sternenschweif.eps

Das verschwundene Tagebuch

von Linda Chapman

KOSMOS

Umschlaggestaltung: Walter Typografie & Grafik, Würzburg

unter Verwendung einer Illustration von Josephine Llobet, Quickborn

Textillustrationen: © Biz Hull

Sternenschweif – Das verschwundene Tagebuch, erzählt von Anne Scheller.

Based on characters by Working Partners Ltd.

© Working Partners Ltd., 2020

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© 2020, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440- 50177-1

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

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„Ach, Sternenschweif, ist das schön!“ Laura Foster richtete sich im Sattel auf und sog den frühsommerlichen Duft nach sonnenwarmen Gräsern und Blüten in sich ein.

Sternenschweif, Lauras kleines graues Pony, schnaubte lang aus. Es klang ein wenig wie ein wohliges Seufzen.

„Endlich wird es Sommer“, meinte Laura glücklich und sah sich in der Landschaft um. Auf der einen Seite des Feldwegs, auf dem Sternenschweif und sie entlangritten, erstreckte sich ein wogendes grünes Feld bis zum fernen Dorf. Rote, weiße und gelbe Blumen schmückten den Wegrand. Auf der anderen Seite ragten die Bäume des Waldes auf. Vögel zwitscherten in den Zweigen, und ein leichter Lufthauch ließ die Blätter rascheln.

„Wir haben noch Zeit, bis wir beim Ponyclub sein müssen“, sagte Laura. „Wie wäre es mit einem kleinen Umweg? Wir könnten die lange Galoppstrecke nehmen und auf der Lichtung mit den Baumstämmen ein paar Sprünge üben. Was meinst du dazu?“

Sternenschweif drehte den Kopf nach hinten und blinzelte Laura unter seinen langen Stirnfransen hervor fröhlich an. Er wurde schneller und trabte auf die Weggabelung zu, die zu ihrer liebsten Galoppstrecke führte. Es sah wirklich so aus, als hätte er jedes Wort verstanden!

Und das hatte er auch. Sternenschweif war nämlich ein ganz außergewöhnliches Pony. Nicht nur, weil er sehr brav war und sein graues Fell und seine Mähne so kuschelweich. Nein, er hatte außerdem ein Geheimnis, das nur wenige Menschen auf der Welt kannten: Sternenschweif war ein Einhorn! Wenn Laura einen Zauberspruch aufsagte, nahm er seine wahre Gestalt an: ein traumhaft schönes Einhorn mit schneeweißem Fell, Hufen voller Silberglanz und einem gewundenen Horn auf der Stirn. Als Einhorn konnte Sternenschweif mit Laura sprechen, er konnte fliegen, Wunden heilen, Mut machen und noch viele andere magische Dinge tun. Doch all das musste ein Geheimnis bleiben. Zu groß war die Gefahr, dass andere die Magie der Einhörner ausnutzten! Deswegen verwandelte Laura ihren besten Freund nur dann, wenn sie ganz sicher sein konnte, dass niemand zusah.

Ein kurzes Wiehern riss Laura aus ihren Gedanken. Sie waren am Galoppweg angekommen, und Sternenschweif wollte endlich laufen. Rasch nahm Laura den leichten Sitz ein, und ihr Pony preschte los. Seine Hufe trommelten auf den Waldweg, und der Wind pfiff Laura so heftig ins Gesicht, dass ihre Augen tränten. Dennoch genoss sie jeden Moment.

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Kurz darauf erreichte Sternenschweif das Ende des Weges und wurde langsamer.

Laura schnappte nach Luft. „Wow! Ich glaube, so schnell warst du noch nie!“, rief sie. Ihr Pony schnaubte zur Antwort.

Nach ein paar Sprüngen über umgefallene Baumstämme und einem gemütlichen Ritt durch die Felder erreichten Laura und Sternenschweif den Ponyclub. Auf dem Hof herrschte geschäftiges Treiben, denn heute bot Rebecca, die Leiterin des Clubs, ein kostenloses Dressurtraining an. Ponys wurden geputzt und gesattelt, und Reiter überprüften den Sitz ihrer Helme. Laura entdeckte einige Kinder und Ponys, die sie kannte.

„Hallo, Laura! Schön, dass ihr auch kommt.“ Am Zaun stand Julia Weber, ein Mädchen mit einem dicken blonden Zopf und einem freundlichen Gesicht.

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„Hey, Julia!“ Laura schwang sich von Sternenschweifs Rücken und umarmte die Freundin. Sie hatte Julia in letzter Zeit zwar öfter von Weitem auf dem Schulhof gesehen, aber nicht mit ihr gesprochen. „Wie geht es dir? Was macht Mystery? Sternenschweif geht es geradezu magisch gut.“ Laura zwinkerte Julia verschwörerisch zu. Das Mädchen gehörte nämlich zu den wenigen Menschen, die Sternenschweifs Geheimnis kannten. Ihr Pony Mystery war selbst ein Einhorn! Laura und Julia hatten schon einige Abenteuer miteinander erlebt.

„Mystery geht es gut“, sagte Julia. „Und Gina auch. Sie würde gern mal wieder mit Walter spielen.“ Gina war Julias Dackel und Walter Lauras schwarz-weißer Terrier. Die beiden Hunde verstanden sich prima.

„Super Idee, dann kannst du mir auch mehr von dir erzählen“, erwiderte Laura. „In den Schulpausen kommen wir ja nie dazu.“

„Stimmt, aber in der Schule ist mir auch nicht nach Reden zumute“, meinte Julia ausweichend.

Laura fiel auf, dass die Augen ihrer Freundin ernst blieben, obwohl sie freundlich lächelte. Außerdem hatte sie zwar von Mystery und Gina erzählt, aber kein Wort darüber verloren, wie es ihr selbst ging. Laura runzelte die Stirn. Ob mit ihrer Freundin alles in Ordnung war? Am liebsten hätte sie sich in Ruhe mit ihr unterhalten, doch Rebecca rief bereits alle Reiterinnen zur Dressurstunde.

„Treffen wir uns um Mitternacht auf der geheimen Lichtung?“, flüsterte sie schnell. Julia nickte.

„Okay, Rebecca, wir kommen ja schon!“, rief Laura dann der Reitlehrerin zu, kontrollierte Sternenschweifs Sattelgurt und schwang sich auf seinen Rücken.

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Spät in dieser Nacht sprach Laura den Zauberspruch, der Sternenschweif in ein Einhorn verwandelte:

„Silberstern, Silberstern,

hoch am Himmel, bist so fern.

Funkelst hell und voller Macht,

brichst den Bann noch heute Nacht.

Lass dies Pony grau und klein

endlich doch ein Einhorn sein.“

Ein violettes Licht blitzte auf, und magischer Nebel verhüllte für einen Moment Sternenschweifs Gestalt. Dann konnte Laura endlich ihr Einhorn sehen. Die beiden standen auf seiner Koppel, ganz hinten, wo sie durch Büsche und Bäume vor neugierigen Blicken verborgen waren.

„Hallo, Laura“, begrüßte Sternenschweif sie. Seine Stimme war tief, sanft und ruhig. „Schön, dass du mich verwandelt hast. Wollen wir gleich zusammen fliegen?“

„Unbedingt!“, rief Laura strahlend und umarmte ihr Einhorn. „Julia und Mystery warten auf der geheimen Lichtung auf uns. Vorher können wir noch ein paar Runden in der Luft drehen. Aber nur, wenn du Lust hast.“

„Was für eine Frage!“ Sternenschweif wieherte und tänzelte ungeduldig auf der Stelle. Kaum war Laura aufgesessen, lief er auch schon los. Mit mächtigen Sprüngen galoppierte er über die Koppel und erhob sich im nächsten Augenblick in die Dunkelheit. Der Zaun, Sternenschweifs Stall, die Farmgebäude und das Wohnhaus der Fosters wurden unter Laura rasch kleiner. Ihr Einhorn wandte sich Richtung Wald.