LP_Kassel_und_Nordhessen_cover-image.png

Lieblingsplätze Kassel und Nordhessen

Rüdiger Edelmann

Inhalt

Impressum

  Kassel, Nordhessen und die Vorurteile

Vorwort: Ein Abriss

Stadt Kassel

  1 Gehört zum Leben

Kassel: Museum für Sepulkralkultur

  2 Herkules macht’s möglich

Kassel: Herkules-Skulptur im Bergpark

  3 Künstliche Natur, natürliche Technik

Kassel: Wasserspiele im Bergpark 

  4 Ruinenschwärmerei und eine Geliebte

Kassel: Löwenburg im Bergpark

  5 Zentrum der Museumslandschaft

Kassel: Schloss Wilhelmshöhe im Bergpark

  6 Cocktails, Betten und Geschichte

Kassel: Schlosshotel Bad Wilhelmshöhe im Bergpark

  7 Gesund gebohrt

Kassel: Kurhessen Therme

  8 Rösti, Spätzli und Geschnätzlätz

Kassel: Restaurant Matterhorn-Stübli

  9 Ein kleiner Park für eine große Frau

Kassel: Sophie-Henschel-Platz

  10 Schicke Gründerzeit und Jugendstil

Kassel: Spaziergang durch den Vorderen Westen

  11 Göttliche Dreieinigkeit

Kassel: Indisches Restaurant Trimurti

  12 Musical »made in Kassel«

Kassel: Theater im Centrum

  13 Bildersatire

Kassel: Galerie für komische Kunst Caricatura 

  14 Nostalgieansichten

Kassel: Fußgängerzone Treppenstraße

  15 Es konnte nie aus seiner Haut

Kassel: Staatstheater

  16 »Schmeckewöhlerchen«

Kassel: Markthalle

  17 Ahle Wurst und Weckewerk

Kassel: Nordhessische Spezialitäten in der Gaststätte Zum Lichtenhainer

  18 Dauer-documenta

Kassel: Kunstspaziergang durch die Innenstadt

  19 Das historische Grüngefühl

Kassel: Staatspark Karlsaue

  20 Dekadent und schön

Kassel: Orangerie

  21 Naturschutz- und Wohlfühlgebiet

Kassel: Fuldaaue

  22 Die Heimat der Märchen

Kassel: Museum Grimmwelt

  23 Die Grimms und die »Viehmännin«

Kassel: Spaziergang durch das Märchenviertel in Niederzwehren

  24 Verschollen mit Hänsel und Gretel

Kassel: Brüder-Grimm-Festival im Park Schönfeld

  25 Das Wechselbad des Grüns

Kassel: Botanischer Garten

Kreis Kassel

  26 Ein lebendiges Schloss

Calden: Schloss Wilhelmsthal

  27 Wurstehimmel

Calden: Landfleischerei Koch

  28 Auf dem Trockenen

Trendelburg: Wasserschloss Wülmersen

  29 Rapunzel, lass dein Haar herunter

Trendelburg

  30 Ewiger Schlaf im Reinhardswald

Hofgeismar: Dornröschenschloss Sababurg

  31 Pinguine und Bären mit Zorromaske

Hofgeismar: Tierpark Sababurg

  32 Kirchenburg als Klosterschutz

Bad Karlshafen: Krukenburg

  33 Französisches an der Weser

Bad Karlshafen: Spaziergang durch die Stadt

  34 Volldampf voraus

Naumburg: Hessencourrier ab Marbachshöhe

  35 Die »Mutter« von Rotkäppchen

Schauenburg: Kulturgalerie Märchenwache in Breitenbach

  36 Schlemmereien der besonderen Art

Bad Emstal: Restaurant Der Grischäfer in Sand

  37 Fernsicht vom Feinsten

Zierenberg: Alpenpfad am Dörnberg

  38 Kroatisch-badisch-hessische Küche

Habichtswald: Gasthof Ehlener Poststuben 

Kreis Waldeck-Frankenberg

  39 Die Mauer zum Freizeitparadies

Edertal: Staumauer am Edersee

  40 Abenteuer zu Wasser und an Land

Edertal: Freizeitgebiet Edersee

  41 Hochherrschaftliches

Waldeck: Schloss Waldeck

  42 Zu Besuch bei der Waffelkönigin

Bad Wildungen: Das Waffelhaus

  43 bei den sieben Zwergen

Bad Wildungen: Schneewittchenhaus in Bergfreiheit

  44 Stille hören ist Luxus

Frankenau-Ellershausen: Landhaus Bärenmühle

  45 Auf den Stuhl gekommen

Frankenberg an der Eder: Altstadt

  46 Weltnaturerbe

Vöhl: Nationalpark Kellerwald-Edersee

  47 Die hessische Hansestadt

Korbach: Stadtspaziergang

  48 So viele Gäste können nicht irren

Willingen: Streifzug durch die Stadt zum Hochheideturm

  49 Das Melkerlebnis

Willingen: Upländer Milchmuhseum in Usseln

  50 Klein, aber sehr fein

Bad Arolsen: Rundgang durch die Stadt

Schwalm-Eder-Kreis

  51 Rotes Käppi, böser Wolf

Schwalm-Eder-Kreis: Das Rotkäppchenland

  52 Die Stadt der Bartenwetzer

Melsungen: Streifzug durch die Altstadt

  53 Reformationsstadt Hessens

Homberg an der Efze: Rundgang durch die Stadt

  54 Der Freizeitschatz am Silbersee

Frielendorf: Silbersee-Park

  55 Trommelt für Grimm und die Stadt

Gudensberg: Erkundung der Trommlerstadt

  56 Die Eiche und der Missionar

Fritzlar: Dom und historischer Stadtkern

  57 Bergbaureminiszenz in der Provinz

Borken: Hessisches Braunkohle-Bergbaumuseum

  58 Tradition und Avantgardismus

Bad Zwesten: Kulturdorf Niederurff

  59 Tischlein deck dich

Schwalmstadt: Sagenhafter Spaziergang durch Treysa

  60 Malerkolonie in der Schwalm

Willingshausen: Kunstmuseum Malerstübchen

  61 Tradition im malerischen Fuldatal

Morschen: Kloster Haydau und Handwerk-Erlebnisroute

Kreis Hersfeld-Rotenburg

  62 Hexenkraut und Fuldabock

Rotenburg an der Fulda: Spaziergang durch die Altstadt

  63 Ruine, die die Welt bedeutet

Bad Hersfeld: Festspiele rund um die Stiftsruine

  64 Wortreiche Werte

Bad Hersfeld: Sprachmuseum Wortreich

  65 Kali, Salz und Geschichte

Philippsthal: Kaliberg und Schloss

Werra-Meissner-Kreis

  66 Der Zipfel und die deutsche Einheit

Wanfried: Dorf Heldra und Heldrastein

  67 Der Perlen- und Beerenwicht

Wanfried: Suche nach dem Brombeermann

  68 La Paloma auf dem Baggersee

Eschwege: Freizeitparadies Werratalsee und Werranixe

  69 Eskiniwach oder Eschen am Wasser

Eschwege: Rundgang durch die Stadt

  70 Das Holleum blickt hinter die Kulisse

Hessisch Lichtenau: Frau-Holle-Museum

  71 Frau Holle lässt es schneien

Meißner: Hoher Meißner

  72 Leckerer Urgeschmack

Großalmerode-Weißenbach: Jausenstation Weißenbach

  73 Alles Salz? – Die Sole hat’s!

Bad Sooden-Allendorf: Erkundung der Stadt

  74 Gedenken hautnah

Asbach-Sickenberg: Grenzmuseum Schifflersgrund

  75 Raubrittertum und Jugendbewegung

Witzenhausen: Burg Hanstein und Burg Ludwigstein

  76 Das Kirschenkönigreich

Witzenhausen: Rundgang durch die Kirschenstadt

  77 Grüne Gedanken im Dschungel

Witzenhausen: Tropengewächshaus

  78 Reise ins Mittelalter

Witzenhausen: Schloss Berlepsch

Karte 1

Karte 2

639550.jpg

Man walking to the sky von Jonathan Borofsky vor dem Kulturbahnhof Kassel

652182.png  Kassel, Nordhessen und die Vorurteile

Vorwort: Ein Abriss

Die Textzeile »Nie Mallorca, immer nur Kassel« in einem Schlager von Paul Kuhn sorgte für Heiterkeit, als ich im Jahr 2004 von Süd- nach Nordhessen zog. Als Nordhesse hatte man es nicht leicht. Wer nach Kassel zog, dem war das Mitleid all derer gewiss, die sich gerne vom Vorurteil leiten ließen, man befände sich in »Hessisch-Sibirien«.

In all den Jahren hat sich in Nordhessen viel verändert. Die Stadt Kassel gilt nicht mehr als strukturschwach. Es ziehen Menschen zu. Der Wirtschaftsraum Nordhessen hat eine Positivbilanz. Die Anerkennung des Bergparks Wilhelmshöhe als Weltkulturerbe führt immer mehr Besucher in die Region. Was sich leider nur bedingt geändert hat, ist das immer noch mangelnde Selbstbewusstsein der Bewohner. Immer noch fühlt man sich benachteiligt und zurückgesetzt. Warum? Weisen doch die Geschichte der Stadt und die Bauwerke aus großen Zeiten auf die Bedeutung der Region Hessen-Kassel hin, wenn auch die Historie manch Vorurteil befördert hat.

Der Satz »Ab nach Kassel!« steht für Verbannung. Er wird immer noch der unfreiwilligen Rekrutierung von Söldnern aus Hessen für den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg durch die Briten zugeschrieben. Historisch ist das nicht belegt. Mit weitaus höherer Wahrscheinlichkeit dürfte der Spruch zu einer Karikatur aus der Zeit nach der Festnahme von Napoleon III. im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gehören, als er in Kassel-Wilhelmshöhe interniert war. Diese Karikatur zeigt Bismarck und Moltke. Sie stehen neben einem Wegweiser mit der Aufschrift Kassel und der Untertitel gibt diese schöne Schlagzeile wieder.

Die Verkettungen und Unglücke hielten auch in der jüngeren Geschichte an. Kassel, einst mit einer wunderschönen Innenstadt geschmückt, wurde im Zweiten Weltkrieg zu fast 80 Prozent zerstört. Die notwendige Bauwut und der Stil der 1950er-Jahre haben der Stadt nicht gutgetan. Einzig die ziemlich gesichtslose Treppenstraße hat als Deutschlands erste Fußgängerzone Berühmtheit erlangt. Heute allerdings pilgern Architekturinteressierte hierher, um sich mit dem geschlossenen 1950er-Jahre Ensemble zu beschäftigen. Nach Weltkrieg und Mauerbau war Kassel schließlich Teil des Zonenrandgebiets und kämpfte mit wirtschaftlichen Problemen. Nach der Wende 1989 ging die Hoffnung auf einen Aufschwung durch die zentrale Lage im vereinigten Deutschland nicht auf. Dank staatlicher Unterstützung und steuerlicher Abschreibungen fuhren viele Unternehmen direkt an Nordhessens Metropole vorbei, um sich in Thüringen anzusiedeln.

Und trotzdem ging es stetig bergauf: innovativste Stadt Deutschlands 2012, Weltkulturerbe 2013, das spricht für sich. Kassel hat was. Das avantgardistische Kunstfestival documenta sorgt für einen guten Ruf in Fachkreisen. Das Fest findet alle fünf Jahre statt und viele Überreste der vergangenen Spektakel zieren heute das Stadtbild.

Stadt und Region verfügen über Kultur und Geschichte und sind wesentlich attraktiver, als einem das Vorurteil weismachen will. Und vergessen wir eines nicht: Kassel ist zwar nicht der Geburtsort der Brüder Grimm. Jacob und Wilhelm Grimm verbrachten aber viele Jahre ihres Wirkens in der Region und haben hier all das Material gesammelt, das man heute noch in den Kinder- und Hausmärchen nachlesen kann. So trifft man allerorten auf Plätze, die sich Märchen zuordnen lassen, von der Dornröschenburg im Reinhardswald bis zum Frau-Holle-Teich unterhalb des Hohen Meißner. Man ist beim ersten Blick begeistert vom Umland, um auf den zweiten Blick viele attraktive Geheimnisse zu entdecken.

Nun lebe ich schon viele Jahre in der Region. Sie hat sich entwickelt, auch touristisch. Aus Nordhessen wurde die »Grimmheimat Nordhessen«. Die drei Welterbetitel ziehen Besucher an. Die Grimms (Weltdokumentenerbe), der Nationalpark Kellerwald-Edersee (Weltnaturerbe) und der Kasseler Bergpark (Weltkulturerbe) sind die Leuchttürme einer attraktiven Tourismusregion, die sich immer nachhaltiger (Radwege) und familienfreundlicher (Meine Card+) zeigt.

Touristische Tipps finden Sie unter www.grimmheimat.de.

Stadt Kassel

223418.jpg

652189.png  1 Gehört zum Leben

Kassel: Museum für Sepulkralkultur

Wer an Kassel denkt, denkt automatisch an den Bergpark und den Welterbetitel, den die Stadt seit 2013 besitzt. Vergessen werden dabei schnell die vielen weiteren sehenswerten Museen. Die Neuen Meister ab dem 19. Jahrhundert und viele documenta-Werke sind in der Neuen Galerie zu Hause. Zu den Pflichtstationen zählen zweifelsfrei auch das Hessische Landesmuseum und die Kunsthalle Fridericianum. Der älteste öffentliche Museumsbau Europas konzentriert sich auf neue, raumgreifende Kunst.

Aber sind es nicht die auf den ersten Blick eher »schrägen« Dinge, die Aufmerksamkeit erregen? Das Museum für Sepulkralkultur beheimatet solch besondere Exponate. Vermutlich bekäme das Haus mehr Aufmerksamkeit, wenn die Menschen wüssten, was »Sepulkralkultur« bedeutet. Der lateinische Begriff »sepulcrum« bedeutet »Grablege«. Es geht also um die Kultur des Todes, der Bestattung und des Trauerns. Es mag makaber klingen, aber auch dieser Bereich zählt zur menschlichen Kultur. In Kassel wird er wissenschaftlich erforscht und gleichzeitig in einer Ausstellung öffentlich gemacht.

Kein einfacher Stoff, der von Totentanz bis Leichenwagen und von der Pyramide bis zum Urnengrab reicht. Die Bandbreite ist vor einigen Jahren ergänzt worden um die Trauerriten der fünf Weltreligionen und anderer Glaubensgemeinschaften, die durch Migration heute Teil unserer Gesellschaft sind. Es ist Kulturgeschichte rund um ein Thema, das lange Zeit tabuisiert war. Aufklären sollen dabei auch Führungen, Projekte und Workshops. Sogar ein Kinderangebot gibt es, das von Halloween bis zu mexikanischen Totenkopfförmchen für Schokolade viel bietet. Darüber hinaus präsentiert das Museum auch immer wieder Sonderschauen, in denen die Sepulkralkultur anderer Kulturkreise vorgestellt werden.

Führungen finden jede Woche statt. Veranstaltungen für Kinder- und Jugendliche, bis hin zum Kindergeburtstag, müssen beim Museum angemeldet werden.

1_neu_MuseumSepulkralkultur-02.jpg

1

Museum für Sepulkralkultur

Weinbergstraße 25–27

34117 Kassel

0561 918930

www.sepulkralmuseum.de

652196.png  2 Herkules macht’s möglich

Kassel: Herkules-Skulptur im Bergpark

Er ist die einzige hessische Sehenswürdigkeit, die es in einer Umfrage zu den bekanntesten deutschen Sehenswürdigkeiten unter die ersten 20 geschafft hat. Platz 15 ist ihm gewiss, dem mehr als 8 Meter großen Hünen aus Kupfer. Und er bietet den besten Blick auf Kassel.

Der Kasseler Landgraf Karl war 1699 nach Italien gereist und hatte, dank seiner Einblicke in italienische Gartenarchitektur, den Plan gefasst, den Karlsberg über seiner Residenz in einen Landschaftsgarten zu verwandeln. 1701 ließ er den römischen Baumeister Giovanni Francesco Guerniero antreten. Der kam gern, lebte fürstlich und plante zunächst einen »Tempel der Winde« auf dem Gipfel des 550 Meter hohen Berges. Es entstand eine Säulenhalle mit einem Turm, auf dessen Spitze dann die Figur des Herkules aufgestellt wurde. Den hatte der Landgraf bei einem Goldschmied in Augsburg bestellt, der den Prachtkerl auch 1717 angeliefert hatte. Seitdem steht er da.

Zugegeben, der Zahn der Zeit nagt an ihm und zuletzt wurde vor einigen Jahren der Kopf restauriert. Zudem hatte Guerniero die Statik falsch berechnet. Als er das merkte, machte er sich, unter Mitnahme des erworbenen Reichtums, bei Nacht und Nebel davon. Dieser Rechenfehler beschäftigt die Stadt Kassel finanziell noch heute.

Vom Fuße des Bauwerks hat man einen fantastischen Blick über den Bergpark und Schloss Wilhelmshöhe auf ganz Kassel. Hier an einem lauen Sommerabend auf die Stadt zu schauen, in netter Gesellschaft und mit einer Flasche Wein im Gepäck, lässt einen hervorragend abschalten. Die Bäume rauschen, und wenn man ein paar Meter läuft, ist man fast ungestört, denn die meisten Touristen finden, außer an Tagen der Wasserspiele, den Weg nur vom Parkplatz bis zur Aussichtsterrasse unterhalb des Kasseler Wahrzeichens.

Führungen durch den Bergpark sind jederzeit buchbar bei der Kassel Marketing GmbH unter 0561 707707. Besteigen kann man den Herkules von April bis Oktober. Karten für Bauwerk und Aussichtsplattform gibt es direkt am Eingang zum Herkules.

02_S18_Herkules_o_Titelbild.jpg

2

Herkules im Bergpark

Besucherzentrum

Schlosspark 28

34131 Kassel

0561 31680781

www.museum-kassel.de

652542.png  3 Künstliche Natur, natürliche Technik

Kassel: Wasserspiele im Bergpark 

Rund 150 Jahre hat es gedauert, das knapp zweieinhalb Quadratkilometer große Gelände zu dem zu machen, was es heute darstellt. Die Hanglage macht’s. Der Herkules schließt den Park auf der Bergseite ab, zur Stadt hin ist es Schloss Wilhelmshöhe. 283 Höhenmeter trennen diese Gebäude. Dazwischen erstreckt sich das, was in einer Mischung aus italienischem und französischem Barockpark begann und heute eher wie ein englischer Landschaftspark wirkt. Die wechselnden Bauherren zwischen 1696 und 1866 haben unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt.

Hauptanziehungspunkt sind die Wasserspiele. Sie basieren noch immer auf der Ursprungstechnik aus dem 18. Jahrhundert und funktionieren seit Anbeginn, ohne Pumpen, nur durch natürliches Gefälle. Das benötigte Wasser wird in Speicherteichen im Habichtswald gesammelt und zwischen Mai und Oktober zweimal pro Woche zu festen Zeiten abgelassen.

Ist es im Bergpark eher idyllisch ruhig, so ändert sich das zur Wasserspielzeit abrupt. Tausende von Menschen warten dann am Fuße des Herkules, um das hervorschießende Wasser zu begleiten über viele Kaskaden, Kanäle, einen Wasserfall bis hinunter zum Schloss. Innerhalb von einer Stunde fließen etwa 1.200 Kubikmeter Wasser durch den Bergpark und enden in einer Fontäne im Schlossteich. Wenn man mit dem ersten Wasserschwall oben startet, erreicht man den Teich vorm Schloss, wenn sich die Fontäne in die Höhe schiebt.

Es ist ein beeindruckendes Spektakel, das an zwei Sommerwochenenden durch das BergparkLeuchten ergänzt wird. Während des Events wird das Gelände illuminiert, beleuchtete Wasserspiele sowie Lichtkunst- und Videoprojektionen verzaubern die Besucher. Die konkreten Termine verrät die Website der Stadt.

Zu den Wasserspielen fährt man am besten mit der Straßenbahn Linie 1 zur Endhaltestelle Wilhelmshöhe. Von dort fährt die Buslinie 23 viertelstündlich zum Herkules.

3_neu_BergparkWasserkunst-03.jpg

3

Wasserspiele Bergpark (Mai–Oktober)

Schlosspark Wilhelmshöhe 22

34131 Kassel

0561 31680123

www.museum-kassel.de

www.kassel.de

652202.png  4 Ruinenschwärmerei und eine Geliebte

Kassel: Löwenburg im Bergpark

Als die Welt für Ruinenromantik schwärmte, entstand die Löwenburg im Bergpark Wilhelmshöhe. 1793 gab Landgraf Wilhelm IX., der spätere Kurfürst Wilhelm I., den Bauauftrag: Sie sollte wie eine Burgruine aus dem Mittelalter aussehen. Die Fassade war ihm wichtig. Noch wichtiger war ihm allerdings der Innenausbau zum Lustschloss im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Begriff »Mätressenwirtschaft« traf auf keinen besser zu als auf den Landgrafen. Mit seiner ihm angetrauten Frau, der Prinzessin Wilhelmine Karoline von Dänemark hatte er vier Kinder. Daneben gab es unzähligen Affären. Mit 13 Kindern hatte er die meisten Nachkommen mit Karoline von Schlotheim. Für sie ließ er die Löwenburg bauen. Klatschmagazine von heute würden vermutlich von der Midlife-Crisis des Kurfürsten und von einer 23 Jahre jüngeren Affäre schreiben. Seine Ehefrau musste sich damit abfinden, dass die Geliebte die wichtigere Frau war. Die Löwenburg zeugt von einer Beziehung, die ihren Erbauer glücklich gemacht hat, auch wenn bei Karoline von Schlotheim bis heute nur von der Mätresse die Rede ist. Sie soll sehr schön gewesen sein. Ein Porträt der Herzensdame hängt heute noch dort.

Der Wehrturm der Löwenburg wurde während des Zweiten Weltkriegs bei einem Bombenangriff zerstört, die Anlage stark beschädigt. Zurzeit beherrschen Bauarbeiten das Gelände. Der Turm ist bereits wieder im Ursprungszustand. Erst 2022 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.

Ein Spaziergang zur Löwenburg, von Schloss Wilhelmshöhe aus, ist zu jeder Jahreszeit ein Erlebnis. Ich finde den Weg am schönsten im Herbst, wenn die Sonne am späten Vormittag die Nebelschwaden im Bergpark langsam aber sicher auffrisst. Erst sieht man nur ein paar Mauern, bis man dann vor dem Gesamtensemble steht. Es ist größer als man vermutet. Von dort hat man einen traumhaften Blick auf den Herkules und in den Bergpark.

Die Innenräume der Löwenburg kann man nur im Rahmen einer Führung besichtigen. Bis zum Ende der Restaurierung wird dies, bei reduziertem Eintritt, nur teilweise möglich sein.

4_neu_BergparkLoewenburg-01.jpg