Das Nibelungenlied

Übersetzung: Karl Simrock


Impressum

ISBN 978-3-940621-31-3

Bearbeitung: Steffi Kühnel

© Vergangenheitsverlag, 2010 – www.vergangenheitsverlag.de


Inhaltsverzeichnis

Das Nibelungenlied. 1

Inhaltsverzeichnis. 3

Einleitung. 4

Vom Untergang zweier Germanenreiche – Das Nibelungenlied. 4

Interview mit Prof. Dr. Hermann Reichert von der Universität Wien. 7

Weiterführende Informationen. 10

Das Nibelungenlied. 12

Erstes Abenteuer 13

Zweites Abenteuer 16

Drittes Abenteuer 21

Viertes Abenteuer 39

Fünftes Abenteuer 63

Sechstes Abenteuer 74

Siebentes Abenteuer 87

Achtes Abenteuer 105

Neuntes Abenteuer 114

Zehntes Abenteuer 124

Elftes Abenteuer 146

Zwölftes Abenteuer 152

Dreizehntes Abenteuer 162

Vierzehntes Abenteuer 169

Fünfzehntes Abenteuer 181

Sechzehntes Abenteuer 189

Siebzehntes Abenteuer 206

Achtzehntes Abenteuer 219

Neunzehntes Abenteuer 225

Zwanzigstes Abenteuer 235

Einundzwanzigstes Abenteuer 263

Zweiundzwanzigstes Abenteuer 271

Dreiundzwanzigstes Abenteuer 281

Vierundzwanzigstes Abenteuer 288

Fünfundzwanzigstes Abenteuer 304

Sechsundzwanzigstes Abenteuer 321

Siebenundzwanzigstes Abenteuer 333

Achtundzwanzigstes Abenteuer 346

Neunundzwanzigstes Abenteuer 354

Dreißigstes Abenteuer 366

Einunddreißigstes Abenteuer 372

Zweiunddreißigstes Abenteuer 387

Dreiunddreißigstes Abenteuer 392

Vierunddreißigstes Abenteuer 404

Fünfunddreißigstes Abenteuer 408

Sechsunddreißigstes Abenteuer 418

Siebenunddreißigstes Abenteuer 428

Achtunddreißigstes Abenteuer 447

Neununddreißigstes Abenteuer 464

Einleitung

Vom Untergang zweier Germanenreiche – Das Nibelungenlied

Das Nibelungenlied hat alles, was eine gute Story heute bieten muss: Liebe, Macht, Verrat und Mord – ein packendes Familiendrama in 2.300 Strophen. Dabei wurde die Geschichte um die Burgunderprinzessin Kriemhild und den Drachentöter Siegfried schon vor 800 Jahren niedergeschrieben. Ein Verfasser ist in dem mittelhochdeutschen Epos nicht benannt, denn das Nibelungenlied gehört zur literarischen Gattung der Heldenepik – der Stoff, nicht der Urheber, steht hier im Vordergrund. Das Nibelungenlied ist ein urgermanisches, kämpferisches Werk – kein Wunder, dass es im 19. Jahrhundert zum 'Nationalepos der Deutschen' erkoren wurde.

Liebesglück und Verderben

Zentrale Figur ist die Burgunderprinzessin Kriemhild, die mit ihren Brüdern Gunther, Gernot und Giselher am Hof von Worms am Rhein lebt. Kriemhilds Schönheit ist über die Grenzen des Burgunderreichs hinaus bekannt – auch Siegfried hört von ihr, ein Königssohn aus Xanten am Niederrhein. Siegfried gilt als unverwundbar: Einst soll er einen Drachen erschlagen und in dessen Blut gebadet haben. Zudem tötete er in einem fernen Land die Söhne des Königs Nibelung und raubte deren Schatz – den Nibelungenhort. Dem Wächter des Schatzes habe er die Tarnkappe abgenommen, die unsichtbar macht und übermenschliche Kräfte verleiht.

Siegfried wirbt in Worms um Kriemhild, doch vor der Heirat muss er eine Aufgabe erfüllen: Er soll mit König Gunther nach Island segeln – denn der möchte dort die übermenschlich starke Königin Brünhild zur Frau gewinnen. Doch die Walküre stellt Bedingungen: Drei Kämpfe muss Gunther gegen Brünhild gewinnen, was ihm auch gelingt – jedoch nur mithilfe von Siegfried, der dank seiner Tarnkappe unsichtbar bleibt.

Die geschlagene Brünhild folgt Gunther nach Worms, eine Doppelhochzeit findet statt: Gunther heiratet Brünhild, Kriemhild wird Siegfrieds Gattin. Doch in der Hochzeitsnacht wehrt sich Brünhild erneut gegen den ihr eigentlich unterlegenen Gunther. Wieder muss Siegfried aushelfen und sie mithilfe seiner Tarnkappe niederringen. Gunther kann ihr nun die Jungfräulichkeit nehmen – und Brünhilds magische Kräfte verschwinden für immer.

Zehn Jahre vergehen, bis Kriemhild der angeheirateten Brünhild im Streit verrät, dass Gunther sie nur mit Siegfrieds Hilfe bezwingen konnte. Brünhild ist zutiefst empört, sie fordert Siegfrieds Tod – ebenso wie Hagen von Tronje, finsterer Ratgeber König Gunthers: Er fürchtet Macht und Einfluss des Drachentöters. Hagen lockt Siegfried zur Jagd – doch vorher bittet er Kriemhild, ihm zu dessen Schutz die einzig verwundbare Stelle ihres Gatten zu verraten: Ein Lindenblatt legte sich beim Bad im Blut des bezwungenen Drachen zwischen Siegfrieds Schultern. Die Gutgläubigkeit von Kriemhild hat dramatische Folgen. Auf der Jagd stößt Hagen eine Lanze in diese Stelle; den Leichnam legt er vor Kriemhilds Schlafgemach.

Die junge Witwe schwört Rache, doch als Frau ist sie machtlos am königlichen Hof. 13 Jahre später hält erneut ein Mann um ihre Hand an – Etzel, der mächtige Hunnenkönig. Kriemhild zieht mit ihm an die Donau und noch einmal 13 Jahre vergehen, bis Kriemhild ihre Brüder an den Hof der Hunnen lädt. Hagen fürchtet eine Falle, doch die Burgunder ziehen zu Etzels Palast, wo das spektakuläre und blutige Finale des Nibelungenliedes stattfindet. Ein tödlicher Streit flammt auf, ein Burgunder nach dem anderen wird getötet. Die rachsüchtige Kriemhild lässt ihren Bruder Gunther köpfen, den Verräter Hagen erschlägt sie sogar mit eigener Hand – für eine Frau eine so unerhöhte Handlung, dass Kriemhild durch einen Gefolgsmann Etzels niedergestreckt wird.

Eine wahre Geschichte?

Die Burgunder sind gefallen, Kriemhild ist tot, der Schatz der Nibelungen für immer am Rhein verschwunden – so endet das Nibelungenlied, ein finsteres Märchen aus dem Mittelalter. Tatsächlich ist die Sage um die Nibelungen schon viel älter: Seit Jahrhunderten wurde die Geschichte von Siegfried und Kriemhild in Nord- und Mitteleuropa mündlich weitergeben – bis in die Germanenzeit reichen die Ursprünge der Sage zurück. Der heidnische Ursprung ist unverkennbar: Der starke Held Siegfried bezwingt einen Drachen, erbeutet magische Waffen und einen Schatz, der von einem Zwerg gehütet wird. Auch die übermächtige Isländerin Brünhild erinnert an eine Walküre, jenes todbringende Geisterwesen, das Verstorbene auf dem Schlachtfeld auswählte, um sie in die Ruhmeshalle Walhall zu bringen.

Doch auch reale Ereignisse vermischen sich im Nibelungelied mit der nordischen Mythologie: Der Burgunderkönig Gundahar gründete im Jahr 407 ein Reich am Rhein zu dem auch Worms gehörte. Er und seine Vasallen fielen fast 30 Jahre später bei einer Schlacht gegen einen römischen Heerführer. Auch den Hunnenkönig Etzel gab es tatsächlich – unter dem berühmten Namen Attila herrschte er ab 434 über ein Reich zwischen den Alpen bis zum Schwarzen Meer. 453 starb er in der Hochzeitsnacht mit Ildiko (Neuhochdeutsch: Hildchen), angeblich an einem Blutsturz aufgrund seines exzessiven Lebenswandels. Bald wurde am Hof spekuliert, die Tochter eines burgundischen Fürsten habe den König vergiftet. Eine Darstellung realgeschichtlicher Ereignisse ist das Nibelungenlied jedoch trotzdem nicht – vielmehr schlägt das Epos eine lange Brücke von der Zeit der Germanen hin zum 5. Jahrhundert.

Ursprungsmythos

Das Nibelungenlied wirft in der Forschung viele Fragen auf, die wahrscheinlich nie zur Gänze beantwortet werden können. Neben den geschichtlichen Zusammenhängen gilt auch der Ursprung der Handschrift als rätselhaft. Um 1200 verfasst, gilt das Original als verschollen. Lediglich 36 Abschriften des mittelalterlichen Epos sind erhalten geblieben, die meisten davon fragmentarisch. Diese Manuskripte verraten viel über den Entstehungsort und Herkunft des unbekannten Autors: Den Donauraum kennt er gut, denn er nennt landschaftliche Details, während Worms oder Xanten nur vage beschrieben werden. Auffallend häufig wird der Bischof von Passau erwähnt – höchstwahrscheinlich also, dass das Nibelungenlied in seinem Umfeld entstand. Manche Forscher sehen niemand anderen als Walther von der Vogelweide als den geheimnisvollen Autor, denn er wurde Anfang des 13. Jahrhunderts vom Bischof von Passau, Wolfger von Erla, finanziell unterstützt. Andere Forscher widersprechen diesem Ansatz – die Weltsicht des Nibelungenlieds habe mit den übrigen Werken des Minnesängers nichts gemein.

Im Verlauf des Mittelalters äußerst populär, geriet der Sagenstoff in Vergessenheit, bis ihn Jacob Hermann Obereit im 18. Jahrhundert wieder entdeckte. 1782 wurde das Nibelungenlied erstmals gedruckt. Doch es rief beim amtierenden Preußenkönig Friedrich dem Großen wenig Begeisterung hervor: „Meiner Einsicht nach sind solche nicht einen Schuss Pulver wert und verdienen nicht aus dem Staube der Vergessenheit gezogen zu werden. In meiner Bücher-Sammlung wenigstens würde Ich dergleichen elendes Zeug nicht dulten; sondern herausschmeißen.“ Dass er nicht Recht behalten sollte, bewies die wachsende Popularität des Stoffes – Goethe zeigte sich begeistert vom Nibelungenlied und forderte eine Neubearbeitung, der Dramatiker Friedrich Hebbel brachte das Stück auf die Bühne. Schließlich schrieb Richard Wagner mit dem „Ring der Nibelungen“ eine eher an die nordische Sage angelehnte Oper, die das Bild der Germanen über Jahrhunderte prägen sollte – und das Nibelungenlied zum urdeutschen Nationalepos erhob.

„Siegfrieds Tod“ von Julius Schnorr von Carolsfeld, 1847

(Quelle: Wiki Commons)

Interview mit Prof. Dr. Hermann Reichert von der Universität Wien

Das Nibelungenlied erfreut sich immer noch großer Beliebtheit. Was macht die Geschichte um Kriemhild und Siegfried heute noch so modern?

Eine Frau, Kriemhild, will als Individuum glücklich werden; selbst entscheiden, ob und wen sie heiratet und dieselben Erbansprüche geltend machen wie ihre Brüder. Nicht nur ihr misslingt dies, sondern die ganze Gesellschaft, die Freude erreichen will, teils in der Hoffnung auf eine glückliche Liebe, teils in der Hoffnung auf Ehre bei den Mitmenschen oder als Nachruhm nach einem Heldentod, erleidet mit diesem Streben Schiffbruch. Die Überlebenden weinen wortlos. In der Literatur sterben Figuren dann, wenn ihre Aufgabe im Werk erfüllt ist – Siegfried stirbt in Strophe 995 von 2376 (nach der Zählung der besten Handschrift).

Um Kriemhild zu verstehen, muss Siegfried so liebenswürdig erzählt werden, dass wir mitfühlen, dass sie bis an ihren Tod nur mehr an Rache für den Mord an ihm denkt. Dadurch entsteht in vielen im Publikum der Eindruck, er sei die Hauptfigur. Die Problematik des Menschen wird aber aus der Sicht des Epos auf eine Frau geschildert. „Warum sie, aus der Logik der Erzählung, ihren ersten Mann so bald verlieren musste“ ist eine zutreffendere Formulierung der Frage, als „Warum Siegfried aus der Logik der Erzählung schon vor der Mitte des Epos sterben musste“.

Wieso ließ man um 1200 ein Epos, das die aktuelle politische Welt interessieren sollte, am Hof eines Königs des 5. Jahrhunderts spielen?

Man wählte alte Stoffe, um im Publikum das Gefühl zu erwecken, dass es sich um Probleme handelt, die nicht nur die Gegenwart hat, sondern die auch in lange vergangenen Zeiten schon aktuell waren und daher in tiefen Seelenschichten der Menschheit verankert sind. Schon um 1200 wollte das Publikum lieber ‚Alte Geschichten‘ als die Probleme der zeitgenössischen Kultur im Gewand historischer Namen.

Außerdem galten die ‚Burgunder‘ um 1200 nicht als längst ausgestorbenes Volk. Das Volk der Burgunder siedelte um 400 am Oberrhein (wahrscheinlich lag das Zentrum nicht in Worms, wo das Nibelungenlied es lokalisiert, sondern am anderen Rheinufer oder auch ein Stück weiter rheinabwärts). Bald darauf, 436, wurde das Reich von Römern und Hunnen vernichtet, die Reste des Volkes wurden in die Gegend südlich des Genfer Sees ausgesiedelt. Dort gingen sie allmählich in der einheimischen Bevölkerung auf. Der Name ‚Burgund‘ lebte jedoch weiter und bezeichnete im 12. Jahrhundert einen großen Teil Südfrankreichs. Kaiser Friedrich Barbarossa ließ sich 1178 in Arles zum „König von Burgund“ krönen. Für das Originalpublikum des Nibelungenliedes um 1200 waren die „Burgunden“ also nicht ein Volk aus der fernen Völkerwanderungszeit, sondern ein Volk, dem die Vorgänger des aktuellen Herrscherhauses angehört hatten.

Wie konnte aus dem Nibelungenlied ein deutsches Nationalepos entstehen?

Im 18. und 19. Jahrhundert bewunderte man die Griechen dafür, dass sie in der Ilias ein „Nationalepos“ besaßen, und wollte hinter diesen nicht zurückstehen. Vor allem im 19. Jahrhundert wurde ‚Nationalstolz’ vor allem damit begründet, dass die eigene Nation ein großartiges altes ‚Nationalepos‘ habe. Heutzutage wird der „Stolz auf die eigene Nation“ hauptsächlich dadurch genährt, dass ihr Fußball-Nationalteam bei Weltmeisterschaften gut abschneidet. Das ist Zeichen eines Wandels gesellschaftlicher Werte im Laufe der letzten 100 Jahre. Auch verstand man im 19. Jahrhundert ‚Nation‘ ganz anders als im Mittelalter oder auch heute. Frankreich war im 19. Jahrhundert stolz auf sein ‚Rolandslied‘, Spanien auf ‚El Cid‘, Italien auf Dantes ‚Commedia‘, usw. Für die Deutschen bot sich das Nibelungenlied an.

Inwiefern wurde das Werk während der beiden Weltkriege als literarische Propaganda instrumentalisiert?

Das Nibelungenlied war vor 1914 und vor 1938 als Schullektüre beliebt. Die politische Propaganda versuchte, alle bedeutenden Dichter in den Dienst der Kriegsbegeisterung zu stellen – das Nibelungenlied musste genau so wie Goethe und Schiller dafür herhalten, den Soldaten einzureden, dass Kriegerehre und unbedingte Gefolgschaftstreue überzeitlich moralisch höchste Werte seien. Das Nibelungenlied endet mit 10.000 Toten auf Seiten der Burgunden und ungezählten Toten auf der Seite ihrer Feinde; wenn man es so liest, dass ihr Verhalten und ihr Tod vorbildlich gewesen seien, kann das einen starken Propagandaeffekt ergeben, sein eigenes Leben der ‚Nation‘ in einem Krieg zu opfern. Das Nibelungenlied so zu lesen, ist allerdings ein beträchtliches Kunststück: Die Überlebenden weinen am Schluss; die Kriegerehre, nicht nur die Krieger, liegt tot da. Aber Propagandisten haben es immer fertig gebracht, Literatur selektiv zu lesen und das herauszustreichen, was in ihr Konzept passt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg galt das Nibelungenlied lange Zeit als Tabuthema. Hat sich das heute geändert?

Ja, das hat sich geändert. Früher mussten bedeutende Dichtungen Schülern im Unterricht so vorgestellt werden, dass die Hauptfiguren als moralische Vorbilder dienen konnten. Bis 1918 und bis 1945 lebte man in einem Staat, der Wert auf Bürger als gehorsame Diener legte, die für die Staatsidee zu sterben bereit waren. Da musste Literatur so interpretiert werden, dass diese Seite an den Figuren zum Vorschein kam, auch wenn es im Werk anders zu lesen steht. Unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg war diese Interpretation noch im Bewusstsein der Menschen, und sie lehnten eine Diskussion des Werkes ab, weil sie glaubten, es übermittle tatsächlich solche Werte.

Heute spielt Literaturunterricht in der politischen Erziehung eine geringe Rolle. Das eröffnet einerseits die Möglichkeit, unbelastet vom augenblicklich politisch opportunen Wertsystem das Wertesystem des betreffenden Werkes zu analysieren, anderseits hat es dazu geführt, dass viele Leute sich in der Schule und dadurch im Laufe des Lebens insgesamt weniger mit anspruchsvoller Literatur beschäftigen, die Interpretation braucht und die nicht als Trivialliteratur ohne Nachdenken konsumiert werden kann. Das heißt, die Themen, die das Nibelungenlied bringt, sind nicht tabu, und man darf sie aussprechen. Aber insgesamt wird es weniger gelesen als früher, und dadurch entgeht vielen die Gelegenheit, ein Werk kennenzulernen, das wie wenige andere Werke der Weltliteratur zu einer persönlichen Stellungnahme herausfordert.

Die Übersetzung von Karl Simrock stammt aus dem 19. Jahrhundert und ist nach dem heutigen Stand der Wissenschaft kritisch zu sehen. Sie selbst haben 2005 eine Bearbeitung des Originaltextes mit Kommentar herausgegeben. Warum sind Neubearbeitungen des Nibelungenstoffes immer noch nötig?

Die Übersetzung von Simrock ist in Versen. Durch den Zwang, Reimwörter zu finden, ist eine Übersetzung in Versen zwangsläufig in der Aussage weit vom Original entfernt. Der äußere Handlungszusammenhang wird korrekt geboten, aber gerade der ist ja bei einer erfundenen Geschichte nicht wesentlich. Dass die Geschichte nicht tatsächlich so verlief, wie das Epos sie schildert, wussten auch der Dichter und das Publikum.

Die Übertragung Simrocks bringt zusätzlich viel von der Werthaltung seiner Zeit in das Werk hinein, daher wurde sie im 19. Jahrhundert so beliebt. Allerdings bemühte sich Simrock, für die Leser altertümlich zu wirken, und wählte gern Wörter, die schon zu seiner Zeit ausgestorben waren. Heute ist sie daher für Leser, die nicht im Lesen alter Texte geübt sind, schwer zu verstehen. Sie ist aber gerade dadurch, dass Simrock Gefühlswerte verändert, ein erstklassiges Zeugnis für alle die, die das 19. Jahrhundert verstehen wollen. Moderne Übersetzungen sind zurückhaltender in der Übermittlung ‚moderner‘ Gefühlswelt, aber dadurch werden sie langweilig. Durch die feinen Nuancen der Wortbedeutungen kann man leider nur, wenn man den Text in der Originalsprache liest, von den Gefühlen und Themen, die das Epos vermittelt, erfasst werden. Die Welt des Originals zu erschließen, habe ich mich in dreifacher Hinsicht bemüht:

1. Durch die Publikation eines Textes, der der Haupthandschrift entspricht,

2. Durch einen dieser Ausgabe beigegebenen Interpretationsteil, der auf die zentralen Themen des Epos eingeht,

3. Durch ein ‚Nibelungenlied-Lehrwerk‘, das Interessierten die Möglichkeit gibt, die Sprache des Originals zu verstehen, damit man nicht auf eine, zwangsläufig verfälschende, Übersetzung angewiesen ist.


Weiterführende Informationen

Quellen

Mittelhochdeutscher, bearbeiteter Text mit einer Einführung:

Das Nibelungenlied. Nach der St. Gallener Handschrift, herausgegeben von Hermann Reichert, Berlin 2005.

Gegenüberstellung des mittelhochdeutschen und neuhochdeutschen Texts:

Das Nibelungenlied. Zweisprachig Mhd.-Nhd., herausgegeben und übertragen von Helmut De Boor, 4. Auflage, Leipzig 1992.

Sekundärliteratur

Sammelband zur Wirkung und Verarbeitung des Nibelungenlieds in den letzten zwei Jahrhunderten:

Joachim Heinzle / Anneliese Waldschmidt (Hg.), Die Nibelungen: ein deutscher Wahn, ein deutscher Alptraum. Studien und Dokumente zur Rezeption des Nibelungenstoffs im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt 1991.

Wissenschaftlich gehaltene, umfassende Einführung zu Geschichte, Aufbau und Inhalt:

Jan-Dirk Müller, Das Nibelungenlied, 3. neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Berlin 2009.

Filmografie:

Stummfilmklassiker in zwei Teilen:

Die Nibelungen, Regie: Fritz Lang (1924)

Zweiteiliger, deutscher Spielfilm, inszeniert als romantisches Liebesdrama:

Die Nibelungen, Regie: Harald Reinl (1967)

TV-Film, der das Nibelungenlied mit der nordischen Sage und Wagners Ring der Nibelungen verknüpft:

Der Ring der Nibelungen, Regie: Uli Edel (2004)

Weblinks:

Kommentierte Linkliste zum Nibelungenlied der Freien Universität Berlin:

http://www.ub.fu-berlin.de/service_neu/internetquellen/fachinformation/germanistik/ autoren/autorn/nibel.html

Website der Nibelungenliedgesellschaft Worms:

http://www.nibelungenliedgesellschaft.de/

Das Nibelungenlied

Übersetzung: Karl Simrock


Erstes Abenteuer

Wie Kriemhilden träumte

Viel Wunderdinge melden / die Mären alter Zeit

Von preiswerten Helden, / von großer Kühnheit,

Von Freud und Festlichkeiten, / von Weinen und von Klagen,

Von kühner Recken Streiten / mögt ihr nun Wunder hören sagen.

Es wuchs in Burgunden / solch edel Mägdelein,

Daß in allen Landen / nichts Schönres mochte sein.

Kriemhild war sie geheißen / und ward ein schönes Weib,

Um die viel Degen mußten / verlieren Leben und Leib.

Die Minnigliche lieben / brachte keinem Scham;

Um die viel Recken warben, / niemand war ihr gram.

Schön war ohne Maßen / die edle Maid zu schaun;

Der Jungfrau höfsche Sitte / wär eine Zier allen Fraun.

Es pflegten sie drei Könige / edel und reich,

Gunther und Gernot, / die Recken ohne gleich,

Und Geiselher der junge, / ein auserwählter Degen;

Sie war ihre Schwester, / die Fürsten hatten sie zu pflegen.

Die Herren waren milde, / dazu von hohem Stamm,

Unmaßen kühn von Kräften, / die Recken lobesam.

Nach den Burgunden / war ihr Land genannt;

Sie schufen starke Wunder / noch seitdem in Etzels Land.

Zu Worms am Rheine wohnten / die Herrn in ihrer Kraft.

Von ihren Landen diente / viel stolze Ritterschaft

Mit rühmlichen Ehren / all ihres Lebens Zeit,

Bis jämmerlich sie starben / durch zweier edeln Frauen Streit.

Ute hieß ihre Mutter, / die reiche Königin,

Und Dankrat der Vater, / der ihnen zum Gewinn

Das Erbe ließ im Tode, / vordem ein starker Mann,

Der auch in seiner Jugend / großer Ehren viel gewann.

Die drei Könige waren, / wie ich kund getan,

Stark und hohen Mutes; / ihnen waren untertan

Auch die besten Recken, / davon man hat gesagt,

Von großer Kraft und Kühnheit, / in allen Streiten unverzagt.

Das war von Tronje Hagen / und der Bruder sein,

Dankwart der schnelle; / von Metz Herr Ortewein;

Die beiden Markgrafen / Gere und Eckewart;

Volker von Alzei, / an allen Kräften wohlbewahrt;

Rumold der Küchenmeister, / ein teuerlicher Degen;

Sindold und Hunold: / die Herren mußten pflegen

Des Hofes und der Ehren, / den Köngen untertan.

Noch hatten sie viel Recken, / die ich nicht alle nennen kann.

Dankwart war Marschall; / so war der Neffe sein

Truchseß des Königs, / von Metz Herr Ortewein.

Sindold war Schenke, / ein weidlicher Degen,

Und Kämmerer Hunold: / sie konnten hoher Ehren pflegen.

Von des Hofes Ehre, / von ihrer weiten Kraft,

Von ihrer hohen Würdigkeit / und von der Ritterschaft,

Wie sie die Herren übten / mit Freuden all ihr Leben,

Davon weiß wahrlich niemand / euch volle Kunde zu geben.

In ihren hohen Ehren / träumte Kriemhilden,

Sie zög einen Falken, / stark, schön und wilden;

Den griffen ihr zwei Aare, / daß sie es mochte sehn.

Ihr konnt auf dieser Erde / größer Leid nicht geschehn.

Sie sagt' ihrer Mutter / den Traum, Frau Uten:

Die wußt ihn nicht zu deuten / als so der guten:

»Der Falke, den du ziehest, / das ist ein edler Mann:

Ihn wolle Gott behüten, / sonst ist es bald um ihn getan.«

»Was sagt ihr mir vom Manne, / viel liebe Mutter mein?

Ohne Reckenminne / will ich immer sein;

So schön will ich verbleiben / bis an meinen Tod,

Daß ich von Mannes Minne / nie gewinnen möge Not.«

»Verred es nicht so völlig,« / die Mutter sprach da so;

»Sollst du je auf Erden / von Herzen werden froh,

Das geschieht von Mannesminne: / du wirst ein schönes Weib,

Will Gott dir noch vergönnen / eines guten Ritters Leib.«

»Die Rede laßt bleiben, / viel liebe Mutter mein.

Es hat an manchen Weiben / gelehrt der Augenschein,

Wie Liebe mit Leide / am Ende gern lohnt:

Ich will sie meiden beide, / so bleib ich sicher verschont.«

Kriemhild in ihrem Mute / hielt sich von Minne frei.

So lief noch der Guten / manch lieber Tag vorbei,

Daß sie niemand wußte, / der ihr gefiel zum Mann,

Bis sie doch mit Ehren / einen werten Recken gewann.

Das war derselbe Falke, / den jener Traum ihr bot,

Den ihr beschied die Mutter. / Ob seinem frühen Tod

Den nächsten Anverwandten / wie gab sie blutgen Lohn!

Durch dieses einen Sterben / starb noch mancher Mutter Sohn.

Zweites Abenteuer

Von Siegfrieden

Da wuchs im Niederlande / eines edeln Königs Kind,

Siegmund hieß sein Vater, / die Mutter Siegelind,

In einer mächtgen Feste, / weithin wohlbekannt,

Unten am Rheine; / Xanten war sie genannt.

Ich sag euch von dem Degen, / wie so schön er ward,

Er war vor allen Schanden / immer wohl bewahrt.

Stark und hohen Namens / ward bald der kühne Mann;

Hei! was er großer Ehren / auf dieser Erde gewann!

Siegfried war geheißen / der edle Degen gut.

Er erprobte viel der Recken / in hochbeherztem Mut.

Seine Stärke führt' ihn / in manches fremde Land:

Hei! was er schneller Degen / bei den Burgunden fand!

Bevor der kühne Degen / voll erwuchs zum Mann,

Da hat er solche Wunder / mit seiner Hand getan,

Davon man immer wieder / singen mag und sagen:

Wir müssen viel verschweigen / von ihm in heutigen Tagen.

In seinen besten Zeiten / bei seinen jungen Tagen

Mochte man viel Wunder / von Siegfrieden sagen,

Wie Ehr an ihm erblühte, / und wie schön er war zu schaun:

Drum dachten sein in Minne / viel der weidlichen Fraun.

Man erzog ihn mit dem Fleiße, / wie ihm geziemend war;

Was ihm Zucht und Sitte / der eigne Sinn gebar!

Das ward noch eine Zierde / für seines Vaters Land,

Daß man zu allen Dingen / ihn so recht herrlich fand.

Er war nun so erwachsen, / mit an den Hof zu gehn.

Die Leute sahn ihn gerne; / viel Fraun und Mädchen schön

Wünschten wohl, er käme / dahin noch immerdar;

Hold waren ihm gar viele, / des ward der Degen wohl gewahr.

Selten ohne Hüter / man reiten ließ das Kind.

Mit Kleidern hieß ihn zieren / seine Mutter Siegelind;

Auch pflegten sein die Weisen, / denen Ehre war bekannt:

Drum mocht er wohl gewinnen / so die Leute wie das Land.

Nun war er in der Stärke, / daß er wohl Waffen trug:

Was er dazu bedurfte, / des gab man ihm genug.

Schon sann er zu werben / um manches schöne Kind;

Die hätten wohl mit Ehren / den schönen Siegfried geminnt.

Da ließ sein Vater Siegmund / kund tun seinem Lehn,

Mit lieben Freunden woll er / ein Hofgelag begehn.

Da brachte man die Märe / in andrer Könge Land.

Den Heimischen und Gästen / gab er Roß und Gewand.

Wen man finden mochte, / der nach der Eltern Art

Ritter werden sollte, / die edeln Knappen zart

Lud man nach dem Lande / zu der Lustbarkeit,

Wo sie das Schwert empfingen / mit Siegfried zu gleicher Zeit.

Man mochte Wunder sagen / von dem Hofgelag.

Siegmund und Siegelind / gewannen an dem Tag

Viel Ehre durch die Gaben, / die spendet' ihre Hand:

Drum sah man viel der Fremden / zu ihnen reiten in das Land.

Vierhundert Schwertdegen / sollten gekleidet sein

Mit dem jungen Könige. / Manch schönes Mägdelein

Sah man am Werk geschäftig; / ihm waren alle hold.

Viel edle Steine legten / die Frauen da in das Gold,

Die sie mit Borten wollten / auf die Kleider nähn

Den stolzen jungen Recken; / daß mußte so ergehn.

Der Wirt ließ Sitze bauen / für manchen kühnen Mann

Zu der Sonnenwende, / wo Siegfried Ritters Stand gewann.

Da ging zu einem Münster / mancher reiche Knecht

Und viel der edeln Ritter. / Die Alten taten recht,

Daß sie den Jungen dienten, / wie ihnen war geschehn.

Sie hatten Kurzweile / und freuten sich es zu sehn.

Als man da Gott zu Ehren / eine Messe sang,

Da hub sich von den Leuten / ein gewaltiger Drang,

Da sie zu Rittern wurden / dem Ritterbrauch gemäß

Mit also hohen Ehren, / so leicht nicht wieder geschähs.

Sie eilten, wo sie fanden / geschirrter Rosse viel.

Da ward in Siegmunds Hofe / so laut das Ritterspiel,

Daß man ertosen hörte / Pallas und Saal.

Die hochbeherzten Degen / gewannen fröhlichen Schall.

Von Alten und von Jungen / mancher Stoß erklang,

Daß der Schäfte Brechen / in die Lüfte drang.

Die Splitter sah man fliegen / bis zum Saal hinan.

Die Kurzweile sahen / die Fraun und Männer mit an.

Der Wirt bat es zu lassen. / Man zog die Rosse fort;

Wohl sah man auch zerbrochen / viel starke Schilde dort

Und viel der edeln Steine / auf das Gras gefällt

Von des lichten Schildes Spangen: / die hatten Stöße zerschellt.

Da setzten sich die Gäste, / wohin man ihnen riet,

Zu Tisch, wo von Ermüdung / viel edle Kost sie schied

Und Wein der allerbeste, / des man die Fülle trug.

Den Heimischen und Fremden / bot man Ehren da genug.

So viel sie Kurzweile / gefunden all den Tag,

Das fahrende Gesinde / doch keiner Ruhe pflag:

Sie dienten um die Gabe, / die man da reichlich fand;

Ihr Lob ward zur Zierde / König Siegmunds ganzem Land.

Da ließ der Fürst verleihen / Siegfried, den jungen Mann,

Das Land und die Burgen, / wie sonst er selbst getan.

Seinen Schwertgenossen / gab er mit milder Hand:

So freute sie die Reise, / die sie geführt in das Land.

Das Hofgelage währte / bis an den siebten Tag,

Sieglind die reiche / der alten Sitte pflag,

Daß sie dem Sohne zuliebe / verteilte rotes Gold:

Sie konnt es wohl verdienen, / daß ihm die Leute waren hold.

Da blieb zuletzt kein armer / Fahrender mehr im Land.

Ihnen stoben Kleider / und Rosse von der Hand,

Als hätten sie zu leben / nicht mehr denn einen Tag.

Man sah nie Ingesinde, / das so großer Milde pflag.

Mit preiswerten Ehren / zerging die Lustbarkeit.

Man hörte wohl die Reichen / sagen nach der Zeit,

Daß sie dem Jungen / gerne wären untertan;

Das begehrte nicht Siegfried, / dieser weidliche Mann.

Solange sie noch lebten, / Siegmund und Siegelind,

Wollte nicht Krone tragen / der beiden liebes Kind;

Doch wollt er herrlich wenden / alle die Gewalt,

Die in den Landen fürchtete / der Degen kühn und wohlgestalt.

Ihn durfte niemand schelten; / seit er die Waffen nahm,

Pflag er der Ruh nur selten, / der Recke lobesam.

Er suchte nur zu streiten, / und seine starke Hand

Macht' ihn zu allen Zeiten / in fremden Reichen wohlbekannt.

Drittes Abenteuer

Wie Siegfried nach Worms kam

Den Herrn beschwerte selten / irgendein Herzeleid.

Er hörte Kunde sagen, / wie eine schöne Maid

Bei den Burgunden wäre, / nach Wünschen wohlgetan,

Von der er bald viel Freuden / und auch viel Leides gewann.

Von ihrer hohen Schöne / vernahm man weit und breit,

Und auch ihr Hochgemüte / ward zur selben Zeit

Bei der Jungfrauen / den Helden oft bekannt:

Das ladete der Gäste / viel in König Gunthers Land.

So viel um ihre Minne / man Werbende sah,

Kriemhild in ihrem Sinne / sprach dazu nicht ja,

Daß sie einen wollte / zum geliebten Mann:

Er war ihr noch gar fremde, / dem sie bald war untertan.

Da sann auf hohe Minne / Sieglindens Kind;

All der andern Werben / war wider ihn wie Wind.

Er mochte wohl verdienen / ein Weib so auserwählt:

Bald ward die edle Kriemhild / dem kühnen Siegfried vermählt.

Ihm rieten seine Freunde / und die in seinem Lehn,

Hab er stete Minne / sich zum Ziel ersehn,

So soll' er werben, daß er sich / der Wahl nicht dürfe schämen.

Da sprach der edle Siegfried: / »So will ich Kriemhilden nehmen,

Die edle Königstochter / von Burgundenland,

Um ihre große Schöne. / Das ist mir wohl bekannt,

Kein Kaiser sei so mächtig, / hätt er zu frein im Sinn,

Dem nicht zu minnen ziemte / diese reiche Königin.«

Solche Märe hörte / der König Siegmund.

Es sprachen seine Leute: / also ward ihm kund

Seines Kindes Wille. / Es war ihm höchlich leid,

Daß er werben wolle / um diese herrliche Maid.

Es erfuhr es auch die Königin, / die edle Siegelind:

Die mußte große Sorge / tragen um ihr Kind,

Weil sie wohl Gunthern kannte / und die in seinem Heer;

Die Werbung dem Degen / zu verleiden fliß man sich sehr.

Da sprach der kühne Siegfried: / »Viel lieber Vater mein,

Ohn edler Frauen Minne / wollt ich immer sein,

Wenn ich nicht werben dürfte / nach Herzensliebe frei.«

Was jemand reden mochte, / so blieb er immer dabei.

»Ist dir nicht abzuraten,« / der König sprach da so,

»So bin ich deines Willens / von ganzem Herzen froh

Und will dirs fügen helfen, / so gut ich immer kann;

Doch hat der König Gunther / manchen hochfährtigen Mann.

Und wär es anders niemand / als Hagen der Degen,

Der kann im Übermute / wohl der Hochfahrt pflegen,

So daß ich sehr befürchte, / es mög uns werden leid,

Wenn wir werben wollen / um diese herrliche Maid.«

»Was mag uns gefährden?« / hub da Siegfried an:

»Was ich mir im Guten / da nicht erbitten kann,

Mag ich schon sonst erwerben / mit meiner starken Hand:

Ich will von ihm erzwingen / so die Leute wie das Land.«

»Leid ist mir deine Rede,« / sprach König Siegmund,

»Denn würde diese Märe / dort am Rheine kund,

Du dürftest nimmer reiten / in König Gunthers Land.

Gunther und Gernot, / die sind mir lange bekannt.

Mit Gewalt erwerben / kann niemand die Magd,«

Sprach der König Siegmund, / »das ist mir wohl gesagt;

Willst du jedoch mit Recken / reiten in das Land,

Die Freunde, die wir haben / die werden eilends besandt.«

»So ist mir nicht zumute,« / fiel ihm Siegfried ein,

»Daß mir Recken sollten / folgen an den Rhein

Einer Heerfahrt willen: / das wäre mir wohl leid,

Sollt ich damit erzwingen / diese herrliche Maid.

Ich will sie schon erwerben / allein mit meiner Hand.

Ich will mit zwölf Gesellen / in König Gunthers Land;

Dazu sollt ihr mir helfen, / Vater Siegmund.«

Da gab man seinen Degen / zu Kleidern grau und auch bunt.

Da vernahm auch diese Märe / seine Mutter Siegelind;

Sie begann zu trauern / um ihr liebes Kind:

Sie bangt es zu verlieren / durch die in Gunthers Heer.

Die edle Königstochter / weinte darüber sehr.

Siegfried der Degen / ging hin, wo er sie sah.

Wider seine Mutter / gütlich sprach er da:

»Frau, ihr sollt nicht weinen / um den Willen mein:

Wohl will ich ohne Sorgen / vor allen Weiganden sein.

Nun helft mir zu der Reise / nach Burgundenland,

Daß mich und meine Recken / ziere solch Gewand,

Wie so stolze Degen / mit Ehren mögen tragen:

Dafür will ich immer / den Dank von Herzen euch sagen.«

»Ist dir nicht abzuraten,« / sprach Frau Siegelind,

»So helf ich dir zur Reise, / mein einziges Kind,

Mit den besten Kleidern, / die je ein Ritter trug,

Dir und deinen Degen: / ihr sollt der haben genug.«

Da neigte sich ihr dankend / Siegfried der junge Mann.

Er sprach: »Nicht mehr Gesellen / nehm ich zur Fahrt mir an

Als der Recken zwölfe: / verseht die mit Gewand.

Ich möchte gern erfahren, / wie's um Kriemhild sei bewandt.«

Da saßen schöne Frauen / über Nacht und Tag,

Daß ihrer selten eine / der Muße eher pflag,

Bis sie gefertigt hatten / Siegfriedens Staat.

Er wollte seiner Reise / nun mit nichten haben Rat.

Sein Vater hieß ihm zieren / sein ritterlich Gewand,

Womit er räumen wollte / König Siegmunds Land.

Ihre lichten Panzer, / die wurden auch bereit,

Und ihre festen Helme, / ihre Schilde schön und breit.

Nun sahen sie die Reise / zu den Burgunden nahn.

Um sie begannen zu sorgen / beides, Weib und Mann,

Ob sie je wiederkommen / sollten in das Land.

Sie geboten aufzusäumen / die Waffen und das Gewand.

Schön waren ihre Rosse, / ihr Reitzeug goldesrot;

Wenn wer sich höher deuchte, / so war es ohne Not,

Als der Degen Siegfried / und die ihm untertan.

Nun hielt er um Urlaub / zu den Burgunden an.

Den gaben ihm mit Trauern / König und Königin.

Er tröstete sie beide / mit minniglichem Sinn

Und sprach: »Ihr sollt nicht weinen / um den Willen mein,

Immer ohne Sorgen / mögt ihr um mein Leben sein.«

Es war leid den Recken, / auch weinte manche Maid:

Sie ahnten wohl im Herzen, / daß sie es nach der Zeit

Noch schwer entgelten müßten / durch lieber Freunde Tod.

Sie hatten Grund zu klagen, / es tat ihnen wahrlich not.

Am siebenten Morgen / zu Worms an den Strand

Ritten schon die Kühnen; / all ihr Gewand

War von rotem Golde, / ihr Reitzeug wohlbestellt;

Ihnen gingen sanft die Rosse, / die sich da Siegfried gesellt.

Neu waren ihre Schilde, / licht dazu und breit,

Und schön ihre Helme, / als mit dem Geleit

Siegfried der kühne / ritt in Gunthers Land.

Man ersah an Helden / nie mehr so herrlich Gewand.

Der Schwerter Enden gingen / nieder auf die Sporen;

Scharfe Speere führten / die Ritter auserkoren.

Von zweier Spannen Breite / war, welchen Siegfried trug;

Der hat an seinen Schneiden / grimmer Schärfe genug.

Goldfarbne Zäume / führten sie an der Hand;

Der Brustriem war von Seide; / so kamen sie ins Land.

Da gafften sie die Leute / allenthalben an:

Gunthers Mannen liefen / sie zu empfangen heran.

Die hochbeherzten Recken, / Ritter sowie Knecht,

Liefen den Herrn entgegen, / so war es Fug und Recht,

Und begrüßten diese Gäste / in ihrer Herren Land;

Die Pferde nahm man ihnen / und die Schilde von der Hand.

Da wollten sie die Rosse / ziehn zu ihrer Rast;

Da sprach aber Siegfried / alsbald, der kühne Gast:

»Laßt uns noch die Pferde / stehen kurze Zeit;

Wir reiten bald von hinnen; / dazu bin ich ganz bereit.

Man soll uns auch die Schilde / nicht von dannen tragen;

Wo ich den König finde, / kann mir das jemand sagen,

Gunther den reichen, / aus Burgunderland?«

Da sagt es ihm einer, / dem es wohl war bekannt.

»Wollt ihr den König finden, / das mag gar leicht geschehn:

In jenem weiten Saale / hab ich ihn gesehn

Unter seinen Helden: / da geht zu ihm hinan,

So mögt ihr bei ihm finden / manchen herrlichen Mann.«

Nun waren auch die Mären / dem König schon gesagt

Daß auf dem Hofe wären / Ritter unverzagt;

Sie führten lichte Panzer / und herrlich Gewand;

Sie erkenne niemand / in der Burgunden Land.

Den König nahm es wunder, / woher gekommen sei'n

Die herrlichen Recken / im Kleid von lichtem Schein

Und mit so guten Schilden, / so neu und so breit.

Daß ihm das niemand sagte, / das war König Gunthern leid.

Zur Antwort gab dem König / von Metz Herr Ortewein;

Stark und kühnen Mutes / mocht er wohl sein:

»Da wir sie nicht erkennen, / so heißt jemand gehn

Nach meinem Oheim Hagen: / dem sollt ihr sie lassen sehn.

Ihm sind wohl kund die Reiche / und alles fremde Land:

Erkennt er die Herren, / das macht er uns bekannt.«

Der König ließ ihn holen / und die in seinem Lehn:

Da sah man ihn herrlich / mit Recken hin zu Hofe gehn.

Warum nach ihm der König, / frug Hagen da, geschickt?

»Es werden fremde Degen / in meinem Haus erblickt,

Die niemand mag erkennen: / habt ihr in fernem Land

Sie wohl schon gesehen? / das macht mir, Hagen, bekannt.«

»Das will ich,« sprach Hagen. / Zum Fenster schritt er drauf:

Da ließ er nach den Gästen / den Augen freien Lauf.

Wohl gefiel ihm ihr Geräte / und all ihr Gewand;

Doch waren sie ihm fremde / in der Burgunden Land.

Er sprach, woher die Recken / auch kämen an den Rhein,

Es möchten selber Fürsten / oder Fürstenboten sein.

»Schön sind ihre Rosse / und ihr Gewand ist gut:

Von wannen sie auch ritten, / es sind Helden hochgemut.«

Also sprach da Hagen: / »Soviel ich mag verstehn,

Hab ich gleich im Leben / Siegfrieden nie gesehn,

So will ich doch wohl glauben, / wie es damit auch steht,

Daß er es sei, der Degen, / der so herrlich dorten geht.

Er bringt neue Mären / her in dieses Land:

Die kühnen Nibelungen / schlug des Helden Hand,

Die reichen Königssöhne / Schilbung und Nibelung;

Er wirkte große Wunder / mit des starken Armes Schwung.

Als der Held alleine / ritt aller Hilfe bar,

Fand er an einem Berge, / so hört' ich immerdar,

Bei König Niblungs Horte / manchen kühnen Mann;

Sie waren ihm gar fremde, / bis er hier die Kunde gewann.

Der Hort König Nibelungs / ward hervorgetragen

Aus einem hohlen Berge: / nun hört Wunder sagen,

Wie ihn teilen wollten, / die Niblung untertan.

Das sah der Degen Siegfried, / den es zu wundern begann.

So nah kam er ihnen, / daß er die Helden sah

Und ihn die Degen wieder. / Der eine sagte da:

›Hier kommt der starke Siegfried, / der Held aus Niederland.‹

Seltsame Abenteuer / er bei den Nibelungen fand.

Den Recken wohl empfingen / Schilbung und Nibelung.

Einhellig baten / die edeln Fürsten jung,

Daß ihnen teilen möchte / den Schatz der kühne Mann:

Das begehrten sie, bis endlich / ers zu geloben begann.

Er sah so viel Gesteines, / wie wir hören sagen,

Hundert Leiterwagen, / die möchten es nicht tragen,

Noch mehr des roten Goldes / vom Nibelungenland:

Das alles sollte teilen / des kühnen Siegfriedes Hand.

Sie gaben ihm zum Lohne / König Niblungs Schwert.

Da wurden sie des Dienstes / gar übel gewährt,

Den ihnen leisten sollte / Siegfried der Degen gut:

Er konnt es nicht vollbringen: / sie hatten zornigen Mut.

So mußt er ungeteilet / die Schätze lassen stehn.

Da bestanden ihn die Degen / in der zwei Könge Lehn:

Mit ihres Vaters Schwerte, / das Balmung war genannt,

Stritt ihnen ab der Kühne / den Hort und Nibelungenland.

Da hatten sie zu Freunden / kühne zwölf Mann,

Die starke Riesen waren: / was konnt es sie verfahn?

Die erschlug im Zorne / Siegfriedens Hand,

Und siebenhundert Recken / zwang er vom Nibelungenland

Mit dem guten Schwerte / geheißen Balmung.

Vom Schrecken überwältigt / war mancher Degen jung

Zumal vor dem Schwerte / und vor dem kühnen Mann:

Das Land mit den Burgen / machten sie ihm untertan.

Dazu die reichen Könige, / die schlug er beide tot.

Er kam durch Albrichen / darauf in große Not:

Der wollte seine Herren / rächen allzuhand,

Eh er die große Stärke / noch an Siegfrieden fand.

Mit Streit bestehen konnt ihn / da nicht der starke Zwerg.

Wie die wilden Leuen / liefen sie an den Berg,

Wo er die Tarnkappe / Albrichen abgewann:

Da war des Hortes Meister / Siegfried der schreckliche Mann.

Die sich getraut zu fechten, / die lagen all erschlagen,

Den Schatz ließ er wieder / nach dem Berge tragen,

Dem ihn entnommen hatten, / die Niblung untertan.

Alberich der starke / das Amt des Kämmrers gewann.

Er mußt ihm Eide schwören, / er dien ihm als sein Knecht;

Zu aller Art Diensten / ward er ihm gerecht.«

So sprach von Tronje Hagen: / »Das hat der Held getan;

Also große Kräfte / nie mehr ein Recke gewann.

Noch ein Abenteuer / ist mir von ihm bekannt:

Einen Linddrachen / schlug des Heldes Hand;

Als er im Blut sich badete, / ward hörnern seine Haut.

So versehrt ihn keine Waffe: / das hat man oft an ihm geschaut.

Man soll ihn wohl empfangen, / der beste Rat ist das,

Damit wir nicht verdienen / des schnellen Recken Haß.

Er ist so kühnen Sinnes, / man seh ihn freundlich an:

Er hat mit seinen Kräften / so manche Wunder getan.«

Da sprach der mächtge König: / »Gewiß, du redest wahr:

Nun sieh, wie stolz er dasteht / vor des Streits Gefahr,

Dieser kühne Degen / und die in seinem Lehn!

Wir wollen ihm entgegen / hinab zu dem Recken gehn.«

»Das mögt ihr,« sprach da Hagen, / »mit allen Ehren schon:

Er ist von edelm Stamme, / eines reichen Königs Sohn;

Auch hat er die Gebäre, / mich dünkt, beim Herren Christ,

Es sei nicht kleine Märe, / um die er hergeritten ist.«

Da sprach der Herr des Landes: / »Nun sei er uns willkommen.

Er ist kühn und edel, / das hab ich wohl vernommen;

Des soll er auch genießen / im Burgundenland.«

Da ging der König Gunther / hin, wo er Siegfrieden fand.

Der Wirt und seine Recken / empfingen so den Mann,

Daß wenig an dem Gruße / gebrach, den er gewann;

Des neigte sich vor ihnen / der Degen ausersehn.

In großen Züchten sah man / ihn mit seinen Recken stehn.

»Mich wundert diese Märe,« / sprach der Wirt zuhand,

»Von wannen, edler Siegfried, / ihr kamt in dieses Land,

Oder was ihr wollet suchen / zu Worms an dem Rhein.«

Da sprach der Gast zum König: / »Das soll euch unverhohlen sein.

Ich habe sagen hören / in meines Vaters Land,

An euerm Hofe wären, / das hätt ich gern erkannt,

Die allerkühnsten Recken, / so hab ich oft vernommen,

Die je gewann ein König: / darum bin ich hierher gekommen.

So hör ich auch euch selber / viel Mannheit zugestehn,

Man habe keinen König / noch je so kühn gesehn.

Das rühmen oft die Leute / in all diesem Land;

Nun kann ichs nicht verwinden, / bis ich die Wahrheit befand.

Ich bin auch ein Recke / und soll die Krone tragen:

Ich möcht es gerne fügen, / daß sie von mir sagen,

Daß ich mit Recht besäße / die Leute wie das Land.

Mein Haupt und meine Ehre / setz ich dawider zu Pfand.

Wenn ihr denn so kühn seid, / wie euch die Sage zeiht,

So frag ich nicht, ists jemand / lieb oder leid:

Ich will von euch erzwingen, / was euch angehört,

Das Land und die Burgen / unterwerf ich mit meinem Schwert.«

Der König war verwundert / und all sein Volk umher,

Als sie vernahmen / sein seltsam Begehr,

Daß er ihm zu nehmen / gedächte Leut und Land.

Das hörten seine Degen, / die wurden zornig zuhand.

»Wie sollt ich das verdienen,« / sprach Gunther der Degen,

»Wes mein Vater lange / mit Ehren durfte pflegen,

Daß wir das verlören / durch jemands Überkraft?

Das wäre schlecht bewiesen, / daß wir auch pflegen Ritterschaft!«

»Ich will davon nicht lassen,« / fiel ihm der Kühne drein:

»Von deinen Kräften möge / dein Land befriedet sein,

Ich will es nun verwalten; / doch auch das Erbe mein,

Erwirbst du es durch Stärke, / es soll dir untertänig sein.

Dein Erbe wie das meine, / wir schlagen gleich sie an,

Und wer von uns den andern / überwinden kann,

Dem soll es alles dienen, / die Leute wie das Land.«

Dem widersprach da Hagen / und mit ihm Gernot zuhand.

»So stehn uns nicht die Sinne,« / sprach da Gernot,

»Nach neuen Lands Gewinne, / daß jemand sollte tot

Vor Heldeshänden liegen: / reich ist unser Land,

Das uns mit Recht gehorsamt, / zu niemand besser bewandt.«

In grimmigem Mute / standen da die Freunde sein.

Da war auch darunter / von Metz Herr Ortewein.

Der sprach: »Diese Sühne / ist mir von Herzen leid:

Euch ruft der starke Siegfried / ohn allen Grund in den Streit.

Wenn ihr und eure Brüder / ihm auch nicht steht zur Wehr,

Und ob er bei sich führte / ein ganzes Königsheer,

So wollt ichs doch erstreiten, / daß der starke Held

Also hohen Übermut / wohl mit Recht beiseite stellt.«

Darüber zürnte mächtig / der Held vom Niederland:

»Nicht wider mich vermessen / darf sich deine Hand:

Ich bin ein reicher König, / du bist in Königs Lehn;

Deiner zwölfe dürften / mich nicht im Streite bestehn.«

Nach Schwertern rief da heftig / von Metz Herr Ortewein:

Er durfte Hagens Schwestersohn / von Tronje wahrlich sein.

Daß der so lang geschwiegen, / das war dem König leid.

Da sprach zum Frieden Gernot, / ein Ritter kühn und allbereit.

»Laßt euer Zürnen bleiben,« / hub er zu Ortwein an:

»Uns hat der edle Siegfried / noch solches nicht getan:

Wir scheiden es in Güte / wohl noch, das rat ich sehr,

Und haben ihn zum Freunde; / es geziemt uns wahrlich mehr.«

Da sprach der starke Hagen: / »Uns ist billig leid

Und all euern Degen, / daß er je zum Streit

Kam an den Rhein geritten: / was ließ er das nicht sein?

So übel nie begegnet / wären ihm die Herren mein.«

Da sprach wieder Siegfried, / der kraftvolle Held:

»Wenn euch, was ich gesprochen, / Herr Hagen, mißfällt,

So will ich schauen lassen, / wie noch die Hände mein

Gedenken, so gewaltig / bei den Burgunden zu sein.«

»Das hoff ich noch zu wenden,« / sprach da Gernot.

Allen seinen Degen / zu reden er verbot

In ihrem Übermute, / was ihm wäre leid.

Da gedacht auch Siegfried / an die viel herrliche Maid.

»Wie geziemt uns mit euch streiten?« / sprach wieder Gernot.

»Wieviel dabei der Helden / auch fielen in den Tod,

Wenig Ehre brächt uns / so ungleicher Streit.«

Die Antwort hielt da Siegfried, / König Siegmunds Sohn, bereit:

»Warum zögert Hagen / und auch Ortewein,

Daß er nicht zum Streite / eilt mit den Freunden sein,

Deren er so manchen / bei den Burgunden hat?«

Sie blieben Antwort schuldig, / das war Gernotens Rat.

»Ihr sollt uns willkommen sein,« / sprach Geiselher das Kind,

»Und eure Heergesellen, / die hier bei euch sind:

Wir wollen gern euch dienen, / ich und die Freunde mein.«

Da hieß man den Gästen / schenken König Gunthers Wein.

Da sprach der Wirt des Landes: / »Alles was uns gehört,

Verlangt ihr es in Ehren, / das sei euch unverwehrt;

Wir wollen mit euch teilen / unser Gut und Blut.«

Da ward dem Degen Siegfried / ein wenig sanfter zumut.

Da ließ man ihnen wahren / all ihr Wehrgewand:

Man suchte Herbergen, / die besten, die man fand:

Siegfriedens Knappen / schuf man gut Gemach.

Man sah den Fremdling gerne / in Burgundenland hernach.

Man bot ihm große Ehre / darauf in manchen Tagen,

Mehr zu tausend Malen, / als ich euch könnte sagen;

Das hatte seine Kühnheit / verdient, das glaubt fürwahr.

Ihn sah wohl selten jemand, / der ihm nicht gewogen war.

Flissen sich der Kurzweil / die Könge und ihr Lehn,

So war er stets der Beste, / was man auch ließ geschehn.

Es konnt ihm niemand folgen, / so groß war seine Kraft,

Ob sie den Stein warfen / oder schossen den Schaft.

Nach höfscher Sitte ließen / sich auch vor den Fraun

Der Kurzweile pflegend / die kühnen Ritter schaun;

Da sah man stets den Helden / gern vom Niederland;

Er hatt' auf hohe Minne / seinen Sinn gewandt.

Die schönen Fraun am Hofe / erfragten Märe,

Wer der stolze fremde / Recke wäre.

»Er ist so schön gewachsen, / so reich ist sein Gewand!«

Da sprachen ihrer viele: / »Das ist der Held von Niederland.«

Was man beginnen wollte, / er war dazu bereit;

Er trug in seinem Sinne / eine minnigliche Maid,

Und auch nur ihn die Schöne, / die er noch nie gesehn,

Und die sich doch viel Gutes / von ihm schon heimlich versehn.

Wenn man auf dem Hofe / das Waffenspiel begann,

Ritter so wie Knappen, / immer sah es an

Kriemhild aus den Fenstern, / die Königstochter hehr;

Keiner andern Kurzweil / hinfort bedurfte sie mehr.

Und wüßt er, daß ihn sähe, / die er im Herzen trug,

Davon hätt er Kurzweil / immerdar genug.

Ersähn sie seine Augen, / ich glaube sicherlich,

Keine andre Freude / hier auf Erden wünscht' er sich.