VVorwort zur 7. Auflage

Die 6. Auflage dieses Buches erschien im Jahre 2009. Seitdem hat die EU weitere Richtlinien erlassen. Demgemäß musste auch der deutsche Gesetzgeber mehrfach tätig werden und die Vorgaben der Richtlinien in das deutsche Urheberrechtsgesetz umsetzen, soweit das bisherige nationale Recht diesen Vorgaben nicht entsprach. Insbesondere wurde das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz durch das Verwertungsgesellschaftengesetz komplett ersetzt.

Parallel hierzu hat die Rechtsprechung viele strittige Fragen entschieden, sei es durch höchstrichterliche BGH-Urteile oder sei es durch Entscheidungen der Instanzgerichte. Die Vorlagen der nationalen Gerichte der EU-Mitgliedstaaten an den EuGH, der letztinstanzlich für die Auslegung der auch im nationalen Recht maßgeblichen EU-Richtlinien zuständig ist, haben zugenommen. Es würde den Rahmen dieses Buches sprengen, auf diese sich ständig erweiternde Rechtsprechung umfassend einzugehen. Deshalb sei betont, dass der vorgegebene Rahmen dieses Buches nur einen Überblick über das Urheberrecht ermöglichen kann. Wenn bei den auftauchenden Fragen in die Tiefe gegangen werden soll, müssen die einschlägigen Kommentare, Lehrbücher und Materialsammlungen herangezogen werden. Ein Teil hiervon ist im Literaturverzeichnis genannt.

Einerseits kann angesichts der fortschreitenden Harmonisierung des Urheberrechts auch die Neuauflage dieses Buches nur eine vorübergehende Bestandsaufnahme sein. Andererseits hat sich erneut gezeigt, dass das bisherige Instrumentarium auch für neue Techniken nach wie vor einsatzfähig bleibt, wenn es entsprechend angewendet und ggf. geringfügig angepasst wird.

Ich freue mich, dass mein Sozius, Herr Rechtsanwalt Christopher Mueller LL.M., Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, das Kapitel 18 „Was gilt im Internet?“ als Mitautor dieser 7. Auflage bearbeitet hat.

München, im Oktober 2019

Gernot Schulze

VIIVorwort zur 1. Auflage

Im Jahre 1989 legte die Bundesregierung ein Gutachten über die volkswirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechts vor. Danach erwirtschafteten Verlage, Schallplattenfirmen, Filmproduzenten, Rundfunk, Fernsehen und sonstige Urheberrechtsindustrien im Jahre 1986 in West-Deutschland 2,9% der gesamten Bruttowertschöpfung. Diese Industrien beschäftigten wiederum 3,1% aller Erwerbstätigen. Die Tendenz ist steigend, und zwar nicht nur hier, sondern auch im Ausland. Dementsprechend wächst auch die Bedeutung des Urheberrechts, sowohl für die Urheber, die wissen wollen, welche Rechte ihnen zustehen, als auch für die Verwerter fremder Werke, die wissen müssen, welche Rechte sie zu beachten haben.

Dieses Buch soll den juristischen Laien und solchen Rechtskundigen, die sich mit dieser Materie bisher noch wenig befasst haben, einen Überblick über das Urheber- und Verlagsrecht samt einzelnen angrenzenden Gebieten verschaffen. Schon längst geht es im Urheberrecht nicht mehr nur um die klassischen Bereiche der Schriftstellerei, Musik und bildenden Künste, sondern genauso um Computer-Software, Mode, Werbung, Industriedesign, Entwürfe, technische Zeichnungen und zahlreiche andere dem Alltag zuzurechnende Produkte. Ferner werden die Werke nicht nur von freischaffenden Urhebern, sondern zunehmend auch von Angestellten, Beamten und anderen Arbeitnehmern geschaffen. Zu all diesen verschiedenen Werkarten und Schaffensbereichen gibt es spezielle Gepflogenheiten sowie zahlreiche Fragen und Antworten. Hiervon kann manches nur kurz berührt werden, um den vorgesehenen Rahmen dieses Buchs nicht zu sprengen. Deshalb wird auch weitgehend darauf verzichtet, die zahlreichen Gerichtsentscheidungen sowie die Stimmen aus der einschlägigen Fachliteratur anzugeben. Der Blick in die Lehrbücher und Kommentare kann und soll durch dieses Buch nicht ersetzt werden. Bei den Literaturhinweisen findet der Leser hierzu eine geringe Auswahl, wo er einzelne Fragen vertiefen und notwendige Materialien finden kann. Mit Hilfe dieses Buchs sollen Urheber, Künstler, ihre VIIIProduzenten und Werknutzer sowie diejenigen Personen, die den genannten zur Seite stehen, die einschlägigen Urheberrechte erkennen und in der Lage sein, auftretende Fragen zumindest ansatzweise zu lösen.

München, im März 1991

Gernot Schulze

XXVIIAbkürzungsverzeichnis

Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind solche des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 (BGBl. I, S. 1273).

Abs.  

Absatz

AEUV 

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

a.F.  

alte Fassung

AG 

Amtsgericht

Art.  

Artikel

Az. 

Aktenzeichen

BGB 

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH 

Bundesgerichtshof

BGHZ 

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BuchPrG 

Buchpreisbindungsgesetz

BVerfG 

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE  

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG 

Bundesverwaltungsgericht

CDSM-RL 

Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (Copyright in the Digital Single Market) vom 17.4.2019

CR 

Computer und Recht (Zeitschrift)

DesignG 

Designgesetz

d.h.  

das heißt

EG 

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

EG, EWG  

Europäische (Wirtschafts-)Gemeinschaft

EU 

Europäische Union

EuGH  

Europäischer Gerichtshof

EWR 

Europäischer Wirtschaftsraum

f., ff. 

folgende

GATT 

General Agreement on Tariffs and Trade

XXVIIIGEMA 

Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte

GeschmMG 

Geschmacksmustergesetz

GG 

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

ggf. 

gegebenenfalls

GGV 

Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster

GRUR 

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift)

GRUR-Int 

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil

GRUR-RR 

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift)

GVL 

Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten

GWB 

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

InfoRL 

Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft

i.S.d.  

im Sinne der/des

i.S.v.  

im Sinne von

IuKDG 

Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz

K & R 

Kommunikation & Recht

KUG 

Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie

LG 

Landgericht

MarkenG  

Markengesetz

MDR 

Monatsschrift für Deutsches Recht

MMR 

MultiMedia und Recht (Zeitschrift)

n.F.  

neue Fassung

NJW 

Neue Juristische Wochenschrift

Nr. 

Nummer

XXIXOLG 

Oberlandesgericht

post mortem auctoris 

nach dem Tode des Urhebers

PVÜ  

Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums

RA 

Rom-Abkommen

RBÜ 

Revidierte Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und der Kunst

RL 

Richtlinie

Rn.  

Randnummer

S.  

Seite

s.a.  

siehe auch

SchrZG 

Schriftzeichengesetz

s.o.  

siehe oben

sog.  

sogenannt

StGB  

Strafgesetzbuch

s.u.  

siehe unten

TDG 

Teledienstegesetz

TMG  

Telemediengesetz

TRIPS 

Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights

u.a. 

unter anderem

UrhG 

Urheberrechtsgesetz

UrhG-E 

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und aus- übenden Künstlern

UWG 

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VerlG  

Verlagsgesetz

VG  

Verwertungsgesellschaft

VGG  

Verwertungsgesellschaftengesetz

vgl.  

vergleiche

WahrnG 

Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten

WCT 

WIPO Copyright Treaty

WIPO 

World Intellectual Property Organization

WPPT 

WIPO Performances and Phonograms Treaty

WUA 

Welturheberrechtsabkommen

XXXz.B.  

zum Beispiel

ZPO  

Zivilprozessordnung

ZUM 

Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht

ZUM-RD  

Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht – Rechtsprechungsdienst

XXXILiteraturhinweise

Im Text wird keine weiterführende Literatur angegeben. Es folgt hier lediglich eine geringe Auswahl aus den einschlägigen Lehrbüchern, Kommentaren und Materialsammlungen, wo einzelne Fragen vertieft und einschlägige Vorschriften und Vertragstexte gefunden werden können.

Gesetzestexte

Urheber- und Verlagsrecht (Beck-Texte im dtv Nr. 5538)

Gewerblicher Rechtsschutz, Wettbewerbsrecht, Urheberrecht (Loseblatt Textausgabe)

Materialien und Vertragstexte

Maaßen/May/Zentek, Designers‘ Contract, 3. Auflage 2010

Münchner Vertragshandbuch, Band 3, Wirtschaftsrecht II, 7. Auflage 2015 (mit Vertragsmustern zum Verlags- und Urheberrecht)

Schulze, Marcel Materialien zum Urheberrechtsgesetz, 2. Auflage 1997

Wegner/Wallenfels/Kaboth, Recht im Verlag, 2. Auflage 2011 (mit Musterverträgen und Erläuterungen)

Lehrbücher und Kommentare

Beier/Götting/Lehmann/Moufang (Hrsg.), Urhebervertragsrecht, 1995

Berger/Wündisch (Hrsg.), Urhebervertragsrecht, 2. Auflage 2015

Dreier/Schulze, UrhG, Kommentar zum Urheberrecht, Urheber- rechtswahrnehmungsgesetz, Kunsturhebergesetz, 6. Auflage 2018

Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, Heidelberger Kom- mentar, 4. Auflage 2018

Eichmann/Kur (Hrsg.), Designrecht, 2. Auflage 2016

Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser, Designgesetz, Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, Kommentar, 6. Auflage 2019

Fischer/Reich (Hrsg.), Der Künstler und sein Recht, 3. Auflage 2014

Fromm/Nordemann, Urheberrecht, Kommentar, 12. Auflage 2018

XXXIIv. Hartlieb/Schwarz (Hrsg.), Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 5. Auflage 2011

Heker/Riesenhuber (Hrsg.), Recht und Praxis der GEMA, 3. Auflage 2018

Hertin/Wagner, Urheberrecht, 3. Auflage 2019

Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Kommentar, 3. Auflage 2010

Köhler/Bornkamm/Feddersen, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Kommentar, 37. Auflage 2019

Lettl, Urheberrecht, 3. Auflage 2018

Loewenheim (Hrsg.), Handbuch des Urheberrechts, 2. Auflage 2010

Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, Kommentar, 4. Auflage 2018

Moser/Scheuermann/Drücke (Hrsg.), Handbuch der Musikwirt- schaft, 7. Auflage 2018

Nordemann/Vinck/Hertin, Internationales Urheberrecht und Leistungsschutzrecht der deutschsprachigen Länder unter Berücksichtigung auch der Staaten der Europäischen Gemeinschaft, Kommentar, 1977

Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 7. Auflage 2016

Rehbinder/Peukert, Urheberrecht, 18. Auflage 2018

Russ, VerlG, Kommentar, 2014

Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Auflage 2017

Schricker, Verlagsrecht, Kommentar, 3. Auflage 2001

Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, Kommentar, 5. Auflage 2017

Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Auflage 1980

Ulmer-Eilfort/Obergfell, Verlagsrecht, Kommentar, 2013

Wandtke/Bullinger, UrhR, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 5. Auflage 2019

11. Kapitel

Was ist Urheberrecht?

Als Urheber wird landläufig derjenige bezeichnet, der etwas erschafft oder etwas verursacht. Man spricht z.B. auch bei einer Streitigkeit von deren Urheber. Beim Urheberrecht geht es um das Recht der Schriftsteller, Komponisten, Maler, Bildhauer, Grafiker, Architekten, Fotografen, Choreografen, Regisseure, Wissenschaftler und sonstiger Autoren an den von ihnen geschaffenen Werken.

I. Sacheigentum – geistiges Eigentum

Das Urheberrecht betrifft die Schöpfer geistiger Leistungen und regelt ihr geistiges Eigentum. Dabei ist zu trennen zwischen dem (Sach-)Eigentum an dem Werkexemplar, z.B. an einem Bild oder an einer Plastik, einerseits und dem (Rechts-)Eigentum an dem in dem Werkexemplar verwirklichten Werk, nämlich dem Gestalt gewordenen Schöpfungsgedanken andererseits. Letzteres ist ein unkörperliches Gut. Es wird auch als Immaterialgut bezeichnet.

II. Urheberrecht – gewerbliche Schutzrechte

Zu den Immaterialgütern zählen neben dem Urheberrecht die gewerblichen Schutzrechte. Mit diesen Rechten soll die von einem Wettbewerber auf dem Markt geschaffene Stellung gefestigt werden. 2 Das Wettbewerbsrecht schützt ihn vor unlauteren Praktiken. Das Markenrecht ermöglicht es ihm, sich und seine Waren oder Dienstleistungen durch bestimmte Kennzeichen von anderen Wettbewerbern und konkurrierenden Waren oder Dienstleistungen zu unterscheiden. Schließlich schützen die technischen Schutzrechte, insbesondere das Patentrecht, die technische Konstruktion, die Lösung eines technischen Problems oder eine sonstige erfinderische Leistung. Dagegen soll durch das Urheberrecht die Art und Weise, wie etwas dargestellt wird, geschützt werden. Es geht also nicht um die technische Beherrschung und Verwirklichung, sondern um die besondere Gestaltung des jeweiligen Werkes, sei es durch die Wortwahl, die bildnerische Formgebung, die Art der Gedankenführung oder sei es durch eine andere die Sinne anregende Gestaltung.

Dasselbe gilt für das Designrecht. Es regelt den Schutz der gewerblich verwertbaren zweidimensionalen Darstellungen und dreidimensionalen Formgebungen (früher: Muster und Modelle) im Bereich der industriellen Formgebung, z.B. der Textilmuster und der diversen Formen des Industriedesigns. Geschützt wird, was den Form- und Farbensinn anregt, nicht aber die technische Lösung. Deshalb wurde das Designrecht (früher: Geschmacksmusterrecht) als kleines Urheberrecht bezeichnet, obwohl es grundsätzlich zu den gewerblichen Schutzrechten zählt. Im Jahre 2002 hat sich der damalige copyright approach aufgrund europarechtlicher Vorgaben zu einer Marketingfunktion und einem design approach verlagert. Das Designrecht soll eigenständig neben dem Urheberrecht und anderen Schutzrechten stehen. Gleichwohl bleibt eine Nähe zum Urheberrechtsschutz; denn es geht auch beim Designrecht um die Art der Gestaltung eines zweidimensionalen oder dreidimensionalen Erzeugnisses. Das Designrecht darf wiederum nicht mit dem Gebrauchsmusterrecht verwechselt werden; denn als Gebrauchsmuster werden Arbeitsgerätschaften und Gebrauchsgegenstände geschützt, die eine erfinderische Leistung aufweisen. Das Gebrauchsmusterrecht ist also gewissermaßen ein kleines Patentrecht für weniger bedeutende Erfindungen.

3 III. Verwandte Schutzrechte des Urheberrechts

Im zweiten Teil des Urheberrechtsgesetzes (§§ 70 ff.1) sind als verwandte Schutzrechte des Urheberrechts solche Leistungen geschützt, die den schöpferischen Werken nahe kommen oder die mit der Verwertung dieser Werke in engem Zusammenhang stehen. Es sind dies wissenschaftliche Ausgaben urheberrechtlich nicht (mehr) geschützter Werke, nachgelassene (posthume) Werke, Lichtbilder, ferner die Darbietungen von Musikern, Schauspielern, Tänzern und sonstigen Interpreten von Werken, die mit der Veranstaltung solcher Darbietungen zu erbringenden Leistungen sowie die vor allem organisatorischen Leistungen der Tonträgerhersteller, Sendeunternehmer und Filmhersteller. Bei Datenbanken ist es die erforderliche wesentliche Investition, die zu einem Schutz derartiger Leistungen führt. Mit dem Schutz des Presseverlegers sollen dessen Presseerzeugnisse gegen die auszugsweise Übernahme durch Google und vergleichbare Suchmaschinen geschützt werden. Die verwandten Schutzrechte werden deshalb auch als Leistungsschutzrechte bezeichnet.

IV. Vermögensrechte – Urheberpersönlichkeitsrechte

Das Urheberrechtsgesetz gewährt den Urhebern Rechte zweierlei Art. Zum einen sind es Vermögensrechte, nämlich die Möglichkeit, die geschützten Werke auf verschiedene Art und Weise zu nutzen oder nutzen zu lassen, z.B. ein Buch zu vervielfältigen und zu verbreiten, es verfilmen zu lassen oder es in anderen Sprachen oder Ausgaben herauszubringen. Üblicherweise gestattet der Urheber dies nur gegen Zahlung eines entsprechenden Honorars, so dass er am Erlös aus sämtlichen einzelnen Nutzungsarten angemessen zu beteiligen ist. Darin liegt sein materielles Interesse. Zum anderen 4 sind es ideelle Rechte, so genannte Urheberpersönlichkeitsrechte ; nämlich das Recht, selbst zu bestimmen, ob, wie, wann und in welcher Form ein Werk an die Öffentlichkeit gelangt, sich vorzubehalten, ob und in welcher Form ein Werk verändert werden darf, es unter eigenem Namen oder unter einem Pseudonym erscheinen zu lassen, sowie das Recht, sich ggf. von dem Werk zu distanzieren, wenn es nicht mehr seiner Überzeugung entspricht. Diese Zweigleisigkeit aus materiellen und ideellen Interessen bestimmt das gesamte Urheberrecht.

V. Urheberrecht – geistige Freiheit

Das Urheberrecht regelt die Rechte der Urheber an den von ihnen geschaffenen Werken. Die Frage, was die Urheber sagen, schreiben, komponieren oder sonstwie darstellen und veröffentlichen dürfen, gehört grundsätzlich nur insoweit zum Urheberrecht, als ein Urheber den Urheberrechtsschutz fremder Werke beachten muss und nur dasjenige verwerten darf, was er selbst geschaffen hat oder woran andere Schutzrechte nicht bestehen. Im Übrigen wird die geistige Freiheit in anderen Vorschriften, vor allem in dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie in den Grundrechten der Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Kunstfreiheit (Art. 5 GG), bestimmt. Eine Ausnahme von dieser Systematik wurde beim Bildnisschutz gemacht; nämlich Personenbildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreiten oder öffentlich zur Schau stellen zu dürfen. Dieser Schutz ist in §§ 22 ff. des Kunsturheberrechtsgesetzes aus dem Jahre 1907 geregelt, welche im Gegensatz zu den sonstigen Vorschriften dieses Gesetzes nach wie vor gültig sind.

VI. Verlagsrecht

Ist vom Urheberrecht die Rede, wird häufig auch das Verlagsrecht erwähnt. Letzteres regelt einen Ausschnitt des urheberrechtlichen Vertragsrechts, nämlich die Rechte und Pflichten zwischen Verlegern und Urhebern von Werken der Literatur oder der Tonkunst.

1 Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind solche des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) der Bundesrepublik Deutschland vom 9.9.1965 (BGBI. I, S. 1273).

52. Kapitel

Wie entstand das Urheberrecht?

Bedenkt man, dass es in allen Ländern der Erde schon seit langem Rechte zum Schutz des Eigentums an körperlichen Sachen gibt, hingegen in manchen Ländern geistiges Eigentum erst seit neuerer Zeit, mitunter sogar immer noch nicht geschützt wird, so muss das Urheberrecht als Zeichen einer fortgeschrittenen Entwicklung angesehen werden.

I. Wie entstand das Urheberrecht in Deutschland?

Solange Schriften, Kompositionen, Bilder, Skulpturen oder sonstige Werke nur im Original, nicht aber in Vervielfältigungsstücken existierten, brauchte man sich wenig Gedanken um den Schutz geistiger Leistungen zu machen; denn der Urheber wurde für sein Werk oder für seine jeweilige Werkdarbietung entlohnt. Weitere Nutzungen konnten ohne ihn grundsätzlich nicht stattfinden. Das änderte sich spätestens mit der Einführung der Buchdruckerkunst. Einmal als Druckwerk vervielfältigt, konnte ein und dasselbe Werk zur selben Zeit in verschiedenen Exemplaren und an verschiedenen Orten zirkulieren und gleichzeitig von mehreren Personen vorgetragen oder sonstwie genutzt werden. Nicht nur der Urheber sah auf einmal sein Werk durch Dritte genutzt, sondern auch der Drucker und Verleger 6 musste zusehen, wie andere mit billigeren Raubdrucken auf fremde Kosten ihre Geschäfte machten. Hiergegen wollten sich die Betroffenen schützen.

Die erste Form des Schutzes war die des sog. Privilegs, welches der jeweilige Landesherr einem Urheber oder Drucker zum Schutze für einzelne Werke gegen unerlaubte Nachdrucke erteilte. Hierauf hatte der Urheber jedoch keinen Rechtsanspruch, sondern er war vom Wohlwollen der Obrigkeit abhängig. Auf Dauer konnte dieser unkalkulierbare Schutz nicht genügen; denn die Druck- und Verlagsindustrie bedurfte insgesamt eines effektiven Schutzes. Außerdem ging es nicht nur um die gewerblichen Interessen der Drucker und Verleger, sondern auch um die persönlichkeitsrechtlichen Interessen der Autoren gegen Änderungen und Entstellungen ihrer Werke. Es entstand die Idee vom geistigen Eigentum.

Während es in den Industrienationen England und Frankreich schon seit dem 18. Jahrhundert die ersten Urheberrechtsgesetze gab, kam es in Deutschland erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu vergleichbaren Regelungen in den einzelnen Staaten des norddeutschen Bundes. Einheitliche Urheberrechtsgesetze entstanden erst mit der Gründung des Deutschen Reiches, und zwar das Literatururheberrechtsgesetz von 1870 für den Schutz von Werken der Literatur und Wissenschaft, das Kunsturheberrechtsgesetz von 1876 für den Schutz von Werken der bildenden Kunst, das Fotografieschutzgesetz von 1876 für den Schutz der Fotografie und das Geschmacksmusterrechtsgesetz von 1876 für den Schutz der Muster und Modelle. Die Urheberrechtsgesetze wurden im Laufe der Zeit mehrfach novelliert. Entscheidend war vor allem die Urheberrechtsreform des Jahres 1965, welche zu einem einheitlichen Urheberrechtsgesetz für sämtliche Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst einschließlich der Werke der Fotografie führte. Auch dieses Gesetz ist mittlerweile mehrfach geändert worden. Vorreiter all dieser Gesetzesänderungen waren in der Regel technische Neuerungen, wie z.B. die Erfindung des Grammofons, des Kinofilms, des Fernsehens sowie der Digitaltechnik und des Internets. Diese technischen Errungenschaften führten zu neuen Verwertungsmöglichkeiten, so dass die Rechte der Urheber entsprechend zu erweitern waren.

7 Außerdem ließen sich manche Nutzungshandlungen gar nicht mehr vom Urheber kontrollieren, weil sie massenhaft und von ihm unbemerkt stattfanden, wie z.B. das Abspielen von Schallplatten in Gaststätten, Diskotheken oder Hotelzimmern. Im Zuge der Urheberrechtsreform des Jahres 1965 wurde deshalb auch das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (jetzt: Verwertungsgesellschaftengesetz) erlassen, welches die kollektive Wahrnehmung einzelner Urheberrechte durch Verwertungsgesellschaften regelt. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass manche Nutzungshandlungen, wie z.B. das Kopieren von Schriftwerken oder das Überspielen von Tonträgern zum privaten Gebrauch, zwar einerseits auf legale Weise ohne Komplikationen ermöglicht werden, andererseits aber zu einer angemessenen Vergütung für den Urheber führen.

In der Regel können die Urheber diese Vergütungsansprüche nicht selbst, sondern nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend machen. Zum einen wäre es viel zu kompliziert und zu aufwändig, wenn jeder einzelne Urheber jede einzelne derartige Nutzung ermitteln und die Vergütung hierfür eintreiben müsste. Zum anderen soll auf dem Wege über die Verwertungsgesellschaften gesichert sein, dass der Urheber tatsächlich in den Genuss der Vergütung kommt; denn vielfach wollen sich die im Verhältnis zum Urheber wirtschaftlich stärkeren Verwerter auch diese Vergütungsansprüche von vornherein von den Urhebern vertraglich abtreten lassen. Solche Versuche sind unwirksam; denn der Urheber kann insoweit über seine Ansprüche gar nicht mehr verfügen, weil sie bereits bei der Verwertungsgesellschaft liegen und von ihr zu seinen Gunsten wahrgenommen werden. Außerdem sind sie im Voraus unverzichtbar und nur an eine Verwertungsgesellschaft abtretbar (§ 63a). Diese Funktion der Verwertungsgesellschaft, den Urheber vor ihm diktierten Vertragsklauseln zu schützen und ihm bestimmte Mindestansprüche zu sichern, gewinnt zunehmend an Bedeutung.

8 II. Was gilt außerhalb Deutschlands?

Die Besonderheit des geistigen Eigentums liegt in seiner nahezu unbegrenzten Reproduzierbarkeit. Darüber hinaus kennen die Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst so gut wie keine Landesgrenzen. Sprachbarrieren lassen sich durch Übersetzungen überwinden. Musikwerke und bildnerische Werke können so wie sie sind überall genutzt werden. Sie lassen sich als Vervielfältigungsstücke überallhin exportieren oder durch Funksendungen weltweit ausstrahlen. Was ins Internet gestellt wird, kann grundsätzlich weltweit eingesehen und abgerufen werden. Die Urheber bedürfen deshalb eines Schutzes ihrer Werke nicht nur im Ursprungsland, sondern auch im Ausland. Mittlerweile haben zahlreiche Länder Urheberrechtsgesetze erlassen. Meistens sind sie auch Mitglieder von internationalen Konventionen zum Schutz von Werken der Literatur undKunst. In erster Linie sind hier die Berner Übereinkunft von 1886 sowie das Welturheberrechtsabkommen von 1952 zu nennen. In beiden Konventionen gilt das Prinzip der Inländerbehandlung. Danach genießt der Urheber eines Mitgliedstaates dieser Konvention in einem anderen Mitgliedstaat grundsätzlich dieselben Rechte, die ein dortiger Inländer nach dem dort geltenden nationalen Urheberrechtsgesetz für sich in Anspruch nehmen kann. Zwar wird auf diese Weise das unterschiedliche Schutzniveau, welches in den verschiedenen Staaten bestehen kann, nicht verhindert. Beispielsweise werden in den Mitgliedstaaten durchaus verschieden hohe Anforderungen an die Schutzfähigkeit der Werke gestellt, so dass dasselbe Werk in dem einen Staat Urheberrechtsschutz genießen kann, in dem anderen nicht. Die Urheber werden jedoch in ein und demselben Staat grundsätzlich gleichbehandelt. Darüber hinaus sieht die Berner Übereinkunft bestimmte Mindestrechte vor, welche die Mitgliedstaaten dieser Übereinkunft in ihre nationalen Urheberrechtsgesetze aufnehmen müssen. Solange es besagte Konventionen nicht gab, musste der gegenseitig gewährte Schutz zwischen den einzelnen Staaten vereinbart werden. Mitunter haben solche zweiseitigen Verträge vor allem dort auch heute noch eine Bedeutung, wo ein Staat den internationalen Konventionen nicht beigetreten ist.

9 III. Wie lassen sich Schutzlücken weltweit schließen?

Mittlerweile wird von einer Informationsgesellschaft gesprochen. Computer- und Digitaltechnik, Internet und damit einhergehende weitere technische Neuerungen erleichtern die Übernahme fremder Werke, und zwar in Sekundenschnelle und ohne Qualitätsverlust. Naheliegenderweise wird der Ruf nach einem weltweit lückenlosen Schutz des geistigen Eigentums immer stärker. Manche Länder, deren Gesetze den Piraten Schutzlücken bieten, lassen sich nicht in das bestehende System der internationalen Konventionen zum Schutz des geistigen Eigentums – insbesondere der Berner Übereinkunft (RBÜ) und des Welturheberrechtsabkommens (WUA) – einbeziehen. Außerdem müssten deren Vorschriften an die neuen technischen Gegebenheiten angepasst werden. Die erforderlichen Revisionen sind mühsam oder nahezu ausgeschlossen, weil sie grundsätzlich nur einstimmig – also mit Zustimmung sämtlicher Mitgliedstaaten – beschlossen werden könnten. Es werden deshalb auch andere Wege beschritten. Wohl das bedeutendste Mittel ist das Welthandelsübereinkommen mit der zusätzlichen Übereinkunft über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (GATT/TRIPS-Abkommen ) vom 15.4.1994. Salopp gesagt, muss ein Staat, der den Schutz des geistigen Eigentums in seinen Gesetzen bislang stiefmütterlich behandelt hat, aber die zollrechtlichen Vorteile des Welthandelsübereinkommens in Anspruch nehmen will, um z.B. seine Agrarprodukte oder andere Wirtschaftsgüter zu verkaufen, sich durch den Beitritt zu diesem Übereinkommen verpflichten, nun auch die Mindestvoraussetzungen für den Schutz des geistigen Eigentums zu erfüllen. Außerdem hat die Welturheberrechtsorganisation (WIPO) eine diplomatische Konferenz einberufen und gewissermaßen parallel zur Berner Übereinkunft am 20.12. 1996 den WIPO Copyright Treaty (WCT) beschlossen. Auf diese Weise wurde für diejenigen Staaten, die dieses Abkommen ratifizieren, eine Basis für einen erweiterten Schutz geschaffen, der insbesondere den neuen technischen Errungenschaften, z.B. den Online-Abrufdiensten, 10gerecht wird. All diese Bemühungen zeigen, dass das geistige Eigentum nicht nur ein herausragendes Wirtschaftsgut, sondern auch ein ernst zu nehmendes Schutzgut ist.

IV. Welchen Einfluss hat die EU?

Unterschiede im Schutzniveau der einzelnen Staaten werden im Rahmen der EU als besonders störend empfunden; denn nach den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (vgl. Art. 26 ff., 101 ff. AEUV) soll der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der EU gewährleistet sein. Wegfall der Binnengrenzen, Gemeinschaftsprogramme wie z.B. ARTE und ähnliche gemeinschaftliche Schritte erleichtern und verstärken die gemeinschaftsweite Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke. Diesen Bestrebungen stünde es entgegen, wenn z.B. das betreffende Werk in dem einen Land 70 Jahre, im anderen aber nur 50 Jahre nach dem Tode des Urhebers geschützt wäre. Deshalb hat man begonnen, einzelne Bereiche des Urheberrechts auf EU-Ebene durch Erlass von Richtlinien zu harmonisieren, die zwar nicht unmittelbar gelten, aber von den jeweiligen Mitgliedstaaten – also auch von der BRD – in nationales Recht umzusetzen sind. Manche Richtlinie trifft nicht nur eine Mindest–, sondern auch eine Maximalregelung. Dann muss sich der die Umsetzung regelnde nationale Gesetzgeber innerhalb dieses Mindest- und Maximalbereichs bewegen. Manche Richtlinie gewährt dem nationalen Gesetzgeber wiederum einen Spielraum, sei es, dass die jeweilige Regelung fakultativ ist, also nicht umgesetzt zu werden braucht, oder sei es, dass sie den nationalen Gesetzgebern einen (ggf. weiten) Regelungsspielraum belässt, so dass z.B. weitergehende nationale Regelungen nachträglich nicht infolge der Richtlinie wieder eingeschränkt werden müssen. Letzteres ist beispielsweise in Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt vom 17.4. 2019 zum Urhebervertragsrecht geschehen, das dort nur ansatzweise und aus deutscher Sicht nur lückenhaft geregelt worden ist. Die weitergehenden nationalen Regelungen des deutschen Urhebervertragsrechts können bei der Umsetzung dieser Richtlinie also 11 grundsätzlich beibehalten werden. Außerdem ist das nationale – die Richtlinien umsetzende – Gesetz wiederum richtlinienkonform auszulegen. Bei Zweifeln, wie eine Richtlinie auszulegen ist, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxembourg die Auslegungshoheit. In diesem Fall kann – und in letzter Instanz muss – das nationale Gericht die Frage, wie die betreffende Regelung einer Richtlinie auszulegen ist, dem EuGH vorlegen. Dessen Urteile sind für die Gerichte der nationalen Mitgliedstaaten verbindlich. Insoweit wirken die Vorschriften und Erwägungsgründe der einzelnen EU-Richtlinien auch unmittelbar. Darüber hinaus kann die EU bestimmte Bereiche auch durch Verordnung regeln. Anders als bei einer Richtlinie braucht eine Verordnung nicht mehr in nationales Recht umgesetzt zu werden, sondern sie gilt in sämtlichen Mitgliedstaaten der EU unmittelbar.

Mittlerweile wurden Richtlinien unter anderem zum Schutz von Computerprogrammen, Fotografien und Datenbanken, zur Nutzung von verwaisten Werken, zu einzelnen Verwertungsrechten und deren Beschränkungen sowie zu Leistungsschutzrechten erlassen. Vereinzelt wurde auch von einer Verordnung Gebrauch gemacht. Auf diese Weise wird das Urheberrecht in den Mitgliedstaaten der EU Schritt für Schritt harmonisiert. Von einem einheitlichen europäischen Urheberrecht, welches in sämtlichen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gilt, kann aber noch keine Rede sein, auch wenn ein derartiges Ziel grundsätzlich geplant ist.

133. Kapitel

Welche wirtschaftliche Bedeutung und welche Funktion hat das Urheberrecht?

Neue technische Errungenschaften ermöglichen es, die Werke der Urheber in einem immer größer werdenden Ausmaß zu verwerten. Schon lange geht es nicht mehr bloß um das Druck- und Verlagswesen in seinen verschiedenen Erscheinungsformen des Buch–, Zeitungs- und Musikverlags, sondern es kamen die Schallplatten- und Filmindustrie sowie Rundfunk, Fernsehen, Werbung, Design, Kunsthandel und weitere bedeutende Industriezweige hinzu. Aus neuerer Zeit sind hier die Software-Industrie, die Digitaltechnik und das Internet zu nennen. Das wirtschaftliche Gewicht dieser Urheberrechtsindustrien spiegelt sich in beachtlichen Prozentzahlen des Bruttosozialprodukts wider. Berücksichtigt man ferner die dazugehörige Geräteindustrie, ohne die Tonträger, Videogramme, Rundfunksendungen und dergleichen nicht abgespielt oder empfangen werden können, so erhöht sich nicht nur der Anteil an der gesamten Bruttowertschöpfung, sondern auch die Anzahl der Erwerbstätigen. Demnach stellt der Bereich der Urheberrechtsindustrien wirtschaftlich einen wesentlichen Teil des gesamten Bruttosozialprodukts dar. Im Ausland verhält es sich ähnlich, und die Tendenz ist steigend. Infolgedessen nimmt auch die wirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechts laufend zu.

Die Interessen der hieran Beteiligten sind unterschiedlich. Die Urheber und die Rechtsinhaber wollen sich vor dem Zugriff anderer auf ihre Werke geschützt wissen, um wirtschaftlichen Nutzen aus 14 ihren Leistungen und Investitionen ziehen zu können. Dies ermöglicht ihnen das auf der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG beruhende Urheberrecht. Dagegen hat die Allgemeinheit ein Interesse am ungehinderten Zugang zu den Werken der Urheber, basierend auf dem Recht zur Informationsfreiheit (Art. 2 GG) und auf dem Recht der freien Meinungsäußerung, Medienfreiheit, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 GG), wenn es darum geht, fremde Werke nutzen zu dürfen. ZumTeil ist dies berechtigt; denn die Werke entstehen in der Regel nicht völlig isoliert, sondern sie bauen auf dem bisherigen Werkschaffen auf. Sie sind ein Teil der Kulturgüter, die der Allgemeinheit nicht durch unbeschränkte Monopole der Urheber vorenthalten bleiben dürfen. So wie das in Art. 14 GG garantierte Eigentum einer Sozialbindung unterliegt und zum Wohle der Allgemeinheit verpflichtet, sind deshalb auch dem geistigen Eigentum des Urhebers Grenzen gesetzt, sei es durch die Anforderungen, die an die Schutzfähigkeit der einzelnen Werke gestellt werden (§§ 2, 24), sei es durch den zeitlich befristeten Urheberrechtsschutz (§ 64) oder sei es durch die sog. Schranken des Urheberrechts (§§ 44a ff.). Beim Ausgleich zwischen Rechten und Schranken ist ferner der Versorgungscharakter des Urheberrechts zu beachten. Die Dauer des Urheberrechtsschutzes – bis zum Tod des Urhebers und weitere 70 Jahre – ist danach bemessen, dass er und seine nahen Angehörigen von den Erlösen aus der Nutzung seiner Werke leben können sollen. Wenn er einzelne Nutzungen seines Werkes im Interesse der Allgemeinheit hinnehmen soll, so muss ihm jedenfalls eine Vergütung hierfür zustehen.

Das stetige Wachstum der Urheberrechtsindustrien bewirkt aber auch, dass sich das Schutzbedürfnis vom Kreis der ursprünglich geschützten Werke samt ihren Urhebern immer mehr auf in erster Linie gewerbliche Leistungen samt ihren Herstellern erstreckt. Zum einen wird es schwierig, festzustellen, was noch unter das bestehende Urheberrechtsgesetz fällt. Zum anderen stellt sich die Frage, wie weit sich das bestehende Urheberrechtsgesetz im Wege der Interpretation oder der Gesetzesänderung auf derartige industrielle Leistungen ausdehnen lässt, ohne dass hierdurch bewährte Rechtspositionen vor allem bei den Urheberpersönlichkeitsrechten verloren gehen. 15Denn das Urheberrecht soll nicht nur materielle, sondern auch ideelle Interessen schützen. Letztere entfallen aber bei vorwiegend industriellen Leistungsarten. Es gibt hierzu geteilte Meinungen. Die einen verlangen für die vorwiegend industriellen Leistungsarten einen zusätzlichen Sonderschutz. Die anderen wollen das Urheberrecht auch auf diese Bereiche ausdehnen. Jedenfalls zeigt diese Diskussion, dass der Schutz von Immaterialgütern noch lange nicht abschließend geregelt ist.

174. Kapitel

Was ist urheberrechtlich geschützt?

Urheberrechte können nur für urheberrechtlich geschützte Werke beansprucht werden. Die Schutzfähigkeit eines Werkes lässt sich weder vereinbaren noch durch Hinweise wie z.B. „urheberrechtlich geschützt“ oder dergleichen begründen. Auch der sog. Copyright-Vermerk, insbesondere der Abdruck des Zeichens © (vgl. hierzu unten S. 51 und S. 71) begründet keinen Urheberrechtsschutz. Vielmehr muss im Streitfall anhand der im Gesetz geregelten Schutzvoraussetzungen geprüft werden, ob ein schutzfähiges Werk vorliegt oder nicht.

I. Das geschützte Werk

Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst (§ 1) genießen Urheberrechtsschutz für ihre Werke. Es genügt jedoch nicht lediglich die Zugehörigkeit zu einem dieser drei Bereiche, sondern das Werk muss eine bestimmte Qualifikation erreichen; denn zu den schutzfähigen Werken zählen nur persönliche geistige Schöpfungen (§ 2 Abs. 2).

18 1. Literatur, Wissenschaft und Kunst

Was zur Literatur, Wissenschaft und Kunst gehört, lässt sich nicht eindeutig und abschließend umschreiben. In den Bereich der Literatur fallen nicht nur Romane, Gedichte, Zeitungsartikel und Reden, sondern auch Gebrauchsanweisungen, Register, Verzeichnisse und dergleichen Schriften. Seit der Urheberrechtsnovelle des Jahres 1985 werden auch Programme für die Datenverarbeitung ausdrücklich hinzugerechnet. Ebenso wenig lässt sich die Kunst in eine feste Form zwängen. Betrachtet man z.B. Werke moderner Kunst, so scheint es gerade zum Wesen der Kunst zu gehören, bisherige Grenzen durch neue Erscheinungsformen zu überschreiten. Auch die Präsentation von Alltagsgegenständen – z.B. der Flaschentrockner von Marcel Duchamp – wird als Kunst angesehen. Genauso wenig lässt sich der Begriff „Wissenschaft“ eindeutig definieren. Deshalb werden die einzelnen Werkarten in § 2 Abs. 1 nur beispielhaft, nicht abschließend aufgezählt. Es sind dies insbesondere:

Neue Werkarten lassen sich also durchaus in diesen Katalog mit aufnehmen. Darin unterscheidet sich die deutsche Gesetzeslage von derjenigen der EU. Letztere spricht allgemein von Werken, ohne sie näher zu definieren. Lediglich in drei Richtlinien zu Computerprogrammen, Lichtbildwerken und Datenbankwerken wird konkret angegeben, dass es sich um eigene geistige Schöpfungen handeln muss. 19 Im Übrigen fehlt ein beispielhafter Werkartenkatalog, so dass unklar bleibt, ob neue Werkarten unter die bisherige Gesetzeslage fallen.

Allen Werkarten gemeinsam ist eine gedankliche Aussage, die in irgendeiner Form belehrend, unterhaltend, veranschaulichend oder sonstwie anregend auf den Leser, Hörer oder Betrachter wirkt. In diesem weit verstandenen Sinne müssen die Werke eine geistig- ästhetische Wirkung besitzen. Ausschließlich praktische, technische oder gewerbliche Leistungen zählen nicht hierzu. Im Allgemeinen bereitet es keine Schwierigkeiten, die Zugehörigkeit eines Werkes zum Bereich der Literatur, Wissenschaft und Kunst festzustellen.

2. Persönliche geistige Schöpfung

Schwieriger kann es hingegen sein, festzustellen, ob das zu beurteilende Werk eine „persönliche geistige Schöpfung“ ist; denn diese Kurzdefinition in § 2 Abs. 2 ist keinesfalls so eindeutig, dass eine klare Linie zwischen schutzfähigen und schutzlosen Werken gezogen werden könnte.

Nur eine von Menschen geschaffene Schöpfung ist persönlich. Bilder malender Affen oder Affenselfies bleiben schutzlos, weil sie nicht von einem Menschen geschaffen und deshalb nicht persönlich sind. Werden Werkzeuge, Maschinen oder sonstige technische Hilfsmittel benutzt, muss der Urheber ihren Einsatz und ihre Arbeitsweise bestimmen. Auch Computerspiele, Computermusik oder Computerbilder können schutzfähig sein, wenn sie vom Menschen bis ins Detail programmiert werden. Ist das eingesetzte Werkzeug seinerseits lernfähig und in der Lage, Gestaltungen eigenständig zu schaffen, wie es im Bereich der künstlichen Intelligenz erreicht werden soll, und übt derjenige, der dieses Werkzeug einsetzt, keinen gestalterischen Einfluss mehr auf das geschaffene Ergebnis aus, entfällt ein Urheberrechtsschutz, weil es sich insoweit nicht mehr um eine von einem Menschen geschaffene persönliche Gestaltung handelt. Dagegen lassen sich schon vorhandene Erzeugnisse oder Naturprodukte zu den persönlichen Schöpfungen zählen, wenn sie vom Urheber ausgewählt, zusammengestellt oder in einen vom Menschen geschaffenen Rahmen gesetzt werden, wie dies z.B. bei 20 den Readymades der bildenden Kunst der Fall ist. Reine Maschinenerzeugnisse und bloße Naturprodukte, an denen der Mensch nicht steuernd mitgewirkt hat, scheiden bereits hier aus. Ihnen fehlt auch der erforderliche geistige Gehalt ; denn geistig ist ein Werk nur, wenn es einen vom Urheber stammenden Gedanken- oder Gefühlsinhalt hat, der auf den Leser, Hörer oder Betrachter unterhaltend, belehrend, veranschaulichend, erbauend oder sonstwie anregend wirkt.

Schließlich spricht man von einer Schöpfung üblicherweise nur dann, wenn etwas noch nicht Dagewesenes geschaffen wird. Absolut neu muss das Werk aber nicht sein, denn sollten zwei unabhängig voneinander Schaffende zu identischen Ergebnissen kommen, können durchaus beide Urheberrechtsschutz genießen. Es liegt dann eine sog. Doppelschöpfung vor. Angesichts der zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der einzelnen Werkarten sind solche Doppelschöpfungen jedoch die Ausnahme. In der Regel ist deshalb zumindest eine Andersartigkeit gegenüber dem schon Bestehenden zu verlangen. Wer behauptet, eine Doppelschöpfung geschaffen zu haben, wird dies konkretisieren und ggf. nachweisen müssen (s.u. S. 352).

Über diese Andersartigkeit hinaus muss das Werk aus der Masse des Alltäglichen herausragen und sich von lediglich handwerklichen oder routinemäßigen Leistungen abheben. Es muss besonders sein. Diese Besonderheit kann auch mit Originalität, Individualität, Eigentümlichkeit, künstlerischer Gestaltungshöhe oder ähnlich unbestimmten Begriffen bezeichnet werden. Sie umschreiben lediglich, was schutzfähig sein soll. Ein objektives und klar definiertes Abgrenzungskriterium für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit gibt es nicht.

Wo die Individualität eines Werkes offensichtlich ist, wie z.B. bei den meisten Werken der Belletristik, der Malerei und der Musik, ist es unproblematisch, seine urheberrechtliche Schutzfähigkeit festzustellen. In der Regel genügt hier die Vorlage eines Werkexemplars. Wo die Individualität hingegen nicht auf den ersten Blick erkennbar wird, sich das Werk an schon bestehende Formen anlehnt oder wo seine Form weitgehend von der technischen Funktion des Gegenstands 21vorgegeben ist, muss im Einzelnen dargelegt und überprüft werden, wodurch sich das Werk vom bisher Bekannten und Üblichen abhebt. So wird bei manchen Computerprogrammen, Werken der angewandten Kunst und im Bereich der sog. kleinen Münze vorzugehen sein, nämlich bei den Erzeugnissen, die auf der Grenze zwischen Schutzfähigkeit und Schutzlosigkeit liegen und für die sich wegen ihrer Grenzlage die Bezeichnung „kleine Münze“ eingebürgert hat. Im Einzelnen ist folgendes zu beachten:

a) Die schützbaren Gestaltungselemente eines Werkes

Zunächst ist herauszufinden, durch welche Gestaltungselemente sich das zu beurteilende Werk vom Bisherigen abhebt, und zwar sowohl im Detail als auch in seinem Gesamteindruck.