Soraya Chemaly

Speak out!

Die Kraft weiblicher Wut

Aus dem amerikanischen Englisch
von Kirsten Riesselmann
und Gesine Schröder

Suhrkamp

Für alle wütenden Frauen und
schamlosen Mädchen.
Und ganz besonders für die Männer,
die Vertrauen in uns setzen,
für ihre Liebe und ihren Zuspruch.
Für meine Mutter Norma,
meine Töchter Isabelle, Caroline und Noel
und für Thomas, meinen Ehemann.

Der wahrhaftigste Weg zum Wissen
führt über unsere Gefühle.

Audre Lorde

Jeder Akt der Bewusstwerdung (so heißt es hier in diesem Buch) ist ein unnatürlicher Akt.

Adrienne Rich, The Phenomenology of Anger

Freut mich, dich kennenzulernen, Wut!

Die Hochzeit meiner Eltern 1965 war eine große Sache: Das Fest dauerte mehr als 20 Stunden, über 500 Gäste waren geladen. Auf den Fotos sieht man elegante Frauen mit langen Abendkleidern und lächelnde Männer in maßgeschneiderten Smokings, die sich glitzernd rund um einen esstischgroßen Kuchen gruppieren.

Zu den wertvollsten Geschenken, die meine Eltern an jenem Tag bekamen, gehörte das Hochzeitsporzellan. Die weißgoldenen Teller waren mehr als eine kostspielige Geste: Sie standen symbolisch dafür, dass meine Eltern jetzt erwachsen waren – und dass die Ehe im Allgemeinen und diese Ehe im Besonderen innerhalb ihrer Community und ihrer Familie Anerkennung fand. Für meine Mutter waren diese Teller ein wichtiger Teil ihrer Identität: Sie repräsentierten sie als Frau und zukünftige Mutter, als emotionalen Anker und Umsorgerin ihrer Familie. In meiner Kindheit befand sich dieses Geschirr – für das immer galt: »anschauen ja, anfassen nein« – ganz oben in der von meiner Mutter aufgestellten Tellerhierarchie. Als meine Geschwister und ich noch klein waren, wurde es nur ganz selten und nur zu ganz besonderen Gelegenheiten hervorgeholt und immer mit allergrößter Vorsicht benutzt.

Und darum konnte ich es auch nicht fassen, als ich eines Tages – ich war 15 – meine Mutter auf der langen Veranda vor unserer Küche stehen und einen Porzellanteller nach dem anderen so weit sie konnte in die schwülwarme Luft schleudern sah. Unsere Küche lag im ersten Stock eines auf einem sanften Hügel thronenden Hauses. Ich schaute zu, wie die Teller einer nach dem anderen durch die Luft segelten, eine klar definierte, gleichmäßige Flugbahn zeichneten und sehr weit unten auf der Terrasse in tausend Teile zersprangen.

Obwohl mir dieses Bild noch lebhaft vor Augen steht, erinnere ich mich an überhaupt kein Geräusch. Ich weiß noch genau, dass alles vollkommen lautlos blieb, während meine Mutter systematisch erst den ersten, dann den zweiten und schließlich nacheinander alle Teller warf, bis ihre Hände leer und frei waren. Dabei gab sie keinen Ton von sich. Vielleicht wusste sie gar nicht, dass sie beobachtet wurde, ich bin mir nicht sicher. Als sie fertig war, kam sie in die Küche zurück und fragte mich, wie es in der Schule gewesen sei – so, als ob nichts Ungewöhnliches passiert wäre. Ich wollte unbedingt wissen, wovon ich hier gerade Zeugin geworden war, aber ich hatte nicht den Eindruck, als sei gerade ein guter Zeitpunkt, um nachzufragen. Also setzte ich mich hin und machte meine Hausaufgaben, während meine Mutter das Abendessen vorbereitete und der Tag sich seinem Ende zuneigte. Über Wut haben wir nie gesprochen.

Warum wird uns kaum richtig beigebracht, wütend zu sein?

Wie die meisten Frauen habe auch ich über Wut und Aggression nur in einem Informationsvakuum etwas erfahren, und zwar, indem ich die Menschen in meinem Umfeld beobachtete: Wie gehen sie mit ihrem Ärger um, wie reagieren sie, wenn sie auf andere sauer sind? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass meine Eltern oder andere Erwachsene je konkret mit mir über Wut gesprochen hätten. Über Traurigkeit schon. Auch über Neid, Angst und Schuldgefühle. Aber nicht über Wut. Das ist bei einem Mädchen nicht anders zu erwarten. Obwohl Eltern mit ihren Töchtern häufiger über Emotionen sprechen als mit ihren Söhnen, bilden Wut und Aggression in diesem Rahmen eine Ausnahme. Denken wir kurz gemeinsam nach: Wie wurde Ihnen beigebracht, was von Gefühlen zu halten ist, vor allem von Wut und Ärger? Können Sie sich daran erinnern, je mit einer Autoritätsperson oder einer Vorbildfigur darüber gesprochen zu haben, wie Sie über Ihre Wut denken oder wie Sie mit ihr umgehen sollen? Sollten Sie eine Frau sein, können Sie diese Fragen mit hoher Wahrscheinlichkeit nur mit einem Nein beantworten.

Der Vorfall mit den Tellern sagt eigentlich schon alles über mein erstes eigenes Verständnis von Wut aus: Meine Mutter mochte auf hundertachtzig sein, nach außen hin wirkte sie aber trotzdem gut gelaunt und glücklich. Indem sie kein Wort sagte und für ihre Gefühle dieses Ventil wählte, vermittelte sie mir eine ganze Menge an Information: zum Beispiel, dass man nur ganz für sich allein wütend zu sein hat und dass Wut es nicht wert ist, anderen verbal mitgeteilt zu werden. Dass man es am besten für sich behält, wenn man Wut und Zorn fühlt. Dass es furchteinflößend, schockierend und zerstörerisch sein kann, wenn solche Emotionen sich doch einmal Bahn brechen.

Meine Mutter verhielt sich so, wie es bis heute für viele Frauen typisch ist: Sie ließ ihre Wut zwar »raus«, aber nur so, dass dieses Rauslassen ihre Beziehungen explizit nicht tangierte. Die meisten Frauen allerdings geben an, am häufigsten in persönlichen oder zwischenmenschlichen Situationen wütend zu werden. Sie differenzieren ihre Beziehungen zu Hause, bei der Arbeit und auch in politischen Kontexten bewusst oder unbewusst danach, ob und wie sie bei der jeweiligen Person negative Gefühle zum Ausdruck bringen können.

Teller zu zerschmettern ist ein Beispiel für eine Form der Bewältigung. Eine effektive oder gesunde Art, Wut auszudrücken, ist es sicher nicht. Dieses Bewältigungsverhalten geht oft einher mit self-silencing, also mit Selbstzensur und dem damit einhergehenden Verstummen, sowie mit Ohnmachtsgefühlen. Wut auf diese Weise Ausdruck zu verleihen ist nicht dasselbe, wie Wut als Mittel zu begreifen, das einem dabei hilft, die Welt um sich herum zu verändern. Das Tellerwerfen erlaubte es meiner Mutter immerhin, wütend zu sein, ohne dass man es ihr ansah. Über diesen Umweg konnte sie eine »anständige Frau« bleiben. Sie vermied es, fordernd oder laut zu werden, und stellte die eigenen Bedürfnisse hintenan. Auch wenn dieser Vorfall mehr als 35 Jahre in der Vergangenheit liegt, sind es doch auch heute noch gesellschaftliche Normen, die uns vorschreiben, was wir über Emotionen denken und wie wir mit ihnen umgehen – speziell, wenn es um Frauen und Wut geht.

Zunächst stellt sich jedoch die Frage: Was passiert eigentlich, wenn wir wütend sind? Beim Empfinden von Wut spielen mehrere Faktoren eine Rolle, unter anderem die Physis, die Gene und unsere kognitiven Verarbeitungsprozesse. Aus diesen Faktoren ergibt sich für jeden Menschen ein spezifischer »Wutcharakter«. Vielleicht sind Sie eine Person, die dazu neigt, schnell wütend zu werden, die also eine so genannte »Ärger-Disposition« hat. Die Wut, die in einer konkreten Situation in Ihnen aufsteigt, beispielsweise, wenn Sie provoziert werden, bezeichnet man als »Ärger-Zustand«. Der jeweilige Kontext ist gleichermaßen entscheidend. Wie wir auf eine Provokation reagieren und zu welcher Einschätzung oder welchem Urteil wir gelangen, ist immer Ergebnis eines Wechselspiels aus charakterlicher Veranlagung und situativer Gegebenheit. Es ist relevant, wo wir uns gerade befinden und auf wen wir wütend sind. Genauso relevant ist aber, wie Wut allgemein gesellschaftlich (als ein Element der so genannten »Gefühlskultur«) behandelt wird.

Obwohl wir sie in unserem Inneren empfinden, ist Wut doch durch äußere, gesamtkulturelle Faktoren, durch die Erwartungen anderer und durch gesellschaftliche Tabus vermittelt. Unsere Wut nimmt Gestalt an innerhalb unserer Rollen und Verantwortlichkeiten, wird gerahmt durch unsere jeweilige Machtposition und unsere Privilegien. Wie wir über Wut denken, wie wir sie erleben und strategisch einsetzen, wird elementar beeinflusst von unseren Beziehungen, unseren Diskriminierungs- und Armutserfahrungen sowie unserem Zugang zu Macht. Es wurde wissenschaftlich belegt, dass Länder, Regionen und sogar benachbarte Gemeinden im selben Land ganz spezifische Wutprofile haben, in denen je unterschiedliche Verhaltensmuster und soziale Dynamiken zutage treten. In manchen Kulturen beispielsweise dient Wut dazu, Frust herauszulassen, in anderen hingegen wird sie eher genutzt, um Autorität geltend zu machen. In den Vereinigten Staaten wird die Wut weißer Männer oft als legitim und patriotisch dargestellt, die Schwarzer Männer jedoch als kriminell; der Zorn Schwarzer Frauen wird als Bedrohung wahrgenommen. In der in diesem Buch vor allem behandelten westlichen Welt wurde – und wird – weibliche Wut oft mit Wahnsinn in Verbindung gebracht.

Wut kennt nicht nur eine Richtung, sie ist keine Einbahnstraße, sondern Bestandteil endloser unterbewusster, körperlicher und intellektueller Feedback-Schleifen. Manchmal wird sie auch als »Sekundär-Emotion« bezeichnet, die durch andere, meist nicht offen zutage tretende Scham- oder Angstgefühle generiert wird. Auch wenn wir Wut nicht immer als einen Grund für Unwohlsein, Schmerz oder Verzweiflung identifizieren, ist es nicht unwahrscheinlich, dass unterdrückte oder falsch zum Ausdruck gebrachte Wut bei genauerem Hinsehen unser Befinden beeinflusst. Manchen Frauen macht es Angst, wütend zu sein, wodurch sie dann im Umkehrschluss noch wütender werden. Bei anderen wird die Wut zum Bestandteil des Körpers, verursacht physisches Unwohlsein, macht sie reizbar und unglücklich und schränkt sie gesundheitlich ein. Hinter diesen Feedback-Schleifen stecken oft soziale Ungerechtigkeiten. Eine der häufigsten Rückkopplungsschleifen entsteht aus Wut, die durch Diskriminierung hervorgerufen wird; wenn die Diskriminierung von der Gesellschaft nicht anerkannt wird, wächst auch die Wut, was dann wiederum Stress und dessen Auswirkungen verstärkt.

Natürlich ist jede*r mal wütend. Studien haben gezeigt, dass Männer und Frauen Wut quasi identisch empfinden. Und da, wo es messbare Unterschiede gibt, widerlegen sie das Klischee vom Mann als dem so genannten wütenden Geschlecht. Aus diversen Gründen, die wir uns noch genauer ansehen werden, geben Frauen an, häufiger, intensiver und länger wütend zu sein als Männer. Die meisten wutauslösenden Interaktionen sind nicht physischer, sondern verbaler Natur. Frauen bedienen sich außerdem mit größerer Wahrscheinlichkeit einer wütenden, aggressiven Sprache als Männer. Hinzu kommt, dass Männer Wut häufiger mit Machtgefühlen assoziieren, Frauen hingegen mit Ohnmacht.

Aber wenn doch alle Menschen Wut empfinden, warum sollten wir uns dann auf Frauen konzentrieren? Warum spielt das Geschlecht hier überhaupt eine Rolle?

Obwohl sich Wut für Frauen und Männer exakt gleich anfühlt, gibt es dennoch erhebliche Unterschiede dahingehend, wie wir dieses Gefühl ansprechen und wie es von unserem Umfeld wahrgenommen wird. Zudem zeigen Männer und Frauen auf wutauslösende Provokationen physisch eine tendenziell unterschiedliche Reaktion. Geschlechterrollenspezifische Erwartungen haben oft eine Schnittmenge mit den Erwartungen, die an eine bestimmte Hautfarbe oder einen bestimmten ethnischen Hintergrund geknüpft sind. Sie geben vor, in welchem Maß wir Wut im Privatleben effizient nutzen können und inwiefern sie uns die Teilhabe am öffentlichen und politischen Leben ermöglicht. Trotz all dieser Unterschiede wird dem weiblichen Umgang mit Wut in der öffentlichen Diskussion, in der Forschung zur Wutdynamik sowie in Angeboten zur Aggressionsbewältigung zumeist keine Beachtung geschenkt.

Binäre Gender-Schemata werden zwar tagtäglich in Frage gestellt und aufgedeckt, nehmen aber trotzdem tiefgreifenden Einfluss auf unser Leben. Solche Schemata – also ordnende Verallgemeinerungen, die wir schon frühzeitig im Leben erlernen – machen die Welt für uns übersichtlicher, reproduzieren jedoch gleichzeitig problematische Diskriminierungen. Die uns gleich nach der Geburt zugeschriebene Kategorie »weiblich« oder »männlich« bildet in der Familie die Grundlage dafür, welche Rollen, Merkmale, Zuständigkeiten und welcher Status uns zugewiesen wird. Mit ähnlich großer Wirkungskraft legt diese Kategorisierung fest, wie wir fühlen, wie unsere Empfindungen von anderen wahrgenommen werden und wie diese darauf reagieren.

Zu Hause begreifen Kinder schnell, dass die Wut von Jungen und Männern die herkömmlichen Gender-Erwartungen untermauert und dass dies bei Mädchen und Frauen nicht der Fall ist. Wir lernen meist schon von Kindesbeinen an, Wut als unweiblich, unattraktiv und egoistisch zu betrachten. Vielen Mädchen wird beigebracht, dass Wütend-Sein für andere eine Zumutung ist und sie lästig und unsympathisch macht. Wir lernen, dass es unsere Lieben befremdet, wenn wir wütend sind, und diejenigen abstößt, auf die wir attraktiv wirken wollen. Dass Zorn uns das Gesicht verzerrt und uns hässlich macht. Selbst diejenigen unter uns, die Wut einsetzen müssen, um sich in brisanten, gefährlichen Situationen zu verteidigen, bekommen dies zu hören. Als Mädchen wird uns nicht beigebracht, wie wir unserer Wut einen Raum geben oder wie wir mit ihr umgehen sollen. Wir lernen vielmehr von klein auf, sie zu fürchten, zu ignorieren, zu verbergen und in andere Gefühle umzuwan-deln.

Wut und Männlichkeit hingegen sind eng verquickt und verstärken sich gegenseitig. Die Wut von Jungen und Männern soll zwar kontrolliert sein, wird aber oft als Tugend angesehen, vor allem dann, wenn sie eingesetzt wird, um zu beschützen, zu verteidigen oder zu führen. Wut wird mit einemBruch assoziiert, mit Lautstärke, Autorität, Vulgarität, körperlicher Aggression und Dominanz. Terminologisch steht all das in direktem Zusammenhang mit Gewalt und Männlichkeitsklischees. Über Wut lernen Jungen von klein auf deutlich mehr als über andere Gefühle, was für sie – wie auch für die Gesellschaft als ganze – in vielerlei Hinsicht von Nachteil ist. Da man ihnen aberzieht, feminin zu wirken (also mitfühlend, verletzlich und empathisch), stehen ihnen als emotionale Alternativen oft nur der Rückzug oder der aggressive Ausdruck von Wut zur Verfügung.

Sobald andere Bezugsgruppen für uns wichtiger werden als unsere Familien, agieren wir in Systemen, die nicht nur finanzielle Ressourcen und kulturelles Kapital ausschütten, sondern auch Register des Gefühlsausdrucks zur Verfügung stellen. Zusammen mit race, Milieu, Alter und weiteren Aspekten unserer Identität und unseres sozialen Status nimmt unser Geschlecht Einfluss darauf, wie wir uns verhalten und wie wir behandelt werden.

Es gibt wohl keine einzige Frau auf der Welt, die nicht wüsste, wie offen weibliche Wut verunglimpft wird. Wir brauchen keine Bücher, Studien, Theorien oder Expert*innen, damit uns das klar wird. Während der letzten paar Jahre habe ich in Schulen, bei Konferenzen und in Unternehmen vor Tausenden von Mädchen und Frauen gesprochen. Jedes Mal kommen sie im Anschluss mit den immergleichen zwei Anliegen zu mir: Sie wollen wissen, wie sie für sich einstehen und kämpfen sollen, »ohne dabei zornig oder verbittert zu wirken«, und sie wollen erzählen, wie oft ihr Gegenüber skeptisch und sogar aggressiv reagiert, wenn sie sich wütend zeigen über Dinge, die speziell ihr Leben als Frau betreffen.

Frauen erleben Diskriminierung sehr unterschiedlich, aber wir alle haben die Erfahrung gemacht, dass uns, wenn wir zornig sind oder einfach nur klar unsere Meinung sagen, entgegengehalten wird, wir seien »verrückt«, »irrational« oder sogar »bösartig«. Wenn wir uns Mühe geben oder uns genötigt sehen, unsere Wut anders zu verpacken, zu ignorieren, umzuleiten oder zu bagatellisieren – Studien haben diese Vorgänge nachgewiesen –, dann liegt das daran, dass wir nur allzu gut wissen, welchen Preis es hat, sie offen zu zeigen. Unsere Gesellschaften sind unendlich kreativ darin, weibliche Wut ungültig zu machen und zu pathologisieren. Ich wusste immer, dass ich, sobald ich als »zornige Frau« wahrgenommen werde – was manchmal schon dann geschieht, wenn ich meine Gedanken laut ausspreche –, sofort für eine überemotionale, irrationale, temperamentvolle, vielleicht hysterische, ganz sicher aber für eine »unsachliche« und wirre Denkerin gehalten werde.

Wenn eine Frau in institutionellen, politischen und professionellen Kontexten sichtbar wütend ist, verletzt sie automatisch die Gender-Norm. Man begegnet ihr mit Ablehnung – ein Todesstoß für die Kategorie Mensch, von der erwartet wird, für sozialen Zusammenhalt zu sorgen. Personen, denen es nichts ausmacht, für einen oft gereizten, aggressiven Chef zu arbeiten, würden diesem Verhalten bei einer Chefin wahrscheinlich mit weitaus weniger Toleranz begegnen. Wenn ein Mann bei einer Diskussion oder während eines Streits wütend wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass andere Beteiligte ihren Standpunkt aufgeben und sich seiner Meinung anschließen, deutlich größer als bei einer Frau – die durchs Wütend-Werden eher die gegenteilige Reaktion hervorruft. Für Frauen, die als »von Natur aus« wütend und jähzornig erachtet werden, stellt es ein erhebliches Risiko dar, für sich einzustehen, sich zu verteidigen oder sich zu wichtigen Themen zu äußern. Schwarzen Frauen und Mädchen beispielsweise wird regelmäßig vom Klischee der »zornigen Schwarzen Frau« der Mund verboten, weswegen sie bis heute mit der virulenten Gefahr institutionalisierter Gewalt umgehen müssen, die ihnen droht, wenn sie ihrer gerechtfertigten Wut Ausdruck verleihen. Dass Männer, wie Studien ergeben haben, im Gegensatz zu Frauen ihre Wut als Machtzugewinn wahrnehmen, ist kaum verwunderlich, schließlich ist Wut für Männer tatsächlich deutlich häufiger mit einem Machtzugewinn verbunden.

Die Lektion, dass Wut inakzeptabel ist, wird Frauen schleichend, unterschwellig und stetig erteilt. Erst sind wir noch eine »süße Prinzessin«, dann wird aus uns eine »Drama Queen« und schließlich eine »Luxus-Schlampe«. Mädchen, die gegen Ungleichbehandlung und Ungerechtigkeit protestieren, werden oft aufgezogen und verspottet. Erwachsene Frauen gelten als hypersensibel oder zur Übertreibung neigend. Solcherlei Bilder, ganz egal, ob wir sie von unserer Familie gespiegelt oder von der Populärkultur vorgeführt bekommen, lehren uns, dass unsere Wut nichts ist, was von uns selbst oder von sonst irgendjemandem ernst genommen werden sollte. Folglich erwarten und fürchten Frauen Hohn und Spott als die wahrscheinlichste Antwort auf ihre Wut. Dass uns Subjektivität, Wissen und nachvollziehbare Anliegen andauernd abgesprochen werden, ist zutiefst verletzend und grenzt häufig an Missbrauch. Wenn das Realitäts- und Selbstbewusstsein einer Gruppe derart gezielt manipuliert wird, spricht man in der Psychologie auch von »Gaslighting«. Die Erwartung einer negativen Reaktion ist der Grund, warum so viele Frauen nachhaltig schweigen zu dem, was sie brauchen, wollen und fühlen, und warum es für viele Männer so einfach ist, sich für Ignoranz und Dominanz zu entscheiden statt für wahre Intimität.

In fast keinem gesellschaftlichen Bereich wird weibliche Wut respektiert, ausgenommen vielleicht dort, wo Wut Gender-Rollenklischees wie das der Frau als Umsorgerin und Gebärerin bestätigt. Das bedeutet wiederum: Wir dürfen wütend sein – aber nicht aus Gründen, die nur uns betreffen. Wenn eine Frau in der ihr zugewiesenen »Rolle« wütend wird, beispielsweise als Mutter oder Lehrerin, wird sie respektiert und ihre Wut wird im Normalfall verstanden und akzeptiert. Aber wenn sie dieses Territorium verlässt und an einem Ort, der als Männersphäre betrachtet wird – im traditionellen Politikbetrieb oder am Arbeitsplatz zum Beispiel –, wütend wird, bestraft man sie so gut wie immer auf irgendeine Weise dafür.

Es gibt für Frauen keinen magischen Schutz vor diesen Vorstellungen und gesellschaftlichen Normen. Häufig internalisieren wir sie und bewerten unsere Wut als inkompatibel mit der uns zugewiesenen Rolle als Fürsorge-Beauftragte. Schon die kleinste Aufwallung von Wut – bei sich selbst oder bei anderen Geschlechtsgenossinnen – verursacht manchen Frauen tiefes Unwohlsein. Um bloß keinen zornigen Eindruck zu machen, verlegen wir uns auf die Grübelei. Wir geben uns jede erdenkliche Mühe, »ruhig« und »vernünftig« zu erscheinen. Wir reden unsere Wut klein, nennen sie »Frust«, »Ungeduld«, »Erschöpfung« oder »Gereiztheit« – sämtlich Wörter, die den sich klar an Gesellschaft und Öffentlichkeit richtenden, fordernden Charakter des Begriffs »Wut« nicht haben. Wir lernen, uns zu beherrschen: Wir achten auf unsere Stimme, unsere Haare, unsere Kleidung und vor allem auf unsere Sprache. Wut will normalerweise Nein sagen in einer Welt, in der Frauen darauf konditioniert sind, alles zu sagen außer Nein. Sogar unsere Technologie hat dieses Bild schon verinnerlicht und Gestalt werden lassen in den devot mit weiblicher Stimme sprechenden virtuellen Assistentinnen (mir fallen da Siri, Alexa und Cortana ein), für die die Erwiderungen »Ja«, »Okay« und »Womit kann ich dir behilflich sein?« oberstes Gebot und Daseinsberechtigung zugleich sind.

Die weibliche Gepflogenheit, die Bedürfnisse der anderen an die erste Stelle zu setzen und immer dafür Sorge zu tragen, dass es allen anderen gut geht, gereicht uns Frauen regelmäßig zum Nachteil. Frauen und Mädchen lernen ganz konkret, ihre Wut zur Seite zu schieben, um Spannungen und Konflikte zu deeskalieren und Begegnungen oder Situationen, die für uns oder andere potenziell gefährlich sind, zu entschärfen. Wir begreifen irgendwann, dass es eine notwendige Anpassungsleistung an die omnipräsente Latenz männlicher Gewaltsamkeit ist, unsere Wut aufzugeben. In einer Gesellschaft, in der Gewalt von Männern gegen Frauen für viele eine Realität ist, können wir einfach nie genau wissen, wie ein Mann – ein Bekannter oder ein Fremder – reagiert und ob er vielleicht gewalttätig wird. Wir können nur vertrauen und hoffen und das Risiko so klein wie möglich halten.

Über diese eingeübten Gewohnheiten und über die Tatsache, dass wir als Frauen in jeder Situation derart abwägen, wird selten gesprochen. Und so kommt es – wir werden dem später noch nachgehen –, dass die Männer in unserem Umfeld, sowohl zu Hause als auch in der Schule oder bei der Arbeit, uns oft aktiv unsere Erfahrungen absprechen beziehungsweise mitunter sehr ahnungslos sind darüber, dass wir, bevor wir uns äußern, immer erst eine Einschätzung vornehmen und das Risiko berechnen. Wenn Männer wüssten, wie ernsthaft wütend die Frauen um sie herum oft sind – und wenn sie die Strukturen verstünden, die Frauen dazu veranlassen zu schweigen –, wären sie wohl sehr überrascht.

Zunächst aber ist es wichtig festzuhalten, wie stark dieses Verhalten erlernt und überaus spezifisch mit der Gender-Rolle verknüpft ist. Es gibt durchaus Männer, die einen stereotyp »weiblichen« Umgang mit Wut haben, und ebenso viele Frauen, die in dieser Hinsicht ein »männlich« codiertes Verhalten an den Tag legen. Menschen mit eher maskulinen Eigenschaften zeigen ihre Wut mit größerer Wahrscheinlichkeit offen und fühlen sich damit auch wohl. Femininere Menschen hingegen kontrollieren ihre Wut besser und kaschieren sie häufig mit anderweitigen Ausdrucksformen. Androgyne, nichtbinäre/genderfluide Menschen, die freier sind von geschlechtsspezifischem Auftreten und Rollenverhalten, finden tendenziell einen produktiveren Ausdruck für ihre Wut und entwickeln eher die verlässliche Fähigkeit, Gefühle effektiv zu kontrollieren und auch einzusetzen.

Wut ist wie Wasser. Wie sehr man auch versucht, sie einzudämmen, zu kanalisieren oder ihr Vorhandensein zu leugnen: Sie findet immer einen Weg, und zwar im Normalfall den des geringsten Widerstands. Ich werde in diesem Buch noch darauf zurückkommen, dass Frauen ihre Wut oft in ihrem Körper »spüren«. Unverarbeitet, verwebt sich diese Wut wie ein Faden mit unserem Erscheinungsbild und unserem Körper, mit unseren Essgewohnheiten und unseren Beziehungen. Sie ist Nährboden für Selbsthass sowie für Ängste, Depressionen, die Neigung zur Selbstverletzung und auch für physische Erkrankungen. Der entstehende Schaden übersteigt jedoch die rein körperliche Ebene. Gegenderte Vorstellungen von Wut führen dazu, dass wir uns selbst in Frage stellen, dass wir unsere Gefühle anzweifeln, unseren Bedürfnissen keinen Raum geben und unsere Fähigkeit leugnen, eigene ethisch-moralische Werte zu haben. Wenn wir unsere Wut ignorieren, werden wir uns selbst gegenüber unachtsam und erlauben im selben Zuge der Gesellschaft, unachtsam mit uns umzugehen. Fest steht, dass sich Frauen, wenn mit ihrem Schmerz und ihrer Wut derart verfahren wird, leichter ausbeuten lassen – sei es zu reproduktiven, arbeitstechnischen, sexuellen oder ideologischen Zwecken.

Es stellt sich die Frage: Warum sollte eine Gesellschaft Frauen und Mädchen von der Wiege bis zum Grab das Recht absprechen, offen Wut zu empfinden oder Wut strategisch einzusetzen und dabei respektiert zu werden? Denn obwohl Wut einen schlechten Ruf hat, ist sie eigentlich ein durchaus hoffnungsvolles und nach vorn gerichtetes Gefühl: Sie ermöglicht es uns, Leidenschaft zu zeigen und in Kontakt mit der Welt zu bleiben, und bewirkt so Veränderungen. Sie ist eine gleichermaßen rationale wie emotionale Reaktion auf Grenzüberschreitung, Missachtung, Verletzung und moralisches Ungleichgewicht. Sie schlägt Brücken über die Kluft zwischen dem, was ist, und dem, was sein sollte, zwischen einer mit Schwierigkeiten behafteten Vergangenheit und den Möglichkeiten einer besseren Zukunft. Wut warnt uns instinktiv vor Beleidigung, Bedrohung und Verletzung.

Wie viele andere auch bekomme ich ständig gesagt, dass es doch »besser« wäre, wenn Frauen »nicht so zornig wirken« würden. Was genau soll daran »besser« sein? Und warum sollen Frauen es sich aufbürden, ständig »besser« als alle anderen zu sein, ihre Wut zur Seite schieben, verständnisvoll sein, vergeben und vergessen? Werden wir so zu »guten« Menschen? Ist das gesund? Versetzt es uns in die Lage, unsere Interessen zu wahren, unsere problembehafteten Communitys zu verändern und versagende Systeme neu aufzustellen?

Die Antwort lautet ohne jede Einschränkung: Nein.

Dieses »Besser« erhält vor allen Dingen einen zutiefst kaputten Status quo aufrecht.

Wenn uns das wütend macht und wir eine vernünftige Antwort darauf erwarten, haben wir uns schon in Bewegung gesetzt, dann reden wir schon darüber, wie sich dieser Status quo anfechten lassen könnte. Indem wir offen wütend sind und verlangen, gehört zu werden, bezeugen wir unseren tief empfundenen Glauben daran, mit der Welt um uns herum in Beziehung zu stehen und diese Welt mitgestalten zu können – ein Recht, das bis heute fast ausschließlich Männern zustand. Die Worte »Ich bin wütend« sind ein notwendiger erster Schritt, um zu sagen: »Hör zu!«, »Glaub mir!«, »Vertrau mir!«, »Ich weiß«, »Es ist an der Zeit, etwas dagegen zu unternehmen«. Wenn ein Mädchen oder eine Frau wütend ist, sagt sie nichts anderes als: »Das, was ich fühle, sage und denke, ist wichtig.« Dass wir das nicht als gesichert und selbstverständlich voraussetzen dürfen, zeigt sich ganz klar daran, wie mit unserer Wut umgegangen wird und was die Politik derzeit tut.

Unsere Wut macht deutlich, dass wir uns selbst ernst nehmen. Und damit wird sie zur echten Gefahr. Das gilt für unser Zuhause genauso wie für unser Leben in der Öffentlichkeit. Indem wir die Wut effektiv abgetrennt haben von dem, was eine »anständige Frau« ausmacht, haben wir uns dafür entschieden, Frauen und Mädchen genau der Emotion zu berauben, die sie am besten vor Gefahr und Ungerechtigkeit schützt.

Es scheint mir mehr als nur ein interessanter Zufall zu sein, dass Metaphern für Wut voll von Küchenbildern sind: Wut »schwelt« und »köchelt«, man hat »Wut im Bauch«, bevor man dann schließlich vor lauter Wut »überkocht«; wir sollen »die Dinge sich setzen lassen«, »unser Mütchen kühlen« und unsere Wut lieber »unter dem Deckel halten«, sonst hinterlässt sie womöglich »einen schlechten Nachgeschmack«. Als Frauen müssen wir uns oft auf die Zunge beißen, müssen absichtlich vergessen, was wir eigentlich sagen wollten, und manchmal schlucken wir dabei auch unseren Stolz hinunter. Meine Tochter hat einmal gesagt, es sei fast so, als ob wir unsere Wut in der Küche lassen sollten. Wo wir dann zum Beispiel Teller zerschlagen könnten.

Ich werfe nicht mit Tellern, dafür aber mit Worten. Es hat Jahre gedauert, bis ich meine eigene Wut erkannt und ernst genommen habe, und als ich dann so weit war, wusste ich nicht, wie ich mit ihr umgehen sollte. Ich hatte das ausgeprägte Gefühl, mir selbst fremd zu sein – was ironisch war, denn das eigentlich Nicht-Authentische bestand ja darin, meine Wut über Jahre geleugnet zu haben, und nicht, sie mir jetzt bewusst zu machen. Mittlerweile schreibe ich. Ich schreibe und schreibe. Ich schreibe meine Wut auf Papier und tippe sie in Bits und Bytes. Ich schreibe die Wut aus meinem Kopf und meinem Körper, ich setze sie aus, hinein in die Welt, wo sie, ehrlich gesagt, auch hingehört. Das alles kann bei den Menschen in meinem Umfeld ein tiefes Unwohlsein auslösen, und es hat hin und wieder sowohl privat wie beruflich seinen Preis gehabt. Aber es führt auch dazu, dass ich produktivere Erfahrungen mache, dass meine Beziehungen und Erfolge im Leben reicher werden. Ich habe lange gebraucht, um zu erkennen, dass diejenigen, die mir am ehesten mit »Du klingst so wütend« begegnen, sich durchweg nicht die Mühe machen, zu fragen: »Warum eigentlich?« Ihnen ist nur an der Ruhe und am Stillschweigen gelegen, nicht am Dialog. Immer häufiger und in immer größerem Maßstab bekommen Frauen, die in Schulen, in Gotteshäusern, am Arbeitsplatz und in der Politik ihre Wut zum Ausdruck bringen, solcherlei Reaktionen. Aber eine Gesellschaft, die der Wut von Frauen keinen Respekt entgegenbringt, ist eine Gesellschaft, die Frauen keinen Respekt entgegenbringt – Frauen als Menschen, als Denkerinnen, als Wissende, als aktiv Teilhabende und als Bürgerinnen.

Auf der ganzen Welt sind Frauen offensichtlich wütend und handeln ausgehend von dieser Emotion. Das hat unausweichlich Gegenreaktionen zur Folge, oft auch von Seiten der so genannten »gemäßigten Mitte«, die wütende Frauen gern als wirr und gefährlich verunglimpft. Es ist viel einfacher, wütende Frauen zu kritisieren, statt sie zu fragen: »Was macht euch denn so wütend?« Oder: »Was können wir dagegen tun?« In den Antworten steckt nämlich ein radikal umstürzlerisches, revolutionäres Potenzial.

Hinter diesen Fragen steht eine große Dringlichkeit. Wir leben in einer Zeit ausgeprägter Wut und quasi andauernder Entrüstung. Gründe, wütend zu sein, gibt es viele, und wo man auch hinschaut, scheinen die Menschen aufgebracht, empört und ungeduldig. Immer, wenn ich eine unerschrocken auftretende, unmissverständlich wütende Frau sehe, die die Dinge beim Namen nennt, spende ich ihr Beifall, einfach für das, wofür ihre Äußerung im kulturellen Gesamtzusammenhang steht.

Dieses Buch will unsere gängige Auffassung von Wut verändern. Es handelt davon, warum es für uns als Einzelne wie für uns als Gesellschaft wichtig ist, dass Frauen und Mädchen laut sagen: »Ich bin wütend.« Es ist kein Plädoyer für das ungezügelte Ausleben von Wut und Aggression, kein Freifahrtschein für den Rundumschlag ins Gesicht von allen, über die man sich ärgert, und auch keine Legitimation dafür, unser Wohn- und Arbeitsumfeld mit Feindseligkeit und Unwohlsein zu vergiften. Ganz entschieden ist dieses Buch ebenfalls kein Selbsthilfebuch und kein Ratgeber zur Aggressionsbewältigung. Zu Selbsthilfe greift man häufig dann, wenn man von seiner Gesellschaft nicht die Unterstützung bekommt, die man eigentlich braucht. Aber wir als Frauen können nicht durch Selbstoptimierungsmethoden erreichen, dass wir gehört, ernst genommen oder fair bezahlt, angemessen gepflegt und ärztlich betreut oder respektvoll behandelt werden. Reine Selbsthilfe wird uns auf unserem Weg zu Frieden und Gerechtigkeit nicht ans Ziel bringen.

Ich setze mich in diesem Buch vielmehr mit Fragen auseinander, die unsere Aufmerksamkeit verdienen: Was würde es bedeuten, unsere Gefühle zu ent-gendern? Wie würde die Welt aussehen, wenn alle Menschen die ganze Bandbreite ihrer Gefühle erleben und konstruktiv ausdrücken dürften, ohne dafür bestraft zu werden? Was wäre, wenn Frauen und Mädchen als Konsequenz ihrer Weiblichkeit nicht so häufig und nachhaltig von dieser einen spezifischen Emotion abgeschnitten würden? Was verlieren wir persönlich und als Gesellschaft, wenn wir der Wut der Frauen nicht zuhören und sie nicht respektieren, wenn sie doch einmal eine Stimme bekommt? Und vor allem: Gibt es in demokratischen Zusammenhängen nicht ein erhöhtes Autoritarismus-Risiko, wenn wir den Emotionshaushalt der Frau als »frei von Wut« behandeln?

Ich hoffe, Speak out! verändert unsere Sicht auf Wut, Geschlecht, Gefühle und deren politische Auswirkungen. Ich hoffe, dieses Buch rüstet uns mit Werkzeug, um uns selbst und unser Umfeld klarer zu erkennen. Letzten Endes soll es sowohl Ihr Leben als auch das der Menschen um Sie herum besser machen. Denn es ist nicht die Wut, die uns Steine in den Weg legt. In Wahrheit ist die Wut unser einziger Weg. Wir müssen diesen Weg nur selbstbewusst gehen.

1

Mad Girls

[Meine Mutter] hatte den Respekt vor den Möglichkeiten an uns weitergegeben – und den Willen, sie zu ergreifen.

Alice Walker