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Franziska Franz

Mainkurtod

Ein Frankfurt-Krimi







1. Ausgabe, August 2019

Copyright © 2019 by edition krimi, Hamburg

edition krimi

Alle Rechte vorbehalten

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Lektorat: Nina Ziegler, Frankfurt

Umschlaggestaltung: © Annelie Lamers, edition krimi

Umschlagmotiv: www.pixabay.com

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ISBN 978-3-946734-24-6 (ebook)

ISBN 978-3-946734-23-9 (print)

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www.edition-krimi.de

1

Gefangen

Ich zitterte am ganzen Leib. Zum Glück war ich endlich wach. Dieser grausame Traum, er war vorbei. So beklemmend das Gefühl war, das er hinterlassen hatte, an den Traum selbst konnte ich mich nicht mehr erinnern.

Mein Gott war mir kalt.

Mein Kopf schmerzte erbärmlich und nicht nur der Kopf, der ganze Körper. Ich war völlig verkrampft. Ich blinzelte. Es war stockfinster, scheinbar mitten in der Nacht.

Schlaf bloß nicht wieder ein, Marlene.

Ich wollte nach dem Lichtschalter tasten, aber ich hatte große Mühe, mich zu bewegen – und dieser grauen­volle Kopfschmerz!

Was hast du denn gestern bloß getan, dass du so leidest?

Ich zermarterte mir den Kopf, doch es gelang mir einfach nicht, mich daran zu erinnern. Ich nahm all meine Kraft zusammen und versuchte, mich aufzusetzen, doch es wollte mir nicht gelingen. Verdammt, ich war völlig bewegungsunfähig.

Ich zitterte jetzt noch stärker. Panik machte sich in mir breit. Warum konnte ich mich denn nicht bewegen?

Du schläfst immer noch. Werde wach, Marlene, es ist nichts weiter als ein Albtraum.

Ich riss die Augen auf und schloss sie wieder, kniff sie fest zusammen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass ich wach war, so etwas konnte man nicht träumen, oder doch? Beinahe wünschte ich mir den Schlaf zurück, denn sonst musste ich mir jetzt ernsthaft Sorgen über meinen körperlichen Zustand machen. Ich fror so furchtbar. Meine Decke musste runtergefallen sein, das war wohl auch der Grund für die Steifheit meiner Glieder. Ich musste mich unbedingt zudecken.

Wieder versuchte ich mich aufzurichten, doch fehlte mir immer noch die Kraft dazu. Ich schaute zum Fenster. Merkwürdig, nicht der geringste Lichtschein war auszumachen. Dabei stand nicht weit vom Haus entfernt eine Straßenlaterne. Wie oft hatte ich mich schon darüber geärgert, denn obwohl ich schwere Vorhänge besaß, ließ sich nicht vermeiden, dass Licht ins Zimmer fiel. Doch wieso jetzt nicht, war das Licht ausgefallen? Dazu diese unnatürliche Stille. Ich hörte weder ein Auto, noch die Straßenbahn, die direkt vor meinem Haus entlang fuhr.

So etwas kann vorkommen. Es ist mitten in der Nacht, da fährt die Straßenbahn nicht. Beruhige dich und versuche dich jetzt zu konzentrieren.

Mein Rücken schmerzte als läge er auf Beton. Ich wollte mich umdrehen, ich hatte eindeutig zu lange in dieser Position gelegen. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte mit aller Kraft meinen Arm zu bewegen und da, ganz plötzlich, zuckte meine Hand. Gott sei Dank! Ich war offenbar nicht gelähmt. Konnte so etwas überhaupt geschehen, dass man ganz plötzlich über Nacht gelähmt war? Gab es eine solche Krankheit? Es muss ein Nervenleiden sein, das mich befallen hatte. Klar, das konnte schon möglich sein. Ein infiziertes Insekt vielleicht, es gab heutzutage so viele neue Insekten, wer weiß, was sie alles übertragen konnten. Solange es nur bitte eine vorübergehende Erscheinung war.

Jetzt ganz ruhig bleiben, tief atmen, Marlene, versuch es nochmal.

Ich nahm einen feuchten, modrigen, ja widerlichen Geruch wahr. Diesen Geruch kannte ich nicht. Und schon gar nicht aus meiner Wohnung. Was hatte das nur alles zu bedeuten?

Vor lauter Angst begann ich zu schwitzen. Auf meiner Stirn bildete sich kalter Schweiß.

Steh sofort auf!

Dieses Mal schob sich mein Arm Zentimeter für Zentimeter zur Seite. Mit einem leichten Ruck landete er neben meiner Hüfte. Meine Finger machten zaghafte Tastbewegungen. Es fühlte sich merkwürdig an. Ich erschrak zutiefst. Ich fühlte kalten Stein unter mir. Ich lag eindeutig nicht auf meinem Bett, sondern auf Beton.

Tränen stiegen mir in die Augen.

Was ist mit dir passiert, warum erinnerst du dich denn nicht?

Angestrengt dachte ich darüber nach, was gestern, was vorgestern gewesen war. Ich wusste es nicht. Ich erinnerte mich einfach nicht. Dieser Kopfschmerz, wenn doch nur dieser heftige Kopfschmerz vergehen würde! Ich versuchte, mich mit der rechten Hand hochzustemmen, doch ich war zu schwer dazu, wenn nicht endlich auch die linke Hand mithalf.

Ich begann zu weinen. Nein, bitte, keine Zeit, sich gehen zu lassen.

Reiß dich zusammen und steh endlich auf!

Erneut stemmte ich mich mit aller Kraft auf den rechten Arm und konnte meinen Rumpf nun leicht anheben. Erleichtert rollte ich ein Stück zur Seite.

Jetzt stieß es mir bitter auf, als hätte ich Medikamente genommen. Ich nahm meine ganze Kraft zusammen und zog meine Knie an, schlang meine Arme darum, und mit einem kräftigen Ruck zog ich mich hoch. Jetzt war ich völlig kraftlos, doch wenigstens saß ich nun.

Ich lauschte angestrengt. Es blieb totenstill. Wo war ich bloß und wie zum Teufel war ich hier hergekommen?

„Hallo? Hallo, hört mich jemand?“, rief ich mit krächzender Stimme.

„Hallo?“ Ich versuchte es lauter.

Dreh dich um und kriech zur Tür, irgendwo wird ja wohl eine Tür sein.

Mühevoll drehte ich mich, begann vorwärts zu robben. Zentimeter für Zentimeter. Ich ertastete die Wand, kroch weiter, Stück für Stück. Nichts stand im Weg, an dem ich mich hätte verletzen können, nicht mein Schreibtisch, an dessen Bein ich mich so oft gestoßen hatte, nicht einmal ein Regal. Dieser Raum schien absolut leer zu sein. Spätestens jetzt gestand ich mir endgültig ein, dass ich nicht zuhause war, dies war kein Traum sondern ein realer Albtraum. Mit der linken Hand ertastete ich die Wand. Plötzlich entdeckte ich – eine Eisentür?

Ich war so matt, dass ich eine Pause einlegen musste. Ich lehnte mich gegen die Wand, umfasste mit beiden Händen meinen hämmernden Schädel und atmete schwer. Ich musste ruhig werden. Ich schloss die Augen und versuchte, die Angst in den Griff zu bekommen, denn sie verstärkten den Schmerz. Als das Hämmern ein wenig nachließ, versuchte ich mich erneut zu erinnern.

Gestern. War ich nicht gestern Abend verabredet gewesen – mit Anja? Ich begann, vorsichtig meine Schläfen zu massieren. Nein, es war anders. Anja war nicht da gewesen. Meine Freundin Anja hatte sich seit längerer Zeit nicht gemeldet. War es nicht so? Erinnerungsfetzen schossen wie Blitze in mein Gedächtnis. Ich machte mir Sorgen um sie. Stimmte das oder bildete ich mir das ein? Ich konnte nicht weiterdenken, mir war speiübel. Ich war kurz davor, mich zu übergeben. Oh nein, bitte nicht, mein Kopf würde platzen. Ich glitt an der Wand herab und legte mich flach auf den kalten Boden.

Konzentriere dich auf deine Atmung. Langsam ein- und ausatmen.

Ich musste wohl vor Erschöpfung eingeschlafen sein, denn als ich erwachte, fühlte ich mich ein wenig besser. Mein Kopf schmerzte immer noch, er drohte aber nicht länger zu explodieren. Erneut setzte ich mich auf. Da war diese Eisentür. Sicher sinnlos, doch ich musste nach der Klinke suchen. Mit einigem Kraftaufwand erhob ich mich. Zittrig stand ich auf meinen Beinen, doch hatte ich es endlich geschafft – ich stand. Mit den Fingern ertastete ich die Tür. Allerdings gab es weder einen Griff, noch einen Knauf – nichts. Ich stemmte mich mit aller Kraft gegen die Tür. Wie bereits erwartet bewegte sie sich nicht. Ein Schluchzer löste sich aus meiner Kehle. Ich biss die Zähne zusammen. Es musste doch eine Lösung geben. Ich schob mich an der Wand entlang, versuchte mir vorzustellen, wie groß dieser Raum sein mochte, aber wegen der völligen Finsternis fiel mir dies schwer. Ich musste ihn mit den Füßen abmessen. Ich schob mich also zurück zur Tür. Von dort aus waren es zwei Meter bis zur Ecke des Raums. Nun machte ich ungefähr einen Meter lange Schritte. Nach dreißig Schritten stieß ich mit dem Fuß gegen einen harten Gegenstand. Ich blieb wie erstarrt stehen. Wenn ich doch nur irgendetwas hätte sehen können! So finster stellte ich mir das Grab vor. Vorsichtig streckte ich den Arm aus und fühlte kaltes Metall. Der Gegenstand war rund und hoch und reichte mir fast bis zum Kinn. Eine riesige Tonne? Ich fuhr mit der Hand am Rand entlang. Die Tonne war verschlossen. Ich streckte den Arm aus, konnte jedoch den gegenüberliegenden Rand nicht erreichen. Also musste die Tonne einen Durchmesser von mindestens einem Meter haben oder mehr, so schätzte ich. Was mochte sich darin befinden? Ich trat dagegen. Sie war definitiv nicht leer. Ich schob mich am Rand der Tonne entlang und erreichte die Wand. Die Tonne stand also in der Ecke des Raumes. Demnach hatte ich von der Tür aus etwa zweiunddreißig Meter berechnet. Ich fragte mich, warum ich all das tat. Warum blieb ich nicht an der Tür sitzen und hoffte auf Hilfe? Ich schüttelte entschieden den Kopf. Darauf zu hoffen war sicher aussichtslos. Außerdem musste ich wohl jederzeit damit rechnen, dass derjenige, der mich hier eingesperrt hatte, wiederkam. Vielleicht fand sich hier ja doch noch irgendetwas Brauchbares, mit dem ich mich würde wehren oder verteidigen können. Also weiter.

Ich hatte fünf große Schritte gemacht, da stieß ich gegen den nächsten Gegenstand. Wie ich sofort feststellte, handelte es sich wiederum um eine Tonne, möglicherweise identisch. Ich musste wohl in einer Art Lagerraum eingesperrt sein. Wieder fuhr ich mit der Hand am Rand entlang. Auch diese Tonne war verschlossen, doch der Deckel bewegte sich etwas. Mein Herz begann zu rasen, wenngleich ich nicht wusste, weshalb. Was würde es besser machen, wenn ich den Inhalt untersuchen würde? Wer weiß, vielleicht befanden sich sogar giftige Chemikalien darin. Plötzlich verspürte ich unbändigen Durst. Und wenn es nun Wasser war? Sogleich ekelte mich dieser Gedanke. Dann war es natürlich abgestandenes Brackwasser. Ich war jetzt so erschöpft, dass ich mich setzen musste. Ich ließ mich an der Wand hinuntergleiten und schlang die Arme um mich. Ich zitterte.

Konzentriere dich, Marlene. Was ist gestern geschehen?

Plötzlich erschienen erneut Bilder in meinem Kopf. Es hing alles irgendwie mit Anja zusammen. Wieder wollten mir die Gedanken nicht gehorchen.

Was ist geschehen, Marlene? Erinnere dich doch!

Ich kniff die Augen zusammen. Da war diese Verabredung gewesen: War es nicht Clemens, den ich hatte treffen wollen? Alles verschwamm vor meinen Augen, noch bevor ich in der Lage war, es deutlich zu sehen. Es hatte keinen Zweck. Mein Kopf verweigerte mir einfach seinen Dienst.

Dieser schreckliche Durst. Ich musste in die Tonne schauen. Vielleicht hatte ich Glück und es war Regenwasser darin. Ich schien verrückt zu werden, dass ich so etwas Unsinniges denken konnte. Wie sollte denn das Wasser da hineingekommen sein? Aber diese ganze Situation war so beängstigend, dass ich nicht anders konnte, als mich an einem kleinen Fünkchen Hoffnung festzuhalten.

Der Deckel war verdammt schwer. Ich drückte und schob, bis er sich endlich ein Stückchen zur Seite bewegte. Ein grauenhaft stechender Geruch stieg mir in die Nase. Würgend wich ich zurück.

Mach den Deckel zu, Marlene. Schnell!

Stattdessen hielt ich mir die Nase zu und ging erneut zu der Tonne. Es war eindeutig fauliges Wasser darin. Was, wenn ich nur einen einzigen Schluck davon trinken würde? Ich hatte so schrecklichen Durst, so unfassbaren Durst! Wenigstens die Lippen benetzen. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich nichts getrunken hatte, aber das ungute Gefühl, dass ich bald verdursten würde. Ich musste verrückt geworden sein, dass ich die Hand in diese ekelhaft stinkende Brühe steckte. Nein, das reichte jetzt. Gerade wollte ich sie angewidert herausziehen, als meine Finger etwas berührten. Ich schrie auf, sprang zurück. Was war das?

2

1. Juni 2016

Geschafft. Endlich hatte ich meine Wohnung bezogen. Ich hatte Glück, denn eine Wohnung in zentraler Lage in Frankfurt war nicht leicht zu bekommen, wenn man nicht horrende Summen dafür ausgeben wollte. Und das wollte ich weder, noch konnte ich es. Ich war neu in dieser Stadt, der kleinsten Metropole der Welt, mit einem Flughafen, den man das Drehkreuz Europas nannte.

Als Maklerin war ich vor einigen Monaten in eine winzige Wohnung in Frankfurt Bornheim gezogen. Sie war nicht nur sehr dunkel, sondern auch laut, denn die Wohnung lag direkt an der Wittelsbacherallee, einer vielbefahrenen Straße, dafür hatte ich eine Straßenbahnhaltestelle direkt vor der Haustür. Dennoch war die Wohnung im Osten von Frankfurt nicht optimal gelegen, wenn ich regelmäßig ins Zentrum fahren musste. Deshalb war für mich nun der geeignete Zeitpunkt gekommen, um im Süden Frankfurts eine Bleibe zu suchen. Schließlich hatte ich vor, in den nächsten Wochen eine Festanstellung im Maklerbüro Richter anzunehmen, einem renommierten Unternehmen wie man mir bestätigt hatte. Zwar war Herr Richter gerade im Urlaub, aber seine rechte Hand, Frau Malmann, hatte die Befugnis, neue Mitarbeiter einzustellen, und ich hoffte inständig, dass Herr Richter mich nicht ablehnen würde. Jedenfalls musste ich mich nun bewähren, dann konnte eigentlich alles gut werden.

Für den Maklerberuf kam es natürlich auch auf die Optik an, wie ich wusste. Selten wurden unattraktive Maklerinnen eingestellt. Ich passte aber durchaus in den Standard, war groß, blond und schlank – ansehnlich, wie man mir oft sagte. Für die passenden Outfits musste ich noch ein wenig sparen, doch für den Anfang war ich gut genug angezogen, gab es in Frankfurt doch auch die Möglichkeit, sich mit einem kleineren Geldbeutel im Business Style einzukleiden. Und wenn ich erst ein paar Aufträge in der Tasche hätte, würde die Sache schon ganz anders aussehen.

Der neue Job jedenfalls war die Gelegenheit, mein Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Gebürtig kam ich aus Westfalen. Schon als Kind war mir klar, dass ich nicht in der Provinz bleiben wollte. Ich musste raus aus der Enge der Kleinstadt. Nun war ich sechsundzwanzig, ein wunderbares Alter: ich hatte das ganze Leben noch vor mir. Und ich war verdammt neugierig darauf. Da ich momentan Single war, gab es nichts und niemanden, auf den ich Rücksicht zu nehmen brauchte.

Meine Eltern waren von meinem Berufswunsch nicht recht überzeugt gewesen. Unseriös fanden sie es. „Man braucht keinen Makler, der einem das Geld aus der Tasche zieht“, sagte Vater einmal.

Und dann ausgerechnet ein Pflaster wie Frankfurt. Schrecklich, wie konnte ihre Tochter nur die beschauliche Kleinstadt verlassen? Ich aber entschied aus dem Bauch heraus. Frankfurt war zwar eine Stadt der ewigen Baustellen und sie galt nicht gerade als schöne Stadt, doch entstanden hier ständig neue, interessante und luxuriöse Wohnkomplexe und nicht zuletzt Hilmar Hoffmann hatte die Stadt sein modernes Gesicht zu verdanken. Immobilien für die Upper Class gab es genug. Schließlich wollten die Banker ja auch gut leben.

Ich schaute mich in meinen vier Wänden um. Eine kleine, aber feine Wohnung auf der Schweizer Straße unweit des Mainufers, erster Stock, unter mir bloß eine Parfümerie. Das Maklerbüro, besser gesagt Frau Malmann, war mir gleich nach meiner Einstellung behilflich gewesen und hatte prompt die ideale Wohnung für mich gefunden, in der ich mich wohlfühlen konnte. Sprach eindeutig dafür, dass sie ein Profi war. Dazu kam, dass ich es von dort aus nicht weit bis zu meinem Arbeitsplatz hatte.

Jetzt galt es nur noch, hier heimisch zu werden und ein paar soziale Kontakte zu knüpfen. Doch die nächsten Abende würde ich allein damit verbringen meine Kisten auszupacken und meine Wohnung einigermaßen einzurichten.

3

11.März 2016

Kaum hatte Viktor seinen Laptop hochgefahren, da kam schon das Geräusch, auf das er gehofft hatte, jenes Geräusch, dass eine Nachricht in seinem Facebook-Account ankündigte. Eine Nachricht oder eine Freundschaftsanfrage, eigentlich egal. Für ihn führte das eine zum anderen. Er mochte die Anonymität des Internets. Man konnte sich ungehemmt ausleben. Es gab genügend dumme Weiber, die sich auf einen Flirt im Internet einließen. Er hatte schon eine ansehnliche Anzahl an Frauen in seinem Account gesammelt. Da fiel die Auswahl schwer, und oft verbrachte er Stunden am Computer, in denen er sich mit einigen dieser „Freundinnen“ austauschte. Ein großartiger Zeitvertreib, wie er fand, und seinem Selbstwertgefühl kam es zugute. Doch es hatte noch einen anderen Grund, weshalb er diesen Facebook-Account brauchte: Sein Chef schrieb ihm hier häufig.

Selbstverständlich hatte er sein Profil ein wenig bearbeitet. Das war heutzutage im Internet ja alles kein Problem mehr; ein wenig Unschärfe hier, ein bisschen vollere Haare und das Gesicht etwas verschmälern, schon sah ihm ein recht attraktiver Mann entgegen, der dennoch irgendwie er selbst war.. Wenn er hier eines Tages wirklich die Frau seines Lebens kennenlernen sollte, würde es sich für ihn gelohnt haben.

Er war noch keine vierzig Jahre alt, doch sein Haar lichtete sich bereits. Auch war er wesentlich zu kräftig und unsportlich, sodass seine Haut schlaff und schwammig wirkte. Aber er war groß und gab daher eine eindrucksvolle Erscheinung ab – so meinte er zumindest. Und nicht nur das, er war stark. Bevor er krank wurde, hatte er sich in so manchem Hinterhof mit ehemaligen Kollegen Boxkämpfe geliefert. Einmal war es schlecht ausgegangen. Nicht für ihn, sondern für den armen Kerl, der ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Viktor hatte ihm das Jochbein zertrümmert, das waren noch schöne Zeiten. Viktor selbst hatte nur eine Narbe davongetragen. Eine Narbe unter dem linken Auge und ein leichtes Nervenzucken.

Er sah erneut auf den Bildschirm und grinste. Wieder eine Freundschaftsanfrage und täglich kamen einige neue hinzu. Was würde sein Boss nun dazu sagen?

Er öffnete die neueste Nachricht: Hey Nick. Gerne würde ich mit dir befreundet sein. Ich habe gesehen, du wohnst auch in Frankfurt, das trifft sich gut, ich bin neu hier. Eigentlich bin ich Polin, doch bin ich in Deutschland aufgewachsen, und nun suche ich hier einen Job, möglichst in einem Maklerbüro, bin nämlich Immobilienfachfrau, musst du wissen, verzeih, wenn ich so viel plaudere, aber die Jobsuche beschäftigt mich zur Zeit einfach sehr.

Viktor lehnte sich in seinem Sessel zurück und klickte die Bilder von Irina an. Eine attraktive Schwarzhaarige. Interessantes Profil, das musste er zugeben, so eine würde sich niemals für ihn interessieren, also für sein wahres Gesicht.

Er schrieb zurück: Hallo Irina, das klingt ja interessant, da bist du bei mir genau an der richtigen Adresse. Wie der Zufall so spielt, kenne ich tatsächlich einige Maklerbüros in Frankfurt, kann ja mal meine Fühler für dich ausstrecken, vielleicht treffen wir uns einfach mal.

Er drückte auf senden.

Die Antwort kam postwendend: Gern.

Er grinste. Manchmal machte es einem das Leben ja doch recht leicht. Dann klickte er das Profil an, das ihn am meisten interessierte: Anja Malmann. Er schmunzelte. Sie war auch Maklerin. Mittlerweile kannte er sie schon recht gut.

Gerade wollte er den Laptop schließen, da kam eine Nachricht von seinem Boss: Hey Nick, hast du alles vorbereitet? Sehen uns morgen gegen zwölf, wie besprochen.

Wird alles zu Ihrer Zufriedenheit erledigt, schrieb er zurück, dann fuhr er den Laptop herunter. Er war sich sicher, es würde heute keine weitere Nachricht kommen.

Viktor stand auf und streckte sich. Jetzt zur Beruhigung erst mal ein kühles Bier. Er öffnete den Kühlschrank. Ein typischer Männerhaushalt, wie er zugeben musste. Außer einem Glas Würstchen befanden sich nur Bierflaschen in den Kühlfächern. Er nahm sich eine und ging zum Fenster. Von hier aus blickte man direkt auf die Cassella, das Chemiewerk. Er lebte in einer Wohnung im dritten Stock, im Stadtteil Fechenheim.

Er löste den Kronkorken am Griff einer Schublade, das leise Zischen begeisterte ihn. Er trank einen großen Schluck direkt aus der Flasche. Dann nahm er sich das Glas mit den kalten Würstchen aus dem Kühlschrank, öffnete es und aß, während er aus dem Fenster schaute. Der triste Blick auf das Chemiewerk vermittelte ihm seltsamerweise eine gewisse innere Gelassenheit. Diese immerwährende Tristesse hatte für ihn etwas Bodenständiges, während viele andere den Anblick sicher als deprimierend empfunden hätten. Viktor jedoch interessierte sich nicht für die Natur.

Er war mit diesem Blick aufgewachsen. Sie hatten von dieser Fabrik gelebt, er und seine Familie. Mehr schlecht als recht zwar, dennoch hatte sein Vater die vier Kinder durchgebracht, als Fließbandarbeiter. Seine Eltern waren vor vierzig Jahren aus Kroatien nach Deutschland gekommen. Der Vater sprach damals kaum Deutsch und hatte keine gute Ausbildung erhalten. Dass er gleich einen Job in der Fabrik bekam, war ein reiner Glücksfall. Seine Eltern hatten damals eine Wohnung im sogenannten „Russländche“, einer Arbeitersiedlung der Cassella bezogen. Ein Segen für die Familie.

Doch als Viktor sieben Jahre alt war, wurden die Häuser abgerissen. Für die Familie begannen harte Zeiten. Kurzfristig mussten sie zu Nachbarn ziehen, um nicht auf der Straße wohnen zu müssen, doch schließlich fanden sie auf der gegenüberliegenden Seite des Fabrikgeländes eine kleine Unterkunft. Die Wohnung, in der Viktor heute noch lebte. Er schnaubte verächtlich, wenn er daran dachte, wie eng er mit seinen Geschwistern zusammengepfercht worden war. Wie die Tiere hatten sie gehaust! Nur um bessergestellten Leuten Platz für schönere Wohnungen zu machen, mussten die alten Häuser weichen. Heute wurden diese Teile Fechenheims von einer einzigen Immobilienfirma bedient, Immobilien Richter. Auch, wenn es in seinen Augen keine Verbesserung für das Viertel bedeutet hatte, so war ihm klar, dass die maroden Bauten von damals kaum auf den heutigen Standard hätten gebracht werden können. So sehr er sich damals auch über den Abriss geärgert hatte.

Jedenfalls hatte er irgendwann damit angefangen, sich für Immobilien zu interessieren, auch wenn er sich niemals etwas Besseres hätte leisten können. Doch man durfte ja träumen und wer weiß – wenn er es seinem Boss immer Recht machen würde, dann konnte er sich vielleicht irgendwann einmal als Makler qualifizieren.

Er öffnete das Fenster und warf eine der leeren Bierflaschen mit Schwung hinaus. Klirrend zerschmetterte sie auf dem Industriegelände. Sein Blick glitt in die Ferne. Viktor zündete sich eine Zigarette an, inhalierte den Rauch tief in seine Lunge, wölbte seine Zunge und blies kleine blaue Ringe aus.

Er hatte Glück gehabt, schließlich war er in Deutschland geboren. Während seine Geschwister alle zurück nach Kroatien gegangen waren, war er geblieben. All die Jahre war er der Cassella treu geblieben, hatte als Lagerarbeiter gearbeitet. Eine Freundin hatte er damals auch gehabt, Adina. Sie war ebenfalls Kroatin. Eine dralle Brünette. Auch sie hatte in der Fabrik gearbeitet, hatte am Fließband gestanden. Sie hatten heiraten wollen. Er grinste fatalistisch: Sie hätte ihn nie verlassen sollen. Er war so glücklich gewesen damals. Sie hatten perfekt zueinander gepasst, das hatten wirklich alle gesagt. Sie hätte ihm gewiss Kinder geschenkt, er wollte immer Kinder haben; wollte, dass es ihnen einmal besser ging. Er verzog verächtlich das Gesicht. Ja, und dann kam diese Dreckskrankheit, die seine Mutter auszehrte. Wieder zog er an seiner Zigarette. Er hatte sich hingebungsvoll um seine Mutter gekümmert, damals. Da hatte Adinas Liebe dann wohl irgendwann nicht mehr ausgereicht.

Er drehte sich um. Durch die offene Küchentür hatte man einen Blick in das kleine, spärlich eingerichtete Wohnzimmer mit der zerschlissenen Couch und dem falschen Perserteppich davor. Die Tapeten waren vom Rauchen längst vergilbt, wahrlich kein schöner Anblick. Das Schlafzimmer befand sich in ähnlich schlechtem Zustand. Er schlief in dem alten Bett seiner Mutter. Darin war sie auch gestorben, ihm machte das nichts aus.

All das hatte Adina damals nicht gestört. Selbst der Krebs seiner Mutter hatte sie anfänglich nicht abgeschreckt. Na ja, es war alles noch in besserem Zustand gewesen, damals, doch war es nie gemütlich, wie er zugeben musste, und wahrscheinlich wäre Adina über kurz oder lang unzufrieden geworden. Er schüttelte verständnislos den Kopf. Frauen waren stets unzufrieden.

Am Ende jedenfalls hatte Adina das Siechtum seiner Mutter nicht länger ertragen. Er hasste sie noch heute dafür. Und da hieß es nun: In guten wie in schlechten Zeiten – pah! Sie war dann weggezogen aus Frankfurt und so viel er wusste, war sie heute verheiratet. Das ging alles immer so leicht. Man lernte einfach einen Neuen kennen, zum Kotzen. Man wechselte einfach, ganz nach Belieben, seinen Partner.

Und jetzt, nach all den Jahren, war er selbst an Krebs erkrankt; Lungenkrebs. Auf jeden Fall war er vorerst auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben. Er tätigte jedoch nebenbei kleine private Botengänge für den neuen Boss. Das machte ihm Spaß, er fühlte sich wichtig und gefragt. Man lernte eine Menge Menschen kennen und er wurde mehr als großzügig entlohnt, ja nicht nur das, er hatte kürzlich einen alten Golf zum Geschenk bekommen. Für die schwierigste Aufgabe, die er je bewältigt hatte. Ja, er hatte alles richtig gemacht, und niemand hatte ihn gesehen oder hatte auch nur die leiseste Ahnung von dem, was er tat. Er hatte sich dieses großzügige Geschenk redlich verdient, dennoch war es für ihn nicht selbstverständlich. Nie zuvor war ihm irgendetwas geschenkt worden. Und das wollte er auch niemals vergessen.

Die Polizei hatte bisher keinerlei Anhaltspunkte, soviel er wusste. Er lachte. Er war ein Genie! Wenn seine Mutter nur gewusst hätte, welche Fähigkeiten in ihm steckten, sie wäre so stolz auf ihn gewesen. Sie war eine starke Frau, und er liebte und bewunderte starke Frauen. Sie konnten härter sein als Männer, das schätzte er. Nie mehr wieder wollte er sich mit schwachen Menschen umgeben. Wenn er es sich aussuchen konnte, dann suchte er sich lieber weibliche Chefs.

Man musste jedoch nehmen, was man bekam. Und nun, nachdem er so belohnt worden war, würde sein Dasein einen neuen Sinn bekommen, ohne jeden Zweifel. Das Leben hatte für ihn eine glückliche Wende genommen. Endlich. Und noch war es nicht zu spät. Sein neuer kleiner Job machte ihn glücklich, und wer weiß – vielleicht verschaffte ihm sein Boss auch noch den richtigen Arzt, zumindest um ihm die Qualen zu ersparen, wenn es dem Ende zuging.

Er hatte es nicht eilig, nicht damals und nicht heute. Doch nun begann er Mut zu schöpfen. Zuerst jedoch wollte er all seine Pflichten gewissenhaft erfüllen. Auf ihn konnte man sich verlassen.

Er gähnte. Jetzt nur nicht müde werden. Noch eine kleine Kontrollrunde war zu erledigen. Er verließ die Wohnung und brauchte nur wenige Meter, um zu dem Loch in der maroden Bretterwand zu gelangen. Wenn man dort vorbeilief, konnte man kaum erkennen, dass es dort die Möglichkeit zum Einstieg gab, denn er hatte ihn mit einer weiteren Reihe von Brettern gut getarnt. Ganz abgesehen davon, dass hier so gut wie nie jemand herumlief. Das war der Vorteil eines Chemiewerkes. Es war nicht attraktiv genug, um dort spazieren zu gehen.

Er nahm zwei der losen Bretter beiseite und kroch durch das Loch in der Wand. Von innen schob er die Latten zurück. Grob fahrlässig, diesen Teil der Anlage nicht besser zu schützen. Zumal am Haupteingang natürlich Pförtner saßen und das Betreten des Geländes genau kontrollierten.

Er wollte gar nicht wissen, wie viele Giftstoffe hier noch lagerten. Er betrachtete die maroden Backsteinbauten. Sie strahlten eine kuriose Schönheit aus, an der er sich nicht sattsehen konnte.

„Achtung: Einsturzgefahr, Betreten des Gebäudes strengstens untersagt“, stand auf einem großen Schild vor dem Eingang. Das kam ihm zupass, denn es würde ihn vor ungebetenen Besuchern schützen. Wer begab sich schon freiwillig in Gefahr?

Er betrat das leere Gebäude, das er bereits unzählige Male durchschritten hatte. Jedes Mal schaute er zuerst hinauf zum Dachgiebel. Schon möglich, dass das morsche Dach irgendwann einstürzen würde, falls das Gebäude nicht zuvor abgerissen wurde – was durchaus wahrscheinlich war. Doch war er sich sicher, dass das Dach noch eine Weile halten würde, wenn kein Unwetter über das Gebäude hinwegfegen würde. Ganz in der Nähe, unter der Fechenheimer Fußgängerbrücke, wurde bereits eine Fabrikhalle kernsaniert. Doch dieses Gebäude stand einige hundert Meter davon entfernt, es gab viele Gebäude auf dem Gelände und so würde es vermutlich noch einige Zeit dauern, bis man es abreißen würde. Zunächst wollte man die gesamte Fußgängerbrücke abreißen. Wahrhaftig eine Schande, denn es war die längste Fußgängerbrücke Frankfurts, sie verband den Norden Fechenheims mit dem Süden. Ihr Abriss würde ein großes Ärgernis für alle Fechenheimer bedeuten. Ihm war das egal; er hatte Wichtigeres zu tun.

Er lief durch eine große, leere Halle. Hier hatten vor zwanzig Jahren noch Maschinen gestanden. Noch immer lagen leere Fässer herum und sonstiger Müll und Schutt. Am Ende des Saales kam man in einen engeren, langen Korridor, der zu einer Treppe führte. Sie lag im Dunkeln. Licht gab es hier schon lange nicht mehr. Das störte ihn aber nicht, denn er kannte jede Stufe blind, wenngleich er für den Notfall natürlich eine Taschenlampe bei sich trug. Langsam lief er die Stufen hinab. Es waren dreißig. Immer, wenn er sie hinab schritt, fühlte er sich mächtig, denn insgeheim betrachtete er diesen Bau als sein Eigentum. Unten angekommen kam man erneut in einen langen, stockfinsteren Gang. Er kannte diesen Gang genau, wie oft hatte er hier alte Farbfässer stapeln müssen. Dennoch nahm er nun seine Taschenlampe aus der Jackentasche hervor, auch wenn er das nicht gerne tat. Denn obwohl ihm hier noch nie ein Mensch begegnet war, würde das Licht einen etwaigen ungebetenen Gast auf ihn aufmerksam machen. Die Halogenlampe erhellte die gesamte Länge des Gangs, von dem aus massive Metalltüren zu weiteren Räumen führten, ehemaligen Lagerräumen ohne Fenster. War bestimmt nicht gesund gewesen, die chemischen Dünste hier einzuatmen. Damals hatte er sich darüber keine Gedanken gemacht. Wenn man jung war, sorgte man sich nicht um die Gesundheit. Schon möglich, dass die Chemie für seinen Krebs verantwortlich war.

Er untersuchte die nagelneuen Riegel. Man brauchte viel Kraft, um sie beiseitezuschieben und noch dazu würde das Schloss, das er besorgt hatte, unerlaubtes Betreten kaum möglich machen. Gerade wollte er die Zahlenkombination drehen, da hörte er ein leises, kratzendes Geräusch. Er erstarrte. Das Geräusch kam näher. Er löschte das Licht seiner Taschenlampe. Etwas kam herbeigeeilt, es war jetzt ganz nah: Trippelnde, kratzende Schrittchen kündigten Ratten an, ja, es waren Ratten. Wie ekelhaft. Er schüttelte sich. Er konnte Ratten nicht ausstehen, sie machten ihm Angst.

„Haut ab“, zischte er und stampfte mit den Füßen. Immer wieder stampfte er auf und trat in die Dunkelheit. Eine quietsche, er hatte sie also erwischt, er schaltete die Taschenlampe wieder ein. Ziemlich unwahrscheinlich, dass hier mehr zu erwarten war als abermals Ratten. Abrupt entfernten sich die beängstigenden Geräusche. Viktor wischte sich den Schweiß von der Stirn und machte sich erneut daran, die Verriegelung der ersten Tür zu öffnen.

Und dann, ganz plötzlich war er wieder da, dieser nicht zu unterdrückende Husten. Er schluckte, keuchte, dann kam die Attacke, ihm brach der Schweiß aus. Er hustete heftig und rang nach Luft. Er krümmte sich. Dieser verdammte Schmerz. Mit einem Taschentuch fuhr er sich über den Mund, wischte die Blutspritzer fort. Auch ohne sie zu sehen wusste er, dass sie da waren. Nein, nicht jetzt, es gibt noch zu viel zu erledigen. Er wusste nicht, wie viel Zeit ihm noch blieb. Er wusste nur, dass er nicht mehr lange leben würde. Das war auch der Grund dafür, dass ihm alles egal war. Wieder dachte er an den Boss. Nein, etwas war ihm nicht egal: Hätten sie damals mehr Geld gehabt, dann hätte seine Mutter eine bessere Pflege bekommen. Stattdessen schluckte die verdammte Miete das ganze Geld.

Viktor spuckte auf den Boden. Wie ungerecht das alles war! Da rackerten sich Menschen ab, um dann auf grausame Weise zu sterben, während es sich die Reichen gutgehen ließen. Energisch stieß Viktor den Riegel der Tür zurück, das Licht der Taschenlampe erhellte einen großen Lagerraum: An der Wand ganz hinten standen zwei große Fässer. Sie waren nie heraus geräumt worden und es war nicht ganz einfach gewesen, diese randvoll mit Wasser zu füllen. Wozu das gut sein sollte, hatte er nie verstanden, bis er sie im Mai zweckentfremdet hatte. Es war ihm egal, solange er sie nicht leeren musste. Er verließ den Raum, schob den Riegel vor und versperrte das Schloss.