Judith Andresen
Agiles Coaching
Die neue Art, Teams zum Erfolg zu führen
2., überarbeitete und erweiterte Auflage
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© 2019 Carl Hanser Verlag München, www.hanser-fachbuch.de
Lektorat: Brigitte Bauer-Schiewek
Copy editing: Petra Kienle, Fürstenfeldbruck
Umschlagdesign: Marc Müller-Bremer, München, www.rebranding.de
Umschlagrealisation: Max Kostopoulos, unter Verwendung von Grafiken
von © thinkstockphotos.de/woojpn
Gesamtherstellung: Kösel, Krugzell
Ausstattung patentrechtlich geschützt. Kösel FD 351, Patent-Nr. 0748702
Print-ISBN: 978-3-446-46183-3
E-Book-ISBN: 978-3-446-46275-5
E-Pub-ISBN: 978-3-446-46281-6
Für Marie-Alix Herzogin zu Schleswig-Holstein
Mit tiefem Dank für Ihre vorgelebte Empathie,
Ihren großartigen Blick auf den Kontext und die Geschichte von Menschen
und Ihre Interpretation von Emotionen und Verhaltensweisen.
Danke für Ihre Begleitung. Und Danke für den Tee!
Titelei
Impressum
Inhalt
Vorwort zur 2. Auflage
1 Digital transformieren
1.1 Auf die Bedürfnisse der Kunden und Kundinnen fokussieren
1.2 Mutig handeln
1.3 Das Unternehmen echt entwickeln
1.4 Selbstreflexion „Digital transformieren“
2 Agil coachen
2.1 Agil mit agil einführen
2.2 Aufgabe agiler Coaches kennen und leben
2.3 Als agiler Coach wirksam werden
2.4 Selbstreflexion „Agil coachen“
3 Klare Haltung zeigen
3.1 Andere Wirklichkeitskonstruktionen anerkennen
3.2 Am System arbeiten
3.3 Autonomie der Coachees wahren
3.4 Empathisch handeln
3.5 Dissoziiertheit zum System wahren
3.6 Distanz zur Sache halten
3.7 Sekundär beraten
3.8 Coachen, nicht therapieren!
3.9 Vertrauen wahren
3.9.1 Nicht ins Boot einsteigen
3.9.2 Keine Informationen übermitteln
3.9.3 Assoziationsangebote wahrnehmen und ablehnen
3.10 Agile Coaches reflektieren regelmäßig ihren Auftrag
3.11 Systemerkenntnis der Coachees ermöglichen
3.12 Bewusst und reflektiert agieren
3.13 Nicht zur Scrum Mutti oder zum Papa Schlumpf werden
3.14 Selbstreflexion „Klare Haltung zeigen“
4 Coachinghypothesen entwickeln
4.1 Offene Fragen stellen
4.2 Aktiv zuhören
4.2.1 Emotionen anerkennen
4.2.2 Tabus in die Sprachfähigkeit bringen
4.2.3 Eine gute Bindung aufbauen
4.3 Feedback im Dreiklang geben
4.3.1 Methode „Feedback im Dreiklang“ nutzen
4.3.2 Lernen, Feedback zu geben und zu nehmen
4.3.3 Ressourcenorientiertes Feedback geben und nehmen
4.3.4 Feedback als Impuls nutzen
4.4 Coachinghypothesen aufstellen und nutzen
4.4.1 Coachinghypothesen reflektieren
4.4.2 Eigenanteile erkennen und damit umgehen
4.5 Selbstreflexion „Coachinghypothesen entwickeln“
5 Impulse, Interventionen und Sekundärberatung einsetzen
5.1 Anstöße passend zum Reifegrad formulieren
5.2 Impulse, Interventionen oder Sekundärberatung formulieren
5.3 Impulse geben
5.3.1 Feedback geben
5.3.2 Lösungsorientierte Fragen stellen
5.3.3 Konfrontieren
5.3.4 Paradoxer Impuls
5.3.5 Perspektivwechsel
5.3.6 Ressourcenorientiert fragen
5.3.7 Skalierungsfragen
5.4 Intervenieren
5.4.1 Spiele als Interventionen nutzen
5.4.2 Mittels „Hausaufgaben“ intervenieren
5.4.3 Paradoxe Interventionen
5.4.4 Absurde Interventionen
5.5 Sekundär beraten
5.6 Trainieren
5.6.1 Grob- und Feinlernziele definieren
5.6.2 Auf Basis des Reifegradmodells trainieren
5.7 Selbstreflexion „Impulse, Interventionen + Sekundärberatung“
6 Agiles Manifest einlösen
6.1 Agiles Manifest erfüllen
6.1.1 Manifesto for Agile Software Development
6.1.2 Principles behind the Agile Manifesto
6.2 Agile Reifegrade anstreben
6.2.1 SWBLM: So wie beim letzten Mal
6.2.2 AR-D: Echt im Team arbeiten
6.2.3 AR-C: Im großen Team liefern
6.2.4 AR-B: Führung an Teams ausrichten
6.2.5 AR-A: In und mit der Organisation lernen
6.3 Schritt für Schritt agilisieren
6.3.1 Transitionsdesign in Zyklen anlegen
6.3.2 Angemessenen Zielraum wählen
6.3.3 Am agilen Manifest ausrichten
6.4 Schritt für Schritt lernen
6.4.1 PDCA: Plan
6.4.2 PDCA: Do
6.4.3 PDCA: Check
6.4.4 PDCA: Act
6.4.5 Lösungen vor Ort suchen: gemba
6.5 Lernen ermöglichen
6.5.1 Experimentieren
6.5.2 Aus fehlgeschlagenen Experimenten lernen
6.5.3 Alle Kontakte im Coachingprozess nutzen
6.5.4 Lernen als agiler Coach
6.5.5 In eine Lernkultur kommen
6.5.6 Voneinander lernen
6.6 Erst die Prozesse finden, dann die Strukturen definieren
6.7 Ins Handeln kommen
6.8 Selbstreflexion „Agiles Manifest einlösen“
7 Den Coachingprozess aufsetzen und durchlaufen
7.1 PDCA auf drei Ebenen durchlaufen
7.2 Initial Anliegen, Zielraum und/oder Auftrag verstehen
7.2.1 Das Anliegen verstehen
7.2.2 Initialen Zielraum formulieren lassen
7.2.3 Den initialen Auftrag ableiten
7.3 Das notwendige Transitionsdesign ableiten
7.3.1 Initial Zielraum formulieren lassen
7.3.2 Unterschiedliche Aufträge im Dreiecksverhältnis erkennen
7.4 Den Auftrag annehmen
7.4.1 Formale Fragen rund um den Auftrag klären
7.4.2 Auftrag als Coach annehmen
7.4.3 Auftrag als Coachee annehmen
7.4.4 Auftrag im Dreieck annehmen
7.5 Coachingsitzung moderieren
7.6 Über Hausaufgaben intervenieren
7.7 Den Auftrag beenden
7.8 Ergebnisse nachhaltig sichern
7.9 Mit Störungen umgehen
7.9.1 Störungen Vorrang geben
7.9.2 Ausfallende Sitzungen als Symptom erkennen
7.9.3 Weinen
7.10 Selbstreflexion „Den Coachingprozess aufsetzen“
8 Den richtigen Hebel finden
8.1 Agile Transitionen gemba gestalten
8.2 Transitionen designen
8.3 Transitionsteammitglieder finden
8.4 Zielräume bestimmen
8.5 Transitionen starten
8.5.1 Just do it!
8.5.2 One Some Many
8.5.3 Rule of Three
8.5.4 Weniger ist mehr!
8.5.5 Ins Handeln kommen
8.6 Beispiele agiler Transitionen
8.6.1 AR-D anstreben
8.6.2 AR-C anstreben
8.6.3 AR-B anstreben
8.6.4 AR-A anstreben
8.7 Selbstreflexion „Den richtigen Hebel finden“
9 Den Auftrag klären
9.1 Den Auftrag herausarbeiten
9.2 Selbstbeauftragung vermeiden
9.3 Inhaltlichen Auftrag der Coachees klären
9.4 Auftrag an Zielräume koppeln
9.5 In der Rolle bleiben
9.6 Dreiecksbeziehungen managen
9.7 Einen formalen Auftrag einholen
9.8 Transition designen
9.9 Aufträge annehmen oder ablehnen
9.9.1 Fehlerwartungen begegnen
9.9.2 Den eigentlichen Auftrag ermöglichen
9.10 Aufträge beenden oder abbrechen
9.10.1 Den Auftrag beenden, wenn die Zeit gekommen ist
9.10.2 Aufträge abbrechen
9.11 Mit einer Globalbeauftragung umgehen
9.11.1 Konkrete Coachingaufträge aus Globalauftrag herauslösen
9.11.2 Sich weitere Aufträge abholen
9.12 Sich an Unternehmenswerten und -zielen ausrichten
9.13 Selbstreflexion „Den Auftrag klären“
10 Ergebnisse sichern
10.1 Das Vertrauen wahren!
10.2 Coachees visualisieren lassen
10.3 Für Dokumentation der Arbeitsergebnisse sorgen
10.4 Eigene Notizen machen
10.5 „Check“ des Zielraums durchführen
10.6 Selbstreflexion „Ergebnisse sichern“
11 Modellbasiert Beobachtungen interpretieren
11.1 Impulse, Interventionen und Sekundärberatung begründen
11.2 Agile Reifegrade nutzen
11.3 Status der Organisation erkennen
11.4 Defizitorientierung beantworten
11.5 Unterschiedliche Führungsfunktionen erkennen
11.5.1 Managementformen nach St. Gallen identifizieren und zuordnen
11.5.2 Unterschiedliche Führungsfunktionen identifizieren
11.5.3 Führungsleitfragen erkennen und zuordnen
11.6 Jedes Handeln ergibt Sinn
11.7 Ablauf der Innovationsannahme nutzen
11.8 Konflikte erkennen und lösen
11.9 Die Lernzone nutzen
11.10 Basis für Motivation legen
11.10.1 Motivation mit Gerald Hüther verstehen
11.10.2 Motivation nach Daniel Pink untersuchen
11.11 Mut dechiffrieren
11.12 Organisationskultur verstehen und verändern
11.13 Paradigmenwechsel gestalten
11.14 Richtung geben
11.15 Riemann-Thomann-Modell kennen und anwenden
11.16 Entscheidungen nachvollziehen
11.17 Selbstorganisation ermöglichen
11.18 Situatives Führen
11.19 Systemische Wiederholung erkennen und benennen
11.20 Teams bewusst entwickeln
11.20.1 Teamkriterien
11.20.2 Teamphasen nach Tuckman
11.20.3 Fünf Dysfunktionen eines Teams
11.21 Teamrollen verstehen und nutzen
11.21.1 Teamfunktionen nach Schindler
11.21.2 Teamrollen nach Belbin
11.22 Transaktionsanalyse: die Gesprächsebene erfassen
11.22.1 Im Erwachsenen-Ich kommunizieren
11.22.2 Dramadreiecke erkennen und aussteigen
11.23 Übertragungen und Projektionen erkennen
11.23.1 Übertragungen erkennen
11.23.2 Gegenübertragung
11.23.3 Projektion
11.24 Veränderungen attraktiv gestalten
11.25 Veränderungen kosten zunächst Produktivität
11.26 Das „Tal der Tränen“ wird kommen
11.27 Vier Seiten einer Nachricht identifizieren
11.28 Selbstreflexion „Modellbasierte Beobachtungen interpretieren“
12 Agile Methoden kennen und anwenden
12.1 Lernen
12.2 Delegationspoker
12.3 Entscheidungsformen im Team
12.4 Feedback geben und nehmen können
12.4.1 Feedback im Dreiklang
12.4.2 Kudokarten
12.5 Geschenk des Zuhörens machen
12.6 Kanban
12.7 Liberating Structures
12.8 Katas durchführen
12.9 Im „Pair“ arbeiten
12.10 Minimum Viable Product
12.11 Mit Nemawashi Veränderungen in die Organisation tragen
12.12 Open Reviews
12.13 Open Space als Basis nutzen
12.14 Produkte agil managen
12.15 Retrospektiven
12.16 Re-Briefings durchführen
12.17 Scrum
12.18 Slack verwenden
12.19 True North formulieren
12.20 Vom Kundennutzen her denken
12.21 Über Matrizen ins Handeln kommen
12.22 Zusammen an einem Ort arbeiten
12.23 Selbstreflexion „Agile Methoden kennen und anwenden“
13 Die Coachingleistung überprüfen
13.1 An den Fertig- und Fähigkeiten agiler Coaches arbeiten
13.2 Reflexion einpreisen
13.3 Unterschiedliche Reflexionsformen nutzen
13.3.1 Coaching agiler Coaches
13.3.2 Intervision: Fertig- und Fähigkeiten des agilen Coaches im Mittelpunkt
13.3.3 Kollegiale Fallberatung: Inhaltliches im Fokus
13.3.4 Reflecting Team
13.3.5 Supervision: Fertig- und Fähigkeiten des agilen Coaches im Mittelpunkt
13.3.6 Troika Consulting
13.3.7 Wise Crowds
13.4 Unterstützende Arbeitsformen
13.4.1 Arbeit im Tandem
13.4.2 Arbeiten im Team
13.5 Selbstreflexion „Die Coachinghaltung überprüfen“
14 Bewährte Impulse und Interventionen
14.1 Agiles Manifest überprüfen
14.2 Bedürfnisse in Teams klären
14.3 Critical Uncertainties benennen
14.4 Drei Begründungen liefern
14.5 Entscheidungsmatrix aufstellen
14.6 Entwicklung in Modellen vorwegnehmen und Maßnahmen entsprechend planen
14.7 Feedback üben
14.7.1 Bei der größten Herausforderung unterstützen
14.7.2 Einmal ins Feedbackkarussell, bitte!
14.7.3 Warmen Regen fürs Team spenden
14.8 Mission + Constraints für Transitionsteams ermitteln
14.9 Nachpokern von Entscheidungen
14.10 Papierflieger falten
14.11 Projekte in Cynefin einordnen
14.12 Retrospektiven im PDCA-Zyklus durchführen
14.13 Scrum Ball Game spielen
14.14 Teamuhr bestimmen und stellen
14.15 Teufelskreise visualisieren
14.16 Transaktionsanalyse überprüfen
14.16.1 Drei Ich-Zustände im Kommunikationsverhalten finden
14.16.2 Dramadreieck im Alltag identifizieren
14.16.3 Kommunikation mittels Transaktionsanalyse verstehen
14.17 . . . um was zu erreichen?
14.18 Was möchtest du lernen?
14.19 Werte-Entwicklungsquadrat aufstellen
14.20 Zielräume weiter verfeinern
14.21 Selbstreflexion „Bewährte Impulse und Interventionen“
15 Typische Stolperfallen vermeiden
15.1 Coachinghaltung verlieren
15.1.1 Empathie verlieren
15.1.2 Distanz zur Sache verlieren
15.1.3 Mit dem System assoziieren
15.2 Den eigentlichen Auftrag im initialen Gespräch hören wollen
15.3 Direktes Dankeschön erwarten
15.4 Konflikte nicht gehen
15.5 Kulturwandel zum Ziel erklären
15.6 Scrum-Master-Aufgaben mit agilem Coaching mischen
15.7 Sich über den eigenen Rollentitel selbst beauftragen
15.8 Sich der Meetingkultur der Organisation ergeben
15.9 Transitionsteam politisch besetzen
15.10 Verharren, weil der Konsens nicht kommt
15.11 „Wir waren schon immer agil!“
15.12 Zu viel planen
15.13 Zu vorsichtig sein, nicht führen
15.14 Selbstreflexion „Stolperfallen vermeiden“
16 Weitere Rollen annehmen
16.1 Coachen, trainieren und sekundär beraten
16.2 Ausbilden
16.3 Arbeitstreffen moderieren
16.4 Konflikte moderieren und mediatieren
16.4.1 Konflikte moderieren
16.4.2 Konflikte mediatieren
16.5 Disziplinarisch führen
16.6 Selbstreflexion „Weitere Rollen annehmen“
Die Autorin
Danke!
Quellenangaben und Literatur
Vorwort zur 2. Auflage |
Liebe Leser und Leserinnen,
im Dezember 2016 veröffentlichte ich im Hanser Fachbuchverlag die erste Auflage des Buchs „Agiles Coaching“. Die Resonanz darauf war und ist groß. Ich bin sehr stolz, dass ich mit diesem Buch Teil eures Arbeitsalltags sein darf.
Die zweite Auflage habe ich ergänzt und überarbeitet.
Ihr findet hier vier Arten von Informationskästen, die euch unterstützen sollen, die jeweilige Information gut einzuordnen:
Definitionen
In diesen Kästen stehen Begriffsdefinitionen.
In diesen Kästen findet ihr typische Aussagen und/oder Impulse von agilen Coaches zu den beschriebenen Sachverhalten.
Erklärungen
In diesen Kästen findet ihr weitergehende Erklärungen und prägnante Zusammenfassungen des jeweiligen Buchkapitels.
Beispielfälle
In diesen Kästen findet ihr Beispielfälle, die im Verlauf der jeweiligen Kapitel weiter analysiert werden.
Ihr habt mir viele Rückmeldungen inhaltlicher Natur gegeben, Fragen nach Konkretisierungen gestellt und mögliche Ergänzungen benannt.
Ich habe in diese 2. Auflage euer direktes Feedback einfließen lassen, und zudem nach Absprache mit Agile Coach-Ausbildern und -Ausbilderinnen entschieden, Themen rund um typische Lernhürden exakter zu erklären.
Es ergab sich für mich eine Aufgabenliste mit fast 30 Punkten. So habe ich unter anderem das Thema „Auftrag abholen“ und einige agile Methoden(-bausteine) ergänzt. Auch die agilen Reifegrade habe ich detaillierter erklärt. Gerade hierzu gab es viele Rückfragen. Der „Eigenanteil der agilen Coaches“ und „Coachinghypothesen bilden“ wird in der aktuellen Auflage präziser dargestellt.
Ihr sandtet mir auch Hinweise zu Rechtschreibfehlern und schwer verständlichen Sätzen. Ich hoffe, dass meine Lektorin und ich diese Ungenauigkeiten mit der zweiten Auflage ausgemerzt haben. Solltet ihr noch Fehler oder schwer verständliche Textpassagen finden, meldet euch bitte. Ich bin sehr dankbar für euer Feedback!
Und so habe ich auch für diese Auflage wieder Fragen an euch:
Was findet ihr unklar?
An welchen Stellen braucht ihr mehr Informationen?
Welche Abschnitte sind euch zu ausführlich?
Wo hättet ihr noch ein Beispiel gebraucht?
Zu welchem inhaltlichen Punkt wünscht ihr euch eine Ergänzung oder eine Positionierung?
Dieser Text wird weiterleben. Feedback ist willkommen. Ihr erreicht mich über die Website der BERATUNG JUDITH ANDRESEN, http://www.judithandresen.com/.
Viel Vergnügen und gute Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Judith Andresen
1 | Digital transformieren |
Wir leben mitten in einer Zeit großer Umwälzungen – in Organisationen jeglicher Art, insbesondere in Unternehmen und in der Gesellschaft. Die digitale Transformation ist da. Automatisierung und Digitalisierung verändern die Gesellschaft, Produkte und das Zusammenspiel aller Menschen. Das Internet erschien zu Zeiten der Erfindung „nur“ als ein weiterer Kommunikations- und Absatzkanal. In den 1990er-Jahren wurde das Internet in seinen revolutionären Auswirkungen noch unterschätzt. Doch schnell zeigte sich, dass die weltweite Vernetzung von Computern und eine ständige Verfügbarkeit von Informationen einen viel größeren Einfluss auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben haben würden.
Heute ist offenbar: Unser Leben verändert sich dramatisch. Das Internet verändert uns radikal. Diese Veränderung greift in allen Lebensbereichen. Mit dem Internet rücken Menschen an Menschen heran. Informationen und Services finden direkt im Smartphone statt. Viele Branchen stellen nur die Vermittlung zwischen den Produzenten und den Konsumenten sicher. Vor allem diese Branchen stehen in einem Sturm, der durch die digitale Transformation entfacht wird. Kunden rücken näher an Firmen heran. Menschen rücken aneinander. Einzelne bekommen eine Stimme. Viele können sich im Netz finden und Dinge bewegen.
Im Ergebnis zeigen Digitalisierung und Automatisierung extreme Auswirkungen. Dabei ist die einzelne Veränderung für sich häufig klein, in der Summe entsteht aber Großes. Unsere in Organisationen geübten Abläufe richten sich an planbaren Vorgängen aus. Die aktuelle Entwicklung ist nicht planbar. Organisationen benötigen einen veränderten Umgang mit diesen Herausforderungen jenseits des Plans.
Bild 1.1 Die digitale Transformation bringt komplexe und chaotische Aufgabenstellungen (Cynefin-Framework).
Erschien die Produktentwicklung und -führung bisher kompliziert, ist sie inzwischen komplex geworden. Es gilt nicht mehr, das bestehende Produkt und die bestehende Idee weiterzuentwickeln und die Käuferschaft zu überzeugen. Es geht heute darum, echten Kundennutzen zu schaffen. Es geht darum, sich in der digitalen Transformation vollkommen neu zu erfinden. Warum sollten die Konsumenten einen komplizierten, althergebrachten Weg gehen, wenn sie eine schnelle, smarte und passende Lösung direkt nutzen können?
Um diese Lösungen zu finden, müssen Unternehmen neu denken. Sie müssen ihr bisheriges Geschäft in Frage stellen und neue Wege für sich finden. Die alten Prozesse und Vorgehensweisen reproduzieren bestehende Produkte und führen zu einer Verbesserung derselben. Mit der bisherigen Vorgehensweise und den bestehenden Strukturen ist es schwer, die Aufgabe des Unternehmens vollständig neu zu denken.
Das ist aber notwendig. Während dies geschieht, sind die bestehenden Produkte weiter zu pflegen. Häufig kannibalisieren sich alte Produkte und neue Ideen. Die Steuerung dieser Prozesse ist sehr komplex.
Das klassische Managementmodell setzt hier auf wenige strategische Köpfe, deren Ideen von der Belegschaft nach einem konzertierten Plan als Ziele umgesetzt werden. Die Operationalisierung der Ziele wurde in diesem Modell vom mittleren Management geleistet.
Die Herausforderungen wachsen für jedes Unternehmen weiter. Je komplexer ein Problem ist, desto unwahrscheinlicher wird es, dass ein einzelner Kopf diese Vision entwickeln und operationalisieren kann.
Komplizierte Aufgaben lassen sich nach dem Cynefin-Framework [Wikipedia 01] mit Sense – Analyse – Respond beantworten. Diese Aufgabenlösung korrespondiert mit dem Führungsmodell Command + Control. Die Lösungsstrategie im komplexen Feld lautet Probe – Sense – Respond. Teams und Unternehmen sind in diesem Feld mit Target + Track zu führen. Target + Track fordert eine Haltung als dienende Leitung in Abkehr von einem direktiven (Micro-)Management-Stil. Die Fragen, die sich aus der digitalen Transformation ergeben, sind mindestens komplexer, wenn nicht chaotischer Natur.
Target + Track
Target + Track löst Command + Control in komplexen und chaotischen Umgebungen ab.
Damit sind sowohl das eigentliche Vorgehen als auch die Entscheidungsstruktur jenseits des klassisch-hierarchischen Vorgehens gefordert.
1.1 | Auf die Bedürfnisse der Kunden und Kundinnen fokussieren |
Das agile Manifest stellt mit den ersten drei Prinzipien den Kundennutzen in den Vordergrund. Bereits das erste Prinzip stellt für viele Unternehmen eine Herausforderung dar: „Our highest priority is to satisfy the customer through early and continuous delivery of valuable software.“
In Zeiten der digitalen Transformation ist „valuable software“ nicht ein weiteres Feature. Es gilt, auf den Punkt den Kundenbedarf zu erfüllen. Dieser Bedarf ist häufig nicht direkt durch die Kunden und Kundinnen formulierbar. Henry Ford wird das Zitat „Wenn ich meine Kunden gefragt hätte, was sie brauchen, hätten sie gesagt, sie bräuchten schnellere Pferde.“ nachgesagt. [Vlaskovits 2011-01]
Viele Unternehmen sind erfolgreich geworden, weil sie neue Anforderungen effizient in bestehende Produkte integriert haben. Für viele Unternehmen war es eine gute Strategie, „das vom Mitbewerber, nur besser“ zu bauen. Der Markt funktioniert in Zeiten von Automatisierung und Digitalisierung anders. Täglich entstehen neue Produkte, die echte Bedürfnisse von Kunden und Kundinnen erfüllen – häufig, ohne dass diese das entsprechende Bedürfnis vorher hätten benennen können. Dabei werden vorhandene Produkte (und häufig die damit verbundenen Geschäftsmodelle) vollständig in Frage gestellt.
Wenn ein Unternehmen darauf ausgerichtet wurde, bestehende Produkte mit einem harten Blick auf Kosten/Nutzen zu optimieren, ist die Umstellung in eine kundenzentrierte Produktentwicklung komplex. Es gilt nicht nur, die Produktentwicklung mit einer neuen Denkweise zu betreiben. Es geht auch darum, bestehende Aufteilungen im Unternehmen zu überwinden und eine neue Form der Zusammenarbeit zu finden. Produkte entwickeln sich stets weiter und verbinden sich mit Services, die sich ebenfalls ständig weiterentwickeln. Diese langlebigen, sich fortwährend verändernden Produkte (und Services) werden häufig mit anderen Geschäftsmodellen betrieben, als in der komplizierten Welt üblich.
In vielen Fällen sind automatisierte und digitalisierte Produkte und Services als komplizierte Projekte planbar. Komplexität entsteht durch die Einführung des neuen Produkts und neuer Services sowie die Positionierung dieser Produkte und Services neben und an Stelle von bestehenden Produkten und Services.
Kundenzentrierte Produktentwicklung ist die Frage „nach dem Automobil“ (im Sinne des obigen Zitats) der jeweiligen Branche. Viele Unternehmen wurden dahingehend optimiert, schnelle Pferde zu züchten und zu vermarkten. Damit stehen den Unternehmen große Veränderungen ins Haus. Der Nukleus „Kundenzentriert Produkte entwickeln“ entpuppt sich schnell als komplexe Aufgabe. Agil einzuführen, heißt in letzter Konsequenz nicht nur die Umstellung von Umsetzungsteams auf eine neue Projektmethode. Mit der Einlösung des agilen Manifests verändern sich
das Verständnis der Produktentwicklung,
die Zusammenarbeit,
insbesondere die Projektarbeit,
der Anspruch an Qualität und Schnelligkeit der Produktentwicklung sowie
das Zugehörigkeitsgefühl aller Beteiligten.
Veränderungen dieser Größenordnungen sind komplex. Das Cynefin-Framework zeigt ebenso deutlich auf, warum Entscheidungen und damit Projekte auch ins Trudeln kommen. Eine Veränderung dieser Größenordnung lässt sich nicht planen und nicht ansagen.
Wenn ein Problem komplex ist, ist die Entscheidung zum Vorgehen mit Probe – Sense – Respond zu treffen. Wenn diese Aufgabenstellung aber mit Sense – Analyse – Respond gelöst wird, gerät das eigentliche Unterfangen in Disorder. Disorder zeigt an, dass eine Entscheidung nicht mit dem richtigen Verfahren getroffen wurde.
Viele Teams und Unternehmen verharren in ihren althergebrachten Handlungsweisen und Strukturen. Sie versuchen, Antworten auf die komplexe Fragestellung der digitalen Transformation mit einem komplizierten Lösungsweg zu beantworten. Damit geraten die Teams und Unternehmen in Disorder.
Ein klassisches Vorgehen wäre es, einen großen „Change“ im Unternehmen auszurufen und ein entsprechendes Change-Projekt durchzuführen. In der klassischen Welt ergibt sich aus der Struktur des Unternehmens die Art der Zusammenarbeit in und unter den entsprechenden Bereichen. Klassisch folgt der Prozess der Struktur. Der Versuch, die Produktentwicklung mit einem Change-Projekt in eine Kundenzentrierung zu überführen, ist zum Scheitern verurteilt. Es wäre der Versuch, ein komplexes Vorhaben mit einem klassischen (also komplizierten) Vorgehen zu beantworten. Disorder ist vorprogrammiert.
Das Führungsmodell Command + Control wirkt gut bei offensichtlichen und komplizierten Vorgängen im Cynefin-Framework.
Die Bewältigung der digitalen Transformation ist in diesem Führungsstil in den meisten Fällen nicht möglich.
Es ist nicht zu erwarten, dass einzelne Köpfe alle richtigen, weil strategischen, Entscheidungen treffen. Im klassisch-hierarchischen Modell trennt sich die Arbeit zwischen strategischen Köpfen und operativen Händen auf. Eine Mittelschicht übersetzt die Strategie in konkrete Ziele und orchestriert die Ausführung phasenweise und meistens disziplinär getrennt. Mit einem klassischen Vorgehen im komplexen Umfeld lassen sich Geschäftsvorgänge gut elektrifizieren.
Elektrifizieren bedeutet, bestehende Geschäftsvorgänge 1:1 in eine digitale Version zu übernehmen.
Unternehmen brauchen aber eine Entwicklung jenseits einer Elektrifizierung. Doch nicht alle Teams und Unternehmen erkennen die Wichtigkeit der Situation. Viele begreifen nach wie vor das Internet als einen weiteren Kommunikations- und Informationskanal. Mit dieser Sicht stellt sich nur die Frage:
„Welche Geschäftsvorfälle wollt ihr elektrifizieren?“
Diese Frage ist mit der klassischen Lösungsform Sense – Analyse – Respond gut zu beantworten. Die bestehenden Vorgänge sind zu erkunden, zu analysieren und entsprechend in die vernetzte Welt zu übertragen.
Bild 1.2 Thorsten Dirks, inzwischen bei der Eurowings, bringt die Aufgabe drastisch auf den Punkt [Huelsboermer 2015-01].
Die Frage der digitalen Transformation reicht aber weiter. Es ist die Frage zu stellen, welche Funktion das Produkt und damit das Unternehmen zukünftig hat. Dabei kann es nicht um eine reine Übertragung der bisherigen Funktionen ins Digitale gehen.
Die Frage, die sich stellt, ist eine andere: „Was macht uns im Kern aus?“ Wenn Unternehmen diese Frage beantwortet haben, können sie die Frage beantworten: „Auf welche Art benötigen heute unsere Kunden diesen Kern?“ Unternehmen merken schnell, dass diese Frage das Pferd von hinten aufzäumt. Die korrekte Frage lautet:
„Was nützt den Kunden und Kundinnen wirklich?“
Gestandene Unternehmen, die sich diese Frage stellen, erkennen schnell, dass sie diese Frage selbst und deren Beantwortung sehr komplex finden. Die Strukturen und Prozesse sind dafür optimiert, bestehende Produkte zu optimieren.
Kundennutzen identifizieren
Unternehmen aus dem komplizierten Umfeld sind es nicht gewohnt, den echten Kundennutzen zu benennen. Diese Unternehmen sind darauf spezialisiert, bestehende Produkte weiterzuentwickeln und die sich ergebenden Vorteile im Markt anzupreisen.
Es ist ein komplexes Vorhaben, die Produktentwicklung zu verändern. Die Entwicklung agiler Produkte bedeutet, in selbstorganisierten Teams schrittweise mit und für Kunden und Kundinnen zu lernen und zu liefern.
Viele Unternehmen sind darauf getrimmt, ein bestehendes Produkt weiterzuentwickeln und mit entsprechendem Marketing im Markt zu platzieren. Vor der digitalen Transformation war dies der perfekte Weg: Durch Rationalisierung und Standardisierung konnten Unternehmen gute Margen erwirtschaften.
Bild 1.3 Die digitale Transformation macht die Wirtschaft komplex.
Viele Führungskräfte in Unternehmen haben die Einführung des Internets bewusst erlebt. Für sie gibt es eine Zeit vor dem Internet. Ihre Denkmuster und Annahmen wurden in dieser Zeit geprägt. Diese Führungskräfte treffen auf jüngere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, für die Vernetzt-Sein und die Frage nach dem Kundennutzen die einzig relevanten Fragen sind. Es sind Menschen, die intelligente und leicht zu nutzende Produkte bevorzugen. Doch auch diese Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bringen Annahmen mit, wie Unternehmen funktionieren. Diese Annahmen bestimmen ihren Wirkungsbereich.
Das agile Manifest (siehe Kapitel 6) richtet das Arbeiten im komplexen Umfeld aus: Das dritte Prinzip fordert schnelles Liefern. Mit dem zwölften Prinzip wird aus den schnellen Lieferungen gelernt. Aber wie genau wird das für das jeweilige Unternehmen funktionieren? Vorab sind das perfekte Verfahren und das perfekte Produkt nicht zu planen.
In der täglichen Führung entsteht durch den gesellschaftlichen Wandel eine Überforderung der Führungskräfte – genauso wie für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Industrialisierung setzte auf Standardisierung und Rationalisierung aller Geschäftsvorfälle. Command + Control basiert auf der Annahme, dass alle Geschäftsvorfälle im Wesentlichen plan- und kontrollierbar sind.
Das ist in einem komplizierten Umfeld mit einer komplizierten Aufgabe korrekt. Die digitale Transformation hat aber aus einem komplizierten Umfeld ein komplexes Umfeld gemacht. Und aus einer komplizierten Aufgabenstellung wurde eine komplexe Aufgabe.
Wer in einem komplizierten Umfeld komplexe Anforderungen umsetzt, wünscht sich die Abkehr von einem langwierigen Sense – Analyse – Respond und sucht nach einer Umsetzung im Sinne von Probe – Sense – Respond oder bei noch radikaleren Ideen nach Act – Sense – Respond. Niemand kann beschreiben, wie genau das neue Produkt aussehen wird. Niemand kann vorab sagen, wie genau die Teams ihre Zusammenarbeit ändern müssen (und wer die jeweiligen Teams besetzt). Niemand kann vorab sagen, wie die Organisation aussehen muss, damit Teams selbstorganisiert die neuen Produkte entwickeln und liefern. Niemand kann vorhersagen, wie die Interaktion mit den Kunden und Kundinnen in der Produktentwicklung organisiert sein sollte. Das alles gilt es herauszufinden und zu lernen.
Die Härte dieses Paradigmenwechsels wird jede Branche erreichen.
1.2 | Mutig handeln |
Neue Wege der Zusammenarbeit und in der Produktentwicklung zu finden, erfordert eine Abkehr von gewohnten Mustern und Annahmen. Das ist eine große Aufgabe.
Rat- und Mutlosigkeit zeigen sich in Unternehmen, die nicht aktiv auf die digitale Transformation reagieren. „Mein Muster funktioniert nicht mehr“, spüren viele Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Führungskräfte. Sie benötigen Unterstützung bei der Veränderung ihrer Verhaltensweisen für ein kompliziertes Umfeld hin zu einem komplexen Umfeld.
In der komplizierten Welt wurde in Zeiten von Rat- und Mutlosigkeit an die Führung appelliert: „Zeigt uns die Strategie, wir operationalisieren das dann durch.“ Wenn das nicht funktionierte, konnten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Inkompetenz anprangern: „Die wissen einfach nicht, was sie tun!“
Diese Forderung nach einer leicht zu operationalisierenden Strategie wird auch heute von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen erhoben. Sie führt aber ins Disorder. Korrekt wäre es, das Vorgehensmodell im Unternehmen an die komplexe oder chaotische Fragestellung anzupassen. Die Umstellung des Vorgehensmodells erfordert häufig eine Umstellung der Führungsarbeit.
Damit verlagert sich die Rat- und Mutlosigkeit in die Führungsebenen. Ein neues, weil komplexes Umfeld braucht neue Antworten. Wie funktioniert eine erfolgreiche Unterstützung der selbstorganisierten Teams? Was genau sollen die Führungskräfte tun, damit die Teams agil arbeiten können?
Wo Mut gebraucht wird, existiert auch Angst (siehe Kapitel 11.11): Angst vor Fehlern, Abstrafung und/oder Abwertung wird so handlungsleitend für Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Führungskräfte während der Umstellung auf agile Arbeitsmethoden und eine kundenzentrierte, iterative Produktentwicklung. Im Ergebnis werden keine oder nur wenige Entscheidungen getroffen.
Agile Projekt- und Managementmethoden beantworten komplexe und chaotische Fragestellungen. Führungskräfte, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können in einem sicheren Prozess auf allen Ebenen neue Vorgehensweisen (er-)finden, ausprobieren, verfeinern und/ oder ausrollen. Die Umstellung auf agiles Arbeiten ist ein großer Paradigmenwechsel. Aus vollständigem Planen wird strukturiertes Ausprobieren und Lernen.
Agile Coaches unterstützen Teams und Unternehmen in diesem Wandel. Sie nutzen dafür Coaching, Training oder Sekundärberatung.
Die erste Branche, die sich mit der digitalen Transformation auseinandersetzen musste, war die IT. Dort war als Erstes spürbar, dass das Internet mehr als ein Kommunikations- und Absatzkanal ist. Die Vernetzung von Rechnern und Informationen, die ständige Verfügbarkeit von Inhalten und die einfache Kombinationsmöglichkeit von Abläufen erschließen den Beteiligten einen großen Möglichkeitsraum.
So ist es nicht verwunderlich, dass dort zum ersten Mal die Forderung nach einer anderen, einer agilen, Zusammenarbeit (siehe Kapitel 6.2) formuliert wurde: „We are uncovering better ways of developing software by doing it and helping others do it.“ [Beck 2001-01]
Dabei formuliert das agile Manifest eine Zusammenarbeit,
die den Kundennutzen für alle Aktivitäten in den Vordergrund rückt,
die in selbstorganisierten Teams stattfindet und
die alle Beteiligten lernen lässt.
Die Betonung liegt auf dem Handeln. Agile Zusammenarbeit entsteht nicht durch das analytische Bestimmen von Werten, sondern durch Ausprobieren neuer Rituale und Vorgehensweisen.
Das zwölfte Prinzip [Beck 2001-02] erhebt das iterative Lernen zu einem festen Ritual eines agilen Teams: „At regular intervals, the team reflects on how to become more effective, then tunes and adjusts its behavior accordingly.“
Anders handeln
Eine agile Transition löst die Forderungen und die Prinzipien des agilen Manifests für eine Organisation ein. Die Beteiligten handeln alle entsprechend.
Agile Coaches wissen um die Mechanik agiler Methoden und Methodenbausteine und bieten diese in agilen Transitionen durch Sekundärberatung an. Agile Methoden werden in Kapitel 12 näher erläutert.
Bild 1.4 Vier Wertepaare des agilen Manifests
1.3 | Das Unternehmen echt entwickeln |
Bild 1.5 Mit Haltung die Veränderung der Coachees begleiten
Die Revolution durch das Internet, eine Digitalisierung aller geschäftlichen und gesellschaftlichen Vorgänge, erzeugt einen hohen Änderungsdruck auf Unternehmen. Dieser wirkt von außen auf die Unternehmen und führt zu einer Transformation der Unternehmen. Wenn sich Unternehmen aktiv entscheiden, auf diesen Druck zu reagieren, und ihre Verhaltensweisen, ihre Prozesse und ihre Struktur in Frage stellen, kann dies zu einer agilen Transition führen. Insbesondere die Verhaltensänderung aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wird eine andere Unternehmenskultur erzeugen.
Eine Transformation gibt Dingen eine neue Form. Dabei entsteht die Veränderung durch Druck von außen. Die inneren Prozesse geraten unter Druck. Um dem Druck zu entweichen, werden diese durch die Unternehmen angepasst. Dabei entstehen häufig sinnlose Prozesse, die für die Beteiligten zwar in dem Moment als entlastend empfunden werden können, aber nicht zielführend sind.
Eine Transition beschreibt eine Veränderung von innen. Durch die Veränderung von Verhaltensweisen verändert sich die Struktur des Unternehmens. So ändert sich auch die Form des Unternehmens. Und schließlich ist in der Gänze auch ein Kulturwandel spür- und erlebbar.
Um die Verhaltensweisen und nachfolgend die Strukturen anzupassen, benötigen viele Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Führungskräfte Unterstützung. Diese leisten agile Coaches. Dabei begleiten die agilen Coaches Teams und Unternehmen Schritt für Schritt in die Agilität.
Agil mit agil einführen
Die Änderung des Unternehmens zu einer kundenzentrierten Produktentwicklung ist ein komplexes Vorhaben. Die Lösungsfindung erfolgt mit Probe – Sense – Respond. Agile Methoden und Strukturen bedienen dieses Vorgehen. Agile Coaches begleiten Teams und Organisationen auf diesem Weg.
Coaches liefern keine Lösungen für die Probleme ihrer Klienten und Klientinnen: „Die Experten für das Problem sind auch die Experten für die Lösung.“ Sie setzen Impulse und Interventionen entsprechend ihrer Coachinghypothesen, um den Möglichkeits- und Lösungsraum der Coachees zu vergrößern.
Komplexe und chaotische Probleme sind nur Schritt für Schritt und unter Einbeziehung der gesamten Wertschöpfungskette gut zu lösen. Agile Coaches unterstützen Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Führungskräfte, ihren Produkt- und Unternehmenskern neu zu denken, zu entdecken, auszuprobieren und zu stabilisieren.
Zur Erweiterung des agilen Möglichkeitsraums der Coachees setzen agile Coaches auf Sekundärberatung (siehe Kapitel 3.7) oder Training.
1.4 | Selbstreflexion „Digital transformieren“ |
Beantworte die folgenden Reflexionsfragen beziehungsweise bearbeite die skizzierten Übungen und Vertiefungen. Eine schriftliche Auseinandersetzung wird die Wirkung der Übung verstärken.
Verwaltet deine Organisation bestehende Produkte, arbeitet ihr an evolutionären oder revolutionären Innovationen? Was wäre für euch sinnvoll?
Seid ihr eine gute Projekt- oder Produktorganisation? Fehlen euch Kompetenzen und/ oder Mut, um Innovationen entwickeln zu können? Ist „Du hast keinen Plan“ eine Beschimpfung oder eine Feststellung in deinem Unternehmen?
Ermittle die typischen Geschäftsvorfälle in deiner Organisation. Nach welchem Muster bearbeitet ihr diese? Sind die Zuordnungen aus Geschäftsvorfall und Musterbearbeitung korrekt?
Welche Art von Entscheidungen dauert besonders lange? Sind die notwendigen Entscheidungen offensichtlich, kompliziert, komplex oder chaotisch?
Wie häufig setzt deine Organisation Verfahren nach Probe – Sense – Respond auf? Wie vertraut ist dieses Vorgehen der Organisation?
Steuert ihr als Organisation die Zielerreichung über monetäre oder über inhaltliche Vorgaben?
Wie gestaltet ihr eure Organisationsentwicklung? Denkt ihr auf Ebene der Organisation in Plänen („Change“) oder nähert ihr euch iterativ-inkrementell-lernend?
Beinhaltet dein Auftrag als agiler Coach in deiner Organisation die Stärkung der Innovationsfähigkeit deiner Organisation? Hast du diesen Auftrag angenommen? Wen begleitest du, um diesen Zielraum zu erreichen?
Erwartet ihr von allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in der Organisation die Entwicklung von Innovation? Oder weist ihr die Ausarbeitung von innovativen Ideen bestimmten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu?
Wie lange dauert es in eurer Organisation, bis aus einer Idee ein erster Test mit Kunden und Kundinnen wird? Messt ihr die zugehörige Lead Time? Wie könntet ihr diese Lead Time reduzieren? Was könnte dein Beitrag dazu sein?
2 | Agil coachen |