Amos Oz

Die letzte Lektion

Ein Leitfaden für die Zukunft

Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer

Suhrkamp

Die letzte Lektion

Amos Oz hielt die hier abgedruckte Rede am 22. Juli 2018 in der Universität Tel Aviv. Es war sein letzter öffentlicher Auftritt, seine letzte Rede.

Feuer züngelte im Ofen. Und die alte Hinda ging hinaus und trug das Blech mit den Fladenkuchen wie eine Araberin auf dem Kopf. Das Blech sah aus wie ein schönes Beet voll Sesamsamen und machte Hoffnung. Es gab Hoffnung, dass ihr auch das Brot, das richtige Brot, das sie am Nachmittag für die ganze Woche backen würde, gelingen würde. Der Kopf des kleinen Amram lag noch immer im Schoß von Arje Lapidot, und diese Anhänglichkeit strahlte etwas Trauriges, Einfaches, Mitgefühlerregendes aus und gleichzeitig etwas Geheimnisvolles, unendlich Wichtiges und Wertvolles. Reste von Dornen hingen an ihren abgetragenen Kleidern und an ihren Köpfen. Da rief die Brotbäckerin sie zur Hilfe, und beide standen auf und standen da. Und in ihren Dornen wie in ihrem Dastehen lag dasselbe große Geheimnis. Sie standen da und hielten Wache, Lebenswache. Lebenswache hielten der Alte und das Kind, dornengekrönt. Die Sonne schien wie vor dem Regen. Die Existenz war eine dornige Existenz. Noch war die Rechnung nicht gemacht.

Josef Chajim Brenner, Von hier und von dort (1911)