Max Geissler

Am Sonnenwirbel: Eine Dorfgeschichte

Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2022
goodpress@okpublishing.info
EAN 4064066111656

Inhaltsverzeichnis


1. Kapitel.
2. Kapitel.
3. Kapitel.
4. Kapitel.
5. Kapitel.
6. Kapitel
7. Kapitel.
8. Kapitel.
9. Kapitel.
10. Kapitel.
11. Kapitel.
12. Kapitel.
13. Kapitel.
14. Kapitel.


1. Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Der Frühling hat dem Zachenhesselhans sein Weib umgebracht.

Der Zachenhesselhans hat das kommen sehen und hat's den Waldleuten schon im Winter gesagt: die Märzstürme werden das müde Lebenslämplein der kranken Frau ausblasen. Und die Märzenstürme brausten über das Gebirg und brachen die Forsten.

In der einen Nacht, in der die Bäche in die Täler stürzten und das Donnern in den Wäldern war, weil die große Schlacht auf dem Kamm des Gebirgs geschlagen wurde, in welcher der Frühling Sieger blieb, da ist's geschehen. Alle Ritzen hat der Sturm gefunden – waren ihrer viele im morschen Haldenhause – und hat darauf geblasen. Wilde schauerliche Lieder hat er gewußt, und droben, zwischen Schindeldach und Giebelwand, hat er mit einem Arm hereingelangt und das wehende arme Flämmlein ausgedrückt.

Droben unter dem Schindeldach auf dem Stroh ist der Zachenhesselhans mit seinem Weibe gelegen.

Weil der alte Mann in den Sturm lauschte, um zu hören, ob der wilde Waldläufer das Dächlein des Zechenhäusls eintreten oder mit seinen Armen packen und in den rauschenden Bergwald werfen wolle, vernahm er gar nicht, wie das müde Leben an seiner Seite leise verwehte.

So ist es gekommen, daß der Zachenhesselhans mit seiner toten Frau redete bis das Grau der Morgenfrühe durch das Schiebfensterlein des Giebels rann. Und der Tag, der sich durch die verstaubten Scheiben tastete, hinter denen im Spinngeweb ein vorjähriger Sommervogel hing, sagte dem Zachenhesselhans ins Ohr:

»Alter, schau Dich nach Deinem Weib um. 's hat all die Zeit her kein Wörtl für Dich gehabt. Geh, schau fei nach – ich mach Licht!«

Da hat sich der Zachenhesselhans, der auf dem Stroh lag, auf den rechten Arm gestützt und sich über die Frau gebeugt.

»Du,« sagt' er, »'s möcht Zeit sein zum aufstehen.«

Und wie er sich tiefer über das welke Gesicht neigte, wehte darüber nicht mehr der warme Hauch des Lebens.

»Du,« wiederholte der Alte sanfter. Er hatte sein Weib durch vierzig Jahre nicht zweimal rufen müssen. Und wie er ihr seine harte Hand auf die Stirne legte und hernach auf die Brust, da wußte der Zachenhesselhans, daß er fortan seinen Weg allein zu gehen habe.

»Na,« sagt' er, »'s ist so nimmer weit. Ins Grab werd' ich mich allein finden. Aber Du, Du hast all Dein Leid und Freud mit mir geteilt und nun zum End bist mir so heimlich davongegangen, gar um die Mitternacht und bei dem Mordssturm … Ich hab's eh gewußt: wir beide werden fei nimmer Seit' an Seite mit der Kraxen den Berg heraufsteigen.«

Dann erhob sich der Zachenhesselhans vom Stroh, nahm die Mütze vom Nagel und ging barfuß in die graue Frühe. Vor dem Haldenhäuslein hatte der Wind eine Fichte über den Pfad gelegt und da noch eine. Der alte Mann hielt ein wenig Umschau. Da herein war die Schlacht geschlagen worden. Wer weiß, wie weit in den Forst, wer weiß, wie tief in das Tal.

Er stieg über die gefällten Fichten; die Kronen der Waldbäume warfen einen Schauer von Eiskörnlein und silbernen Regenkugeln über ihn.

Er ging über den Holzschlag, er ging lehnan bis an die Hütte, die an der Berghalde über dem Zechenhäusl liegt. Die nennen die Leute die ›Unruhe‹.

Als der Helari, der drinnen mit dem Span das Stalllämplein gähnend antat, die Haustür in den Angeln kreischen hörte, wendete er lauschend den Kopf:

»In der ›Unruhe‹ liegen sie noch auf dem Stroh. Hätt'st fei gern was, Zachenhesselhans?« fragte der Helari. Er blies den Span aus und schloß das Türlein der Windlaterne.

»Die Mali ist mir diese Nacht davongegangen – ganz heimlich. Ich hab's eh gewußt: der Frühling bringt mir mein Weib um.«

Der Alte setzte sich auf die Ofenbank, zog die Pfeife aus der Tasche der Lederhose und tat schweigend das Schnürlein vom Beutel. Während er stopfte und den Span, den der Helari immer noch in der Hand gehalten, am Stalllämplein in Brand steckte, und während er den grauen, süßlich riechenden Tabakrauch zwischen den Lippen hervorstieß, fuhr er fort:

»'s ist fei eine schlimme Nacht gewesen, Helari. Ich hab gemeint, es wollt mir das Zechenhäusl gar forttragen.«

Darauf forschte der Helari, wann's gewesen sei, daß der Mali das Herz gebrochen. Der Alte schlug den Deckel der Pfeife auf und drückte mit der Spitze des Mittelfingers auf die Glut. »Klapp« machte der Beschlag des Pfeifenkopfes und »hm« sagte der Zachenhesselhans, »denkst etwa, die Mali hat ein Wörtl gered't? Ganz leis hat sie sich von dannen gestohlen und hat mir fei nimmer den Abschiedsgruß vergunnt. Solch ein Einschlafen – wenn einer haben könnt'…«

Die Holzstiege herab, die auf den Hausflur führte, stieg dem Helari sein Weib. Die Resl hatte droben die Männerstimmen vernommen; nun wußte sie schon: die Mali ist in der Nacht gestorben und der Zachenhesselhans ist da und will zum Leichetragen bitten.

Die beiden Kühe im Stalle klirrten mit den Ketten, und die Schweine meinten, es wär eh Zeit zum füttern. Draußen lehnte der Morgen grau und mißmutig an den Scheiben.

»Nun haben wir wahrhaftig auf eine Pfeif Tobak beisammengestanden,« sagte der Alte vom Zechenhaus und klopfte den Pfeifenkopf am Rohr aus. Dann stopfte er von neuem, glomm an und schritt barfüßig in die Frühdämmerung. Hinter der ›Unruh‹ stieg er den Wiesenpfad empor; ein schmaler Steig war's, über den sich da und dort noch ein Streifen schmutziger Schnee spannte. Der Märzwind schlug klirrend Eis und Regen in die Bergnebel. Droben aus den Sonnenwirbelhäusern rann müdes Licht in das träge Grau der Frühe. Manchmal warfen die Nebel ihre Netze auf das Bächlein Licht, das von dort in die Graudämmerung floß. Da versiecht' es. Dann war's wieder da. Und der Märzenwind heulte über die Halden und die Nebel flatterten wie zerfetztes Linnen in den triefenden Tag.

Auf dem Sonnenwirbel erzählte der Zachenhesselhans, was ihm die Mali angetan, und bat zum Leichetragen. Der Peter, den sie den Einräumer nannten, weil ihm die Pflege und Räumung der Straße nach dem Keilberg oblag, kraute sich hinter den Ohren als er's hörte.

»So möcht' kein Frieren werden die Tage her,« hub er an, »daß wir mit dem Sarg fei heil die Halden hinabkommen.«

Und die Mahm, was die Mutter vom Peter ist und die Großmutter vom Peterl, setzt ihr Tranlämplein auf die Ofenbank und sich daneben, faltet die Hände im Schoß und spricht ein leises Gebet.

Nur die Schatten liefen lautlos über die Wände, und nur die Uhr im Kasten konnt' ein Wörtl reden: tot – tot – tot, sagte sie.

Wie die dreie eine Weile geschwiegen, gingen der Zachenhesselhans und der Peter zum Hachtl und zum Wurzltonl. Die hausten mit ihren Frauen und ihren Kindern in der andern Hütte am Sonnenwirbel. Nun wußten die Waldleute miteinander: wir haben eine Leiche und am Freitag ist der Grabgang.

Darauf glomm sich der Zachenhesselhans die Pfeife an und schritt kreuz und quer den Waldhang hinab. Der Wiesensteig durch das borstige Gras ist glitschig; da kann einer im Rauhnebel nicht zu Tale. Auf dem Nadelgrund des Bergwalds ist leichter schreiten.

Wie der Alte ins Zechenhäusl trat, lief der Tag hinter ihm drein und der Wind warf einen Haufen moderduftigen Nebel nach. Der kroch in den Flur, der kroch in die Stube.

Der Zachenhesselhans ritzt ein Zündholz an der Lederhose an und legt Feuer in den Kachelofen. Das Reisig knackt. Eine Weile kniet der Alte vor dem Ofenloch; dann wirft er eine Wurzel in den Brand und noch eine. Er geht vor die Tür, wo der Wind den Wasserstrahl vom Röhrbronnen reißt, und schöpft. Er setzt den Topf in den Ofen und geht in den Stall, die Kuh zu besorgen. Die brummt, als sie den Hans erschaut.

»Du, heut kommt ein andrer zum melken, Scheck, die Mali ist uns verstorben. Und wir zweibeide werden nimmer lang mitsammen hausen.«

Wie der Zachenhesselhans so redet und der rotweißen Kuh das Heu in die Raufe wirft, zittert ihm die Stimme.

»'s ist fei anders worden übernacht. Vielleicht, daß sie Dich beim Hachtl auf dem Sonnenwirbel brauchen können.«

Dann schwenkt der alte Mann am Röhrtrog den Melkkübel aus, der draußen auf ein Zaunlättlein gestülpt ist, setzt sich unter die Kuh auf den Schemel und die weißen Milchbrünnlein zischen in die Gelte.

»Wenn die Mali erschaut, daß sie Dich aus dem Zechenhäusl treiben, tut ihr meiner Seel noch einmal das Herz weh. Aber dies Leid müssen wir ihr fei antun, der Mali, Scheck! Wir zwei – das tät eh kein gut.«

Der Zachenhesselhans schob das Türlein empor, durch das die Hühner schreiten. Die lauerten schon lange vor dem verschlossenen Pförtlein; denn durch das Fenster über der Stalltüre schaute der lichte Tag.

Im Hausgang spann der Nebel, spann um die unteren Stiegen, kroch aber nicht die Treppe hinan – weil ein Toter droben ist?

Der Zachenhesselhans schloß die Stubentür hinter sich und brach Brot in die Milch, zum Frühsüpplein. Während er den Löffel am Schüsselrand abstrich, gingen seine Augen hinaus in den Nebel. Die Bergfichten schwankten, und die Wipfel quirlten in dem triefenden Grau. Alle Gipfel waren verhängt. Der alte Mann fand keinen Weg in die Weite.

»Daheimbleiben, Zachenhesselhans,« sagte er, »daheimbleiben! Was Du zu sorgen hast, ist im Zechenhäusl. Wird eh wieder ein Sonnenstrahl kommen? Wohl, wohl. Aber bis in die Tage der Sonne ist ein langer stiller Weg.«

Dann wischte der Alte den Blechlöffel am Joppenzipfel sauber und hing ihn in den Einschnitt am Zinnbrett. Er schwenkte das braune Schüßlein am Brunnentrog und stürzt' es auf den Ofen, damit's ablaufe. Dann stieg er die Holztreppe empor.

Da liegt die Mali auf dem Stroh wie vorhin, und der Tag streichelt ihr mit der kalten Hand die bleiche Stirn.

An der anderen Giebelwand, an der auch die alte Harfe lehnt, die die Mali in ihren jungen Jahren gezupft hat, weil sie mit den Ihrigen landfahrend war, steht der Sarg. Es ist allerhand Holz und sind mancherlei Abfälle darum- und darübergestapelt.

Der Zachenhesselhans trägt alles beiseit – leise, leise; denn die Mali schläft. Mit dem Gansflügel streicht er den Staub zusammen und die Spinnweben, die das Leben um den Sargdeckel gewoben. Dann trägt er den Deckel und hernach das Sargbette die Holzstiege hinab, richtet den Sägebock und den andern, auf dem er des Winters den Hafer ausschlägt, und stellt den Sarg darauf. Hier soll die Mali liegen die drei Tage. Und er tut ihr das schwarze Feierkleid an und nimmt die tote Frau in die Arme. Er trägt sie die Stiege hinab und bettet sie.

»Nun ist Ruh',« sagt' er, wie er sie hingelegt hat, »nun will ich Dir den Schlaf nimmer stören, Mali.«

Und er faltet ihr die Hände über den Schoß und geht hinaus, bricht grünes Fichtenreis einen Armvoll und breitet's um die Tote.

»'s ist die letzte Lieb', die ich Dir tun kann, Weiberl, fei die letzte,« sagt er und drückt der Toten die stillen kalten Hände. Und wie der Zachenhesselhans die harzduftigen Reiser um sie legt, fallen seine Tränen in das frische Grün.–

Am Freitag klang von St. Joachimsthal herauf das Sterbeglöcklein. Das gab dem stillen Zuge das Geleite durch den Wald. Wie sie über die Pfarrwiese schritten, setzten sie den Sarg ab und hinter dem Forsthäuslein noch einmal. In den Wipfeln rauschte der Frühlingssturm; der Frühlingssturm sang um das Grab, und der Frühlingsregen sprühte hinein.

So haben sie die Mali aus dem Zechenhäusl begraben.

Nun war der Zachenhesselhans allein mit sich und seiner Einsamkeit.

Die rotweiße Kuh trieb der Hachtl am selben Abend in das Sonnenwirbelhaus.

»'s wird Dir eh schwer werden, Dich von dem Vieh zu trennen,« sagte die Resl, die mit dem Helari von der ›Unruh‹ herabkam, als der Tag in den Wipfeln auslöschte. Die beiden waren dem Hachtl beim Auftrieb zum Sonnenwirbel begegnet. Die Resl tat eine Handvoll Reiser in den Brand und der Zachenhesselhans nahm aus dem Wandschränklein einen Trunkelbeerschnaps.

»Mögt's einen?« fragte er.

»Gib her einen!« sagte der Helari und tat einen Zug. Der Alte steckte das Tranlämplein an. Aus den Kacheln spann wohlige Wärme.

»Seid alle Weil mitsammen im Zechenhäusl gewesen,« meinte die Resl.

»An vierzig Jahr.«

»So geht die Zeit! Da ist mein Vater selig noch angefahren.«

»Wohl, wohl. Und dann war's mit dem Bergbau zu End'. Aus den vierhundert Bergleuten wurden vierzig, aus den vierzig vier, – und dann hat das Klöppeln angefangen und das Landfahren der Männer. Sind alle heimatlos worden! Damals ist der Zachenhesselhans gekommen und hat die Mali gefunden. Das ist fei nix, hab ich gesagt, Mali, wir bleiben daheim und schaffen im Wald; ich geh pechen oder meilern, und Schwämme und Beeren und Holz hat der Wald für uns zwei genug. Da haben wir uns das Zechenhäusl erstanden, weil's ja doch verfallen wär so mitten im Wald, wenn kein Schichtglöckl mehr ruft, und sind mitsammengangen vierzig Jahr. Aus dem Hans Günther vom Zechenhäusl ist der Zachenhesselhans worden und aus der Zachenhesselmali ein totes Weib. Gott geb Dir ruhsamen Schlaf, Weiberl! Am Ende find't einer Deinen Weg auch bald.«

Der Zachenhesselhans goß einen neuen ›Beißer‹ ins Kelchlein, und der Helari trank ihn. Dann schüttelte er sich bis ins Herz hinein.

»So einer hält warm,« meint' er.–

Als der Alte vom Zechenhaus am andern Morgen aus der Türe trat, rann vom Bornständer ein silberner Strahl gleichmäßig in den Trog. Wenn das Wasser so im Gleichmaß fällt, ist der Bergwind in den Wald gelaufen und verschläft sich. Die Fichtenwipfel schwangen ganz leise und die Nebel hingen träge darin. War auch ein sanftes Zirpen im Geäst.

Der Zachenhesselhans, wie er das vernahm, spitzte die Ohren und ging ein Stück hinüber in die Fichten. Da war das Zirpen wieder, in allen Bäumen war's. Der Hans tat die Hand vom Ohr und sagte:

»Nun hat einer keinen Leim im Haus! Wart ein bißl – den werden wir gleich haben.«

Er ging eilig zurück in die Hütte.

»Ein Flug Märzenzeisige ist am Sonnenwirbel ein rar Ding; aber gut sind sie und dauerhaft; denn sie haben den Bergwinter überstanden. So ein Sommerzeisig, der keinen ordentlichen Rauhreif aufs Röckl gekriegt hat, der ist für die andern.«

Während das Leinöl und das Fichtenharz im Tiegel über den Flammen kochte, trennte der Alte einen Ast vom Vogelbeerbaum hinter dem Zechenhaus, säuberte den von den Zweigen und tauchte diese in den verkühlenden Leim aus Harz und Oel. Dann steckte er sie sorgsam von neuem in den Ast.

»So, damit wären wir fertig. Und nun Hansl, jetzt hilf Du,« sagte der Alte und nahm den spannenlangen Käfig vom Fensterstein. Er spitzte den Mund – ›piep‹ machte der Vogel.

»Schön, schön,« sagte der Zachenhesselhans, »sehr gut. Dich setzen wir im Käfig oben ans Aestlein. Siehst Du, soo – und wie lockst Du?«

Der Vogel antwortete.

Auf den Zehen schlich der Alte über den Schlag und steckte den Ast in den Waldgrund. Hinter der niederen Fichte, hinter welcher der Wind vor Tagen den Stamm umgelegt hatte, hockte und lockte der Hans. Der Vogel im Käfig antwortete.

»Gut so,« und »brav«, lächelt der Mann auf der Lauer und tut sich sein Pfeifl an. Am Ende könnt einer sein Morgensüpplein dabei kochen, denkt er.

Und weil der Wald still und nur der Lockruf des Gefangenen hörbar ist, eilt der Vogelsteller in die Hütte. Milch – ja so, eine Milch ist nicht mehr im Zechenhaus; denn die Rotscheck steht auf dem Sonnenwirbel. Jetzt – einen Kaffee haben wir im Waldhaus und auch eine Zichorie. Tut der Hans die Kaffeemühle vom Wandbrett und hebt an zu mahlen, ein Viertel Kaffee und drei Vierteile Zichorie hinzu. Wie das Wasser im Topf brodelt und ungebärdig gegen das Stürzlein schlägt, denkt der Mann: jetzt ist der ganze Strich Zeisig auf den Leim gegangen! Nun meiner Seel, wo sind denn alleweil so viel Käfige?

So, noch ein Schub siedend Wasser über das Seihtüchlein, aus dem der braune Trank rinnt, und dann hinauf unter das Dach. Da hängen sie – eins, zwei, drei – neun Stück. Wird ohnehin nicht nothaben.

Der Zachenhesselhans tut die Gebauer von der Wand und vom Gebälk und bläst einmal herzhaft durch jeden hindurch.

Da kommt die Sonne wahrhaftig über den Berg! Dort, wo der Nebel über dem Walde brennt und das goldene Wirbeln und Wogen in der Frühluft ist, dort kommt sie. Die Zeisige haben das früher gewußt als der Hans und sind darum durch den Bergwald gestrichen der Sonne entgegen. Sieh da, schon einen Haufen Gold wirft sie an das Giebelfenster!

Und so oft der Zachenhesselhans durch die Stäblein eines Käfigs bläst, geht eine Wolke Staub heraus: die Mali hat ihr Tag einen Zorn gehabt auf das Vogelstellen, darum hat die Zeit die Käfige eingestaubt.

Unten in der Stube hat der Hans die neun Gebauer auf den braunen Tisch gestellt, probiert die Türlein und gießt Wasser in die Schalen und gibt Körner daneben. Ueberdem nimmt er einen Schluck Kaffee und tut auch einen Zug am Pfeiflein. Und jetzt – die Wohnhäuslein sind bereit, wenn wir nur erst die Vögel hätten!

Schon auf dem Flur und über die Schwelle der Haustür geht der Zachenhesselhans auf den Zehen – als ob uns einer das Vogelstellen lernen müßte!

»Kruzitürken!«

Der Zachenhesselhans hält den Atem an und tut die Hand um das Ohr. Da ist besser lauschen. Die Fichten haben doch immer ein Wörtl mit dem Wind zu reden oder eins untereinander und vor allem jetzt, wenn der Bergwind der Sonne voraufläuft und die Nebel in das Gras und die Gräben drückt.

»Jetzt – da!«

So schnell ist der Zachenhesselhans seintag nicht über den Hau in die Fichten gelaufen. Der Locker schreit, und auf dem Leim sind sie – eins, zwei, drei, sechs muntere Zeisighähne! Und da unten im Gras kreischt noch einer; der ist mit dem Rütl zu Boden gefallen. Und da – ja was ist denn das? Auf dem Rücken liegt einer, mit beiden Flügeln am Leim – das ist ja ein Grünetz, das ist ja ein Kreuzschnabel! »Ei, Freundl, wie bist denn Du da auf den Leim gekommen? Auf Dich hab ich lang genug gepaßt.«

Der Zachenhesselhans hält einen Augenblick inne – »März? Ach was, Du hast jetzt keine Arbeit mehr in der Familie. Die Kleinen sind schon im Februar flügge geworden, gelt, Bürschl, und jetzt hast Zeit, ein Gelehrter zu werden. Frei kommst mir nimmer.«

Mit dem Kreuzschnabel eilt der Hans zuerst in die Hütte.

»So, da hinein, das ist Dein Häusl fortan.«

Dann nimmt der Hans unter jeden Arm drei Käfige und ist schon wieder drüben beim Fang. Einer nach dem andern wandert hinters Gitter.

»Wart, Du kommst eh dran.«

Und einen nach dem andern tut der Hans in der Hütte aus dem Käfig und säubert ihn.

Ein Schreien und Flattern gibt's und der Zachenhesselhans sucht die schönsten Wörtlein hervor. Weil die Vögel aber nicht Ruhe geben wollen, rückt er die Käfige voneinander und deckt jeden mit einem dunklen Tüchlein zu. Dann sinnt er auf das beste Flecklein in der Stube – das soll der Grünetz haben. Und der Grünetz soll brav Kunststücke lernen.

Dekoration

Dekoration
2. Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Der Zachenhesselhans hat sich ein fichtenes Stämmlein im Walde geschlagen. Dazu muß einer ausgehen, wenn der Waldheger unlängst des Weges gezogen. Hat eh seinen Zorn auf die Waldheger, der Hans! Vordem sind so Leute weithin nicht gewesen im Gebirg, und der Forst ist dennoch gewachsen wie heut auch, nur daß den Leuten, die daherum in der grünen Bergeinsamkeit daheim sind, das Leben ein wenig lustiger erschienen ist, als heutzutag. Aber–: verzürnen wir uns nicht über die Heger, denkt der Hans. Es ist noch Raum genug für einen rechtschaffenen Wäldler trotz derlei Leut, und ist auch Zeit genug, zu treiben, was einer mag.

Freilich, vordem, da ist einer wie der Zachenhesselhans wohl auch einmal auf das Rehböcklein gegangen und hat rechtschaffen genau gewußt, wo und wann das Böckl auf den Hau heraustritt. Wenn der Hans aus dem Zechenhäusl einmal den Stutzen hochgebracht, dann: gute Nacht Du liebes fröhliches Waldleben! Ein Krach – und noch ehe das Echo in den Schründen sich verlaufen, hat der Bock auf dem Rasen den letzten Schnaufer getan.

Wenn einer jung ist! denkt der Hans. Aber halt der Schnee, der einem ins Haar schneit, und das Augenlicht! Ist nicht alles mehr wie vor vierzig Jahren. Und just auch das Denken – ein Bürschl von zwanzig Jahren denkt anders als eins von sechzig.

Der Zachenhesselhans, der gerade dabei ist, mit der Axt die Aeste von dem Fichtenstämmlein zu trennen, hält ein wenig inne.

Ist da nicht einer durchs Holz gegangen?

An solch einem Abend, wenn die letzte Sonne rot in den Wipfeln brennt und der Heuduft von den Halden ganz leise hereinschwimmt in den Harzhauch der Wälder, da hört einer die Gräser reden und die goldenen Tropfen des Abendlichts aus den Fichten ins Moos fallen.

Der Zachenhesselhans lehnt die Axt an den Hackstock und schleift das Fichtenstämmlein an die Hüttenwand, wo der Graben herniederläuft. Dann schiebt er mit dem Fuße das Brett darauf, das auch sonst den Graben deckt.

Er geht ein Stück über den Schlag bis in die Fichten und glimmt sich sein Pfeifl an. Die Flamme am Zündholz drückt er sorgsam mit Daumen und Zeigefinger aus.

»Der hätt's eh sagen können,« meint der Hans und schaut dem Mann eine Weile zu, der durch Heidekraut und Schwarzbeeren den Waldhang herauf sich einen Weg sucht.

»'s geht eh schwer, Mannl, mit so einem Hücklein Jahre auf dem Rücken. Da hat sich einer gewöhnt, bergein zu laufen.«

»Wohl, wohl,« sagt der Mann und hält im Steigen inne, indem er sich auf seinen Wanderstock stützt.

Der Zachenhesselhans sieht: der Alte kommt aus dem Niederland, denn sein Stock hat die Tage daher noch als junge Erle an einem Wiesenbache gestanden. Und Erlen wachsen im Waldgebirg nimmer.

»Grüß Gott,« sagt der aus dem Zechenhaus, »grüß Gott!« und reicht dem Alten die Hand entgegen. »Kommst fei weit her und hast Dich zum ersten Mal ins Waldland verlaufen?«

»Fei nit,« antwortet der andere, tut die Gitarre vom Rücken und setzt sich ins Moos.

»Hui,« sagt der Zachenhesselhans, wie er so reden hört, »bist gar ein Waldleutl und landfahrend gewesen die Jahre her?«

»'s mag wohl sein,« darauf der andere.

»Leicht auch so einer von denen, für die 's Waldland zu arm war und die draußen ums Geld singen und Saiten schlagen? Mannl, die finden sich alle wieder heim ins Gebirg! 's geht ihnen am besten da, wo sie daheim sind. Wohin willst denn noch diesen Abend?«

»Je nun,« sagt der andere, »auf's Zechenhäusl und die Mali wiedersehn.«

»Wen willst sehn? Die Mali? Da bist ein wenig zu lang außen geblieben. Die Mali ist mittlerweile davongegangen.«

Der Zachenhesselhans faßte sich an die Stirn.

»Davongegangen sagst?« fragte der andere.

»Freilich. Der Frühling hat sie mir umgebracht, wie er ins Waldland fuhr. Im fünften Monat schläft sie nun. Aber Du – ich besinn mich, bist doch nicht der Mali ihr Bruder, von dem sie gesprochen hat, als wär er tot?«

»Der dürft ich wohl sein. Jessesmaria, der Weg war weit! Und nun – er ist doch nur gegangen worden, daß einer wieder drauf heimkommt ins Stückl Welt, auf dem er jung geworden. Und so bist Du der Hans Günther, der die Mali gefreit hat?«

»Der bin ich, der Zachenhesselhans. Wie sie drinnen in Gottesgab das Häusl verkauft haben, aus dem die Mali heraus ist und das dem Schmied-Seff gehört hat, haben wir uns das Zechenhäusl im Bergwald gekauft. Wirst Dich fei wundern: allerhand andere Leut sind wohnhaft im Waldland und nur hin und her ist noch einer, der von Dir, dem Josef, redet. Sie heißen Dich, weil Du der Sohn vom Schmied-Seff bist, den Schmied-Seff-Pepp. Sind ihrer aber nimmer viel, Alter, die von ihm wissen. Wenn einer länger als vierzig Jahr mit dem Singspiel durch die Welt gefahren, zählt er im Bergwald zu den Toten. Na, weil der Schmied-Seff-Pepp sich nur wieder heimgefunden! Er wird woltern Hunger haben, der Seff?«

»Wohl, wohl,« entgegnete der Alte, nachdem er eine Weile sinnend aufs Waldmoos gestarrt, »Hunger, daß es einer haußen hört.«

»So komm, Mannl! Reichlich war's im Zechenhäusl nie, aber für zwei hat's noch immer gelangt.«

Der Zachenhesselhans reichte dem müden Manne die Hand und zog ihn vom Waldboden empor.

Die Nacht kroch hinter den Schreitenden drein, kroch aus den Tälern über den Fichtennadelgrund und drückte die Sonnenflämmlein aus, die in dem Heidelbeerkraut brannten oder goß silbernen Tau über das goldene Licht, das da und dort aus dem Geäste geronnen. Sie hing ihre Schleier in die Bergfichten. Sie blies die Sonnenfeuer aus, die noch auf den Wipfeln wehten.

Aus dem Schornstein des Zechenhauses stieg ein Wirbel bläulichen Herdrauchs. Stieg auch einer über dem Schindeldach der Unruhe. Die kräuselnde Rauchsäule droben auf der Unruh stand kerzengrad gegen den reinen Sommerhimmel. Aber das Schindeldach der Hütte hielten die Fichten dem Zechenhäusl verborgen – »'s möcht neidisch werden sonst, das Zechenhäusl,« sagte der Zachenhesselhans, »denn von den Schindeln sieht einer auf dem Zechenhaus fei nix mehr. Die hat ein grünes Moos weich übersponnen, aus lauter Lieb zum Zachenhesselhans, damit im Winter der Schnee nicht auf sein Strohbettlein stiebe.«

An jenem Abende tat der Alte vom Zechenhause das Schwammsäckl vom Balken über dem Ofen und kochte dem wegmüden Landfahrer ein duftig Pilzsüpplein.

»Die Schwämme hat die Mali im letzten Herbst noch eingebracht, Mannl,« sagte der Zachenhesselhans. »Hat eh nicht geglaubt, daß sie dem heimkehrenden Bruder ein Nachtmahl bereitet damit.«

Dann ging die Stille durch die Stube, weil sich Herzen mit einer Toten beredeten.

Sie hatten ihr viel zu sagen; denn das Schweigen war lang und tief.––

»So,« hub der Hans nach einer Weile wieder an, »die Gitarr will ich derweil an den Nagel hängen. Nicht, weil ich ein Liedl nicht möcht, sondern weil ich mein': ihr zwei versteht Euch wohl miteinander aufs Fahren, aber nicht aufs Seßhaftsein. Und jetzt, wenn Du Dein Schwammsüppl weghast, möcht sie wohl gar zu Dir ein Wörtl reden und Dich gemahnen: Sepp, fahren wir heut nimmer? Einer, der heimatlos worden, und sein Lebtag kein Stückl Land gebaut und liebgehabt hat, der kann solch ein Reden nicht hören. Für den ist das ein Locken, unwiderstehlich, mein' ich. Aber, ich denk, Mannl: wir zwei bleiben eine Zeit mitsammen im Zechenhäusl. Und eh die Gitarr und Dein landfahrend Herz auf Deine verlaufene Seel einreden, vergunnst mir wohl ein Wörtl. Wenn's ein wenig poltert, na – so laß Dir's nix machen. 's ist nit bös gemeint, Mannl. Aber weißt Du, eine Lust mach ich mir drauß. Jetzt – auf so einen, wie Du einer bist, hab ich fei lang gepaßt. Nu läuft er mir justament in die Quer. Und wenn ich nicht gedacht hätt, Du wolltest Dich erst mit der Mali ein wenig bereden, weil Du so vierzig Jährlein keine Zeit dazu gehabt hast, hätt's schon begonnen – ich mein': das, was wir zwei miteinander zu reden haben.

Ich hab mir nämlich da in meiner Bergeinsamkeit ein Exempel gemacht. Wie ich zwanzig war, hab ich mit rechnen angefangen und hab damals gedacht: Hansl, hab ich gedacht, Dein Exempel stimmt nicht. Und hernach, so oft's mir schlecht gegangen ist im Wald – 's laßt sich zählen, Mannl! – hab ich wieder gemeint, die Rechnung stimmt nicht. Aber: die Rechnung stimmt doch, stimmt, und Du bist mir die Probe darauf. Siehst Du, hast 's woltern weit gebracht: bist die Probe auf das Exempel, über dem der Zachenhesselhans sein Leben lang gerechnet hat. Und was dabei rausgekommen, Mannl? Viel is fei nit.«

So, die Gitarr hängt in der Ecke am Nagel. Der Landfahrer sagt: dort könn' er sie sein Lebtag nimmer entdecken.

»Hui,« macht der Zachenhesselhans, »warum denn nicht?«

»Ja,« antwortet der Musikmann, »von dem allen, was ich dermaleinst mit aus dem Wald genommen, hab ich nicht viel wieder mit heim gebracht. Zwei frohe blanke Augen sind auch dabei gewesen – sind aber draußen geblieben. Und die, die ich wieder hereingetragen, die mögen fei nimmer wert sein, daß einer sich noch lang damit schleppt.«

»Hui,« sagt der Zachenhesselhans noch einmal, »Mannl, Du hebst mir nit fein zu singen an! Und deswillen bist landfahrend worden?«

»Wenn einer am End vom Wege steht, ist er alleweil klüger als am Anfang,« entgegnet der Sepp und zuckt wehmütig mit den Achseln.

»Ich denk, heut ist eine Nacht, die man vorm Häusl verbringen kann. Sind nicht viele daheroben, wo der Bergwind König ist. Und wenn der Wind sich irgendwo verschläft, so ist's ein Nachttau, der fällt, daß die Fichten triefen,« sagt der Alte vom Zechenhaus und schreitet mit dem wandermüden Manne hinaus vor die Hütte.

Auf der braunen Holzbank ließen sich die beiden nieder. Der Zachenhesselhans glomm sich die Pfeife an, guckte noch einmal nach dem Dach, über dem noch immer die Rauchsäule stand und meinte:

»Zu dritt rauchen sie ihr Abendpfeiflein: der Zachenhesselhans, das Zechenhäusl und die Unruh. Das Zechenhäusl aber möcht 's ausgehen lassen vorm schlafenlegen. Plauschen wir ein bißl, mittlerweile raucht 's aus.

Und Du, Mannl, Du hast 's vor mehr denn vierzig Jahren gar nimmer aushalten können im Waldland, in dem Du zuerst auf Deinen Beinen gestanden? 's ist Dir damals schlecht gegangen, gelt, fei schlecht?«

Der Zachenhesselhans zwickt Dich, Schmied-Seff-Pepp! Jetzt – wenn Dir's weh tut, halt still; denn der Zachenhesselhans will Dir Einstand geben. Der Mali ihr Platz ist noch leer, und ein Oertl, auf dem Du daheim bist, tät Dir not und wär Dir schon recht. Jetzt – Seppl, wenn der Alte vom Zechenhäusl wieder zwickt, halt still!

»Dein Vater selig is der Schmied in Gottesgab gewesen und sein Jüngl, das sie auch Josef nannten, das war der, dem an seinem Vater das rußschwarze Gesicht nit gefiel. Ei, hat der gedacht, das Saitenschlagen ist eine feinere Kunst als das Eisenschlagen und das Liedlsingen leichter als das Hammerschwingen. Und dem Seppl ward's zu eng im Waldland; denn er war klüger als seine Leut.

Da nahm er eines schönen Tags das Singspiel auf den Rücken: ade, Vater, und: lebt's schön wohl, Mutter, tat sich sein neues grünes Hütl auf, gab noch ein paar schöne Federn drauf und fort ging's. 's führen viel Wege vom Gebirg.

Und wie der Seff-Pepp in die Stadt kommen ist – beim Karlsbad wird's angefangen haben, und dann hinein ins Deutschland; denn das Waldland zwischen Fichtelberg und Keilberg, Plessen und Spitzberg ist ja so gar eng – jetzt, hat er gedacht: das grüne Hütl aus dem Bergwald taugt nix, und die Joppen aus der Waldöde ist nicht fein. Da muß ein neues Hütl sein und ein glattes Jäcklein; denn des Abends spielt der Seppl auf in den Gasthäusern. Jetzt – da hat er sich mit andern zusammengefunden, die nirgend und überall daheim sind. Seine Sprache hat ihn verraten. Und da haben die Leutlein aus dem Erzgebirg eine »Wiener Damenkapell« zusammengestellt. Sowas klingt großartiger im Deutschland. Wer weiß denn, daß so Leutlein, wie ihr, aus dem Waldland kommen? Na, und jetzt – da habt's gehockt bis nach Mitternacht und habt's den feinen Leuten eins aufgespielt als die »Wiener Damenkapell« oder »Die Veigerl vom Donaustrand«. Seht's, da habt ihr Euch Eurer Heimat zum andern Mal geschämt.«

Seppl, halt still! Der Zachenhesselhans zwickt Dich. Weh tut's, aber recht hat er. Halt still, Seppl, auf dem Zechenhäusl ist der Mali ihr Platz leer!

Dem Zachenhesselhans ist die Pfeife ausgegangen. Er weiß es nicht, saugt am kalten Rohr und meint: nicht einmal mehr vor einer Pfeif Tobak hat das Mückenvolk Respekt.

Der Wald steht schwarz und still wie eine Mauer. Ein Käuzlein ruft aus dem Grund herauf, und aus den Wipfeln im Tal spinnen sich die Nebel hervor. Die legen sich in weißen langen Streifen über die Gründe. Das Wässerlein klingt in gleichmäßigem Fall in den Brunnentrog. Der Himmel ist blank. Stehen nur wenige Sterne darin. Die Engel haben heut im Waldlande zu tun, so himmelstill ist's dort, und haben keine Zeit, die Lichter droben herauszustecken.

Das Zechenhäusl hat sein Abendpfeiflein ausgeraucht, justament wie der Hans auch, – und merkt's keiner als die Mücken.

»Jetzt« – der Zachenhesselhans saugt am Pfeiflein und meint: er sitz' in einer dichten Wolke Tabakrauch – »jetzt: da ist die »Wiener Damenkapell« in die Brüche gegangen … Willst etwas sagen, Weltfahrer? Sie hat gehalten? Gut. Hat sie – so ein Jahrer sechs oder zehn, i, was red' ich! Also: der Seppl hat sich gewöhnt, um die Morgenfrüh in die Federn zu kriechen und dem Herrgott seine Tage zu verschlafen. Des Nachts hat er gewacht, hat gesungen und Bier getrunken – hat eine verkehrte Welt gemacht. Jetzt – da hat sein schöne Singstimme einen Riß gekriegt, und die Gitarr hat nichts mehr recht gemacht. Von da ab ist der Seppl auf die Dörfer gezogen und hat auch wieder manchmal an's Waldland gedacht.

Warum ist er denn damals nicht heimgekommen?«

»Er dachte: er wollt's schon noch zu was bringen,« sagte der fahrende Mann.