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Impressum

© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

Projektleitung: Simone Kohl

Übersetzung aus dem Englischen: Renate Haen, Britta Nord, Martin Waller, Christine Weiland

Redaktion: Werkstatt München . Buchproduktion

Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München

eBook-Herstellung: Gabriel Mlesnite

impressum ISBN 978-3-8338-7213-6

1. Auflage 2019

Bildnachweis

Coverabbildung: gettyimages / Kyoshino

Fotos: Alamy Stock Photo Westend61 GmbH; Getty Images Eric Feferberg/AFP; iStock igorr1, itakdalee, mythja, Rouzes, Savushkin, wwing; Richard Brendon; SEGUIN MOREAU

Syndication: www.seasons.agency

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Die englische Originalausgabe ist unter dem Titel »Hugh Johnson’s Pocket Wine Book 2018« beim Verlag Mitchell Beazley, einem Imprint von Octopus Publishing Group Ltd., Carmelite House, 50 Victoria Embankment, London EC 4Y 0DZ, erschienen.

www.octopusbooks.co.uk

Copyright © Octopus Publishing Group Limited 1977-2019

First edition published 1977

Revised editions published 1978, 1979, 1980, 1981, 1982, 1983, 1984, 1985, 1986, 1987, 1988, 1989, 1990, 1991, 1992, 1993, 1994, 1995, 1996, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019

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Zum richtigen Gebrauch

Bei den meisten Stichwörtern besteht die erste Zeile aus folgenden Kurzinformationen:

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1Weinname und Gegend des betreffenden Landes, aus der der Wein stammt (Hinweise auf Landkarten im Buch).

2 Welche Farbe der Wein hat; ob er trocken, lieblich oder süß ist; schäumend, in verschiedenen Formen vorkommt (und welcher die größte Bedeutung zukommt).

r rot tr trocken*
rs rosé lbl lieblich
w weiß s süß
br braun / bernsteingelb sch schäumend
(  ) in Klammern gesetzte Angaben bedeuten relativ bescheidene Produktionsmengen
* steht hier keine Angabe, wird von einem trockenen Wein ausgegangen

3 Allgemeiner Qualitätsstand; eine freilich nur grobe Einstufung aufgrund des derzeitigen Ansehens, wie es sich aus dem Preis ergibt.

* einfache Qualität für jeden Tag
** überdurchschnittlich
*** bekannt, berühmt
**** erstklassig, anspruchsvoll, teuer
* usw. farbige Sterne erhalten Weine, die nach meiner Erfahrung in der jeweiligen Preisklasse besonders gut sind; das gilt für gute Alltagsweine ebenso wie Luxuskreszenzen.

4 Der Jahrgang: Angegeben sind die empfehlenswerten neueren Jahrgänge, zusammen mit einer Einschätzung, ob sie bereits trinkreif sind (Ziffer in fetter Schrift) oder ob sie sich bei weiterer Lagerung noch entfalten (normale Schrift). Bitte beachten Sie aber, dass die Entwicklung eines Weins vielen Faktoren unterliegt und auch anders verlaufen kann als erwartet. Sind sowohl rote als auch weiße Weine angegeben, so ist der Rotwein gemeint, wenn nicht ausdrücklich anders erwähnt.

15 usw. allgemein erhältliche, empfohlene Jahrgänge, die sich für weitere Lagerung eignen
17’ usw. nach Angaben der jeweiligen Erzeuger besonders gut ausgefallener Jahrgang
12 usw. genussreifer Jahrgang
11 usw. 2017 bevorzugt zu genießender Jahrgang
(18) usw. vorläufige Bewertung

Deutsche Weinjahrgänge werden nach einem anderen System geführt.

Näheres siehe >.

Sonstige Abkürzungen

BV baldiger Verbrauch, d. h. möglichst jung zu trinken
oJ ohne Jahrgangsangabe auf dem Etikett. Bei Champagner eine einheitlichen Geschmack garantierende Mischung mehrerer Jahrgänge

Weitere, länderspezifische Abkürzungen befinden sich am Anfang des jeweiligen Kapitels.

Erzeuger- oder Weinnamen in Farbe kennzeichnen Hugh Johnsons persönliche Favoriten.

KAPITÄLCHEN verweisen auf eigene Einträge im selben Kapitel oder im Abschnitt »Rebsorten«, >.

Alternativen gefällig?

Sie mögen Rhône-Weißweine – probieren Sie Verdicchio

Wirklich gleichsetzen kann man die beiden nicht. Rhône-Verschnitte von Marsanne und Roussanne duften intensiv nach den Blüten und Kräutern der garrigue und verbinden Schmelz und Geschmeidigkeit mit einer belebenden phenolischen Bitterkeit. Verdicchio ist tanninreich und forsch – einer der Weißen, die die Italiener als »Ersatzrotweine« ansehen – und glänzt mit Zitrusfrucht und Melone sowie Noten von Kamille und Apfel. Er ist ein recht kräftiger Wein, reichhaltig, aber trocken, ein exzellenter Speisenbegleiter, der im Alter Noten von Honig und Bienenwachs annimmt. In den Weinbaugebieten der italienischen Marken liegen die Standards hoch, und die Namen der besten Erzeuger finden Sie auf >. Lugana vom Gardasee ist die gleiche Traube.

Sie mögen Riesling aus dem Rheingau – probieren Sie neuseeländischen Riesling

Vor ein paar Jahren hätte ich das noch nicht geschrieben. Aber die neuesten Rieslinge aus Neuseeland legen nahe, dass man mit der Traube dort jetzt ganz richtig umgeht; die Weine sind spannend, geradlinig, konzentriert. Wer diese Spannung scheut, kommt mit dem Riesling nicht zurecht; man muss sie vielmehr anstreben. Im Rheingau wissen die Winzer genau, was sie tun und versuchen, die Unterschiede der einzelnen Lagen herauszuarbeiten. In dieser Hinsicht hat Neuseeland noch zu lernen, aber Geradlinigkeit und Spannung sind bereits jetzt im Glas vorhanden. Das führende Gut dort ist Felton Road mit charaktervollen, durchdringenden, detailliert bereiteten Weinen von biodynamisch bewirtschafteten Lagen. Sie sind weltweit konkurrenzfähig.

Sie mögen Loire-Weißweine – probieren Sie welche aus Swartland

Je mehr Weißweine aus Swartland ich trinke, umso mehr frage ich mich, warum ich überhaupt noch etwas anderes trinke. Von den Roten könnte ich dasselbe sagen, stimmt, aber wir wollen uns hier auf die Weißen konzentrieren. Meist basieren sie auf Chenin blanc, und diese Sorte hatte jahrelang den miesen Ruf, nur für billige Abfüllungen zu taugen. Dann kamen ein paar einfallsreiche Weinmacher, sahen die alten Buschreben im Trockenanbau und die konzentrierte Frucht, die sie hervorbrachten, und fragten sich, ob die Welt hier nicht gerade etwas verpasse. Herausgekommen sind Weißweine, die zu den feinsten überhaupt zählen, mit straffer Konzentration, kräuterwürziger, salziger Frische, großer Eleganz und Komplexität sowie der Fähigkeit zu altern. Alles also, was man auch von Spitzen-Chenin-blanc von der Loire erwartet, ausgenommen die Tendenz zur Süße.

Sie mögen Sauternes – probieren Sie Vin de Constance

Es mag pervers erscheinen, Sie von einer ganzen Region auf einen einzelnen Erzeuger zu verweisen, aber ein bisschen Perversität hat noch niemandem geschadet. Vin de Constance gibt es seit 1685, allerdings mit Höhen und Tiefen – im Moment ist er jedoch sehr eindrucksvoll auf der Höhe. Der 2015er ist der beste, den ich je verkostet habe, voller Zitrus- und Ananasnoten, Orangenschale, Säure und Struktur mit einem sehr schmalen Streifen Tannin, der sich durch ein dichtes, geradliniges Gefüge zieht. Dieser Wein hat große Konzentration und eine schwerelose Gewichtigkeit. Er ist süß und erfrischend, vielleicht etwas enger im Profil als Sauternes, und bereitet von anderen Trauben: Muscat de Frontignan statt dem Sauternes-Verschnitt aus Sémillon und Sauvignon blanc. Ich kann ihn mir gut zum britischen Treacle Tart vorstellen, einem Kuchen aus Mürbeteig und Golden Syrup.

Sie mögen Rotweine von der südlichen Rhône – probieren Sie Weine aus dem Libanon

Okay, die Trauben sind andere, aber das Gefühl des Weins – und das französische Erbe – werden Sie wiedererkennen. Die südliche Rhône setzt auf Grenache, Mourvèdre und den Rest einer beachtlichen mediterranen Crew für Verschnitte mit Lavendel- und Kräuterduft, die gleichermaßen ausladend wie straff sind und bei der Reifung Noten von Leder und Unterholz entwickeln. Im Libanon verschneidet man rote Trauben ganz nach Belieben: Cabernet Sauvignon mit Syrah und/oder Grenache und/oder Cinsault – oder Cinsault reinsortig oder Mourvèdre mit Cabernet Sauvignon. Sie wissen, was ich meine: Es gibt keine Vorschriften in puncto Verschnitte. Die Weine sind unterschiedlich gut, ja, aber wenn es Fehler gibt, dann rühren sie meist von zu viel Eichenholz her. Die besten Weine (siehe dazu >) sind geschmeidig, komplex und aromatisch, mit Leder, Erde, Gewürzen, balsamischen Kirschnoten, Blumen und Kräutern, und das bei einem mäßigen Alkoholgehalt von unter 14 %.

Sie mögen Beaujolais – probieren Sie Okanagan Gamay

Ich könnte auch sagen: Wenn Sie Gamay mögen, trinken Sie mehr davon. Die Region Beaujolais floriert gerade nicht besonders, auch wenn ihre Weine besser sind denn je: mehr Charakter, feiner, präziser. (Nein, ich spreche nicht vom Nouveau; Beaujolais Nouveau vergessen wir einfach.) Gamay in Bestform hat all die Frische, Saftigkeit und Ausdrucksstärke, die man sich nur wünscht, und die Crus sind wie Burgunder für Anfänger. Aber sollte Ihnen einmal ein Gamay aus dem kanadischen Okanagan über den Weg laufen, von den steilen, schönen Hügeln rund um den gleichnamigen See, dann greifen Sie zu. Man baut nicht sehr viel Gamay in Okanagan an, sollte das aber tun, um noch mehr von diesen wunderbar seidigen, geschmeidigen, würzigen Rotweinen zu erzeugen. Es gibt sogar ein wenig Pét-Nat-Gamay voller Aromen von Rosen und Sauerteig.

Sie mögen St-Émilion – probieren Sie Napa Cabernet

Napa Cabernet verändert sich. Ja, es gibt noch Erzeuger auf dem »Luxusgüter«-Trip, die der Überreife, Überextraktion und Überholzung nicht entkommen können oder wollen. Doch mehr und mehr geht die Tendenz von Fruchtbomben zu etwas Ernsthafterem. Die Eiche zieht sich zurück, die Frucht tritt mehr hervor – und kann sich als geschmeidig, seidig, würzig, auf süße Weise reif und ziemlich verführerisch präsentieren. In Napa hieß es immer, dass man über wunderbares Terroir verfüge, und nun fängt man auch an, es zu zeigen. Napa Cabernet ist keinesfalls ein genaues Gegenstück zu Bordeaux, doch reifer, von Merlot angeführter St-Émilion mit seinen Noten von Früchtekuchen kommt ihm am nächsten. Und zwar auf sehr schöne Weise.

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Zur Ausgabe 2020

Falls Sie meinen, dass die Weinwelt Jahr für Jahr einfach so vor sich hin dümpelt – Champagner so wie immer, Bordeaux so wie immer, Burgunder noch teurer, Napa auch, Australien so australisch wie nie –, dann lassen Sie sich gesagt sein, dass das aus meiner Warte ganz anders aussieht. Global wie lokal, Klima oder Trauben, Böden, Eigentümer, Maschinen, Chemie, ja sogar die Sprache: alles ist anders.

Die meisten Veränderungen sind organisch, was aber nichts mit Ökoweinbau zu tun hat, sondern Vorgänge meint, die in der Natur der Weinindustrie liegen. Unterschiedliche Interessen wirken darin aufeinander ein, wie das in jeder expandierenden Branche der Fall ist. Das Marketing teilt der Produktion mit, was es möchte, die Produktion versucht, das hinzukriegen, und heraus kommt ein Kompromiss – möglicherweise ein Juwel, vielleicht eine Niete oder auch eine gelbschwänzige Yellow-Tail-Kreatur, mit der man millionenfach Kisten absetzen kann.

Die Natur erzwingt Veränderungen: Frost, Hochwasser und Trockenheit (meistens Trockenheit) stoßen die Winzer mal hierhin, mal dahin. Manche Produzenten schützen sich vor natürlichen Schwankungen: schlaue Leute im Champagnergeschäft oder Sherry-Bodegas oder Weinmacher, die langfristig verschneiden, haben gelegentlich zwar Engpässe bei den Vorräten, sind aber weniger anfällig für die Gemeinheiten der Natur.

Die Mode: Führt sie Veränderungen herbei oder folgt sie ihnen? Modeerscheinungen spielen eine immer größere Rolle für unser Trinkverhalten, aber auf eine undurchschaubare Art. Auf der einen Seite kann sie eher unbekannte Weine wie Albariño zu einem internationalen Hit machen, auf der anderen Seite grandiose Geschöpfe wie deutschen Riesling und die feinsten Sherrys jahre- oder jahrzehntelang aufs Abstellgleis schieben.

Einzelpersonen, die Einfluss auf den allgemeinen Geschmack nehmen, bleiben eine Ausnahme; dass Robert Parker seine bevorzugte Art von Weinen so pushen konnte, ist tatsächlich ein Einzelfall. Aber warum hat das so gut funktioniert? Weil Parker dazu ein einfaches Bewertungssystem einführte, eines, das Amerikaner instinktiv verstanden. Die Benotung in der High School geht bis 100 – doch die ersten 50 Punkte fallen unter den Tisch, somit reicht die tatsächliche Spanne von 50 bis 100. Es ist also ein 50-Punkte-System mit aufgeblasenem Ergebnis: 95 sieht besser aus als 45. In der Praxis benotet auch niemand einen Wein mit weniger als 70 – es ist also im Endeffekt eine 30-Punkte-Skala, in der man bis 100 benoten kann. Nach Schulnoten wäre 70 eine 4 – gerade noch ausreichend. Über 90 ist eine 1, 80–89 eine 2, 71–79 eine 3. Jeder Wein, der einer kritischen Betrachtung für wert befunden wurde, bekam (nach Schulnoten) eine 2, jeder »feine« Wein eine 1. Kein Wunder, dass den Weinmachern das gefiel. Doch Weine sind keine Schulkinder und schreiben keine Examen.

Nun, da das 100-Punkte-System zum Mainstream geworden ist und nicht mehr unter Parkers Aufsicht steht, verliert es immer mehr an Bedeutung. Leider fühlt sich fast jedes Weinmagazin und jede Website verpflichtet, es zu übernehmen. Kann man das ernst nehmen? Verschiedene Autoritäten bombardieren uns mit 89er-, 92er- und 94er-Bewertungen, und am Ende bietet man uns nur noch den Durchschnitt der Durchschnitte. Es gibt etwas Besseres: Man nennt es den Markt.

Das Internet verschafft uns Zugang zu Weinpreisen in Echtzeit. Auf der Website Winesearcher.com erfahren Sie sofort den Preis nahezu jedes Weins von jedem Erzeuger aller verfügbaren Jahrgänge auf fast jedem Markt. Auch Infos über verfügbare Mengen, Auktionspreise und viele Meinungen dazu bekommt man dort (und sogar eine durchschnittliche 100-Punkte-Bewertung). Adam Smith würde es lieben.

In vorderster Linie stehen auch immer mehr Sommeliers. Bei ihnen hat sich eine Menge getan seit dem Tag, als ich in einem Drei-Sterne-Restaurant in Paris dem strahlenden zuständigen Herrn höflich zu verstehen gab, dass das Château, das er als St-Émilion anbot, in Wirklichkeit in St-Estèphe stand. »Oh«, sagte er, »tatsächlich?«, holte einen Bleistiftstummel hervor und korrigierte die bibelähnliche Carte des Vins. Nein, der heutige moderne Sommelier ist höchst qualifiziert. Ich gebe zurzeit im Restaurant gerne an, was ich esse, erkläre, dass es kein Gala-Abend werden soll, und bitte ihn oder sie, mich zu überraschen. Auf diese Weise lerne ich alle möglichen Schätze aus Griechenland oder Tasmanien kennen.

Das Thema Sommelier leitet über zu Gläsern, und zwar immer spezialisierteren, die so groß und zerbrechlich wirken, dass sie zu Hause keine Chance hätten. Es war der Österreicher George Riedel, der die Welt davon überzeugte, dass jede Art und jeder Stil von Wein ein eigenes Glas benötigt – ein riesiges. In der ganzen Welt wurden die Schränke bis zum Bersten mit seinen eleganten Monstern gefüllt. Doch die Zeiten ändern sich; heute scheint ein Glas mit flachem Boden (immer noch riesig) das Ding der Stunde zu sein – und meine Freundin und Kollegin Jancis Robinson hat die andere Richtung eingeschlagen. Für sie reicht ein einziges Modell (ihres) für alle Arten von Wein (das Glas ist voluminös – und hat einen flachen Boden). Wie sie das zu Hause hinbekommt, bewundere ich: Pro Person steht nur ein Glas auf dem Tisch, egal, wie viele Weine serviert werden. Ein Kübel steht bereit, um die nicht ausgetrunkenen Reste loszuwerden, bevor sie den nächsten Wein einschenkt. Für Weinprofis funktioniert das. Meine Gäste möchten all ihre Gläser immer lieber behalten und noch weiter an ihnen nippen, auch wenn ich schon längst den nächsten Wein serviert habe.

Eine Begleiterscheinung der superdünnen und superleichten Gläser sind natürlich die überschweren Flaschen. Das ging wahrscheinlich in Italien los. Ein Erzeuger möchte hervorheben, wie speziell (und wie teuer) sein Wein ist, und bestellt deswegen Flaschen, die leer so viel wiegen wie normale Flaschen in gefülltem Zustand. Seine Konkurrenten folgen natürlich auf dem Fuße. Supermarktkunden, die vielleicht weniger gut Etiketten lesen als Flaschen in der Hand wiegen können, sind beeindruckt. Die Glasfabriken freuen sich natürlich. Und die Transportkosten steigen. Nur unser armer alter Planet hat eine weitere Bürde zu tragen. Schraubverschlüsse dagegen haben meine uneingeschränkte Unterstützung, ausgenommen nur einige wenige Weine, die sich langsam entwickeln. Für die vielen von uns, die den Wein nach dem Kauf gleich aufmachen, sind sie ideal.

Eine Handvoll Weinautoren hat es sich zur Aufgabe gemacht, neue Weinbegriffe zu erfinden, anstatt nur weitere Analogien zu Früchten zu verwenden. Andrew Jefford ist vielleicht der poetischste und produktivste. Wer könnte einer Beschreibung widerstehen, die da lautet: »Ein Wein, der sich gegen den Wind lehnt und an der Leine zerrt«? Schwierig nur für andere Autoren, darauf einzugehen. Einige Wörter scheinen bei vielen Leuten einen Nerv zu treffen; sie werden sofort übernommen und verlieren, fürchte ich, ebenso schnell ihre ursprüngliche Bedeutung. »Zitrus« ist so etwas wie ein Adjektiv geworden. Jeder Hinweis auf eine Art Schärfe, so wie in Zitronen oder Limetten, wird derzeit »Zitrus« genannt.

Und natürlich »mineralisch«. Ich habe einige Jahre lang versucht, dieses Wort aus diesem Buch zu verbannen, da es so gut wie bedeutungslos ist – im eigentlichen Sinne auf jeden Fall. Dann regte jemand an, dass es die Vorstellung einer elektrischen Energie hervorrufe, die entsteht, wenn zwei komplementäre Mineralien kollidieren. Elektrisch oder zumindest Energie: na gut, meinetwegen. Und was ist mit »kristallin«, der neuesten Prägung, zusammen mit »präzise«? Ich verstehe genau, worum es deren Erfindern ging, aber wenn solche Begriffe in das Sammelsurium von Klischees auf Rückenetiketten oder Bistro-Getränkekarten verrührt werden, müssen neue Metaphern her, um sie zu ersetzen.

Die Mythologie des Weins wird weiter genährt. Man trifft auf mehr und mehr »Einzellagenweine«, als ob Trauben automatisch besser wären, wenn sie von einem einzigen Stückchen Land kommen. Das mag schon sein – oder auch nicht. Oder vins de garde. Es stimmt, dass die besten Weine der »besten« Regionen normalerweise ein paar Jahre in der Flasche brauchen, um ihr Potenzial voll zu entfalten. Manchmal viele Jahre. Folgt daraus, dass ein langsamer Starter ein besserer Wein ist? Es könnte auch heißen, dass er in keinem Alter besonders angenehm zu trinken ist.

Kurz, es gibt genügend Wandel, um eine weitere Ausgabe meines Kleinen Johnson zu rechtfertigen – für mich ist es die 43. Die Fakten ändern sich, die Welt ändert sich. Ich hatte einfach Glück, dass ich mich auf diese köstliche Ware mit eingebauter Obsoleszenz verlegt habe, die also schnell veraltet und daher immer wieder Erneuerung fordert.

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Hugh Johnson

Der Jahrgang 2018

Nachdem die Lese 2018 beendet worden war, hörte man aus dem Weinbaugebieten vor allem eins: Seufzer der Erleichterung. 2017 hatte es alles gegeben, von Frost bis Feuer, 2018 dagegen würden einige Regionen am liebsten zum Jahrhundertjahrgang ausrufen. Aber sie wissen nur zu gut, dass unsere Reaktion wäre: »Was? Schon wieder einer?«, also lassen sie es.

In England gibt es Anzeichen dafür, dass dies der beste aller Jahrgänge überhaupt ist, mit reichlichem Ertrag reifer, gesunder Trauben. Mehr als ein Erzeuger plant dieses Jahr einen roten Pinot noir im Burgunderstil, und die Schaumweinproduzenten sind bester Laune.

Aber nicht überall ging es völlig glatt. Aus dem nassen Frühling in Nordeuropa resultierten einige heftige Mehltau-Attacken in Bordeaux, und wenn die Winzer und ihre Teams nicht schnell in ihren Stiefeln waren, konnten sie einen großen Teil ihres Ertrags verlieren. Ein Winzer machte le pont – die Gewohnheit, den Freitag schon als Brücke zum Wochenende freizunehmen – für einen Gutteil des Schadens verantwortlich. Wer in diesem Jahr seine Mannschaft nicht auch am Freitag, Samstag und Sonntag – oder wann immer es nötig war – in den Weinberg bekommen konnte, zahlte den Preis dafür. Selbst die gewissenhaftesten Winzer fangen sich aber an zu fragen, ob Ökoweinbau bei einem so hohen Krankheitsdruck in Bordeaux wirklich praktikabel ist. Wer das jedoch überstand – und nicht alle waren betroffen – brachte glänzende Weine hervor. Auch Sauternes ist glücklich; nachdem die reifen Trauben etwas eingeschrumpft waren, folgte reichlich Botrytis.

Burgund erlebte dagegen ein relativ ruhiges Jahr. Die üblichen Schreckensnachrichten von Hagelkörnern groß wie Golfbälle blieben diesmal aus. Mehltau war jedoch ein Problem, und wie immer half nur sehr präzise Arbeit im Weinberg. Es sieht nach guter Qualität aus.

Auch an der Rhône hatte man Probleme mit Mehltau – manche Teile im Süden verloren die Hälfte ihrer Grenache-Ernte, auch wenn im Juni der Mistral zu Hilfe kam. Der Sommer war glühend heiß, doch ein bisschen Regen im August hielt den Reifungsprozess am Leben. Die Säure ist dennoch ziemlich niedrig. Die Roten haben samtige Tannine; die Weißen wurden häufig früh gelesen, um die kostbare Säure zu bewahren.

In der Champagne verwendet man Wörter wie »fabelhaft«, »umwerfend«, »außergewöhnlich«, woraus man auf eine gewisse Zufriedenheit schließen kann. Das Muster war das gleiche: ein nasskalter Frühling, dann ein trockener, heißer Sommer. Es gab ein bisschen Hagel, ein bisschen Mehltau und einen frühen Lesebeginn, was mehr als einen chef de cave überstürzt vom Strand zurückkehren ließ. Schon die ersten Verkostungen der vins clairs bestätigten, dass es wunderbar reife, ausgewogene Weine sind, wenn auch nicht vollkommen einheitlich. Man kann in den nächsten Jahren eine gute Menge Jahrgangsweine und Prestige Cuvées von 2018 erwarten sowie reichlich gebunkerte Reserveweine als Ersatz für die jüngst aufgebrauchten. Jahrgangschampagner sieht man jetzt häufiger denn je. »Großzügig« war auch das Wort des Jahres im Elsass: Nach dem Rekordtief von 2017 sagt Hugel: »Es ist ein gutes Gefühl, Trauben an den Reben hängen zu sehen.« Pinot noir sieht gut aus, ebenso wie die weißen Sorten.

Wenn das nasse Frühjahr in Frankreich Sorgen bereitete, so brachte es am Douro ein Ende der 20 trockenen Monate in Folge. Wie üblich überkompensierte die Natur und ließ in Pinhão in weniger als zwei Stunden 90 mm Regen vom Himmel fallen. Das führte zu massiver Erosion und Sturzbächen an den Hängen, wodurch Steine durch die Gegend geschleudert und Olivenbäume geschädigt wurden. Im ganzen Land mit Ausnahme des Alentejo sind die Erträge sehr gering, auch wenn die Qualität sowohl für Port als auch für Douro-Tischweine sehr gut ist.

Norditalien erfreute sich hoher Erträge gesunder Trauben; die Toskana hatte Mehltau, aber keinen Hagel, und die Resultate sehen vielversprechend aus, obwohl man im regnerischen Frühling »starke Nerven brauchte«, wie Axel Heinz meint, Kellermeister bei Ornellaia.

Deutschland scheint einen schon fast unheimlichen Jahrgang an der Grenze zur Perfektion zu haben: heiß, trocken, krankheitsfrei, schädlingsfrei, mit guten Erträgen und schönen Süßweinen als krönendem Abschluss. Die Erzeuger behaupten, dass sie immer besser mit heißen Sommern umgehen können: Die Weine sollten nicht überreif oder zu schwer sein. Mit Sicherheit ein Jahrgang zum Kaufen.

Südafrika hatte aufgrund der anhaltenden Trockenheit 2018 eine insgesamt kleine Ernte, und am kleinsten war sie in Swartland. Trotzdem scheint die Qualität gut zu sein: All die Hitze liebenden Sorten – Buschreben mit Chenin blanc, Grenache, Marsanne, Viognier –, die in Swartland Stars sind, brachten intensive, gewichtige Weine hervor.

Und Kalifornien? In vielen Teilen war es recht ruhig. Trockenheit ist weiterhin ein Problem, Waldbrände verursachten schreckliche Schäden, auch in der relativ neuen AVA Malibu Coast, doch die meisten Erzeuger meldeten einen heißen Juli und einen kühlen August; es gab Trockenheit in Santa Barbara County, aber im Allgemeinen gute Aromen bei relativ niedrigen Zuckerwerten. Waldbrände betrafen auch Oregon – über dem Willamette Valley hing tagelang eine Rauchwolke –, doch die Weinmacher berichteten von einem schönen Jahr mit rekordverdächtigem Sonnenschein und hohen Temperaturen. Regen gab es gerade rechtzeitig, um die Reben wiederzubeleben und die Temperaturen für die Lese herunterzukühlen, und trotz der Hitze scheinen die Pinot-noir-Weine eine gute Säure zu haben. In Washington war es ebenfalls warm, kühlte aber wie in Oregon genau zur rechten Zeit ab. Cabernet Sauvignon sieht gut aus, wie auch Syrah. Nur an den Finger Lakes im Bundesstaat New York war der Sommer verregnet, wodurch Fäulnis drohte. Dann wurde es wieder heiß und zur Zeit der Lese mild, aber als einfach würde wohl niemand diesen Jahrgang bezeichnen. Die Zuckerwerte liegen niedriger als üblich, aber an Aroma und Reife mangelt es nicht.

2017 unter der Lupe

Wie viele Weine müssen heutzutage wirklich noch altern? Über australische Weine gibt es schon lange den Witz, dass ihre Reifung nur so lange dauert wie die Fahrt vom Laden nach Hause. Wenn man sich umsieht, stellt man fest, dass der Rest der Welt dem still und leise gefolgt ist.

Zum Beispiel der Jahrgang 2017 in Burgund. Das sind so saftige, aromatische, straffe Weine, weiß wie rot, dass sie einen förmlich anflehen: »Trink mich! Jetzt!« Sie sind einfach nur bezaubernd, und dazu gibt es zum ersten Mal seit etlichen Jahren genug von ihnen. Die Mengen einzelner Crus von individuellen Gütern mögen gering sein – so ist das nun mal in Burgund –, doch insgesamt können Sie nichts falsch machen, wenn Sie sich in diesem Jahr daranmachen wollen, Pinot noir in seinem Kernland kennenzulernen. Ja, die Grands crus der Spitzenerzeuger dürften inzwischen ausverkauft sein, denn die Einkäufer, die sich auf große Namen spezialisiert haben, klappern die wichtigsten Handelshäuser ab und nehmen, was sie kriegen können. Doch wenn dieses Buch erscheint, wird es noch einfachere Weine in den Listen der Händler geben – Bourgogne Rouge und Blanc, einige Premiers crus, einige Weine aus dem Mâconnais und der Côte Chalonaise. Kaufen Sie sie. Die Weißen sehen großartig aus – es sind die besten weißen Burgunder seit Jahren. Die Roten sind vielleicht einen Tick dahinter, aber immer noch köstlich, voll schwarzer Frucht und knackiger Textur, sehr rein und straff.

Tatsächlich werden viele Händler erfreut sein, wenn Sie anrufen. Sie brauchen Käufer wie Sie, denn das Angebot an geringeren Weinen ist weitaus größer als das der Spitzengewächse, und die Großeinkäufer kann man anscheinend nicht damit belästigen. Also ist das Feld frei für Sie. Gehen Sie zu einem Burgunderspezialisten, denn diese haben von Anfang an die schönsten Weine im Sortiment. Und genießen Sie sie. Doch denken Sie daran: Rotweine aus einem guten Jahrgang wie diesem werden über die Jahre noch besser.

Und andere 2017er? Viele im Rest von Europa hatten es richtig schwer. Aber die Weine sind gut, und natürlich gab es für jeden Erzeuger, der von Frost oder Hagel getroffen wurde, einen anderen, der verschont blieb. Gute Weine gibt es überall, und viele können jetzt direkt getrunken werden.

Ja, roter Bordeaux kann länger brauchen, so wie auch Burgunder sich zwischendurch für ein paar Jahre verschließt und Zeit benötigt, um sich zu entwickeln. Beim Riesling aber ist das offenbar nicht so, er ist überall trinkreif. Ebenso Grüner Veltliner. Garnacha von Erzeugern der neuen Welle, die ihn nicht mit Eiche erschlagen, schmeckt jung wunderbar. Für junge Weine von der Rhône und jungen Nebbiolo gilt dasselbe. Barolo dagegen braucht Zeit.

Und schließlich Vintage Port: Die 2017er, jung geöffnet, bevor sie die Zeit hatten, sich zu verschließen, sind schlicht göttlich. Vergessen Sie staubige alte Flaschen. Ehrlich.

Rebsorten

In den vergangenen Jahrzehnten vollzog sich allenthalben ein grundlegender Wandel, von dem nur die Weinländer mit der längsten Tradition ausgenommen waren. Mit einem Schlag wurden die Namen einer Handvoll Rebsorten zur geläufigen Bezeichnung für die verschiedenen Weine. In den alten Weinländern dagegen, insbesondere in Frankreich und Italien, bezeichnet man alle seit Langem renommierten Weine weiterhin mehr oder weniger genau nach ihrem Herkunftsgebiet, weniger nach der Traube, aus der sie gekeltert wurden.

Nach wie vor liegen die beiden Bezeichnungsmöglichkeiten im Wettstreit miteinander. Am Ende dürfte sich die Herkunftsbezeichnung gegenüber der Rebsorte wieder durchsetzen, zumindest für Qualitätsweine. Im Augenblick allerdings ist die Traubensorte und ihr Geschmack für viele Weinfreunde der einfachste und wichtigste Bezugspunkt – ungeachtet der Tatsache, dass der Geschmack oft durch die Eichenholzkomponente nicht unerheblich verändert wird. Käme es nur auf das Traubenaroma an, dann wäre dieses Buch um einiges schmaler.

Gleichwohl spielt die Traubensorte eine wichtige Rolle, und darüber Bescheid zu wissen kann helfen, neue Geschmacksnuancen zu entdecken und Vergleiche zwischen den Regionen anzustellen. Daher ist auch der zuerst in Kalifornien entstandene Begriff »sortenreiner Wein« sinnvoll, unter dem man Wein versteht, der grundsätzlich aus nur einer Traubensorte bereitet wurde.

Bei mindestens sieben Sorten – Cabernet Sauvignon, Pinot noir, Riesling, Sauvignon blanc, Chardonnay, Gewürztraminer und Muscat – sind Geschmack und Duft so eindeutig, dass sie zu internationalen Unterscheidungskategorien geworden sind. Dasselbe gilt für Merlot, Malbec, Syrah, Sémillon, Chenin blanc, Pinot blanc, Pinot gris, Silvaner, Viognier, Nebbiolo, Sangiovese, Tempranillo … Hier nun folgen die besten bzw. beliebtesten Rebsorten.

ANMERKUNG: Alle Verweise auf Rebsorten und deren Synonyme in anderen Kapiteln dieses Buchs beziehen sich auf dieses Kapitel.