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Impressum

© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

Projektleitung: Maria Hellstern

Lektorat: Alexandra Bauer (textwerk, München), Karin Leonhart für textwerk, München

Korrektorat:

Covergestaltung: independent Medien-Design, München, Horst Moser, Svenja Wamser

eBook-Herstellung: Gabriel Mlesnite

impressum ISBN 978-3-8338-6933-4

1. Auflage 2019

Bildnachweis

Coverabbildung: Sébastien Manigaud

Illustrationen: Marie Bäumer

Fotos: Sébastien Manigaud

Syndication: www.seasons.agency

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Die GU-Homepage finden Sie im Internet unter www.gu.de

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Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Autorin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

3 DIE URSPRÜNGLICHEN KRÄFTE

DIE KRAFT UNSERER NATUR

Der Mensch, wie er auf die Welt kommt, ist in meinen Augen vollkommen. Alles, was wir zu einem erfüllenden Leben brauchen, ist bereits in uns vorhanden. Nur manchmal ist etwas Wesentliches noch nicht ganz freigelegt. Dann entsteht das Gefühl, »mit angezogener Handbremse« zu fahren, anstatt in freier Fahrt die Umgebung zu genießen.

Das Aufdecken dieser mitgebrachten Ressourcen sehe ich als meine Aufgabe in der Vermittlung zwischen den Menschen, die sich mir anvertrauen, und dem, was ich als ihr Kernwesen verstehe: ihren Ursprung, der ihre Persönlichkeit ausmacht.

Alle von mir in diesem Buch beschriebenen Schritte führen immer wieder zu diesem elementaren Kern. Wir suchen nicht im Außen danach, etwas »zu werden«, sondern wir entdecken immer mehr, wer wir sind und was unsere Persönlichkeit ausmacht, welchen Reichtum wir natürlicherweise in uns tragen. Und wir ergänzen, was uns zum Umsetzen unserer Pläne und Visionen auf dem Weg helfen kann.

Auf meinen Reisen frage ich Menschen oft nach ihrem letzten besonderen Erlebnis. Ausnahmslos alle, im Alter von Anfang 20 bis Ende 80, Land- oder Stadtmenschen, Freunde oder Unbekannte, alle haben ein Erlebnis in der Natur erwähnt, und die meisten haben es mit einem ihnen nahestehenden Menschen geteilt. Ich erzähle dies, da ich selbst täglich erfahre, welche Kraftquelle die Natur für uns darstellt.

Als Schauspielerin sowie als Mediatorin arbeite ich mit den ursprünglichen Kräften, die eine unerschöpfliche Ressource für uns Menschen bietet. Diese beinhalten für mich im weiteren Verlauf, das Prinzip der männlichen und weiblichen Kraft. Die innere Vertikale symbolisiert die handelnde, umsetzende, die entscheidende Kraft. Der innere Kreis symbolisiert die verbindende, nährende, in sich ruhende Kraft. Jeder von uns trägt diese beiden Anteile in sich. Und so wie es ein entscheidender Aspekt ist, im Ausgleich von Spannung und Entspannung zu sein, ist es aufschlussreich, um seine männlichen und weiblichen Anteile zu wissen.

MÉMOIRE: EIN KREIS IM MONUMENT VALLEY

Meine letzte Escapade – von der ich schon am Anfang erzählt hatte: die Reise zu Pferd durch den Wilden Westen Amerikas – lässt mich einen Moment erinnern, in dem die Natur uns ein großes Geschenk gemacht hat.

Gut zwei Monate waren wir, sieben Menschen und drei Pferde, mit unserem Trailer und drei Land Rovern unterwegs. An unseren Etappenzielen kamen wir in Motels oder Privatunterkünften unter. Wir begaben uns tagsüber mit den Pferden in die Natur, um dort zu filmen und Touren zu unternehmen.

Unsere Gruppe bestand aus dem Regisseur und Produzenten, dessen Assistentin, einem Kameramann, einem Assistenten, der gleichermaßen für Ton und Kamera zuständig war, meinem Filmpartner, meinem Sohn Shawn und mir.

Mein Filmpartner Hawk und ich lernten uns erst vor Ort, wenige Tage vor dem ersten Drehtag kennen. Die anderen waren sich bereits vertraut. Jeder reiste mit großer Vorfreude, seinen persönlichen Bedürfnissen und Erwartungen in Phoenix, Arizona, an, wo unsere Tour startete. Zwei der Pferde brachte mein Partner mit, das dritte, welches mein Reitpferd und Sparringspartner auf der Tour wurde, war auf dem Weg dazugekauft worden und erst einmal vollkommen überfordert mit der Situation. Er beschloss, sich seinen persönlichen Anker zu schaffen, und dockte sich an das Leitpferd meines Partners an, derart entschieden und existenziell, dass er sich anfänglich nicht einmal auf der gegenüberliegenden Seite des Hängers festbinden ließ. Sobald sein Anker außer Sichtweite war, brach er in Panik aus. Beglückenderweise konnte ich im Lauf der Zeit, die wir miteinander verbrachten, sein Vertrauen gewinnen und ihn später davon überzeugen, dass es sogar Spaß machte, mit mir allein kleine Ausflüge ins Gelände zu unternehmen.

In unserer Gruppe freute sich der Regisseur auf einen gepflegten Chablis abends im Motel, die Assistentin, die enorm viele Aufgaben zu bewältigen hatte, bedauerte, als Pferdenärrin nicht mehr Zeit zum Reiten zu bekommen. Der Kameramann, ein Bergsteiger mit entsprechend eigenwilliger Natur, begab sich im Alleingang auf Spurensuche für sein nächstes Bild. Der Tonassistent wusste nicht, zwischen wem er vermitteln sollte, wenn Regie und Kamera immer noch Einstellungen suchten. Währenddessen stritten Hawk und ich uns, auf unseren schwitzenden Pferden wartend, weil er mir ohne Unterlass den Kolben seiner Flinte ins Knie stieß. Mein Sohn musste für sein Abitur Bücher über Bücher lesen und war nicht ganz hier und nicht ganz dort. Hawk verschwand gern auf seinem Pferd Richtung Horizont, wenn es ihm zu lang dauerte, und ich sah mich auf meinem steigenden Panikbündel und fragte mich, ob man das nicht auch anders lösen könnte …

Neben unserer Begeisterung für die fantastischen Landschaften, die Menschen, denen wir begegneten, und dem Abenteuer, das jeder von uns auf seine Art erlebte, hatten wir eine gemeinsame Aufgabe zu erfüllen, jeder auf seinem Posten. Wir kamen durch sehr unterschiedliche Klimazonen, es war sehr heiß, aber auch bis zu Temperaturen unter null, beinahe täglich fuhren wir viele Hundert Meilen, und wir hatten in der gesamten Zeit keinen Tag Arbeitspause. Nach dem Abendessen, das wir stets gemeinsam einnahmen, versorgten mein Partner und ich die Pferde – meist erst nach Mitternacht. Da er ebenso wenig wie ich Navigationssysteme lesen konnte, fuhren wir oft noch suchend in düsteren Gegenden herum, während die anderen bereits in ihren Betten lagen. Ein kurzer Stopp auf dem Bett, nur um ein klein wenig zu verschnaufen, noch in voller Montur mit Jeans, Hut und Boots, endete oft mit einem kläglichen Erwachen am frühen Morgen, mit ungeputzten Zähnen und immer noch leuchtender Nachttischlampe.

Nachdem wir Arizona und New Mexico hinter uns gelassen hatten, führte uns die Route an die Grenze des Bundesstaats Utah ins Monument Valley. Die Ebene des Monument Valley, ursprünglich von den Navajo-Indianern besiedelt und noch heute Teil der Navajo Nation Reservation, ist ein Tafelgebirge von unbeschreiblicher Schönheit. Die rotbraun und ockerfarbenen Hochplateaus, die sogenannten Mesas, lassen das Grün der satten Pflanzenwelt auf eine Art leuchten, wie ich es bis dahin noch nie erlebt hatte. Weich geschwungene Sandwege und Dünen führten durch das gesamte Gebiet, in dem wir unter anderem das Glück erlebten, zwei wilden Pferdeherden von einem oberhalb gelegenen Felsen beim Trinken zuzusehen.

Der Kontakt zu einem einflussreichen Indianer ermöglichte uns das Privileg, uns für mehrere Tage in diesem Reservat aufhalten zu dürfen, querfeldein zu reiten und sogar zu übernachten. Wir schlugen das erste Mal ein Zeltlager auf, jeder baute sich seinen Kokon, es wurden ein von zwei Cowboys gemieteter Hänger mit Pferden für die ganze Crew angefahren sowie ein Essenstrailer mit einer kleinen Küche. Unsere beiden Cowboys, weltbeste Reiter, Berglöwen-Jäger und wenn nötig klare Ansager, hatten nichts Besseres zu tun, als den »Ladys« eine Dusche mit Sichtschutz zu organisieren, die sie wie von Zauberhand neben dem Küchenwagen platzierten. Toiletten gab es nicht, eine Schaufel stakte im Sand, und war die weg, wusste man, einer geht gerade und erledigt etwas, was uns Menschen am Ende auch alle verbindet. Es war heiß, über 40 Grad, wir hatten wichtige Drehtage vor uns, eine lange Fahrt hinter uns, und ich hatte Laken aus den Motels mitgehen lassen, die ich in Wasser tunkte, um sie den dampfenden Pferden auf den Rücken zu legen.

Die Stimmung in unserer Gruppe war aus unterschiedlichen Gründen etwas gereizt. Nicht so sehr, dass es zu Ausbrüchen kam, aber man spürte die latente, unterschwellige Spannung. Am zweiten Tag im Monument Valley fiel meinem Sohn auf, dass wir unter einem Schwarze-Witwen-Netz, das eine gesamte Familie dieser gefährlichen Spinnen beherbergte, schliefen! Wir siedelten daraufhin um und fanden in dem offenen Zelt meines Kollegen Hawk Unterschlupf. Er würde niemals in einem maschinengefertigten geschlossenen Zelt schlafen, erklärte er uns, während er sich mit drei Eckpfeilern aus Ästen sein Gerüst für sein Schlaflager baute. In dieser Nacht brach ein Sandsturm aus und fegte unsere komplette Behausung davon. Beim Versuch des Wiederaufbaus fanden wir uns allesamt unter den Canvas-Planen wieder, quer über uns die Äste, die als Stützpfeiler gedient hatten. Da wir fast nichts mehr sehen konnten, reduzierten wir unser Schutzbedürfnis auf Wärme und schliefen, dicht aneinandergedrängt, unter der Plane ein.

Am letzten Tag bescherten uns einer unserer Cowboys und unsere Assistentin, die mittlerweile ihren Kosmos im Küchentrailer erschaffen hatte, unvergessliche Steaks. Die Futterquelle ist ein nicht zu unterschätzender Ort bei allen Dreharbeiten, und man sollte sich per se mit den Essensverteilern gut stellen … Wenn man über zwölf Stunden arbeitet, weiß man, wie elementar eine Mahlzeit sein kann.

Am Abend saßen wir mit dem bis dahin eher zurückhaltenden Indianer, der uns auf allen Wegen durchs Monument Valley geführt hatte, am Feuer, und er sang, während seine Hände auf einer Salatschüssel trommelten. Hawk holte seine Gitarre dazu und trug selbst gedichtete Lieder vor. Einer der Cowboys berichtete von seiner Zeit im Gefängnis, nachdem er auf Berglöwen-Jagd einmal einen Ranger am Hinterteil erwischt hatte.

Wir saßen im Kreis um das lodernde Feuer herum, die Tausende Jahre alten Felsen und die Geschichte der Navajos umhüllten uns, wir erfreuten uns am Essen und lauschten der Musik und den Geschichten. Und alle erlebten wir eine tiefe Rührung in unseren Herzen: Die Natur und das Feuer erfüllten uns mit Ruhe – und da, wo es vorher noch an der einen oder anderen Stelle gehakt hatte, waren wir mit einem Mal alle miteinander verbunden.

Dieses Bewusstsein stärkte uns in den weiteren Wochen auf unserer abenteuerlichen Reise und hält uns bis heute, Jahre nach der Fertigstellung der Dokumentarreihe, in einem freundschaftlichen Bund zusammen. Jeder trat an mit seinen individuellen Bedürfnissen, wir verfolgten alle dasselbe Ziel, aber jeder hatte seinen eigenen Plan im Sinn. Wenn sich die äußeren Umstände allerdings ändern, kann dies auf die innere Verfassung einen unmittelbaren Einfluss nehmen. So wie es auch auf unsere innere Haltung Einfluss nimmt, wenn wir unseren Körper in eine neue Position bewegen.

Begeben wir uns in die Natur, werden wir augenblicklich ruhiger, unser Körper und unser Gemüt werden berührt von ihrer Schönheit, ihrer Kraft, ihren Klängen.

Im Monument Valley hatten wir neben unserem Auftrag mit einem Mal eine Herausforderung: für mehrere Tage Wasser, Nahrung und Obdach für zehn Pferde und elf Menschen zu beschaffen. Ohne große Diskussionen packte jeder mit an, plante, baute, konstruierte. Alle hatten zu tun und halfen selbstverständlich, wo es nötig war.

Wir Frauen fühlten – ob Sandsturm oder Dusche, Berglöwe oder gefährliche Spinne: Es waren genügend männliche Kräfte vor Ort, um all diesen Herausforderungen gewachsen zu sein. Und so konnten wir unseren Platz einnehmen, indem wir die Pferde und die Kerle mit Essen versorgten. Aber auch ein Cowboy stand mal im Essenswagen. Hier geht es nicht um ein klassisches Geschlechter- oder Rollenmodell. Vielmehr handelt es sich um die Hinwendung zu unseren natürlichen Kräften, die uns entsprechen, wenn die Umgebung und die Aufgabe es erfordern.

Es ist spannend, zu überprüfen, wie wir mit unseren männlichen und weiblichen Anteilen verbunden sind. Das Integrieren beider Anteile ist ein bewusster Prozess, den ich im Atelier Escapade anrege.

WEIBLICHE UND MÄNNLICHE BEDÜRFNISSE

Vielleicht wird es Sie überraschen, wenn ich an dieser Stelle als selbstständige, viel beschäftigte, unabhängige Frau sage, dass ich oft dort Zufriedenheit in Beziehungen beobachte, wo die Frau weiblich sein kann und der Mann männlich. Genauso wie unsere Grundbedürfnisse gibt es für mich zentrale Wünsche einer Frau an einen Mann und umgekehrt. In gleichgeschlechtlichen Beziehungen werden diese Dynamiken ebenfalls verhandelt. Wie diese Bedürfnisse formuliert und erfüllt werden, ist absolut individuell. Zu meinen Studenten sage ich: »Wir brauchen erst einmal Männer und Frauen. Punkt. Bitte keine Unisex-Gesellschaft! Danach können wir alles miteinander vermischen.«

Das Unterdrücken dieser Bedürfnisse kann zu Störfeldern führen. Es gibt ursprünglich in uns veranlagte Sehnsüchte, die Erfüllung suchen. Wir können all diese ausleben und uns dabei in unseren weiblichen und unseren männlichen Anteilen frei fühlen. Wir leben in einer Welt der Polarität: Sonne und Mond, Licht und Schatten – weiblich und männlich: Aus der Polarität entsteht die Anziehung, denn beide Teile bilden ein Ganzes. Und besonders für weibliche und männliche Urkräfte gilt, je stärker die Pole, desto stärker die Anziehung. Es ist zwar beides in uns angelegt und will im Lauf des Lebens auch immer weiter entwickelt werden, aber die Kraft der Anziehung entsteht erst einmal durch die sich ergänzenden Unterschiede.

Nicht begrenzen, nicht beschränken, sondern sich bewusst werden und sich öffnen. Entdeckung anstatt Bewertung. Ergänzung anstatt Begrenzung.