfeller

Bolsterlang: Schuhmanufaktur Keller

100  Jahresringe

Balderschwang: die alte Eibe

101  Drei Gipfel an einem Tag

Bolsterlang: Hörnertour nach Ofterschwang

102  Bretter, die die Welt bedeuten

Fischen: Skimuseum

103  Nah am Wasser gebaut

Fischen: historische Säge Obermühle

104  Sagenhaftes Getöse

Obermaiselstein: Sturmannshöhle

105  So fern und doch so nah

Oberstdorf: Holzkapelle Sankt Anna

106  Vom Eise befreit

Oberstdorf: Breitachklamm

107  Zweite Heimat

Oberstdorf: Haus Bonatz der A.-M.-Miller-Stiftung

108  Kultur in Bestlage

Oberstdorf: Kunsthaus Villa Jauss

109  In Frieden ruhen

Oberstdorf: Seelenkapelle auf dem alten Friedhof

110  Adler überm Allgäu

Oberstdorf: Heini-Klopfer-Skiflugschanze

111  Einsam, aber nicht allein

Oberstdorf: verlassenes Dorf Gerstruben

112  Sein blaugrünes Wunder erleben

Oberstdorf: Christlessee

113  Wo das Allgäu kein Ende findet

Kleinwalsertal: Walserhaus in Hirschegg

114  Besuch in einer außerirdischen Welt

Kleinwalsertal: Gottesackerplateau und Berg Ifen

Karten

Bildverzeichnis

Zu den Autoren

Vorwort

Die südlichste Gegend unserer Republik ist ein Paradies auf Erden. Kaum ein anderer Landstrich Deutschlands ist derart abwechslungsreich wie das Allgäu. Den Norden umgibt mit Memmingen, Kaufbeuren und Wangen der Geist der freien Reichsstädte, während der südliche Zipfel rund um Oberstdorf mit prachtvollem Alpenidyll lockt. Genießt man an der Grenze zum Bodensee das milde mediterrane Klima, kommt man im malerischen Land der Seen und Schlösser ins Träumen. So facettenreich sich die Region präsentiert, trifft man doch allerorts auf die Allgäuer Gemütlichkeit, die jedermann willkommen heißt und zum Bleiben verführt.

Herzlich laden Sie Marko Roeske, Willibald Spatz und Bernhard Wucherer ein, mit Ihnen dieses himmlische Stückchen Erde zu erkunden. In ihren Kulturführern Oberallgäu, Auf ins Allgäu und Oberstaufen, die bei uns im Gmeiner-Verlag in der Reihe Lieblingsplätze erschienen sind, haben sich unsere Autoren mit Hingabe und Detailwissen ihrer Region gewidmet. Zusammengefasst in diesem Sammelband, bilden ihre Höhepunkte aus den drei Einzelbänden eine liebevolle Hommage auf den einzigartigen Landstrich im hohen Süden. Folgen Sie unseren Autoren zu ihren 114 abwechslungsreichen Lieblingsplätzen im schönen Allgäu!

Auf einer unterhaltsamen Entdeckungsreise durch das Unter- und Westallgäu, das Ost- und Oberallgäu bis ins Kleinwalsertal spüren wir gemeinsam historischen Rätseln nach und lassen in unberührter Natur die Seele baumeln. Wir drehen eine Runde in kristallklaren Seen und ausgezeichneten Thermen, stoßen auf kulturelle Juwelen und erleben Brauchtum auf moderne Weise neu. Wir erkunden die paradiesische Landschaft auf unbekannten Pfaden und verraten den einen oder anderen kulinarischen Insidertipp. Denn was wäre das Allgäu ohne einen gemütlichen Gaumenschmaus! Freuen Sie sich auf Das Beste aus dem Allgäu!

Ihr Gmeiner-Verlag

Unterallgäu

Rathaus in Memmingen

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1  Das Tor zum Allgäu

Memmingen: die Mau-Stadt

Die Stadt Memmingen hat eine ganz besondere Beziehung zum Mond oder zum »Mau«, wie er hier genannt wird. Hugo Maser schrieb im Jahr 1924 ein Gedicht über seine Vaterstadt, in dem er behauptete, dass der Mond verliebter auf diesen Ort blicke als auf jeden anderen. Manche sagen sogar, der Erdtrabant sei ein Memminger.

Einst gingen ein paar Memminger Bürger schwer angetrunken heim, da entdeckten sie in einem Zuber neben einem Haus das Spiegelbild des Mondes. Sie wollten das Lämpchen mitnehmen zur Erleuchtung ihres Zimmers und riefen den Stadtfischer. Der rückte an mit Netzen. Trotz großen Aufwands gelang das Vorhaben nicht, was ein Blick an den Nachthimmel beweist. Das ist die berühmteste Geschichte über den Mau.

Generell ist in Memmingen die Vergangenheit sehr lebendig. Am lebendigsten wohl am Fischertag, der am ersten Samstag der Sommerferien begangen wird. Im Mittelalter wurde der Stadtbach einmal im Jahr abgelassen, dazu mussten die Fische, die darin schwammen, herausgenommen werden. Heute springen oder, wie man hier sagt, jucken die Männer am frühen Morgen in der Nähe des Schrannenplatzes ins Wasser und versuchen eine der 3.000 bis 4.000 Forellen zu fangen, die im vorigen September extra eingesetzt wurden. Wer den größten Fisch an Land zieht, ist der Fischerkönig. Frauen sind bei diesem Wettkampf noch immer nicht zugelassen.

Memmingen wurde 1128 erstmals urkundlich erwähnt, der Name der Stadt ist wahrscheinlich älter. Vor 1.500 Jahren kamen Alemannen in die Gegend, »Mammo« war der Name eines Fürsten, der sich niederließ. Obwohl die alten Zeiten so präsent sind, zeigt Memmingen auch ein modernes Gesicht: Die Stadt verfügt über den Allgäu Airport, von dem Flugzeuge internationale Ziele ansteuern. Unumstritten ist er nicht, man hätte die Touristen lieber im Allgäu, als sie von hier wegzutransportieren.

Tipp: Den Memminger Flair genießt man am schönsten in einem Café auf dem Marktplatz, wo Rathaus, Steuerhaus und die Großzunft ein herrliches Ensemble bilden.

Beitrag von: Willibald Spatz  ///

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STADTINFORMATION MEMMINGEN /// Marktplatz 3 ///

87700 Memmingen /// 0 83 31 / 85 00 /// www.memmingen.de ///

2  Die spannendsten Konzepte

Memmingen: MEWO-Kunsthalle

Direkt neben dem Bahnhof in Memmingen steht ein altes Postgebäude. Von außen sieht es immer noch so aus, als ob darin eine Post sein könnte. Tatsächlich handelt es sich seit 2005 um die MEWO-Kunsthalle, einen Ort, an dem im Allgäu vielleicht am ungewöhnlichsten und spannendsten Kunst zu erleben ist. Die MEWO-Kunsthalle präsentiert ein abwechslungsreiches Ausstellungsprogramm zu lokaler und internationaler Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Sammlungseinblicke, thematische Gruppenausstellungen und Einzelpräsentationen junger wie auch etablierter Künstlerinnen und Künstler bilden den Kern der Ausstellungstätigkeit.

Auch mit dem Auto ist die Kunsthalle gut zu erreichen, ein Parkhaus befindet sich in Laufweite. 850 Quadratmeter Ausstellungsfläche bieten Raum für traditionelle Ausstellungen und experimentelle Formate. Die vielseitigen Räume sind auf drei Etagen um den überdachten Lichthof herum angeordnet.

Seit 2012 leitet Dr. Axel Lapp die MEWO-Kunsthalle und präsentiert circa zehn Ausstellungen pro Jahr. Längst ist das Ausstellungshaus nicht nur unter Kennern bekannt, sondern ein Ort der zeitgenössischen Kunst mit überregionaler Ausstrahlung. Stetiges Engagement führte in den letzten Jahren zu Ausstellungen renommierter Künstlerinnen und Künstler, darunter Cindy Sherman, Andreas Gursky und Henry Moore. Auch der Sammlungsbestand, etwa der Nachlass des Memminger Malers Josef Madlener, wird in stetig neuem Licht dargeboten. Madleners Bild Der Berggeist hat angeblich Tolkien zu seiner Figur Gandalf in Der Herr der Ringe inspiriert.

Ein zentrales Anliegen der Kunsthalle ist die kulturelle Bildung. Das Angebot im Atelier reicht vom MiniAtelier für die Kleinen über das MidiAtelier bis hin zu Seniorennachmittagen mit Kunst, Kaffee und Kuchen. Ebenfalls im Programm ist der Familiensonntag, bei dem das kreative Gestalten im Kreise der Familie im Vordergrund steht.

Tipp: Eintritt frei in allen städtischen Museen! Die Stadt Memmingen hat sich für kostenlosen Eintritt ausgesprochen und bietet somit freien Zugang zu Kultur für alle.

Beitrag von: Willibald Spatz  ///

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MEWO-Kunsthalle /// Bahnhofstraße 1 /// 87700 Memmingen ///

0 83 31 / 85 07 71 /// www.mewo-kunsthalle.de ///

3  Engagierte Bühne in der Provinz

Memmingen: Landestheater Schwaben

Vor ein paar Jahren hat die Redaktion der Berliner Theaterzeitschrift Theater der Zeit bei mir angerufen und mich gebeten, im Landestheater Schwaben ein Stück von und mit arbeitslosen Jugendlichen anzuschauen und etwas darüber zu schreiben. Die Berliner fanden es skurril, dass sich jemand im Süden des Landes, wo doch die Welt heil zu sein hat, mit dermaßen ernsten Dingen auseinandersetzt. Noch dazu als vermeintlich provinzielles Landestheater.

Was ich sah an jenem Abend, war größtes Engagement. Die jungen Leute, die alle keine Ausbildungsstelle nach dem Schulabschluss bekommen hatten, warfen sich mit Verve in die Probenarbeit, zeigten auf der Bühne beeindruckend, was sie können – und bekamen danach Lehrstellen angeboten. Das ist das Schönste, was man vom Theater erwarten kann: dass es über die Bühne hinausstrahlt ins echte Leben hinein und dort etwas verändert. Seitdem komme ich immer wieder gerne ins Landestheater Schwaben. Denn so klein das Haus ist, so bemerkenswert sind die Produktionen. Unter der Intendanz von Dr. Kathrin Mädler gibt es zahlreiche Premieren: klassische und neuere Dramatik, Kindertheater und Uraufführungen.

Theatral umtriebig ist man auch anderswo in Memmingen. Als in Bayern das strengste Nichtraucherschutzgesetz der Republik eingeführt wurde, fand Robert Manz, der Wirt der Memminger Kneipe Treff, eine originelle Lösung. Rauchen auf Theaterbühnen blieb im Freistaat erlaubt, weil viele Theaterstücke älter sind als das Rauchverbot und in ihnen das Rauchen als Teil der Handlung vorgesehen ist. Deshalb wurde das Treff kurzerhand zur Bühne erklärt und die Gäste zu Schauspielern. Das Stück, das gespielt wurde, war jeden Abend dasselbe. Es hieß: Das Leben in einer Raucherkneipe! Wie es früher einmal war. Also konnte man im Treff weiterrauchen.

Tipp: Wer nach dem Besuch im Landestheater bei einem Getränk das Stück diskutieren will, findet in der Umgebung einige nette Restaurants und Kneipen.

Beitrag von: Willibald Spatz  ///

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Landestheater Schwaben /// Theaterplatz 2 ///

87700 Memmingen /// 0 83 31 / 94 59 16 ///

www.landestheater-schwaben.de ///

4  Einmal London und zurück

Buxheim: Kartause

Das waren spannende Tage im Sommer 1980. Karl-Ludwig Dasser, der damalige Leiter der Werkstätten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, hatte im Jahr zuvor mitbekommen, dass der Konvent der Schwestern des St. Saviour’s Hospital in London umziehen musste. In ihrer Kapelle befand sich ein Chorgestühl, das aus Buxheim stammte und nun eigentlich versteigert werden sollte. Um es wieder nach Hause zu holen, musste man jetzt schnell sein.

Seit 1402 waren die Kartäuser in Buxheim. Der Orden geht zurück auf den Heiligen Bruno von Köln. Das Mönchsdasein eines Kartäusers ist geprägt von Einsamkeit, Gebet und Schweigen. Jeder bewohnt eine eigene kleine Zelle mit Garten, in der er betet und arbeitet. Nur zu wenigen Anlässen kommen die Mönche zusammen und hören gemeinsam Worte aus der Bibel. In der Kartause ist der Tagesablauf und die Geschichte des Ordens sauber dokumentiert.

Der Tiroler Bildhauer Ignaz Waibl schuf von 1687 bis 1691 das prächtige Chorgestühl. Nicht weniger als 200 Eichen wurden dafür gefällt. Doch die Kartause Buxheim fiel 1803 der Säkularisation zum Opfer. 1812 mussten die Mönche endgültig gehen, sie wurden in den weltlichen Klerus eingegliedert oder pensioniert, die Kartause wurde Schloss der Grafen Waldbott von Bassenheim. Der Graf Hugo von Waldbott-Bassenheim konnte gar nicht mit Geld umgehen. 1883 wurde sein Besitz gepfändet und versteigert. Auf Umwegen landete das Chorgestühl 1886 in London. Dort blieb es fast 100 Jahre. Man konnte es 1980 nicht von heute auf morgen zurückkaufen. Karl-Ludwig Dasser rief Georg Simnacher an, den Präsidenten des Bezirkstages Schwaben. Man müsse schnell handeln. Simnacher sagte zu. Kaufen. Erst später wurde ihm bewusst, dass er ohne Beschluss des Bezirkstags gehandelt hatte und womöglich hätte haften müssen. Es kam anders, der Bezirk stimmte der Ausgabe von 1,8 Millionen Mark zu und Buxheim feierte die Rückkehr seines wertvollsten Kunstschatzes.

Tipp: Die von den Gebrüdern Dominikus und Johann Baptist Zimmermann gestaltete Annakapelle in der Kartause gilt als »ein Kabinettstück bayerischen Rokokos«.

Beitrag von: Willibald Spatz  ///

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Kartausenmuseum Buxheim /// An der Kartause 15 ///
87740 Buxheim /// 0 83 31 / 6 18 04 /// www.kartause-buxheim.de ///

5  Eine Kulturoase im Günztal

Sontheim: Dampfsäg

»Ich bin hier Koch, Ausschenker, Maurer und Heizungsinstallateur«, sagt Klaus Bilgram. Zusammen mit seiner Frau Ortrun hat er vor bald 30 Jahren eine einzigartige Kulturstätte geschaffen: die Dampfsäg. Tatsächlich war hier mal ein Sägewerk, das 1988 geschlossen wurde. 1990 schlugen die Bilgrams zu, sie kauften Anwesen samt Gebäude und machten sich an die Arbeit, und schon 1991 öffneten sich die Tore wieder.

»Im ersten Jahr hatten wir drei Konzerte, noch keine Küche und keine Toiletten«, erzählt Klaus Bilgram. Werner Specht, der als einer der Ersten hier auftrat, weiß auch noch, dass es keine Heizung gab. Das hat sich gewaltig geändert. Nicht nur, dass die Infrastruktur heute tadellos funktioniert, in der Dampfsäg ist immer was los. Konzerte, Kabarett und regelmäßige Filmabende, die vom Filmhaus Huber in Türkheim organisiert werden, ziehen die Leute aus dem ganzen Allgäu und bei größeren Namen sogar aus dem gesamten Bundesgebiet an. Aber auch Hochzeiten werden hier gefeiert und es wird ein regelmäßiger Wochenmarkt abgehalten. »Da pulsiert das Dampfsägleben«, laut Klaus Bilgram.

Das Tonnengewölbe des Dampfsäggebäudes ist allein die Reise nach Sontheim wert. Die Konstruktion aus dem Jahr 1917 geht auf den französischen Architekten Philibert de l’Orme (um 1510 – 1570) zurück. Die Sägehalle ist der einzige heute noch bestehende Bau dieser Art im deutschsprachigen Raum. Die Sägerei selbst wurde 1890 gegründet, sie war eine der wichtigsten holzverarbeitenden Betriebe des Günztals. In der 1891 erbauten Kistenmacherei wurden überwiegend Holzkisten für den Transport von Käse und Fisch gefertigt.

Dem beispiellosen Engagement von Ortrun und Klaus Bilgram und der Hilfsbereitschaft vieler Freunde ist es zu verdanken, dass heutzutage hier das Kulturleben blüht. Inzwischen leitet ihr Sohn Yuri mit seiner Freundin die Dampfsäg. Es geht also weiter. Ein Segen für die Region.

Tipp: Wer in die Dampfsäg kommt, sollte hungrig sein. Die Küche bietet köstliche Spezialitäten an, das Gemüse stammt aus regionalem, nachhaltigem Anbau.

Beitrag von: Willibald Spatz  ///

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Dampfsäg Sontheim /// Westerheimer Straße 10 ///

87776 Sontheim /// 0 83 36 / 2 26 /// www.dampfsaeg.de ///

6  Der prächtigste Renaissance-Bau

Kirchheim: Zedernsaal

Wir gehen über den Marktplatz von Kirchheim, am Gasthaus Adler vorbei, durch den herrlichen Park, ins Fuggerschloss hinein. Wir werden begrüßt vom wilden Gebell zweier Hunde, erschrocken weichen wir zurück. Die Hunde sind hinter einem Gittertor und hören nicht auf, uns vertreiben zu wollen. Da kommt der Portier, ein freundlicher Herr, und fragt uns, ob wir in den Zedernsaal wollen. Ob wir nicht zu spät seien, fragen wir.

Nein, sind wir nicht. Wir dürfen rein in den Zedernsaal und werden persönlich geführt. Es verschlägt uns erst mal den Atem.

So wie auch die Basilika Ottobeuren wird das Fuggerschloss in Kirchheim als »Schwäbischer El Escorial« bezeichnet. Wer nun den Titel wirklich verdient, mögen andere entscheiden. Immerhin stammt das Kirchheimer Schloss so wie das Original bei Madrid aus der Renaissance-Zeit. Es wurde von Hans Fugger in den Jahren 1578 bis 1585 erbaut. Hans war der Sohn und Erbe von Anton Fugger, dem Reichsten der berühmten Familie. Anton wiederum war der Neffe und Nachfolger des Berühmtesten der reichen Familie: Jakob Fugger, auf den die Fuggerei in Augsburg zurückgeht, die erste Sozialsiedlung der Welt. Der Zedernsaal besitzt eine beeindruckende, 360 Quadratmeter große, 1,80 Meter tiefe Kassettendecke. Das Zedernholz bildet den dunklen Untergrund, darüber hinaus wurden zehn weitere Holzarten verwendet, die in ihren Originalfarben heute noch zu bestaunen sind. Wendel Dietrich hat sie geschaffen, 20 italienische Schnitzer haben Tausende von Figuren und Gesichtern herausgearbeitet. Fratzen sollen böse Geister abhalten, Venusmuscheln symbolisieren die Reinheit.

Das Schloss wird heute von der Fugger-Linie von Glött bewohnt, der Saal wird wegen seiner hervorragenden Akustik oft für Konzerte genutzt. Wir erfahren noch, dass er nie beheizt werden darf, das würde dem Holz schaden. Wir danken herzlich und verschwinden nach einem letzten Blick zurück in die Realität.

Tipp: Der Zedernsaal ist nicht das einzige bedeutende Kunstwerk in Kirchheim: In der Kirche, am rechten Seitenaltar, gibt es ein Bild von Rubens.

Beitrag von: Willibald Spatz  ///

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Schloss Kirchheim /// Marktplatz 1 /// 87757 Kirchheim ///

01 51 / 66 74 24 24 /// www.zedernsaal.de ///

7  Kultur und Genuss

Mindelheim: die Stadt der Museen

Man bezeichnet Mindelheim auch als die Stadt der Museen, denn hinter der Jesuitenkirche befindet sich ein richtiges Museumszentrum, außerdem ist auch das Turmuhrenmuseum interessant und bekannt. Doch meiner Meinung nach könnte man Mindelheim darüber hinaus als Stadt der Cafés bezeichnen. Auf und um die zentrale Maximilianstraße laden derer viele dazu ein, sich niederzulassen und entspannt abzuhängen.

Wenn ihr Lust bekommt, auf die Mindelburg zu steigen, dann vergesst nicht, eure Kinder mitzunehmen. Die Außenanlagen entsprechen absolut dem Bild, das man von einer typischen Ritterburg im Kopf hat. Dabei ist ihr berühmtester Bewohner sogar einer der Hauptverantwortlichen für den Niedergang des Rittertums kurz nach Ende des Mittelalters. Georg von Frundsberg wurde auf der Mindelburg in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts geboren und lebte dort, wenn er nicht im Krieg war. Er stand im Dienst von Maximilian I. und baute für ihn eine Truppe von leicht bewaffneten, schlagkräftigen Fußsoldaten auf, die bei Auseinandersetzungen den gepanzerten Rittern zu Pferd mannshoch überlegen waren. Die Geschichtsschreibung nennt Georg deshalb den »Vater der Landsknechte«, ironischerweise wurde er selbst 1504 zum Ritter geschlagen. Seine Art, Krieg zu führen, trug ihm den Ruf ein, einer der wichtigsten deutschen Infanterietaktiker und Kriegsunternehmer der Frühen Neuzeit zu sein, worum ihn nur gut 500 Jahre später nicht mehr allzu viele beneiden dürften. Landsknechte richteten in den folgenden Jahrhunderten katastrophale Verwüstungen an, wenn sie keinen Sold bekamen oder keiner einen Krieg führen wollte, zu dem er sie gebrauchen konnte. Die Burg ist seit den 50er-Jahren an einen Verlag vermietet, deshalb kommt man ins Innere nur, wenn man im Burgrestaurant isst.

Unten in der Stadt sollte man ins Turmuhrenmuseum in der ehemaligen Silvesterkapelle gehen, das Wolfgang Vogt seit 1979 aufgebaut hat. 50 Turmuhren kann man dort betrachten.

Tipp: Etwas abseits, in der Dreerstraße, haben wir das heimelige Café K entdeckt, das in einem der netten Häuschen der Altstadt untergebracht ist.

Beitrag von: Willibald Spatz  ///

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Touristinformation /// Maximilianstraße 26 ///
87719 Mindelheim /// 0 82 61 / 99 15 20 /// www.mindelheim.de ///

 

Café K /// Dreerstraße 13 /// 87719 Mindelheim ///

0 82 61 / 73 83 53 /// www.mein-cafe-k.de ///