Wir machen einen Ausflug!

In einem ganz besonderen Wald beginnt ein neuer, wundervoller Tag.

Es ist der Honigkuchenwald, dessen Name aus einer fernen Zeit stammt, als der süßeste Geschmack, den man kannte, von dem Honig kam, den die Bienen unter eifrigem Gebrummse unermüdlich aus dem Nektar der Sommerblumen und dem Honigtau der Weißtannen sammelten.

Und auch heute an diesem schönen Tag hört man die Bienen bei der Arbeit, sobald der erste Sonnenstrahl seinen Weg durch die Bäume gefunden hat. Doch die Bienen sind nicht die Einzigen, die bereits wach sind.

Seit in den Bauwagen auf der Veilchenlichtung der Waldkindergarten Honigtopf eingezogen ist, versammeln sich die vier wilden Waldhelden, Flora, Rufus, Mikkel und Poppy, noch pünktlicher als sonst an ihrem morgendlichen Treffpunkt bei dem alten Holzfass.

Wie üblich ist Mikkel lange vor den anderen eingetroffen, hat sich auf dem Fass zusammengerollt und genießt die wärmende Morgensonne auf seinem fuchsroten Fell. Wohlig sperrt Mikkel sein Maul auf und gähnt. Dann legt er den Kopf wieder auf seinen weichen Schwanz und schließt die Augen.

Es dauert nicht lang, als sich etwas Ungestümes raschelnd und grunzend durchs Gebüsch schiebt.

»Rufus, mein Freund«, murmelt Mikkel und öffnet ein Auge. »Jetzt haaast du mich aber erschreckt, ich hab dich kauuum kommen hören …«

Mit einem strahlenden Lachen taucht der Kopf des Wildschweinchens aus dem Farn auf.

»Kuckuck! Was hast du gesagt?«, fragt Rufus vergnügt.

»Ach nichts«, winkt Mikkel ab und streckt sich genüsslich.

»Und, wo sind denn schon wieder die Mädchen …?«, stöhnt Rufus theatralisch. »Dass die morgens aber auch immer so ewig brauchen!«

»Von wegen«, widerspricht Mikkel. »Flora und Poppy warten wie verabredet wahrscheinlich schon längst bei Morschi auf uns. Hast du vergessen, sie kommen doch von der Geburtstagsübernachtung bei Wanja.«

»Stimmt«, sagt Rufus und kräuselt seine Nase. »Ganz ohne uns. Pfff!«

»He, du weißt doch, wie scheu Wildkatzen sind. Ich finde es toll, dass Wanja sich getraut hat, überhaupt jemanden einzuladen«, sagt Mikkel.

»Hoffentlich haben sie uns wenigstens Kuchen mitgebracht«, fällt Rufus ein. »Übrigens«, ruft er, »wer zuerst da ist …!«

Mikkel grinst und lässt seinem Freund großzügig ein paar Meter Vorsprung. Dann will er gerade auf einen Schleichweg abbiegen, als Rufus ergänzt: »Aber keine Abkürzungen.«

»Na gut«, knurrt Mikkel und setzt Rufus hinterher.

Die beiden können absolut gleich schnell rennen und versuchen deswegen, sich so oft wie möglich zu übertrumpfen oder auszutricksen.

 

»Schon wieder ein Wettrennen!« Poppy und Flora sehen den beiden augenrollend entgegen. Genau wie Mikkel gesagt hat, warten die beiden tatsächlich schon an der umgestürzten, morschen Kastanie, die alle nur Morschi nennen. Wer auch immer zuerst bei ihnen ankommen wird, die beiden werden sowieso wie üblich »Gleichstand!« oder »Beide gleich!« rufen.

Rasch zieht Flora mit dem Huf eine Zielgerade in den Boden.

»Gleichstand!«, sagt Poppy, als Mikkel und Rufus schnaufend zum Stehen kommen.

»Beide gleich!«, bestätigt Flora.

»Echt?«, japsen Mikkel und Rufus.

»Wir haben übrigens Kuchen«, lenkt Poppy ab. »Für nachher, wenn die Menschenkinder auch Pause machen«, fügt sie hinzu, als sie bemerkt, wie Rufus hungrig an ihrem Rucksack schnüffelt.

Dann machen sich die vier auf den Weg zum Kindergarten.

»Ich bin gespannt, was heute wohl …«, beginnt Mikkel, doch dann spitzen er und Flora unvermittelt die Ohren: Je näher sie der Veilchenlichtung kommen, desto lauter wird der Lärm der Kinder. Das kennen sie ja schon …

Aber heute ist irgendwas anders.

»Sie sind so aufgedreht«, flüstert Mikkel.

»Wirbelig«, ergänzt Flora und bleibt unsicher stehen. »Ich warte dann mal hier …«, murmelt sie, während ihre Freunde sich neugierig hinter den mannshohen Reisigstapel kauern, den Förster Mike aufgeschichtet hat, weil er sich vorgenommen hat, rund um den Bauwagen gründlich den Wald aufzuräumen.

»Der ist ja schon wieder höher geworden«, sagt Rufus staunend, und Poppy grinst.

»Dreimal darfst du raten, warum«, sagt sie.

»Weil er ein Superförster ist und voll fleißig«, erwidert Rufus, der nichts auf Mike kommen lässt.

»Und weil er total verknallt ist in die kleine Hexe vom Honigtopfkindergarten«, raunt ihm Mikkel ins Ohr. »Und sie in ihn, aber keiner will es vor dem anderen als Erster zugeben.«

»Eeecht?«, fragt Rufus.

»Pscht jetzt, runter mit deiner Rübe«, raunt Poppy und patscht Rufus gutmütig auf den Kopf, während sich Mikkel aus dem Versteck heraus aufmerksam umsieht.

Dann richtet er seinen Schwanz auf und schwenkt ihn wie eine Fahne. Leise kommt Flora hinübergehuscht.

»Und?«, fragt sie. »Was ist los?«

»Mike ist verknallt«, teilt Rufus triumphierend mit, als sei dies die sensationell neueste Neuigkeit des Tages.

»Weiß ich doch längst«, erwidert Flora. »Ich meinte, was mit den Kindern los ist.«

»Wieso wissen alle …?«, beginnt Rufus.

»Achtung, Ansprache«, verkündet Poppy statt einer Antwort.

Die 4 WWH spitzen die Ohren, denn die kleine Hexe hat die Kinder zu sich gerufen und hebt die Hand.

»Flüsterfuchs, seht ihr, sie macht den Flüsterfuchs«, sagt Mikkel, der ziemlich stolz darauf ist, dass es in der Menschenwelt ein so nützliches Zeichen mit seinem Namen gibt, mit dem man selbst die lauteste Kinderschar zur Ruhe bringt.