Luisa Neubauer
Alexander Repenning

Vom Ende der Klimakrise

Eine Geschichte unserer Zukunft

Tropen Sachbuch

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Tropen

www.tropen.de

© 2019, 2020 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Zero-Media.net, München

unter Verwendung zweier Fotos von © Elif Küçük/ze.tt (Luisa Neubauer) und © Annette Hauschild/Ostkreuz (Alexander Repenning)

Datenkonvertierung: Dörlemann Satz, Lemförde

Printausgabe: ISBN 978-3-608-50479-8

E-Book: ISBN 978-3-608-11567-3

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Vorwort

Für all die Possibilist*innen da draußen.
Und für die, die es werden wollen.

Liebe Leser*innen,

schon die Erstausgabe dieses Buches haben wir inmitten einer sehr bewegten Zeit geschrieben, das war im Herbst 2019. Jetzt, zum Erscheinen des Taschenbuchs, schreiben wir in einer noch bewegteren Zeit, der Pandemie.

Seit Vom Ende der Klimakrise erschienen ist, hat sich, so gesehen, alles verändert. Zum einen. Zum anderen wiederum gar nichts. Denn nach wie vor befinden wir uns als Gesellschaft und als Menschheit in einer sich verschärfenden Klimakrise. Ihr Gefahrenpotential, wissenschaftlich gesprochen, war nie größer als jetzt, dem Moment, in dem Sie diese Zeilen lesen. Das, was wir hier aufgeschrieben haben, ist schockierenderweise so aktuell wie eh und je.

Es hat sich allerdings eine entscheidende Weiche verschoben: Zum ersten Mal haben wir nun, im Jahr 2020, erlebt, wie es aussieht, wenn Regierungen entscheiden, eine globale Krise ernst zu nehmen – obwohl diese Krise kein bewaffneter Krieg ist.

Zunächst bestätigt das unsere ernüchternde These, über die wir in diesem Buch schreiben: Die Klimakrise wurde nie als globale Krise und als existenzielle Bedrohung akzeptiert, geschweige denn angegangen. (Warum das so ist, und wie das geändert werden kann, beschreiben wir übrigens auch.) Geht man einen Schritt weiter, haben die ersten Monate der Coronapandemie in Deutschland aber auch einen weiteren, deutlich hoffnungsvolleren Aspekt offengelegt: Wenn wir wollen, wenn wir wirklich wirklich wollen, können wir Krisen wie Krisen behandeln. Und wir können scheinbar Unmögliches möglich machen.

Was dieses Möglich-Machen möglich macht, ist eine Haltung. Eine Haltung, die wir als »Possibilismus« kennengelernt haben und als wichtiges Werkzeug in der Krisenbewältigung verstehen. Der Possibilismus beschreibt den schmalen Grat zwischen Optimismus und Pessimismus. Die Possibilist*innen sehen was möglich ist (what’s possible), und verstehen, dass man sich einsetzen muss, damit diese Möglichkeiten zu Wirklichkeiten werden.

Genau diese possibilistische Haltung haben wir angesichts der Pandemie in Deutschland und vielen Teilen auf der Welt erlebt: Um diese Krise zu bewältigen, war es nicht genug, davon überzeugt zu sein, dass alles gut wird. Eine überwältigende Mehrheit der Menschen wusste, dass der eigene Beitrag unverzichtbar ist, damit das große Ganze gelingt. Millionen von Menschen haben sich dazu entschieden, zu Hause zu bleiben, ihre Hände zu waschen, Abstand zu halten und solidarisch zu sein. Was wir gesehen haben, waren Millionen von Possibilist*innen, die bewiesen haben, wie kollektive Krisenbewältigung aussehen kann – wenn sich jede*r Einzelne als Teil der Lösung versteht.

So kam es, dass wir inmitten der Coronakrise verstanden haben, dass wir mit diesem Buch ein Krisen-Bewältigungsbuch geschrieben haben, was, von der Klimakrise ausgehend, in vielen Teilen auf andere globale Krisenphänomene übertragbar ist. Andere Zukünfte sind möglich – doch nur, wenn wir sie aktiv gestalten.

Doch bisher ist nicht abzusehen, dass wir so gestärkt und widerstandsfähig aus der Coronapandemie herausgehen werden, wie es viele Monate lang politisch versprochen wurde. In den auschlaggebenden Entscheidungsmomenten, auf den Gipfeln und Sondertreffen, wurde sich letztendlich wieder für althergebrachte Investitions-, Politik- und Gestaltungsmuster entschieden. Wohl wissend, dass echte Transformationen mehr als notwendig sind, um Gesundheit, Gerechtigkeit und Perspektiven für alle Menschen auf diesem krisengeplagten Planeten zu schaffen. Solange Menschen sich nicht vorstellen können, wie gerechte, ökologische Welten von morgen aussehen könnten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Welten Wirklichkeit werden gering.

Auf den letzten Seiten dieses Buches fordern wir euch auf, liebe Leser*innen, zu träumen – und euch zu organisieren. Denn die Possibilist*innen in uns sind davon überzeugt, dass wir die großen Krisen unserer Zeit lösen können. Das sagt nicht zuletzt die Wissenschaft. Doch das kann nur gehen, wenn sehr viele Menschen mitmachen, soweit sie es können (und noch etwas mehr). Es ist nicht viel Zeit. Wenn wir über den eigenen Tellerrand hinausblicken, stellen wir fest, wie viele Türen bereits offen stehen. Legen wir los.

Viel Spaß mit diesem Buch, wir hoffen es inspiriert und bereichert euch – und wir freuen uns, in euch und Ihnen Mitstreiter*innen, Mitdenker*innen und Mitmacher*innen zu finden.

Mit possibilistischen Grüßen,

Luisa and Alex                                                  September 2020

Einleitung

Was tun, wenn man mitten in der größten Krise der Menschheit steckt und niemand handelt? Wie kommuniziert man eine wissenschaftlich belegte Katastrophe in einer Zeit, die sich als post-faktisch deklariert? In einer Zeit, in der 280 Zeichen den Rhythmus der Kommunikation diktieren? In der die Aufmerksamkeitsspanne schrumpft, und der Informationsfluss aus immer lauter donnernden Eilmeldungen an einem vorbeirauscht? Wie erzählt man von einer Krise, die so dramatisch ist, dass sie wie kein anderes Thema die Tagesordnung dominieren sollte – aber stattdessen von großen Teilen der Gesellschaft und der Politik relativiert, abgetan oder ignoriert wird? Wie erklärt man politischen Entscheidungsträger*innen, dass sie sich um ein Problem kümmern sollen, das in keine Legislaturperiode passt und größer ist als jeder Wahlkreis? Wie mobilisiert man für ein Problem, das in den Augen vieler gar keins ist?

Man erzählt Geschichten. Persönliche Geschichten. Und das ist unsere Geschichte.

Stockholm, Sommer 2017. Wir tunkten Zimtkekse in unseren Kaffee – »Fika« nennt man diese Pause in Schweden. Wir saßen im Garten eines hundert Jahre alten Hauses, die Sonne schien zwölf Stunden am Tag, der Himmel war blauer als in einer Werbebroschüre. Irgendwo mähte jemand seinen Rasen und der Duft von frisch geschnittenem Gras zog herüber. Dort, etwas abseits des städtischen Trubels, befinden sich die Arbeitsräume des »Alternativen Nobelpreises« (der Right Livelihood Award, wie er eigentlich heißt). Dass in derselben Stadt Familie Thunberg wohnt, wirkt heute wie ein Zeichen. Damals aber, vor zwei Jahren, kannte, außer ihrer Familie und ihren Freund*innen, kaum jemand das Mädchen namens Greta.

Dieser schwedische Sommer, in dem wir beide für die Stiftung des Alternativen Nobelpreises forschten, hatte es in sich. Die Welt schaute gebannt auf einen amerikanischen Präsidenten, der zum realen Alptraum wurde und täglich Schlagzeilen produzierte. Die Rohingya-Krise in Myanmar machte auf einen Schlag hunderttausende Menschen zu Flüchtlingen. Man erinnerte an den Beginn der Weltwirtschaftskrise, die nun zehn Jahre zurücklag und feierte zugleich ein rasantes Wirtschaftswachstum. Währenddessen litten die Menschen unter der Hitze: Dieser Sommer entwickelte sich zu einem der drei heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

Wie wir dort also barfuß am Gartentisch saßen und Kaffee tranken, entschieden wir uns, endlich anzufangen. Anzufangen, die großen Fragen zu stellen, einen Sommer lang, Tag für Tag. Wir wollten es wagen. Uns nicht mit einem Tja-ziemlich-kompliziert zufrieden geben.

Wie kann es sein, dass wir weltweit genug Nahrung für über zehn Milliarden Menschen produzieren,[1] aber immer noch über 800 Millionen Menschen hungern?[2]

Wie wird die Welt aussehen, wenn zur Mitte des Jahrhunderts zusätzlich zwei bis drei Milliarden Menschen hier leben?

Welche Zukunft erwartet die weltweit über siebzig Millionen Menschen, die auf der Flucht sind?[3] Und die vielen Millionen, die aller Voraussicht nach noch dazukommen werden?

Wie ist der Rechtsruck in den westlichen Ländern zu erklären, der nationalistische Parteien in viele Parlamente gebracht und rassistische Hetze wieder salonfähig gemacht hat?

Wie kann es sein, dass immer mehr Menschen ausgebrannt, einsam und depressiv in Kliniken enden, wenn es uns hier in Deutschland und weltweit »doch nie besser ging«?[4]

Viele dieser Fragen hängen miteinander zusammen. Die Krise aller Krisen aber – und damit der Schlüssel zu vielem anderen – ist die Klimakrise: Wie kann es sein, dass wir wissenschaftliche Gewissheit darüber haben, dass wir seit Jahrzehnten auf die größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte zusteuern, aber statt einzulenken das Tempo sogar noch erhöhen?

Wir wissen, dass es nicht mit Mülltrennung, Biogemüse und Bambuszahnbürsten getan ist, wenn es darum geht, Antworten auf diese, die existenzielle Frage unserer Zeit zu finden. Was ist zu tun? Anders gefragt: Sind wir noch zu retten? Und wenn ja, wie?

Die Stockholmer Right Livelihood Foundation war der ideale Ort, um die Suche nach zukunftsfähigen Handlungsansätzen zu beginnen. Schließlich wird dieser Preis seit vierzig Jahren an Menschen und Organisationen aus aller Welt verliehen, die praktische Lösungen für die globalen Probleme unserer Zeit gefunden haben.

Unter den Preisträger*innen sind Menschen wie Frances Moore-Loppé, die sich als Publizistin und Aktivistin gegen Welthunger und für Demokratie einsetzt, Hermann Scheer, der als Politiker schon 1988 weltweit die Solarenergie vorangetrieben hat, die Inderin Vandana Shiva, die sich für Ökofeminismus und Biodiversität einsetzt, Yacouba Sawadogo aus Burkina Faso und Tony Rinaudo aus Australien, die Wüsten in Wald verwandeln.

Wir waren überwältigt von der Zuversicht, die sich in den Geschichten dieser Macher*innen offenbarte, zugleich machte uns das Ausmaß der drohenden Katastrophe sprachlos. Wir waren wütend darüber, dass es bereits Lösungsansätze gibt, die auf politischer Ebene aber kein Gehör finden und stattdessen bewusst ignoriert oder boykottiert werden. Darüber wollten wir schreiben.

Damals war uns noch gar nicht klar, dass dies ein Buch über die Klimakrise werden würde. Denn sie ist eben bei weitem nicht die einzige Krise, die uns beim Blick auf die Zukunft Kopfzerbrechen bereitet. Die »multiple Krise« unserer Zeit, wie sie die Soziologen Markus Wissen und Ulrich Brand nennen, umfasst alle Lebensbereiche. Man denke an die ökologische Krise, die sich im Artensterben, der Bodendegradation und der Umweltverschmutzung zeigt, oder die Folgen der Weltwirtschaftskrise, die viele Länder noch heute spüren. Verarmung, gesellschaftliche Spaltung und der Abbau der sozialen Sicherungssysteme stürzen uns in eine »Krise der sozialen Reproduktion«. Der Erhalt sozialstaatlicher Errungenschaften, die ein würdevolles Leben für alle ermöglichen sollen, wird infrage gestellt.[5]

Die global zunehmenden Flüchtlingsbewegungen haben diese Tendenz vielerorts noch verstärkt und sind gleichwohl Folge dieser Krisen. Hinzu kommt die Krise der repräsentativen Demokratie und der etablierten Parteien, die sich (mit Ausnahme des Wahlerfolgs der Grünen) bei der Europawahl 2019 wieder gezeigt hat. Und natürlich die Krise der Geschlechterverhältnisse, sie manifestiert sich auf allen gesellschaftlichen Ebenen – im alltäglichen Sexismus gegenüber Frauen und anderen Geschlechtern, aber auch strukturell auf dem Arbeitsmarkt, im Politischen, in den Medien und im Privaten.

Wir waren uns nicht einig, welcher dieser Brände dringender gelöscht werden müsste.

Für mich, Alex, war die Klimakrise lange Zeit ein Thema für Naturliebhaber*innen und Menschen, die lieber Zeit im Wald verbringen als mit anderen Menschen. Ich hatte nichts gegen sie, doch mir schien, dass es in einer globalisierten Welt mit all ihren Ungerechtigkeiten, Machtgefällen und Ausbeutungsverhältnissen wichtigere Fragen gab als die nach der Wiedervernässung eines Moores, der Erhaltung einer seltenen Käferart oder den Konsequenzen von veränderten Vegetationszonen. Wenn ich ans Klima dachte, dann dachte ich daran, dass das Wetter in Hamburg anders ist als in Freiburg oder Palma de Mallorca, und als gebürtiger Hamburger freute ich mich, wenn die Sonne mal schien.

Von der Klimakrise hörte ich das erste Mal durch Al Gores Dokumentarfilm Eine unbequeme Wahrheit. Ich erinnere mich bruchstückhaft an Bilder von ausgetrockneten Seen, veränderten Landschaften und an Kurven in Koordinatensystemen, die zum Ende hin stark ansteigen. Ich erinnere mich auch an die etwas alberne Animation eines Frosches, der das Wasser nicht verlässt, während es langsam auf eine tödliche Temperatur erhitzt wird – wäre das Wasser von Beginn an so heiß gewesen, hätte der Frosch es sofort verlassen. Der Frosch ähnele, so Gore, uns Menschen, die ebenfalls nicht auf die tödliche Bedrohung der Klimakrise reagieren, weil sie sich nur langsam und zeitversetzt zeigt. Doch so eingängig das Bild mit dem Frosch auch war – die Beispiele von Orten am anderen Ende der Welt, die sich mit dem Klima veränderten, schienen mir weit weg zu sein und nichts mit meinem Leben zu tun zu haben. Es kam mir außerdem suspekt vor, dass dieser Mann im Anzug um die Welt flog und in Limousinen zu Vorträgen fuhr, um über die klimatischen Folgen unseres Lebensstils zu referieren. So blieb die globale Erwärmung für mich ein Problem ferner Orte, weit weg auch von den Fragen der Gerechtigkeit und des guten Lebens für alle, weit weg also von dem, was mich damals umtrieb.

Für mich, Luisa, war die Sache anders. Mit dreizehn erfuhr ich das erste Mal vom Treibhauseffekt, im Erdkundeunterricht in der achten Klasse. Unsere Lehrerin hatte für das Thema eine Doppelstunde eingeplant, zweimal 45 Minuten. Das war alles. In der darauffolgenden Woche beschäftigten wir uns mit Vulkanen, in der nächsten Woche mit dem Wattenmeer, dann mit Nordamerika. Ich fand es irritierend, dass ein so wichtiges Thema in nur eine einzige Doppelstunde gequetscht wurde.

Am Ende des Halbjahres blieb das vage Gefühl von »mit der Erde stimmt etwas nicht« und der Vorsatz, dann und wann auf die Plastiktüte im Supermarkt zu verzichten. »Der Umwelt zuliebe«, sagte man sich dann. Ich begann, beim Frühstück die taz zu lesen. Je mehr ich von der Klimakrise erfuhr, desto merkwürdiger erschien mir die Auseinandersetzung mit dem Thema. Als ich mit 14 Vegetarierin werden wollte, verboten es mir meine Eltern. Sie verstanden nicht, dass diese Entscheidung eine Konsequenz meines Nachdenkens über die Klimakrise war. In ihren Ohren klang die Idee ihrer pubertierenden Tochter vor allem nach einem ersten Schritt in Richtung Essstörung. Als Kompromiss gab es einmal die Woche Bio-Fleisch für alle, die anderen Tage durfte ich vegetarisch essen.

Ein Jahr später begann ich, zusammen mit einer Freundin mit kleinen Solarpanelen zu experimentieren. Das war ungewöhnlich, denn die Energiewende steckte noch in den Anfängen und regenerative Energien waren ein Thema für Nerds. Noch im selben Jahr wurden wir für die rudimentären Erkenntnisse, die wir aus diesen Experimenten gewonnen hatten, mit dem Preis eines Naturwissenschaftswettbewerbs ausgezeichnet. In der Schule schrieb ich Aufsätze über die Umweltfolgen der Elbvertiefung, lernte, warum Solar-Toiletten in Namibia scheiterten, schrieb weiter und fing nach der Schule an, als Praktikantin bei einem Umweltmagazin zu arbeiten. Der Berg aus Fragen wuchs weiter – Fragen zum Klima, zu den ökologischen Grenzen des Wachstums, der Zukunft des Planeten und der Menschheit, hier bei uns und im Globalen Süden. Ein Jahr später entschied ich mich, Geografie zu studieren.

Als ich dann zwei Jahre später mit Alex im Stockholmer Garten saß, blickte ich also auf viele Jahre des Engagements für den Klimaschutz zurück. Nur wusste ich nicht so recht, was das wirklich verändert hatte. Je mehr wir uns mit der Klimakrise beschäftigten, desto klarer wurde uns beiden, dass sie schwerwiegende Folgen für die Menschheit bereithielt. Egal ob wir uns mit Fragen menschenwürdiger Lebensbedingungen, Gerechtigkeit, der Umwelt oder dem Tierschutz auseinandersetzten – bei der Klimakrise lief alles zusammen. Egal, wo wir anfingen, über die ethischen Aufgaben unserer Zeit nachzudenken – früher oder später landeten wir immer wieder bei der existentiellen Gefahr durch die steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre.

Damals, als die Idee für dieses Buch geboren wurde, war noch nicht abzusehen, dass wir jungen Menschen als Fridays for Future-Bewegung weltweit die Straßen füllen würden. Und auch nicht, welche Rolle mir dabei zukommen würde. Ich hatte nie geplant, Vollzeit-Klimaaktivistin zu werden. Ich hatte auch nie vor, durch Schul- und Unistreiks politisches Handeln einzufordern. Im Gegenteil: Ich hatte mich bei Umweltverbänden lange nicht zu Hause gefühlt und noch nie eine Demonstration organisiert. Bei meinem ersten Streik bin ich kilometerweit aus meiner Komfortzone herausgetreten. Ich hatte Angst davor, dass niemand kommen würde. Ich wusste nicht, was man den Menschen sagen sollte, wenn sie dann mit mir vor dem Bundestag stehen und frieren würden, und wie man sie überzeugen konnte, wiederzukommen. Aber ich und andere haben es gewagt. Genau das fordert diese Krise von uns: Wir müssen aus unserer Komfortzone heraustreten. Und entgegen all meiner Erwartungen war dieser erste Freitag vor dem Bundestag der Beginn von etwas Großem. Von einem Tag auf den anderen kreiste mein ganzes Leben um die Klimakrise.

Panikmache? Hamburg im Jahre 2050

Wir sind beide in Hamburg aufgewachsen. Wenn der Wind richtig stand, konnten wir das Dröhnen der Schiffshörner bis nach Hause hören. Das viele Wasser versprach uns Lebensqualität. Im Urlaub erzählten wir davon, dass es in Hamburg mehr Brücken gibt als in Amsterdam und Venedig zusammen. Das Wasser war der Inbegriff dessen, was unsere Heimatstadt besonders machte, wovon wir schwärmten, wenn wir von unserem Zuhause erzählten. Wenn wir uns heute an die Hamburger Sommer erinnern, denken wir an den Elbstrand und die Wellen, an kleine Segelboote mit weißen Segeln.

Heute ist vieles davon der Sorge darüber gewichen, was die Nähe zum Wasser in Zeiten der Klimakrise bedeutet. Das Wasser ist nun, nur wenige Jahre später, ein Symbol für die Gefahren geworden, die uns und unseren Kindern drohen. Hamburg wird – wie viele andere Städte am Wasser – stark von der globalen Erwärmung und steigendem Meeresspiegel betroffen sein. Die häufiger werdenden Sturmfluten in der Nordsee und die wachsende Überschwemmungsgefahr aus dem Landesinneren werden der Stadt in den nächsten Jahrzehnten immer mehr zusetzen.[6]

Während wir dieses Buch schreiben, weist alles darauf hin, dass die weltweiten Treibhausgasemissionen weiterhin ansteigen werden. Je nach Berechnung ist bis Ende des Jahrhunderts mit einer Steigerung der Jahresmitteltemperatur zwischen 2,8 und 4,7 Grad zu rechnen.[7] Was in einer notorisch verregneten Stadt zunächst nach einer guten Botschaft klingt, bedeutet jedoch aller Voraussicht nach ein eher unangenehmeres Leben. Stürme und Starkregengüsse werden zunehmen, genauso wie Hitze- und Trockenperioden. Auf den Schulhöfen werden sich Kinder im Sommer die Füße verbrennen. In der Innenstadt wird eine Kombination aus Abgasen und Hitzeperioden tödliche Auswirkungen für alte und kranke Menschen haben. Ökosysteme in der Stadt, in Parks, Wildgebieten und rund um die Elbe werden kollabieren. Die Wasserqualität wird sich massiv verschlechtern, während die Bauern auf den Äckern in und um Hamburg durch andauernde Ernteausfälle um ihre Existenzgrundlage kämpfen.[8]

All das sind keine weit entfernten Zukunftsszenarien, vieles davon werden auch wir noch erleben. Die klimatischen Veränderungen werden die Orte unserer Kindheitserinnerungen teilweise zerstören, sie werden unser Leben und Älterwerden dominieren – in einem nie zuvor dagewesenen Ausmaß.

Lange hat man in der deutschen Klimapolitik von »Enkeltauglichkeit« gesprochen. Mittlerweile macht das keinen Sinn mehr: Wir müssen längst von Kindertauglichkeit sprechen – oder noch kurzfristiger: an unser eigenes Leben denken.

Oft spricht man außerdem davon, dass »wir die Ersten sind, die die Klimakrise zu spüren bekommen und die Letzten sein werden, die noch etwas ändern können«. Auch dieser Satz ist nicht mehr aktuell.

Zwar sind tatsächlich wir, die jungen Menschen, die erste Generation, deren zukünftiges Leben maßgeblich von der Klimakrise beeinträchtigt sein wird. Aber sichtbar ist sie schon jetzt im Leben einiger Menschen: Landwirten, deren Äcker im Hitzesommer trocken bleiben, Förstern, deren Wälder absterben oder von Schädlingen befallen werden. Und das sind nur zwei Beispiele.

Auch der zweite Teil der Aussage, dass wir die Letzten seien, die noch etwas reißen können, verkennt den Ernst der Lage. Mit »wir« ist nämlich nicht bloß die junge Generation gemeint, deren Zukunft durch die Klimakrise auf dem Spiel steht. Mit »wir« sind die Gesellschaftsgestalter*innen von heute gemeint. Also jene, die heute mitentscheiden, wie wir in der Zukunft leben und wirtschaften werden. In einer Demokratie, an der zumindest an der Wahlurne alle teilhaben können, heißt das, dass neben denjenigen, die an den politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Schalthebeln sitzen, auch alle anderen gefragt sind.

Was sagt die Wissenschaft?

Wir haben den wissenschaftlichen Hintergrund der Klimakrise studiert und mit Wissenschaftler*innen gesprochen. Dabei haben wir vor allem zwei Dinge gelernt.

  1. Die Klimakrise ist nicht nur eine Krise des Lebensstils; sie betrifft nicht nur die Frage, wie das Leben von Menschen und Tieren auf einem stark veränderten Planeten gestaltet werden kann. Die Klimakrise ist mittel- und langfristig eine Frage des Überlebens auf dem Planeten. Zunächst für die Tiere, später für die Zivilisation, wie wir sie kennen.[9], [10]

  2. Wenn man es ernst meint mit dem Pariser Abkommen, wenn man nicht zulassen will, dass sich die Erde in einen Ort verwandelt, der kein sicheres Zuhause für große Teile der Weltbevölkerung mehr ist, wenn man Klimaschutz konsequent zu Ende denkt, wenn man begreift, dass es beim Klimaschutz um Menschenschutz geht und bereit ist, dementsprechend zu handeln – dann sind alle Entscheidungsträger*innen gefordert, loszulegen. Wir sind nicht nur die Letzten, die noch die schlimmsten Schäden verhindern können, wir sind auch diejenigen, die dieses Jahrhundertprojekt angehen müssen. Nach uns wird es vielleicht nie wieder eine Gesellschaft geben, die derart viele Gefahren abwenden kann.

So viel zum Status quo.

Nicht länger dieselben Fehler machen

Wir schreiben dieses Buch nicht nur, um zu erzählen, wie schlimm es um den Planeten steht. Das zeigt auch die Homepage der NASA. Wir schreiben dieses Buch, weil uns nicht loslässt, dass man dreißig Jahre, also Alex’ gesamte bisherige Lebenszeit, klimapolitisch verschenkt hat. Wir schreiben, weil wir nicht Teil der nächsten Erzählung werden wollen, die von weiteren verschenkten Jahrzehnten handelt. Weil wir nicht von einer abstrakten Welt sprechen, wenn wir von der Zukunft des Jahres 2050 sprechen, sondern von unserem Leben. Wir schreiben dieses Buch als Aufruf, nicht nur an die junge Generation, sondern an alle. Denn alle werden gebraucht.

Weil es unsere Aufgabe ist, eine radikale Klimapolitik einzufordern – und sie umzusetzen. Mit allen gewaltfreien Mitteln, die uns dabei zur Verfügung stehen.

Wir sind Possibilist*innen

Ob wir optimistisch in die Zukunft blicken? Ja und nein. Wir halten es mit Jakob von Uexküll, dem Gründer des Alternativen Nobelpreises. Von Uexkülls Credo lautet, weder Optimist noch Pessimist zu sein, sondern Possibilist. Was das ist? »Der Possibilist«, sagt von Uexküll, »sieht die Möglichkeiten, und es hängt von jedem von uns ab, ob sie verwirklicht werden.«[11]

Mit dieser Haltung schreiben auch wir dieses Buch. Während unseres Stockholmer Sommers haben wir viele Beispiele dafür kennengelernt, dass eine gerechte, friedvolle und nachhaltige Welt möglich ist. Was uns antreibt, ist nicht der Glaube, dass alles gut wird, sondern die Überzeugung, dass die Katastrophe nicht unausweichlich und viel Gutes noch machbar ist.

Wir wissen, dass es Lösungen für die großen gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit gibt. Ihre Umsetzung ist nicht einfach und vielleicht noch nicht einmal wahrscheinlich – aber sie ist möglich. Und solange diese Möglichkeit besteht, solange lohnt es sich, für sie zu kämpfen, von ihr zu erzählen und Menschen zu ermutigen, Teil dieser Lösungen zu werden.

Possibilismus heißt: die Ärmel hochkrempeln. Während Pessimist*innen schnell in einen ebenso lähmenden wie selbstmitleidigen Fatalismus verfallen, und während es sich Optimist*innen in der Erwartung einer rosigen Zukunft bequem machen, werden wir Possibilist*innen aktiv. Solange eine, und sei es noch so kleine Chance auf ein besseres Morgen besteht, sollten wir heute alles daransetzen, sie zu nutzen.

Es ist unbequem, Possibilist*in zu sein, es ist anstrengend, anzupacken. Ja, es gibt Lösungen, doch hängen sie davon ab, dass eine kritische Masse für ihre Umsetzung mobilisiert wird. Dabei dürfen wir uns nicht beirren lassen. Nicht vom düsteren Bild, das die Klimawissenschaft für die Zukunft zeichnet, und das der Zuversicht tatsächlich wenig Raum lässt. Aber auch nicht vom trügerischen Optimismus all jener, die sich dem Glauben an den menschlichen Erfindungsgeist, technologischen Fortschritt und den vermeintlich heilenden Kräften des Marktes verschrieben haben. Während sie immer weiter predigen, es werde schon alles gut werden, sind die globalen Emissionen in Rekordhöhen gestiegen und die Krise verschärft sich Jahr für Jahr.

Das unterscheidet uns Possibilist*innen sowohl von Optimist*innen als auch von Pessimist*innen: Wir wissen, dass eine andere Zukunft möglich ist, aber wir wissen auch, dass wir sie nicht geschenkt bekommen.

Eine Einladung

Wir sprechen hier nicht für eine »Generation«, was auch immer das sein mag. Wir sprechen auch nicht für Fridays for Future. Wir sprechen für uns, wir erzählen aus unserer persönlichen Perspektive. Dabei sind wir inspiriert von unseren Erfahrungen, von dem, was wir mitbekommen, in Gesprächen, im Studium, auf der Straße.

Wir hoffen, dass sich einige in dem, was wir hier schreiben, wiederfinden können. Und wir gehen davon aus, dass sich vermutlich ebenso viele daran stören werden. Wir machen einen Aufschlag. Und sprechen an alle die Einladung aus, Teil der Geschichte zu werden, die wir von nun an schreiben: Sie handelt vom Ende der Klimakrise, von der Haltung, mit der wir der Krise begegnen und vom Einsatz, den es dafür braucht.

1  Unsere Zukunft ist eine Dystopie

Berlin im nasskalten Februar. Nieselregen von morgens bis abends. Tief hängende Wolken dimmten das Licht auf der Straße, als gönnten sie der 69. Berlinale, die derzeit begann, ihren Glanz nicht: Überall große Plakate, Fernsehteams und Schaulustige vor den Kinos. Ab und zu stiegen schöne Menschen aus dicken Autos, eilten in Richtung des roten Teppichs, in teuren Klamotten, die ganz bestimmt nicht für dieses Wetter gemacht waren.

Ich saß in einem Kinosessel mit Lehnen, die so breit waren, dass meine Unterarme dreimal darauf Platz gehabt hätten. Rechts und links von mir ein Dutzend Freund*innen, auf unseren Plätzen klebten »Reserviert«-Schilder.

Knapp zwei Monate zuvor hatten wir angefangen, unsere Freitage vor Rathäusern, Landtagen und Ministerien zu verbringen. Fridays for Future machte Schlagzeilen.

In diesen Wochen beriet auch eine sogenannte »Kohlekommission« darüber, wann Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigen sollte. Und weil die Kommission, scheinbar unbeeindruckt von den wöchentlichen Klimastreiks, im Begriff war, sämtliche Klimaziele zu ignorieren, riefen wir am Tag ihrer letzten Sitzung zum großen Streik vor dem Bundeswirtschaftsministerium auf. Ich hatte 500 Menschen angemeldet und insgeheim gehofft, dass wir mehr als Tausend werden würden. Es kamen Zehntausend.

Die Kohlekommission machte noch am Morgen des Streiks einen Schritt auf uns zu und lud ein paar von uns zu ihrem Treffen ein. Vier Minuten lang durften wir dort unsere Anliegen vortragen. Wir sprachen von unserer Angst, auf einem kaputten Planeten alt zu werden, weil andere Länder dem schlechten Beispiel folgen würden, wenn hierzulande noch viel zu lange Kohle verbrannt würde. Wir erinnerten die Kommission an ihre globale Verantwortung. Sie müsse den Weg zu einem schnellen und gerechten Ausstieg aus der Kohleförderung weisen. Wir erinnerten sie daran, dass unsere Zukunft in ihren Händen lag.

Nachdem wir den Raum verlassen hatten, entschied die Kohlekommission, es sei notwendig, noch weitere 19 Jahre lang Kohle zu verstromen. Bis 2038 also sollte diese dreckigste Form der Energieerzeugung weiter betrieben werden. Am selben Abend berichteten die Tagesthemen von tausenden Kindern, die die Schule schwänzten. Das könne aber keine Dauereinrichtung werden, kommentierte ein Kultusminister.[1]

Zurück zur Berlinale. Dorthin waren wir nur wenige Tage nach unserem großen Streik eingeladen worden. Anscheinend hatten wir zwar nicht die Entscheidungsträger*innen der Energiepolitik erreicht, dafür aber ein australisches Filmteam, das sich mit dem guten Leben in der Zukunft beschäftigte. Für die Berlinale war die Premiere ihres Filmes 2040 angesetzt. Wir nahmen die Einladung dankbar an, sie versprach eine angenehme Abwechslung im immer hektischer werdenden Alltag der Bewegung.

Der Film 2040 zeigt, wie die Welt im Jahr 2040 aussehen könnte, wenn sich bereits vorhandene Ideen zu den Themen Gerechtigkeit, Glück und Klimaschutz durchsetzen würden. Zur Premiere hatten die Filmemacher*innen eine ungewöhnliche Entscheidung getroffen und Freikarten an 200 Betroffene vergeben – Menschen, die wie ich im Jahr 2040 noch die Hälfte ihres Lebens vor sich haben.

Der Film greift machbare technologische, ökologische und ökonomische Innovationen auf, skaliert sie und beschreibt ihren bestmöglichen Einsatz. So entsteht das farbenfrohe Bild von einer Zukunft voller Chancen. Das Bild davon, wie die Welt, also auch Deutschland, aussehen könnte, wenn wir die nächsten zwanzig Jahre damit verbringen würden, eine nachhaltige Zukunft zu bauen und dabei auf erneuerbare, dezentrale und genossenschaftliche Energieproduktion setzen würden – und nicht noch 19 dieser zwanzig Jahre auf Kohleenergie.

Als das Licht wieder angeht, werden der Regisseur und ich für ein Gespräch nach vorn gebeten. Während die Kameras klicken, werden Blumen verteilt. Wir müssen ziemlich klein aussehen vor dem großen roten Vorhang, ich zumindest fühle mich so.

Auch das Publikum wird gefragt, was es von dem Film hält und ob es jetzt zuversichtlich in die Zukunft schaut?

Ein kleiner Junge steht auf. Er gehe in die siebte Klasse. Mathe, sagt er, sei sein Lieblingsfach. Eines Tages möchte er Schiffbauer werden. Er umklammert das Mikrofon mit beiden Händen, richtet seinen Blick auf den Regisseur und sagt mit klarer Stimme: »Weißt du, das sieht schön aus. Aber es ist Fantasie. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass wir noch zu retten sind. Ich glaube, es wird einfach immer schlimmer. Ich habe Angst.«

Mit zusammengekniffenen Augen schaue ich mich im Kinosaal um. Nichts regt sich. Was man sieht, sind junge Menschen in viel zu breiten Sesseln, die zustimmend nicken.

Nun bekomme ich das Mikro. Ich weiß aber nicht so recht, was ich sagen soll. Ich blicke in die großen Augen von 200 Schulkindern und möchte gerne Zuversicht verbreiten. Aber das ist nicht so leicht. Im Gegenteil. Ich weiß, dass sie recht haben könnten.

Auf der Doomsday Clock ist es heute zwei Minuten vor zwölf. Mit dieser modellhaften Uhr veranschaulichen Wissenschaftler*innen im Bulletin of the Atomic Scientists in den Vereinigten Staaten schon seit 1947 ihre Einschätzung zur Gefahr einer menschengemachten Apokalypse. Zwei vor zwölf war es zum letzten Mal im Jahr 1953, da hatte die Sowjetunion gerade erfolgreiche Tests mit thermonuklearen Sprengkörpern durchgeführt und sich so in die Lage versetzt, wie die Vereinigten Staaten auch, die Existenz ganzer Nationen mit einem Knopfdruck auslöschen zu können.

Mit anderen Worten: Die Gefahr der menschengemachten Apokalypse erscheint den Wissenschaftler*innen heute genauso groß wie zu dem Zeitpunkt, an dem es den Supermächten des Kalten Krieges möglich wurde, von einem Moment auf den anderen die Menschheit zu vernichten. Der Grund für den Alarm der Forscher*innen ist aber nicht nur die Gefahr eines Nuklearkrieges, die durch den Ausbau des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms seit 2017 gestiegen ist. Sondern auch die immer extremeren Folgen der globalen Erwärmung.

Der große Unterschied zwischen der Gefahr heute und der von 1953 ist der, dass die damalige Gefahr »schlicht« durch Diplomatie gebannt werden konnte. Heute sieht die Lage anders aus. Viele globale Ökosysteme sind schon jetzt so stark beschädigt, dass sie vielleicht nie wieder vollständig »repariert« werden können. Und die Weltwirtschaft ist darauf angelegt, dass diese Zerstörung anhält. Mit Diplomatie alleine ist es also nicht getan. Sie ist nur ein Schritt von sehr vielen, die gegangen werden müssten, um die Gefahr abzuwenden.